mica-Interview Christian Haselmayr und Günther Ziehlinger (KAPU)

Wenn man von der KAPU in Linz spricht, muss man eigentlich fast von den KAPU-Projekten sprechen: Neben der KAPU als Location gibt es das hauseigene Magazin „Kapuzine“, ein Tonstudio, einen Ausstellungsraum und einen Kinosaal, der im März 2012 zum dritten Mal mit einem eigenen Filmfestival bespielt wurde. Auch geht die KAPU mit aktionistischen Projekten gelegentlich in die Straßen von Linz, wie zuletzt für die Aktion „Die neue Light-Kultur“, welche auf die prekären Verhältnisse der freien Kulturszene aufmerksam machte. Das „Herzstück“ der KAPU ist jedoch der Veranstaltungsraum und dies seit fast dreißig Jahren. Die KAPU-Gründung 1984 ist Teil der Geschichte der alternativen Linzer Szene, welche bis heute produktiv nachwirkt – dokumentiert im Buch und darauf basierenden Dokumentarfilm „Es muss was geben“. Lag in den 1980ern der musikalische Fokus auf Hardcore-Punk und dessen Ausläufern, so veranstaltet die Location heute neben gitarrenlastigen Konzerten insbesondere auch viele Hip-Hop-Shows. Der umtriebigen Szene- und Bookingarbeit von Philipp Kroll – besser bekannt als Flip von Texta – ist zu verdanken, dass sich hier eine spannende Community gebildet hat. Die KAPU wird von einer offenen Betriebsgruppe gestaltet und abgewickelt, von denen die meisten – ca. ein Pool von 30 Leuten – ehrenamtlich tätig sind. Zu den wenigen fest Angestellten gehören unsere Interviewpartner, der Geschäftsführer Christian „Hasi“ Haselmayr und der Geschäftsführerstellvertreter Günther „Günsch“ Ziehlinger. Deren Aufgaben reichen von „Bürowissenschaften“, wie sie es nennen, bis Booking, Mitarbeiterkoordination und gelegentlichem Putzen – wie das Foto dokumentiert. Das Interview führte Simone Mathys-Parnreiter.

Wie würdet ihr das multiple Gebilde Kapu definieren? Welche Aufgabe erfüllt es?

Ziehlinger: Ein Knotenpunkt für das alternative Leben in Linz. Und das seit über 20 Jahren.

Haselmayr: Ein Schnittpunkt zwischen lokalen und internationalen Künstlern und Künstlerinnen, aber auch eine Schnittmenge zwischen Politik, Kunst, Kultur und in gewisser Form auch Aktionismus. Ein Raum, ein offener, autonomer Raum, wo man etwas machen kann, wenn man einen gewissen Spirit hat.

Wie habt ihr die Veränderungen der Musiklandschaft – Stichwort Krise der Tonträgerindustrie – beobachtet, merkt man das in der KAPU?

Ziehlinger: So MP3s und Musikindustrie, nein, davon merkt man eigentlich nichts. Die Undergroundbands waren eigentlich schon immer mit eigenem Merchandise unterwegs und nicht bei großen Labels. Man war immer sehr drauf bedacht, dass es Vinyl gibt, was ein ganz eigener Markt ist. Und weil die Bands eh noch nie reich geworden sind damit und es aber trotzdem ausreicht, um Tourneen zu machen.

Haselmayr: Durch persönliche Erfahrungen oder durch Gespräche merke ich, dass kleine Labels jetzt viel mehr kämpfen müssen. Und Förderungen werden gestrichen und es können nicht mehr so viele Bands unterstützt werden wie früher. Das ist mir schon aufgefallen, das ist schon ein großer Schnitt.

Habt ihr den Eindruck, dass sich eure Rolle als Veranstalter und Location damit geändert hat?

Ziehlinger: In Bezug auf das nicht. Eher in Bezug auf Sparpakete und Kulturförderungen, die nicht mehr gesichert erscheinen – da steht vielleicht was bevor. Unmittelbar merken wir das mal dadurch, dass es schon länger keine Erhöhung der Kulturförderungen mehr gegeben hat – trotz anderweitiger Kostenexplosionen. Das haben wir insbesondere voriges Jahr gemerkt, wie sich dann einfach einmal die Rechnungen nicht mehr ausgegangen sind. Wir haben voriges Jahr auch eine Kampagne initiiert, „Die neue Lightkultur“. Damit sind wir an die Öffentlichkeit getreten, mit Aktionismus und einem offenen Brief, und haben darauf hingewiesen, dass die Lage prekär ist. Nicht nur für uns, sondern für alle anderen [in der freien Szene] auch.

Wie wichtig sind Förderungen für euch?

