Der Gitarrist Dominik Nostitz ist auch Veranstalter: Im Verein 08 im achten Wiener Gemeindebezirk gibt es Veranstaltungen von Literatur und Film bis Musik. Im mica-Interview mit Jürgen Plank erzählt Nostitz von seinen musikalischen Wanderjahren und von zukünftigen Projekten: Von Kartonkonzerten und von seiner geplanten Debüt-CD.
Du betreibst als Veranstalter den Verein 08 im achten Wiener Gemeindebezirk. Seit wann machst du Veranstaltungen?
Wir feiern heuer ein 5-Jahres-Jubiläum, den Verein 08 gibt es seit 2002. Wir haben damals eine alte Töpferei zum Veranstaltungsraum umgebaut. Die Location ist wie ein Wohnzimmer gestaltet, mit Tischen und Sofas, die wir geschenkt bekommen haben. Seit März 2003 haben wir wirklich regelmäßig Programm. Wir haben mit einer Lesung eines chinesischen Schubhäftlings begonnen. Danach haben sich viele Veranstaltungen aus den Bereichen Literatur und Film entwickelt, sehr viel Musik und viele Mischformen.
Welche Bands haben schon im Verein 08 gespielt?
Quer durch die Bank. Musikalisch gesehen hatten wir etwa unsere irischen Freunden hier: David Kitt, Martin Finke und Mundy. Von den Österreichern waren sehr spannend Hautzinger/Hinteregger/Perger und Son Of The Velvet Rat. Bob Hewis entfaltet hier immer wieder ein neues Programm, einmal macht er einen Tom Waits-Abend, einmal einen zu Shakespeare, mit Laute. Einmal zu Towns van Zandt, im November 2007 will er einen Johnny Cash-Abend machen. Es gibt also einzelne Leute, die immer wieder neue Ideen umsetzen oder man schreibt KünstlerInnen an bzw. Leute melden sich, die gerne spielen möchten. Es gab auch schon australische Straßenbands bei uns.
Wie viele Veranstaltungen gibt es pro Jahr?
An sich jeden Donnerstag. Im Sommer haben wir jetzt ein wenig Pause gemacht, aber dafür hatten wir eine namibische Band an einem Dienstag. Es kommen auch aus dem Ausland MusikerInnen, die gerade auf Tournee sind und durch irgend welche Zufälle schreiben sie mich an. Ungefähr kommen wir auf ca. 50 Veranstaltungen.
Als Veranstalter hat man vieles zu tun: Vom Booking der Bands bis zum Instandhalten der Infrastruktur bis zur PR. Machst du das alles alleine oder wie läuft das?
Wir arbeiten hier in der Wohnzimmer-Atmosphäre. Ein bisschen Chaos ist auch immer dabei. Wichtig ist der private Kontakt zu den MusikerInnen, wir haben kein Budget, es gibt nur den Hut, der herumgeht. Wir können den Artists bezüglich Gage nicht viel versprechen, die Gage wird mit dem Hut abgesammelt. Aber es ist noch jeder gekommen und glücklich wieder gegangen. Das wird in unserem Gästebuch festgehalten. Ein halbes Jahr nach einer Veranstaltung habe ich zum Beispiel von einem rumänischen Schriftsteller ein e-mail aus Schottland bekommen, in dem er schreibt, wie gut es ihm gefallen hat. Ich lade auch oft Leute ein, die ich nie zuvor gesehen habe und nur aus ein oder zwei e-mails kenne. Aber ich sage instinktiv: Der könnte passen – und bisher hat es auch immer gepasst, es war nie eine schlechte Erfahrung dabei. Es gibt nicht wirklich eine Bühne, sondern in dieser kleinen intimen Atmosphäre passiert der Austausch. Es soll vom Feeling her so sein, als ob spontan, in einem privaten Raum künstlerisch kommuniziert wird. So ist die Philosophie bezüglich unserer Veranstaltungen.
Du bist selbst auch Musiker, wie hast du begonnen?
Ich habe mit 16 begonnen, ich habe zum Geburtstag eine akustische Gitarre geschenkt bekommen und begonnen Akkorde zu finden. Dann war ich bald mal auf der Strasse damit, da erfindest du zu D-G-C-Akkorden mit der Zeit neue Dinge dazu, von denen du vielleicht gar nicht genau weißt, wie die heißen. Die klingen ein bisschen jazziger und passen in ein Funk-Gerüst. Ich war von 1992 bis 1994 Straßensänger, in Paris, London und Rom. In Paris war ich nie länger als 3 Monate, dann auch wieder in Wien sechs Wochen und dann wieder weiter, immer mit Autostopp und bis auf ein Mal in der Schweiz habe ich auch nie schlechte Erfahrungen gemacht. Ich wollte einfach die Städte sehen und habe mich überall hingepflanzt. Mein Schreiben von Musik war sehr auf den Moment hin ausgerichtet.
In Paris gibt es rund 200 Clubs, in denen jeden Abend Konzerte stattfinden und die Gagen für die Auftretenden werden durch Absammeln mit dem Hut eingehoben. War das ein Vorbild für deinen Verein08?
