mica-Interview David Pfister (Neigungsgruppe Sex, Gewalt und gute Laune)

mica-Interview David Pfister (Neigungsgruppe Sex, Gewalt und gute Laune)Die Neigungsgruppe Sex, Gewalt und gute Laune ist das beste Beispiel dafür, wie aus einem anfänglichen Spaßprojekt eine ernstzunehmende Band werden kann. Die von den FM4 Moderatoren David Pfister, Fritz Ostermayer, Christian Fuchs und Robert Zikmund ins Leben Combo überraschten vor wenigen mit ihrer ureigenen Version des Wienerlieds und trafen damit wohl genau den Zahn der Zeit. Im Herbst steht nun die Veröffentlichung des Zweitlingswerks an. David Pfister im Interview mit Michael Ternai über das neue Album, die heimische Musikszene und warum der Neigungsgruppe-Schmäh auch in Deutschland verstanden wird.  

Vielleicht kannst du am Anfang erzählen, wie die Neigungsgruppe Sex, Gewalt und gute Laune überhaupt entstanden ist.

David Pfister: Naja, wir haben im Rahmen der Lesungen, die wir damals gehalten haben, immer wieder auch eigene Lieder gesungen oder etwas gecovert. Die Musik war ja schon damals Bestandteil der Lesungen. Irgendwann hat der Christian Fuchs dann aus Spaß eine für eine Weihnachtsfeier gedachte Coverversion von Fuck Forever gemacht, die wir schließlich auch live im Rahmen einer unserer Lesungen gespielt haben. Es sind in Folge dann immer mehr Lieder dazugekommen, bis so viele beisammen waren, dass man eine Platte machen konnte. Aus dieser Dynamik heraus ist das Ganze in eine andere Richtung gegangen, sodass letztlich ein Musikprojekt entstanden ist.

Und wie kriegt ihr eigentlich alles unter einen Hut. Ihr arbeitet bei FM4, habt relativ viele Konzerte und habt auch noch zahlreiche andere Projekte nebenher laufen.

Inzwischen haben wir einen Booker, der das alles für uns macht. Überhaupt war es früher eher so, dass die Leute uns angeschrieben haben und wir uns eigentlich nicht darum bemühen mussten. Jetzt haben wir eben jemanden, der das für uns macht.

Also ein Schritt in Richtung Professionalität.

Ja, das hat sich immer mehr in diese Richtung entwickelt. Es hat sich vom ambitionierten Gaudium bis hin zu etwas eher Anstrengendem entwickelt.

Weil ihr ja auch in diversen anderen Projekten tätig seid.

Es ist eh ein Wahnsinn, das alles zu koordinieren. Wir haben erst gestern die gemasterte Version unserer neuen Lieder gehört. Die aufzunehmen war schon ein großes Stück Arbeit. Früher haben wir einmal da und dann wieder dort ein Konzert gespielt. Jetzt wollen wir erstmals für zwei Wochen wirklich einmal touren und nicht so stückchenweise, so mosaikartig spielen. Also der Aufwand steigert sich und damit wird echt alles immer anstrengender.

Du hast gerade erwähnt, dass ihr die neuen Stücke gerade gemastert habt. Erzähl doch einmal von eurem Songwriting-Prozess. Wer ist der große kreative Kopf bei euch?

Naja, das hat sich im Grunde genommen radikal verändert, weil wir alle fünf kreative Songwriter-Köpfe sind. Es ist jetzt ein bisschen wie das “weiße Album” geworden. Jeder hat eigene Lieder geschrieben. Überhaupt sind alle Leute autonomer geworden und haben mehr Sachen gemacht. Beim ersten Album haben neben den Coverversionen ausschließlich der Robert Zikmund und ich die Lieder geschrieben. Diesmal waren alle beteiligt.

Wie ist das zu vereinbaren. Ihr kommt ja alle aus unterschiedlichen musikalischen Richtungen?

Das ist eigentlich gar nicht schwierig. Der Sound ist eigentlich eh relativ klar. Da gibt es eben Knotenpunkte, die uns allen wichtig sind. Nick Cave oder was weiß ich was. Da müssen wir nicht darüber diskutieren. Wenn Vorschläge für Coverversionen kommen, wird das dann schon gruppendynamisch besprochen. Bei den Liedvorschlägen weiß sowieso jeder, wie die anderen darauf reagieren. Daher kommt auch niemand mit einer Idee daher, die völlig neben der Neigungsgruppe ist.

Welche Richtung habt ihr mit euren Liedern dieses Mal eingeschlagen. Euer erstes Album bestand ja eine Hälfte aus Coverversionen und die andere Hälfte aus eigener Feder.

