mica-Interview Bernhard Schnur

Er war der Frontman der legendären österreichischen Band Snakkerdu Densk. Seit einigen Jahren ist Bernhard Schnur wieder solo unterwegs – auch wenn es letztes Jahr zumindest für ein Konzert zu einer kleinen Reunion gekommen ist. Ein mica-Interview über Legendenbildung, The Beatles und Franz Schuberts Brille. Das Gespräch führte Jürgen Plank.

Wie hat dein Musikmachen begonnen? Wie bist du denn sozusagen als Musiker sozialisiert worden?
Ich hab mir mit 15 Jahren eine Gitarre gekauft und habe nicht gewusst, ob man sie links oder rechts hält und wie die Musik dabei rauskommt. Dann habe ich mit zwei Schulkollegen eine Schulband gegründet, drei Monate später hatten wir schon unseren ersten Auftritt und ich hatte bereits meine erste Nummer geschrieben. Die zweite Band entstand zwei Jahre später in Schärding. Dann bin ich irgendwann nach Wien gekommen und hab nachdem ich mein heilpädagogisches Studium mehr oder weniger beendet und abgebrochen habe, Dominik Dusek und Michael Moser kennengelernt und mit ihnen eine Band gegründet.

Und in dieser Zeit hast du dich sicher sehr viel mit Musik beschäftigt, was waren denn Lieblingsbands, die dich vielleicht geprägt haben?
Der Anfang sind immer die Beatles, natürlich. Ich habe schon im Alter von 10 oder 12 Jahren die Beatles kennengelernt und das war dann meine Idealvorstellung davon, wie eine Band ausschauen muss, wie sie klingen soll und das hat mich sehr stark geprägt. Bis 1980, als John Lennon erschossen wurde, und auf einmal alle Beatles-Fans wurden, habe ich mich endlich einmal um etwas anderes kümmern können und das nachgeholt, was es überhaupt noch in der Popgeschichte so gibt und mich auch mit zeitgenössischer Musik auseinandergesetzt. Damals war noch Ende der 1980er-Jahre „Swordfishtrombones“ von Tom Waits sehr wichtig für mich. Das hat mir eine neue Möglichkeit gezeigt, dass man durchaus melodiöse Songs machen kann mit einem abstrusen Bandklang dazu.

Das war ja dann bei Snakkerdu Densk schon auch das Thema, dass man die sehr melodiösen Popsongs gehabt hat mit Bruchstellen und schrägen Elementen drinnen.
Ich kann mich an eine „Musicbox“-Sendung erinnern, in der über Snakkerdu Densk gesagt wurde – „Ihr seid die Zukunft der österreichischen Popmusik“. Hat sich das für euch auch so angefühlt in dieser Phase?
Wir haben in Wirklichkeit immer nur das gemacht, was uns durch den Schädel gegangen ist und haben uns nicht um Trends gekümmert. Die Songs sind so entstanden, wie sie eben dahergeplätschert sind und es waren immer melodiöse Songs. Ich weiss auch nicht genau, was die damals damit in der „Musicbox“ eigentlich gemeint haben.

Also ich bin mir ziemlich sicher, sie haben gemeint, dass ihr im Moment so ziemlich die beste oder die angesagteste Band in Österreich seid und dass euch die Zukunft gehört.
Das hat sich aber nie wirklich bewahrheitet, kommt mir vor. Unsere Wahrnehmung war, dass wir von den Medien, dem Radio oder sonstwem nicht wirklich gefeatured worden sind. Wir haben uns unsere Fans erspielt und haben dann schon einen großen Fankreis gehabt und dadurch viel gespielt in Österreich und im angrenzenden Ausland und wie gesagt, unsere Wahrnehmung war, dass wir auf eigenem , verlorenen Posten jenseits der Journalistenwahrnehmung arbeiten. Es kommt mir so vor, dass es Jahrzehnte später so wirkt, als hätten uns immer alle geliebt und ich weiß nicht, ob das wirklich so stimmt.