Nein, ich habe in Paris eher weniger in Clubs gespielt. In New York habe ich auch mal gespielt, da wurde auch mit einem Champagner-Kübel abgesammelt. Ich habe wenig Vorbilder gehabt bezüglich Verein 08, das ist einfach ein Raum, der selbst die Vorgaben macht.
Wie ist deine Musik?
Ich habe unterwegs viel italienisches, französisches, amerikanisches Songgut kennen gelernt, in verschiedenen Sprachen. Man lernt natürlich viele MusikerInnen kennen und spielst in verschiedenen Bands. Jetzt kenne ich auch einen Pool von MusikerInnen und wenn es ein Songwriting-Festival ist, dann ist das Material eher in diese Richtung gesetzt. Bei einem Jazzabend ist das Song-Material verjazzt, dann wird es funkig. Man hat sozusagen Plastilin, das man zu färben versucht. Es ist alles sehr modular angelegt.
Gibt es bestehende eigene Songs oder ist alles variabel?
Nein, es gibt rund 200 Songs und laufend kommen neue dazu. Viele sind Gerüste, viele stehen seit Jahren. Bisher habe ich es noch nicht geschafft, etwas aufzunehmen, wahrscheinlich bin ich noch immer in dieser Straßensänger-Mentalität. Ich wünsche mir aber nichts sehnlicher als endlich ein Team zusammen zu stellen und zu sagen: Da und da und mit dem und dem machen wir das und das. Songs gibt es genug dafür. Vieles bleibt bei mir in der Spontaneität, weil ich nie gelernt habe einen Song wirklich 1:1 zu reproduzieren und als Autodidakt hat man einfach sehr viel Freiheit, sehr viele erfundene Akkorde in meinen Songs und deshalb fällt es mir nicht leicht, das 1:1-Prinzip zu schaffen. Ich glaube zumindest, dass man das fürs Studio braucht. Vielleicht stimmt das auch gar nicht. Es gibt schon immer wieder sporadische Aufnahmen, aber nie ein Dokument im klassischen 12-Song-Format, aber das möchte ich unbedingt schaffen. Vielleicht schaffe ich es heuer oder nächstes Jahr so etwas wie ein musikalisches Tagebuch zu veröffentlichen, in dem dann z.B. 12 Tage drinnen sind. In diese Richtung gibt es Überlegungen.
Du hast heuer im Rahmen von Soho in Ottakring zwei Reihen kuratiert, worum ist es dabei gegangen?
Das war im Rahmen von “Open Here”. Das Thema war Migration, Bewegung und Wanderschaft. In einem europäischen Kontext habe ich einige Veranstaltungen kuratiert. Eine Reihe hieß “Musical Distillery”, die steht im Kontext dieser spontanen musikalischen Zusammenkunft. Interkultureller Jam ist vielleicht zu abgegriffen als Begriff, aber das war sehr schön! Es gab eine Bühne im Ragnarhof, ich habe MusikerInnen aus verschiedenen Kulturen eingeladen, die verschiedene Instrumente spielen: Ein sudanesischer Kalimba-Spieler, Sänger und Gitarrist, ein iranischer Pianist, ein österreichischer Trompeter, ein tunesischer Percussionist, ein amerikanischer Songwriter usw., es war eine wilde Mischung. Bob Hewis hat moderiert. Insgesamt waren 12 MusikerInnen da, das Publikum hat eine Zahl ausgewählt und auf diese Weise bestimmt, wie viele MusikerInnen miteinander jammen. Das ist sehr fein aufgegangen, das möchte ich auf jeden Fall weiter machen.
Wie war die zweite Reihe?
Das waren die so genannten Kartonkonzerte, die hatten den Ansatz, dass Musik grenzenlos ist und die Frage war, wie bringt man diese Idee der Migration und des Kennenlernens von anderen Kulturen in einen audio-visuellen Kontext. Mir ist dazu ein Paket eingefallen, das man wie ein Geschenk über Grenzen versendet. Einem Geschenk steht man vorurteilslos gegenüber, denn ein Geschenk ist immer etwas Gutes. Es gab große, überdimensionale Kartons, in denen Musik performed wird, an die man sich herantasten kann. Im Karton wird Musik performed und man musste sich auch physisch an diesen Karton annähern und sich auch die Zeit nehmen durch die kleinen Löcher zu schauen, um zu erkennen, was da drinnen los ist.
Für mich war das auch ein Versuch im öffentlichen Raum zu experimentieren – an dieser Linie möchte ich weiterarbeiten und überlegen, ob man daran noch etwas verbessern kann. Ich habe in diesem Karton auch mit einer Gruppe MusikerInnen gespielt und es ist schon sehr eigenartig. Du weißt ja auch nicht, wie groß dein Publikum ist. Es können 3 Leute sein, oder 30, oder 100 und du versuchst aber zu kommunizieren. Du kommunizierst intern spontan und musst auch lernen, wie man die Sprache nach außen erlernt, zu Leuten, die man nicht kennt und nicht sieht.
Veranstaltungen jeden Donnerstag, Piaristengasse 60, 1080 Wien, Beginn: 20h