Diemal sind es weniger Coverversionen. Wir haben Songs von MGMT, Naked Lunch und TV on the Radio aufgenommen. Also eigentlich sind es nur mehr drei von insgesamt dreizehn Liedern.

Wie glaubst du, werdet ihr wahrgenommen. Als FM4 Band oder als wirklich etwas Eigenständiges. Täusch ich mich da, oder nimmt man euch inzwischen als echte Künstler wahr.

Es wäre schön, wenn es wirklich so sein sollte. Was soll ich dazu sagen? Die eigene Sicht der Dinge ist ja meistens eine völlig andere, wie die der anderen. Jeder von uns Vieren agiert bei FM4 am Rand und macht nicht die Mainstreamsachen. So gesehen, fühlen wir uns auch nicht irgendwie als FM4-Ausgeburt.

Ja, und die Wahrnehmung ist überall anders. Das ist von Bundesland zu Bundesland oder von Land zu Land verschieden. Großartig und angenehm ist es vor allem in Deutschland, wo FM4 zwar noch bekannt ist, wir als Personen aber nicht mit dem Sender assoziiert werden. Aber auch das verändert sich langsam. Es hat sich herausgestellt, dass unter den Leuten, die uns hören, sehr viele ältere Kandidaten dabei sind, die gar nichts mit dem klassischen FM4 Publikum zu tun haben. Irgendwelche Freunde von meinem Vater, oder irgendwelche Wirtshausbrüder, die gar nicht wissen, was FM4 überhaupt ist. Und das ist dann schon super.

 

 

Ihr macht ja auch nicht unbedingt den klassischen Mainstreamsound. Wienerlied, Rock und..

..was auch immer. Es ist schon sehr interessant. Wir haben irgendwie zwei, oder vielleicht sogar drei verschiedene Arten von Hörern. Die FM4 Leute, dann die ganz anderen Leute, die vielleicht wirklich Wienerlieder hören. Und dann gibt es die vermeintlich intellektuelle Personenschaft.

Wo glaubst du, bewegt ihr euch in der österreichischen Musikszene. Mit welchen Leuten hängt ihr besonders gerne ab?

Naja, was mir beim Buchen und beim Zusammenspielen mit anderen Bands auffällt ist, dass wir als Neigungsgruppe doch relativ autark dastehen. So sehe ich das zumindest. Obwohl wir zwar alle Leute kennen, ist es schon ein sehr eigener Kampf. Ich sehe uns auch nicht in einer bestimmten Clique. Was auf der anderen Seite zum Teil auch dazu führt, dass man erst recht mit dem ewigen FM4-Gespenst zu kämpfen hat. Ich merke das auch immer bei den Festivals. Obwohl wir die meisten Leute kennen, hängen wir meist nur gemeinsam herum.Was natürlich nicht heißt, dass wir komplett abgeschottet sind. Wir kommen zum Beispiel sehr gut mit dem “mord”-Umfeld zurecht. Die sind jetzt auch, zumindest Teile davon, an der Konzeption des Layouts der neuen Platte und wahrscheinlich beim Video beteiligt. Wir haben auch mit dem Austrofred Konzerte gespielt und wollten ihn als Gast bei einem Festival haben. Was aber dann nicht funktioniert hat, weil er keine Zeit gehabt hat.

Wie sieht es im Sommer mit Festivalkonzerten bei euch aus und wann glaubt ihr werdet ihr das Album veröffentlichen?

Wir würden es gerne im September veröffentlichen. So ist es zumindest geplant. Ob es aber wirklich funktioniert, weiß ich noch nicht. Jetzt ist es zumindest endlich fertig. War eh mühsam und langwierig. Im Moment werden eben solche Sachen wie das Layout usw. gemacht. Das dauert eh noch ewig, bis alles wirklich fertig ist. Im September soll es eben rauskommen. Und im Herbst ist eine Tour geplant. Oder vielleicht zwei gestaffelte Touren. Eine durch Österreich und eine durch Deutschland.

Und die Zeit bis dahin überbrückt ihr wie?

Naja, indem der Christian Fuchs ein Bunny Lake Album fertig macht. Indem ich mit dem Clemens Haipl an einem Album arbeite, indem der Robert vielleicht einmal auf Urlaub fährt und der Fritz sowieso dauernd am Musikmachen ist, sind wir so oder so voll ausgelastet.

Kann man sagen, dass ihr inzwischen eine richtige Band seid, die auch in Zukunft noch Alben rausbringen wird.

Ich denke prinzipiell schon. Das ist jetzt eine richtige Band, mit allen den Sachen die dazu gehören.

Und wenn sich die Möglichkeit ergäbe auch außerhalb des deutschsprachigen Raumes zu spielen.