Haselmayr: Sehr wichtig auf jeden Fall. Wenn es keine Förderungen gibt, gibt es das Haus nicht. Alleine durch die Eintritte könnten wir nie die Strukturen aufrecht erhalten – alleine die Fixkosten, das ginge sich niemals aus. Die Förderungen sind zum großen Teil zur Abdeckung der Fixkosten da und weniger für die Planung der Konzerte. Da sind wir ziemlich eingeschränkt. Da bewegen wir uns in Bereichen, wo – wenn man andere Summen hört – denkt, das ist ja eh nichts eigentlich. Man muss manchmal sehr gut kalkulieren, dass man da ein super Programm auf die Reihe stellt.

Ziehlinger: Oft wird auch nicht primär auf Quantität Wert gelegt und es passiert natürlich, dass einmal weniger Leute zu Bands kommen. Das wird auch bewusst in Kauf genommen. Weikl es geht darum, dass das Konzert passieren muss, damit das Spektrum gegeben ist und der kulturelle Anspruch da ist.

Haselmayr: Es geht auch darum, dass man Bands, die unbekannter sind, auch einer experimentellen Schiene, einen Raum gibt, wo die das präsentieren können. Wir haben nicht die Haltung, dass wir nur Konzerte machen, wo 100-200 Leute kommen, sondern wenn da 30 kommen ist das auch ok. Wenn es für die KAPU wichtig ist, dass wir die Bands fördern, dann machen wir das. Und dafür ist die KAPU auch da, den Bands einen Raum zu bieten.

Was muss man als Band machen, um bei euch zu spielen?

Ziehlinger: Das ist total schwer (beide lachen). Weil wir so viele Anfragen bekommen: per Email aus der ganzen Welt, per Telefon, persönlich, CDs werden zugeschickt… Und das spießt sich halt oft mit dem, dass man selber auch eine Vorstellung hat, welche Bands man haben möchte und Bands selber anfragt. Man muss uns als Band auch gefallen, das muss in eine gewisse Schiene passen. Am besten ist es vielleicht als Band persönlich vorbeizuschauen. Wenn uns dann die Musik nicht passt, ist das aber auch nicht ausreichend.

Habt ihr ein Konzept, was ihr bucht oder ist das eher Bauchgefühl?

Haselmayr: Durchaus Bauchgefühl und individuell. Im Prinzip ist die KAPU so aufgestellt: Es gibt den Bereich Hip-Hop, die Gitarren und das Experimentelle, das ein bisschen weniger geworden ist. Im Hip-Hop-Bereich bucht das ganze der Flip von Texta, der qualitativ sehr hochwertige Hip-Hop-Acts in die KAPU holt, meistens für das einzige Konzert österreichweit. Dann gibt es den Gitarrenbereich, wo eher wir zwei tätig sind. Man kennt sich schon aus, wenn man in der Thematik drinnen ist. Für das Frühlingsprogramm habe ich mir Bands rausgesucht, die auf Tour sind, für uns passen und die hab ich dann angeschrieben. So entstehen natürlich auch Konzerte.

Nochmal zurück zu Bands aus Österreich – was macht ihr üblicherweise für Deals?

Haselmayr: Die werden im Vorfeld ausgemacht. Ganz normale Verhandlungen – was die Band braucht und was wir bieten können. Natürlich spielt da auch mit wie viel Besucher wir schätzen, dass kommen. Ich sag einmal, die KAPU ist schon ein Haus, wo darauf Wert gelegt wird, dass die Bands gut bezahlt werden. Auch lokale Acts. Es gibt immer mehr als Fahrtkosten, das ist immer klar.

Ziehlinger: Und ein sehr gutes Essen. Wir bemühen uns immer sehr. Bei lokalen Acts wird schon mit einberechnet, dass die vielleicht nicht so hohe Kosten und Mühen haben, um hier zu spielen. Es ist auch so, dass im Umkreis der KAPU viele Musiker und Musikerinnen sind, die auch mal für die KAPU günstiger spielen. Oder wie es für April geplant ist – da spiele ich mit meiner Band, da ist gar nichts ausgemacht.

Haselmayr: Grundsätzlich kann man sagen, dass die Bands monetär gut behandelt werden in der KAPU. Wir wissen ja, dass die Band einen riesen Aufwand hat, sich Geld zu beschaffen, damit was weiter geht und sie Platten rausbringen. Andererseits wird es in der KAPU hochgehalten, dass es den Bands auch so gut geht. Sprich wir verpflegen die qualitativ sehr hochwertig und ich glaub, das kommt bei den Bands gut an. Das merkt man immer an den Danksagungen. Ja, im Prinzip geht’s jeder Band da herinnen gut – kann man das so sagen?

Ziehlinger: Ja, voll.

Es wird oft gesagt, dass der Livebereich für die Bands immer wie wichtiger wird. Habt ihr dazu Beobachtungen aus eurer Warte?

