Am 24. April beginnt das Wienerlied-Festival Wean Hean, ein Abend im Theater Akzent ist der Violinistin Julia Lacherstorfer gewidmet und trägt den Titel „Perpetua Julia!“ Grund genug, die umtriebige Musikerin zum Interview zu bitten. Noch dazu erscheint in diesen Tagen die neue CD ihres Duo-Projektes Ramsch & Rosen. Das Interview führte Jürgen Plank.
Wie war dein musikalischer Werdegang?
Julia Lacherstorfer: Ich bin 1985 in Bad Hall, in Oberösterreich, geboren. Meine Familie hat sehr viel musiziert. Meine Eltern spielen selber Volksmusik. Mein Großvater war Gastwirt, hat über uns gewohnt und sehr viel Akkordeon gespielt. Er hat uns Kinder immer gefördert und uns zum Singen gebracht. Daher war Volksmusik eigentlich die erste Musik, die ich erlebt habe und die mich sehr begeistert hat. Daher habe ich diese Musikrichtung weiterverfolgt und viele Musikschulen besucht. Dann bin ich nach Wien gegangen, um Musik zu studieren. Hier habe ich auch eigentlich alle meine Formationen gefunden.
Welche Instrumente hast du als Kind gelernt und was hast du dann genau studiert?
Julia Lacherstorfer: Ich habe mit 5 Jahren mit der Geige begonnen. In der Gruppe meines Vaters gab es einen Geiger, und der war meine Inspirationsquelle. Es war das erste Instrument, das mich interessiert hat und dabei ist es auch geblieben. Ich hatte aber auch Klavierunterricht, Tanz- und Gesangsunterricht. Studiert habe ich dann zuerst Musikerziehung, Psychologie und Philosophie, bis ich gemerkt habe, dass mein Schwerpunkt viel mehr im künstlerischen Bereich liegt und weniger im Pädagogischen. Ich habe ein Jazzgeige-Studium in Linz begonnen, dass ich noch immer verfolge.
Seit wann trittst du als Musikerin auf Bühnen auf?
Julia Lacherstorfer: Ich mache das schon immer. Durch das Volksmusikspielen in der Familie war das ganz normal, für Leute und vor Leuten zu spielen. Aber im Sinne einer Konzertbühne und eines eigenen Konzertprogramms hat sich das erst seit den Jahren 2005 bzw. 2006 immer mehr in diese Richtung entwickelt.
Bist du auch International unterwegs mit deinen verschiedenen Projekten?
Julia Lacherstorfer: Ja, am meisten unterwegs sind wir mit Alma. Wir hatten jetzt gerade eine Tour durch Südtirol und Deutschland, in den nächsten Monaten reisen wir nach Dänemark, Bulgarien und Schweden. Es gibt überall auf der Welt Festivals. Wir sind auch jetzt angefragt worden für ein Festival in Peru, das mit dem internationalen Klimagipfel zusammenfällt. Wenn alles klappt, soll das im November stattfinden.
Was ist Alma? Was macht ihr in dieser Formation?
Julia Lacherstorfer: Alma ist ein fünfköpfiges Ensemble, vier Musikerinnen und ein Musiker. Wir spielen mit drei Geigen, mit steirischer Harmonika und mit Kontrabass und wir bearbeiten traditionelle Volksmusik. Wir schreiben aber auch selbst Stücke. Unser Zugang ist eher experimentell. Es ist uns jetzt nicht so wichtig originaltreu zu spielen, sondern es ist uns ein Anliegen, Klangwelten zu erschaffen, die man im Zusammenhang mit dieser Musik nicht unbedingt erwartet, da uns Improvisation auch sehr wichtig ist. Es macht uns viel Freude ein Stück und unsere Instrumente dahin zu transportieren, wo man es nicht erwartet würde.
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Ist Alma ein Querverweis auf Alma Mahler oder auf das spanische Wort für „Seele“?
Julia Lacherstorfer: Auf die Seele. Für uns ist Volksmusik eine sehr beseelte Musik und das ist es, was die Leute berührt, da es die eigenen Wurzeln aufweckt und weil es eine sehr energetische Musik ist, bei der alle mit großer Leidenschaft beteiligt sind. Ein bisschen steckt auch die Alm drin. Viel von unserer Musik ist auf Almen entstanden und wird auf Almen gespielt. Daher war das eine schöne Wortverbindung.
Wenn ihr international unterwegs auf Festivals seid, kommt es dann auch zu Jam-Sessions mit Musikerinnen und Musikern, die aus anderen Richtungen kommen, oder auch aus anderen Ländern?