Ich glaube nicht, dass das mit dieser Sprache möglich ist. Weil die Texte doch ein wesentliches Element des Ganzen sind. Jetzt spielen wir ja sowieso erstmals in Berlin, Hamburg, Köln und in der Schweiz. Und damit ist es dann erledigt.

Und verstehen die Leute in Deutschland überhaupt euren Humor, der doch sehr speziell ist.

Ja, ja. Wir haben in Deutschland überhaupt mehr Platten verkauft als in Österreich. Es kamen dann irgendwelche Reaktionen von Leuten aus Hamburg, bei denen ich mir anfangs auch nicht vorstellen konnte, dass die uns überhaupt verstehen. Die sehen das eben noch etwas anders. Die haben noch ihre Wien-Klischees von Morbidität usw. im Kopf. Und das wird verstanden, vielleicht ein wenig anders als in Wien, aber doch.

 

 
Wie siehst du eigentlich generell die heimische Musikszene. Wie sieht es da mit neuen  innovativen und kreativen Strömungen aus. Es schießen im Moment wirklich eine Menge neuer guter Bands aus dem Boden.

Das sehe ich eigentlich auch so. Ich glaube, so gut wie es jetzt ist, war es noch nie. Nicht einmal in den goldenen achtziger Jahren. Es ist irgendwie normal geworden, dass Österreicher auch auf einem hohen Niveau Musik machen. Da bin ich sehr erstaunt und natürlich auch sehr froh darüber. Es gibt sogar noch viel mehr, als man sieht. Es gibt ja auch in Österreich eine Reihe kleiner interessanter Subgenres. Meine Jugend habe ich in ganz anderen Szenen verbracht, wie die Leute von heute So fällt mir etwa auf, dass es in all diesen Industrial-, Psychobilly- oder was weiß ich was- Kreisen Bands gibt, die international erfolgreich und richtige Größen sind, die man hierzulande aber gar nicht kennt. Aber gerade das ist spannend. Dass es abseits dieses präsenten Alternative/Rockpublikums noch viel, viel mehr Leute gibt, die meiner Meinung nach, viel ambitioniertere Sachen machen. Nicht nur den Alternativ-Pop, der in den Handy-Werbungen zu hören ist. Das ist halt super.

Was mir aber trotzdem auffällt ist, dass obwohl hierzulande, wie du sagst, genügend gute Musik produziert wird, es mit dem Support seitens etwa der Radiostationen eher schwierig aussieht. Wie siehst du die Situation bei FM4. Ist es da schwierig junge heimische Musiker oder Bands zu platzieren? Oder gibt es da bestimmte Vorgaben, an die man sich halten muss?

Na ja, prinzipiell eigentlich nicht. Aber das hat auch damit zu tun, welche Musik die Leute machen. Und auch bei FM4 gibt es für speziellere Musik manchmal nicht den Rahmen, obwohl die wahrscheinlich besser ist. Es gibt hierzulande echt gute Metalbands, die aber so hart sind, dass man die im Programm nicht spielen kann. Ich kann untertags ja auch nicht Pungent Stench spielen. Prinzipiell tut sich FM4 für die österreichischen Musiker schon viel an. Es ist halt auch immer eine Qualitätsfrage. Ich bin ja auch persönlich gegen ein Label, dass nur weil die Musik oder die Band aus der Heimat kommt, diese mehr Support bekommen sollte. Auf die Füße helfen okay, aber, wenn es dann doch nicht irgendwelchen Hörmaßstäben entspricht, dann kann man es manchmal eben nicht supporten. Das ist eben ein sehr schwieriger Balanceakt, den ich Gott sei Dank aber nicht machen muss, weil ich nicht im Soundpark arbeite. Aber, das ist sicher schwierig.

Also kein Fan der Quotenregelung im Radio?

Das ist natürlich ein Blödsinn. Vor allem ich als Hörer möchte ja, wenn ich nur mittelmäßig an Musik interessiert bin, gute Musik hören und nicht nur welche aus Österreich. Es ist egal, ob die nun aus Venezuela oder aus Nigeria kommt. Das mit einer Quote zu regeln, ist einfach lächerlich.

Weil du vorher einmal Clemens Haipl erwähnt hast. Wie sieht es mit diesem Projekt aus?

Naja, das Projekt war schon vor ein paar Jahren einmal da und jetzt haben wir es eben wieder reaktiviert. Wir veröffentlichen jetzt ein Album in Deutschland. Vom Stil her ist es halt sehr speziell. So richtig gruftig und wavig.

Also eigentlich eh die Ecke aus der du stammst.

Aus der ich gestammt habe. Jetzt bin ich doch schon wieder weit weg davon. Das war die Musik meiner Kindheit und ist jetzt eine Art Spielwiese.

Danke für das Interview.
 

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