Haselmayr: Ich tu mir schwer, weil ich das erst seit August mach, in der Position des Veranstalters.

Ziehlinger: Ich hab jetzt so an die zehn Jahre Bookingerfahrung. Das einzige, was mir so auf die Schnelle einfällt ist: Früher haben Bands nicht immer Merchandise dabei gehabt und jetzt fast immer.

Ihr habt neulich experimentiert mit dem Modell „zahl, was du willst“. Wie ist das gelaufen?

Haselmayr: Das ist extrem gut angekommen, aber die Bands haben halt leider nicht viel Geld bekommen. Es waren 70, 80 Leute da und im Prinzip hat im Schnitt jeder 2, 3 Euro hergegeben. Obwohl 5 Bands da gespielt haben. Es war so ausgemacht, dass das ganze Geld, das reinkommt an die Bands geht. Das ist auch so kommuniziert worden an der Kassa. Und trotzdem hat die Vielzahl der Leute nicht viel Geld hergegeben. Aus welchen Gründen auch immer.

Ziehlinger: Wir hatten auch die Situation, dass jemand mit einem 50er bezahlt hat und sich auf 2 Euro hat rausgeben lassen.

Haselmayr:
Wo ich mir dann echt persönlich denke, wo ist die Wertschätzung und der Respekt gegenüber einer Band beziehungsweise auch gegenüber den Veranstaltern, die da tagelang reinhackln für ein Konzert? 2 Euro für 5 Bands hergeben… (zuckt mit den Schultern)

Es gibt in Linz einen online Veranstaltungskalender, in den ihr und andere Musikveranstalter [u.a. Stadtwerkstatt, Ann-and-Pat, Kuba] eure Konzerttermine eintragt. Bewährt sich das?

Haselmayr: Ja, total.

Ziehlinger: Gibt es auch schon seit Jahren.

Haselmayr: So bucht man auch. Wenn ich weiß, dass in der Stadtwerkstatt ein Konzert an dem und dem Tag ist, wäre es blöd, wenn wir an dem Tag in das selbe Genre hineinbuchen, weil man sich dann gegenseitig die Leute weg nimmt. Und es fördert auch nicht die Kooperationsbereitschaft zwischen den Initiativen, wenn man sich die Leute wegnimmt und so in Konkurrenz zueinander steht – was man überhaupt nicht ist.

Ziehlinger: Ist insofern eine Überlebensgeschichte, weil es eben nicht die Massen an Leuten gibt und wir da echt aufpassen müssen. Zwei gleiche Geschichten am selben Tag, die gehen nicht.

Bei der Lightkultur-Aktion wie bei diesem Veranstaltungskalender bekommt man den Eindruck, dass ihr es in der freien Szene in Linz schafft über persönliche Konkurrenzsituationen hinaus am gleichen Strang zu ziehen. Wie hat das Linz hinbekommen?

Ziehlinger: Das ist eben die lange Geschichte von Linz mit der alternativen Szene, deren Anfänge beschrieben sind im Buch „Es muss was geben“. Da hat sich in Linz schon was Besonderes entwickelt. Eine Szene, die jetzt nicht wirklich groß ist und egal, was die Leute machen, trotzdem jeder jeden kennt. Das ist jetzt nicht Genre-spezifisch, sondern da kennen halt die Hip-Hoper auch die Punks und so weiter. Wie ich dazu gekommen bin, war das eher schon aus, die große Zeit der Linzer Szene. Die Restbestände sind trotzdem noch bis jetzt bemerkbar und die Leute, die nach kommen fügen sich da auch ein – oder sind schon immer drin gewesen, weil sie in Linz sind.

Haselmayr: Ein Grund ist auch, dass viele Einzelpersonen in mehreren Initiativen tätig sind. Es ist ein gutes Netzwerk, das Ganze.

Zum Abschluss: Wenn ihr jetzt einen Wunsch frei hättet für die Musiklandschaft, in der ihr unterwegs seid oder für die Kapu im Speziellen – welcher wäre das?

Ziehlinger: Gesicherte finanzielle Lage für die Kapu. Und vielleicht für die Musikwelt, äh, ein bisserl mehr Qualität und weniger Trash (beide lachen).

Haselmayr: Und vielleicht dass auch ein junges Publikum das wieder zu schätzen lernt, qualitative Undergroundmusik, die mehr oder weniger aus dem DIY-Bereich kommt. Dass es auch abseits von großen Bands, die man eh kennt, kleine super KünstlerInnen gibt, die meistens dann auch qualitativ hochwertiger sind als andere Sachen.

Ziehlinger: Und ein neuer Hype um dreckige, rebellische Musik – den braucht es wieder.

 

http://www.kapu.or.at/