Julia Lacherstorfer: Ja, das passiert sehr oft. Diese Zusammentreffen von Gruppen aus verschiedensten Ländern sind immer ganz bereichernd. Es kommt natürlich immer darauf an, wie die Touren organisiert sind und wieviel Zeit dafür einberechnet ist. Wir versuchen eigentlich immer, ein paar Tage vorher und nachher dran zu hängen, damit man wirklich in ein Land ein bisschen eintauchen kann, und eben nicht nur zum Spiele hinfliegt und dann sofort wieder wegfliegt. So kann man ja nichts von der Kultur aufnehmen und nicht in Kontakt mit Menschen treten. Wir versuchen immer, diesem Kontakt einen großen Raum zu geben.
Nun bist im Rahmen des Festivals Wean Hean aktiv, Es gibt einen Abend, der Dir gewidmet ist und „Perpetua Julia!“ genannt wird. Was wird denn an diesem Abend im Theater Akzent passieren?
Julia Lacherstorfer: Dieser Abend gibt mir die Gelegenheit, mit meinen drei Ensembles aufzutreten, mit denen ich gerade hauptsächlich spiele. Es wird sich von wenigen zu vielen Leuten auf der Bühne steigern. Ich beginne mit meinem Duo Ramsch & Rosen. Wir werden unsere erste CD „Bellver“ präsentieren. Wir beschäftigen uns viel mit alten Melodien, wischen Staub weg und arrangieren sie für unsere eher ungewöhnliche Besetzung: Zither, Trompete, Geige und Gesang. Danach spiele ich mit Alma, das ist für mich ebenfalls ein großes Herzensprojekt. Wir spielen unser Programm „Nativa“. „Nativa“ im Sinne von verwurzelt, verwurzelter Musik. Am Schluss spiele ich mit Neuschnee. Hier ist der musikalische Kopf eigentlich Hans Wagner, ein Musiker aus Berlin, der in Wien lebt, viel Theatermusik komponiert und wunderschöne Musik für Streichquartett, Gesang und Schlagzeug schreibt. Und der auch sehr schöne Texte macht.
Wie sehr bist du da gefordert als Musikerin, wenn du an einem Abend mit drei verschiedenen Bands auftrittst? Erfordert das eine minutiöse Vorbereitung über Wochen?
Julia Lacherstorfer: Also, es ist schon eine Herausforderung, auch technisch. Es ist ein sehr großes Theater, es muss alles verstärkt sein und es sind viele Leute beteiligt, die man immer über alles informieren muss. Wir haben vor Wochen begonnen, Ablaufpläne zu schreiben, uns genau zu überlegen, wieviel Zeit wir für Umbau, Aufbau und Soundchecks haben. Natürlich ist es auch energietechnisch eine Herausforderung, da man die ganze Zeit hochkonzentriert sein muss und das vom ersten bis zum letzten Ton. Aber alle Ensembles sind gut eingespielt und sehr energetisch, daher glaube ich, dass es ein schöner Abend wird.
Du präsentierst an diesem Abend auch eine CD mit der Formation Ramsch & Rosen, die CD heißt „Bellver“. Was bedeutet das und was wird darauf zu hören sein?
Julia Lacherstorfer: „Bellver“ bedeutet „schöne Aussicht“ oder „schöner Blick“. Es ist ein Ort in Spanien, an dem Simon Zöchbauer, mein Duopartner letztes Jahr war. Uns hat dieses Wort sehr gefallen, da es unseren Zugang zu dieser Musik verdeutlicht. Wir versuchen ein bisschen zwischen den Zeilen zu hören. Und wir werfen quasi einen schönen Blick auf das, was nicht sofort ersichtlich ist wenn man sich mit sehr alter Musik beschäftigt. Wir haben auch Miniaturen aufgenommen auf unserer ersten Platte. Es ist ein sehr persönliches Album, weil Simon und ich zuerst eigentlich ein Paar waren und erst später musikalisch unser Projekt auf die Beine gestellt haben. Und alles was wir machen, ist mit unserem privaten Leben auch verknüpft. Viele Stücke und Arrangements stammen von Reisen, die wir gemacht haben. Viele Eindrücke aus unserem Leben stecken in diesem Album, eben auch diese sogenannten Miniaturen. Das bedeutet für uns so etwas wie ein Seelenabdruck wie ein Stempel eines Gefühlsausdrucks. Die haben wir solo aufgenommen, also jeder für sich hat sich ein paar Miniaturen ausgedacht und auf dieser CD verewigt. Das gefällt mir persönlich eigentlich sehr gut, dass man sich auch in 5 Jahren noch erinnern wird was genau zu dieser Zeit passiert ist.
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Wie heißt der Kollege genau?