Dominik Dusek ist ja dann in die Schweiz gegangen, soweit ich weiss. War das dann das Ende, oder warum kam es zum Bruch?
Ja, das kann man so sagen. Der Dominik ist sozusagen auf einer Schweiz-Tour hängengeblieben, in Winterthur, und das war sicherlich das Ende der Band. Es hat sich aber auch musikalisch so entwickelt, dass ich immer mehr die Popsongs forciert habe, weil ich gemerkt habe, dass es einfach klasse ist und irgendwann hunderte Leute im Publikum sind und alle springen nur mehr. Und je gerader der Song, desto mehr springen sie. Und das hat mich, glaube ich, ein bisschen dazu verleitet, dass die Songs ein bisschen flacher geworden sind. Weil die frühe Snakkerdu Densk-Phase viel schräger war, also viel mehr Brücke drinnen und abstrusere, witzige Sachen und das ist ein bisschen verlorengegangen mit der letzten Platte. Ich glaube, dass wir musikalisch immer besser geworden sind und das war das Schlechte daran. Es gab eine Zeit, da habe gar nicht mehr nachgedacht, da ist alles von selbst gelaufen. Die Routine ist gekommen und diese Routine ist oft der Tod von Bands. Wir sind nicht gestorben auf der Bühne, wir haben es vorher beendet und eigentlich war das gut so. Ich hätte auf jeden Fall weitergemacht, der Michael glaube ich auch, der Dominik wollte eigentlich nicht mehr, der wollte auch aus Wien weg und etwas an seinem Leben ändern. Vielleicht war das auch gut so, wir sind noch immer Freunde und spielen gelegentlich alle paar Jahre irgendwo zusammen und das ist auch eine schöne Sache. Für die Legende haben wir das richtige Ende gefunden, sozusagen.

Es gibt aber natürlich auch ein Leben nach Snakkerdu Densk, du bist ja auch solo sehr aktiv, zumindest weiss ich von zwei Solo-Platten. Wie läufts jetzt bei dir?
Die Solotätigkeit hat 2005/06 begonnen und es ist so entstanden, dass ich nach dem Ende von Snakkerdu Densk, das war 1999, in ein Loch gefallen bin. Michael, der Bassist und ich wollten Snakkerdu Densk mit einem anderen Schlagzeuger weiterführen.
Wir haben dann mit 23 Schlagzeugern und Schlagzeugerinnen geprobt, mit zwei haben wir dann auch ein paar Konzerte gespielt und es hat Jahre gedauert, bis ich draufgekommen bin, dass es nicht geht. Snakkerdu Densk war die Einheit von uns Dreien und das Niveau, das wir damals erreicht hatten, haben wir nie wieder geschafft mit den neuen Schlagzeugern. Parallel dazu habe ich im Jahr 2001 Glen Hansard von „The Frames“ aus Irland kennengelernt und ich habe sehr viele Solokonzerte von ihm gesehen. Ich bin auch sofort eingeladen worden mitzuspielen und war mit ihm in Tschechien schon auf der Bühne.

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Was hast du in dieser Zeit gelernt?

Ich habe gelernt, dass ein Singer-Songwriter oder jemand, der alleine auf der Bühne steht, das Publikum nicht unbedingt langweilen muss, es kann ja auch unterhaltsam sein. Vielschichtig, emotional, witzig, ich habe die ganze Bandbreite gesehen und das hab ich dann auch versucht zu machen und es hat auch wieder Jahre gedauert, bis ich das integriert habe. 2001 hatte ich es kennengelernt und 2005/06 war ich erst soweit,  dass ich das Gefühl hatte, dass ich einen neuen Beruf erlernt habe.

