Das Jazzit gehört weit über die Salzburger Stadt- und Landesgrenzen zu den renommiertesten Spielstätten für Jazz und Artverwandtes. Das zeigen nicht zuletzt Auftritte von Jazzgrössen wie Al di Meola, Ron Carter, David Murray, Pharoah Sanders oder dem Sun Ra Arkestra. Aber auch die lokale wie die überregionale Jazz-Szene in Österreich wäre um einiges ärmer, hätte das Jazzit nicht nach Jahren der Wanderschaft vor genau 10 Jahren sein jetziges Domizil in ehemaligen Räumlichkeiten des Salzburger KPÖ-Volksheimsaufgeschlagen. Seit 22 Jahren fungiert dabei Andreas Neumayer als künstlerischer Leiter, zuerst für “Jazz im Theater”, später für Veranstaltungsreihe “Jazzit” aus der schließlich der gleichnamige “Musik:Club” hervorging. Didi Neidhart traf sich mit ihm zum mica-Interview.
Wie und warum kam es 1990 zur Übernahme der 1981 von Walter Struger in Salzburg gegründeten Initiative „Jazz im Theater“?
Zu diesem Zeitpunkt war ich bereits als Veranstalter von Jazz- und Rock-Konzerten tätig und Walter Struger wollte sich zurückziehen. So kam er einfach auf mich zu.
Hat sich damals dadurch auch inhaltlich etwas verändert?
Nach außen hin hat sich nicht sehr viel verändert. Mein Anliegen war auch, Jazz- und Avantgardekonzerte in Salzburg zu veranstalten, aber ebenso die lokale Szene mehr zu integrieren. Dass sich persönliche Vorlieben in der Programmierung niederschlugen bzw. niederschlagen, steht außer Frage.
Wie war das, als 1996 “Jazz im Theater” seine Spielstätte (die alte Elisabethbühne in Salzburg) verlor? Das muss doch ein Schock gewesen sein für eine Institution, die seit gut 15 Jahren avancierten Jazz nach Salzburg gebracht hat.
Jede Veränderung, auch wenn sie von außen erzwungen ist, kann auch eine Chance für einen Neustart darstellen. Wer weiß, ob es sonst das “Jazzit” in der Elisabethstraße überhaupt geben würde?
Wie hat sich die Jazz-Szene in den letzten 10 Jahren verändert und was ist davon im Jazzit spürbar?
Es gibt immer mehr junge, überaus kreative, talentierte MusikerInnen, die “Jazz” spielen. Was es auch schwierig macht, wenn man sich mit der Fülle an Anfragen konfrontiert sieht und dann leider einfach sehr oft “Nein” muss. Reagiert haben wir jedoch darauf, dass wir im Jazzit vor knapp zwei Jahren die Konzertreihe “Lokal*Global” initiiert haben, in deren Mittelpunkt lokale und nationale MusikerInnen und ihre Projekte stehen.
Was ist “Jazz” im Jahr 2012 für euch?
Wir sehen uns als “Musik Club”, in dem neben Jazz auch andere Spielarten wie Weltmusik, HipHop und Experimentelles Platz finden. Wir wollten uns von Beginn an nicht nur in die “Jazz”-Schublade drängen lassen, sondern bewusst offen bleiben, für neue Strömungen. Deshalb auch der Name “Jazzit:Musik:Club”.
Wie sieht die finanzielle Situation des Jazzit aus?
Zwar hat sich die finanzielle Situation etwas gebessert (vor allem die Stadt Salzburg sieht allmählich den hohen Stellenwert des Jazzit im Salzburger Kulturleben), jedoch gestaltet sich die Suche nach potentiellen Sponsoren sehr schwierig.
Wie wichtig ist es dabei für euch auch als sozio-kultureller (manchmal geradezu familiärer) Ort, als Treffpunkt für Gleichgesinnte, Neugierige und Zufallsbekanntschaften zu fungieren und auch so wahrgenommen zu werden? Jazz hatte und hat ja immer auch diesen Community-Gedanken in sich.
Sehr wichtig! Gerade dieser Community-Gedanke war einer der zentralen Punkte, die sich in unseren Sommergesprächen herauskristallisiert haben, den MusikerInnen und BesucherInnen so sehr schätzen.
Diese “Jazzit Sommergespräche” gab es heuer im Juni/Juli unter der Leitung eines professionellen Mediators, wozu ausgesuchte VertreterInnen der Salzburger Musikszene (MusikerInnen, JournalistInnen, Jazzit-Stammgäste, Fans, etc.) eingeladen wurden. Wie seit ihr auf diese Idee gekommen und was waren die Ergebnisse?
Ziel dieser Gespräche war, die Jazzit-Community zu stärken bzw. weiter auszubauen. Zusammenfassend können wir sagen, dass sich einige Punkte dabei herauskristallisiert haben: Erstens: Die familiäre Atmosphäre, das persönliche Miteinander wird sehr geschätzt. Also genau dieser Community-Gedanke, der auch in Nik Bärtsch in seinem Artikel im Jazzit:Buch sehr stark hervorgehoben hat. Dass zu diesen beiden Terminen alle (!) Eingeladenen gekommen sind, beweist ja schon, wie sehr sich die Menschen für “ihr” Jazzit zu engagieren bereit sind. Zweitens: Die Jazzit:Bar als organischer Bestandteil des Gesamtkonzeptes Jazz-Club. Also genau jener Punkt, an dem letztes Jahr viel gearbeitet wurde und wo sich sehr viel bewegt hat!