Julia Lacherstorfer: Mein Partner heißt Simon Zöchbauer, er ist Trompeter, auch bei der Gruppe Federspiel. Ebenfalls seit vielen Jahren spielt er Zither. Er entdeckte auf dem Dachboden seiner Großmutter diese alte Zither und hat sich das Spielen selber beigebracht. Wir verwenden auch verschiedenste andere Instrumente. Ich verwende viel Schellen. Wir haben schon öfters Indienreisen gemacht, von wo wir Instrumente mitgebracht haben, z.B. eine Shruti Box, die einen sehr schönen, vollen Klang hat und eigentlich das Pendant zur österreichischen Drehleier ist und Bordun-Töne erzeugt.
Nun bist du ja noch relativ jung, wie wird das in deinem Umfeld aufgenommen, dass du dich mit Volksmusik und traditioneller Musik beschäftigst?
Julia Lacherstorfer: In meinem Umfeld gibt es natürlich mittlerweile sehr viele Leute, die sich ebenfalls damit beschäftigen, und der Freundeskreis ist natürlich auch dadurch geprägt, was man beruflich und musikalisch macht. Es ist nicht so, dass ich mich ausschließlich mit Volksmusik beschäftige, aber das ist schon die Musik, die mir am meisten am Herzen liegt und bei der ich meine größte Kompetenz habe. Aber durch mein Jazzstudium oder durch die Tätigkeit mit der Gruppe Neuschnee bin ich auch in sehr vielen anderen Bereichen tätig. Viele der Kollegen wissen im ersten Moment vielleicht nicht so genau, wie das klingen könnte, was ich mache. Aber sie sind total offen und interessiert an dieser Art der Musik, was mich auch immer wieder selber überrascht, da ich den Eindruck habe, dass noch vor 5 bis10 Jahren die Reaktionen auf die Beschäftigung mit Volksmusik nicht so unbefleckt war.
Komponierst du auch selbst Stücke?
Julia Lacherstorfer: Meine kompositorischen Aktivitäten haben in den letzen Jahren immer mehr zugenommen. Für mich ist es eigentlich das Wichtigste an meinem musikalischen Dasein, weil ich das Gefühl habe, dass ich mir selber Schreiben kann, was ich selber gerne hören würde, und weil man dadurch auch die Musik in gewisser Art und Weise weiterentwickelt. Nicht weil sie das notwendig hat, sondern weil man selber so eine Idealvorstellung von einem Stil hat. Und indem man selber schreibt, kann man sowohl seinen innerlichen Zuständen Ausdruck verleihen als auch Gefühlszustände im Publikum hervorrufen oder Bilder erzeugen. Es gibt immer wieder Leute, die kommen und sagen, Sie hätten noch nie zuvor Räume so richtig gesehen oder sie hätten beim Zuhören bestimmte Bilder gesehen. Das freut mich sehr, weil ich dasselbe beim Komponieren auch sehe und es für mich schöne ist, wenn ich merke, dass dieses Gefühl durch die Musik transportiert werden kann.
Wie ist dein Zugang zum Wienerlied?
Julia Lacherstorfer: Ich habe als Kind in Niederösterreich sehr viele Volksmusikwochen erlebt, obwohl ich aus Oberösterreich stamme, und da war Wiener Musik immer ein fixer Bestandteil. Meine Mama hat damals immer die ganzen Abende auf Kassetten aufgenommen, und das haben wir dann das ganze Jahr über gehört. Es gab z.B. eine sehr legendäre Kassette von Hojsa & Emersberger. Und ich habe diese Lieder auswendig gekonnt, meine Schwester auch. Wir haben das sehr geliebt, wir mochten alle Arten von Schrammelmusik. Aber das Wienerlied ist mir total vertraut und es macht mich sehr glücklich Wienerlieder zu hören.
Warum soll man denn unbedingt zu Wean Hean gehen und sich zum Beispiel deinen Abend im Theater Akzent anschauen?
Julia Lacherstorfer: Man sollte unbedingt zu Wean Hean gehen, weil es ein Festival ist, das immer wieder sehr individuelle Formate auf die Bühne bringt. Es wird nicht so schnell einen Abend geben, an dem ich mit drei Bands auf der Bühne spielen werde. Außerdem gibt es so viele interessante Themen beim Festival: Die Musikerinnen und Musiker beschäftigen sich über einen bestimmten Zeitraum sehr intensiv mit einem Thema und bringen das auf die Bühne und es ist unbedingt notwendig, dass man dem auch einen gebührendes Publikum verschafft.
Mi 30. April 2014: „Perpetua Julia!“, Theater Akzent, Theresianumgasse 18, 1040 Wien, Beginn:
Ramsch & Rosen: „Bellver“ (Lotus Records)
Alma: „Nativa“ (col legno)
Fotos: Jürgen Plank