Du spielst jetzt doch schon sehr lange. Erzähl ein bisschen, wie lebt man denn so als Musiker in Österreich, der sehr erfahren ist, sehr viel gemacht hat und auch schon sehr schöne Erfolge hatte. Snakkerdu Densk kennt man einfach, auch dich kennt man! Wie lebt man in diesem Land?
Ich kann meine Geschichte immer nur als „Schwarz“ und „Weiß“ erzählen. Die weisse Geschichte ist die, dass es nichts Schöneres gibt, wie Freiraum in seiner Musik zu haben. Ich kann machen, was ich will und werde nicht gezwungen – von keiner Plattenfirma oder irgendjemand anderem – nach Vorschriften zu handeln. Ich kann meine Vorstellung von Musik entwickeln und ausleben. Auf der Bühne kann ich mein anderes Ich zeigen, da ich im normalen Leben vielleicht eher ein ruhigerer Typ bin und auf der Bühne kann ich dann ausflippen und dafür werde ich geliebt, bekomme Applaus, gratis Rausch und manchmal sogar Gagen. Die schwarze Seite der Medaille ist, dass es teilweise unglaublich schwierig ist, Konzerte zu bekommen, dass die Bezahlung nicht wirklich das Wahre ist und dass ich oft das Gefühl habe, dass ich mit dem Kopf gegen die Wand renne, mit meiner Musik hier in Wien. Da habe ich wieder mal nicht das Gefühl, das mich die Journaille erkennt und es ist eigentlich wieder dasselbe Spiel. Es ist so, dass ich Fans habe und durchaus viele Leute zu meinen Konzerten kommen. Vielleicht nicht mehr so viele wie damals bei Snakkerdu Densk, aber ein treues Publikum habe ich schon.

Es ist also ziemlich gleich, wie damals, vielleicht mit dem Unterschied, dass es extremst schwierig geworden ist, überhaupt außerhalb Wiens zu spielen. Ich spiele fast nur mehr in Wien, was mich stört, weil ich sehr gerne reise und sehr gerne die Erfahrung mache, in anderen Ländern und auch Bundesländern zu spielen. Ich komme schon ein bisschen herum, aber mit Snakkerdu Densk bin ich bei weitem mehr herumgekommen, weil die Verbreitung damals noch eine andere war, wie jetzt. Weil jetzt schafft man es ja nur noch, wenn man bei FM4 im Airplay drinnen ist und solange man im Airplay ist, kann man dann in dem Jahr irgendwo spielen, auch am Land.
Aber inzwischen habe ich es aufgegeben, dass ich zum Beispiel irgendwo in Salzburg anrufe und frage, ob ich spielen kann, da es dann immer dieselbe Ausrede ist: Das können wir nicht machen, denn es kennt dich ja keiner und dann kommt Niemand. Und vielleicht war das damals in den 90-er Jahren noch anders, da es noch Jugendkultur am Land gegeben hat, viele Kulturvereine und die jungen Leute einfach hingegangen sind, weil etwas los war. Und ich glaube, jetzt nicht mehr, jetzt gehen sie nur mehr zu angesagten Bands. Das ist die dunkle Seite der Geschichte.

Bist du deswegen auch schwarz-weiss angezogen heute?
Das könnte ich jetzt gar nicht erklären, warum. Eine schwarze Hose habe ich immer an, weil mit blauer Hose schau ich nicht gut aus und weiss ist neutral. Ich muss mir aber immer recht billige T-Shirts kaufen, weil man sich als Musiker ja nicht allen Luxus der Welt leisten kann.

Letzte Frage, weil wir ja auch vorher die Beatles hatten. Ist es Zufall, dass du heute eine John Lennon-Brille hast, oder ist das irgendwie Absicht?
Ich habe ja keine John Lennonbrille, ich hab eine Franz Schubert-Brille, weil John Lennons Brille ist ja rund und Franz Schuberts Brille ist oval – und meine Brille ist auch oval.

Und wenn man es so will, schaust du auch beiden ähnlich!
Die John Lennon-Assoziation passiert mir des Öfteren und jetzt war ich in Dublin vor 14 Tagen und jemand hat: Hey, John Lennon, gerufen! Also ich selbst finde nicht, dass ich wie John Lennon aussehe, aber manche sehen mich in ihm.

Bernhard Schnur live:
Mi 10.7.2013: WUK, Platzkonzert, 20:30h, Währinger Str. 59, 1090 Wien
Do 25.07.2013: Popfest, brut

 

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