In seinem Beitrag “Improvisation: Eine Club-Philosophie” attestiert Clemens Panagl (Salzburger Nachrichten) dem Jazzit, seinem “Grundprinzip: Musikalische Neugier” immer treu geblieben zu sein. Ist das so leicht wie es scheint, oder braucht es dazu nicht auch immer jeweils neue Motivationsschübe?
Es gibt so viele spannende Projekte, immer wieder – das sind die besten Motivationsschübe!
Was waren die schönsten, tollsten, besten Momente, Abende, Erlebnisse in den letzten 10 Jahren Jazzit?
Das waren die Momente, in denen ein Konzert sich als absoluter musikalischer “Glücksgriff” erwiesen hat. Egal, ob großer Star oder Neuentdeckung.
Wie kriegt man als relativ kleiner Club (auch vom Budget her) Legenden und Stars wie Abdullah Ibrahim, Al di Meola, Jamie Lidell, Ron Carter, David Murray, Pharoah Sanders oder Tony Allen auf die Jazzit-Bühne?
Sicher durch Verhandlungsgeschick, indem man sich den “Day Off” mit einem für das Jazzit finanzierbaren Angebot sichern kann. Sehr viele dieser großen Stars, die bei uns im “kleinen Club” gespielt haben, waren so begeistert von der intimen, familären Atmosphäre, dass sie wiederkommen woll(t)en.
Zwischen 1996 und 2002 gab es die “Exil- und Wanderjahre durch viele Salzburger Spielstätten”. D.h., die Jazzit-Veranstaltungen fanden während dieser Diaspora wahlweise zwischen ARGE Nonntal, Rockhouse und dem Republic statt. Wie gestaltete sich damals die Zusammenarbeit mit den anderen Institutionen? Gab es da auch gegenseitige Befruchtungen?
Das Jazzit war ein gern gesehener Mieter in diesen anderen Institutionen.
Während des “Exils” begann sich der Jazzit-Focus auch vermehrt in Richtung Electronica und DJ-Culture zu erweitern? War das auch den jeweiligen Locations geschuldet (in der Arge Nonntal gab es damals ja mit “Liquid Planet” schon eine eigene DJ-Reihe), oder eine Reaktion auf Entwicklungen innerhalb des Jazz und der verstärkten Hinwendung zu Jazz seitens Electronica und DJ-Culture (etwa via des “Sound of Vienna”)?
Das war eine Reaktion auf die Entwicklungen im Jazz bzw. in der Musik dieser Zeit.
Wie fügen sich aktuelle DJ-Reihen wie Beatshot und Jamboree ins Grundkonzept des Jazzit ein?
Die Reihe Beatshot ist eine nicht kommerzielle Drum & Bass-Reihe und mit dem Jazzit groß geworden. Und so sahen und sehen wir sie auch ins Konzept passend. Die Dancehall-Reggae-Reihe Jamboree bietet aber nicht nur DJs, sondern auch Live-Acts. Beide Schienen positionieren sich abseits des Mainstreams.
Das Jazzit versteht sich ja auch als kulturelles Zentrum mit dem Anspruch nicht nur internationale Acts nach Salzburg zu bringen, sondern auch die lokale (Jazz-)Szene zu fördern. Es gibt die Jazzit Sessions, regelmässige Klub Mildenburg-Abende, aber auch Workshops (z.B. “Improvisation für Kinder”) und sogar ein eigenes Plattenlabel. Mit welchen Leuten arbeitet ihr da zusammen und wie hat sich dadurch die Salzburger (Jazz)Szene verändert?
Das ist jeweils unterschiedlich. Es sind jedoch immer Leute aus der heimischen MusikerInnen-Szene. Insbesondere die Jazzit:Sessions sind in Salzburg, wo es noch immer keine universitäre Jazz-Ausbildung gibt, die einzige Möglichkeit aufzutreten und sich auszutauschen.
Wie schwer ist der Spagat zwischen verheissungsvollen Newcomern sowie Experimenten, die vielleicht nicht soviel Leute ziehen und grossen Namen bzw. etwas “leichterer” Kost, die das Haus füllen? Gehen sich in wirtschaftlich angespannten Zeiten Experimente überhaupt noch aus, oder muss verstärkt auch in Sachen Jazz auf eine gewisse Mainstreamtauglichkeit oder den Bekanntheitsgrad gesetzt werden?
Leider ist es nach wie vor schwierig, Konzerte mit Newcomern bzw. mit Acts aus dem Avantgarde-Bereich zu veranstalten und damit den Saal zu füllen. Gerade diese Konzerte sind oft die wirklichen, musikalisch spannenden Highlights! Mit großen Namen bzw. anderen Angeboten (z.B. den Kinder-Workshops, die von Eva Altenbuchner betreut werden, die ja auch im Jazzit:Office arbeitet und dort für alles Organisatorische sowie für die Grafik zuständig ist) schaffen wir es jedoch, manche Leute zu einem ersten Jazzit-Besuch zu bewegen.
Auf “Mainstream” zu setzen würde jedoch bedeuten, unseren Zielen bzw. unserem selbst auferlegten Kulturauftrag untreu zu werden.
Was wünscht ihr euch für die Zukunft des Jazzit?
Dass aus dem “Planet:Jazzit” eine “Galaxie:Jazzit” werden möge! Ganz im Sinne des Mottos “Space is the Place” von Sun Ra.
Danke für das Interview.
Jazzit