Er ist Autor und Musiker; Anfang Februar 2021 veröffentlicht THOMAS ANDREAS BECK sein fünftes Album „Alles brennt“ – ein Interview von Jürgen Plank über Populismus, Peter Turrini, das Feuer, das sich als Thema durch BECKS Werk zieht und darüber, wie das Album mit der Corona-Krise zusammenhängt. Außerdem erzählt BECK, warum er selbst kein Streaming-Konzert, sondern lieber auf einem Segelboot spielen möchte.
Welche Idee steht hinter dem Albumtitel „Alles brennt“?
Thomas Andreas Beck: Das Album hatte lange den Arbeitstitel „Geister“. Gegen Ende der Arbeiten am Album, hat das Lager in Moria auf der Insel Lesbos gebrannt. Ich habe irgendwo die Nachricht gelesen: Alles brennt. Die Menschen fliehen. Das brennende Lager hat mich als Thema nicht mehr losgelassen. Von dieser Nachrichten-Schlagzeile bin ich intuitiv zur Frage gekommen, was denn eigentlich derzeit alles brennt. Außen und innen. Das hat mich zur Frage geführt, was im Inneren des Menschen vielleicht nicht brennt. So ist es zur Zeile gekommen: „Ich will wissen, ob dein Herz brennt / wenn du Balkanrouten schließt.“
Das Album wird auch auf Vinyl erscheinen, am Anfang stand eine Musikkassette. Wie war das?
Thomas Andreas Beck: „Alles brennt“ ist ein nicht geplantes und durch die Corona-Krise ausgelöstes Album. Am Anfang war eine Musikkassette, weil ich im Studio von Thomas Pronai einige Demos aufgenommen habe. Ich war gerade dabei meine neue Band zusammen zu stellen und habe ihm im Oktober 2019 im Studio neue Lieder vorgespielt. mit der Bitte, dass er gemeinsam mit mir in Richtung Band überlegt. Die Demos hat er anderen Musikern vorgespielt, um denen das Projekt vorzustellen. Mein Impuls war dann, Thomas Pronai anzurufen und zu fragen, ob er aus den Demo-Aufnahmen etwas machen kann. Für die erste Seite der Platte waren die Demos dann die erste Spur, die Lieder hat Thomas Pronai darauf aufbauend weiterentwickelt.
Wie ging es dann bei der Produktion weiter?
Thomas Andreas Beck: Ich habe ja während der Corona-Zeit auch Lieder geschrieben und wurde von meinem Manager Charlie Bader von der MedienManufaktur Wien ermutigt, weiter zu machen. Er fand die Demos gut und hat mich gefragt, ob daraus ein Album werden kann. Als es wieder möglich war, haben wir dann neue Lieder wie „Quarantäne“ oder „Alles brennt“ aufgenommen.
Das Eröffnungsstück „Zauberlehrling“ ist ein zeitloses Lied und passt aufgrund der jüngsten Ereignisse rund um den Populisten Trump andererseits genau in diese Zeit.
Thomas Andreas Beck: Einen Auslöser für einen Song gibt es bei mir immer. Das war bei diesem Lied im Jahr 2016, dass Trump tatsächlich gewählt worden ist. Für mich war klar, dass jemand, der so drauf ist wie Trump und an die Macht kommt, gefährlich ist. Gefährlich, Unterbewusstes anzusprechen und auszulösen und unkontrollierbar in einen Mob zu bekommen. Es ist unglaublich, dass das jetzt mit dem Sturm auf das Kapitol geschehen ist, andererseits hat man das in der Geschichte schon mehrfach gesehen: Der Mensch ist einfach ein Herdentier und zuckt in der Masse anonymisiert mit anderen aus und dann gibt es keine Menschlichkeit mehr.
Das Feuer zieht sich als Topos durch dein Werk, von den Alben „Mei Herz brennt“ und „Knistern“ bis zum neuen Album „Alles brennt“. Auf einem anderen Album waren die Geräusche eines Holzofens im Hintergrund zu hören. Ist das Feuer für dich die Kraft der Zerstörung und der Erneuerung?
Thomas Andreas Beck: Das habe ich so noch gar nicht gesehen. Aber es stimmt! Meine Sprache ist sehr bildlich, aber das Brennen, das Glühen, das Feuer steht in meinem Leben für Begeisterung. Das archetypische Bild des Feuers passt gut zu mir, ich liebe Lagerfeuer. Bei meiner Hütte im Wald habe ich irgendwann allerdings Angst gehabt, dass ich einen Waldbrand verursachen könnte. Seitdem mache ich dort kein Lagerfeuer mehr. Feuer ist für mich Gefahr und hat eine große Attraktivität und Social Distancing löscht unser kollektives Feuer.
Inwiefern würdest du deine kritischen Lieder in einer Reihe mit Protestliedern der 1960er bzw. 1970er-Jahre sehen?
Thomas Andreas Beck: Ich war gerade versucht zu sagen: Ja, klar. Aber protestieren tu ich eigentlich gar nicht so sehr. Protestieren heißt ja so viel, wie beklagen, sich erheben, sich beschweren. Insofern: Nein. Ich sehe mich nicht als Protestler. Ich sehe mich eher als Prophetler, als Mitgestalter. Mir geht es darum, an Lösungen mit zu arbeiten, etwas anzubieten. Das Lied „Leben“ ist ein Liebeslied, ein Lied für Kinder. Oder in „Der Krieg ist vorbei“, da geht es um eine Erkenntnis. Ich glaube, es braucht mehr Menschen, die nicht politisch, sondern durch ihre Haltung führen. Wenn jemand zum Protest berufen ist, mache ich mir eigentlich Sorgen. Berufung bedeutet aber, was kann man besonders gut und wer braucht dich. Meine Berufung ist, Entwicklungen aufzuspüren und zu benennen und die verpacke ich dann in meine Worte.
„Wer das Lied ‚Alles brennt’ hört und in sich eindringen lässt, kann eigentlich nicht weitermachen wie bisher“
Zum Beispiel im Titelsong „Alles brennt“. Dazu ist mir das Theaterstück „Rozznjogd“ von Peter Turrini eingefallen, in dem – wie in deinem Lied – alle Masken fallen und es gleichsam einen Moment der Wahrheit gibt. So habe ich dein Lied auch gehört, wie siehst du das?
Thomas Andreas Beck: Ich verehre Turrini und eine Assoziation mit ihm ehrt mich. Ja, in diesem Lied ist für mich dieser Moment der Wahrheit drinnen. Wer dieses Lied hört und in sich eindringen lässt, kann eigentlich nicht weitermachen wie bisher. Es gibt zum Lied auch ein Musikvideo, in dem dieser Moment der Wahrheit eingefangen ist.
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Was hat es mit dem Coverbild des Albums auf sich?
Thomas Andreas Beck: Das ist ein Gemälde meiner Frau. Es ist ein Selbstporträt von Devi Saha, sie hat in diesem Bild Verzweiflung und Wut gemalt. Für mich erschütternd, durch Mark und Bein gehend. Ich habe das Bild oft berührt angeschaut und ich habe sie gebeten, dieses Bild als Cover zur Verfügung zu stellen. Das Cover bringt für mich auf den Punkt, was ich mit dem Titel „Alles brennt“ meine: Wenn wir wirklich hinschauen und erkennen, was gerade rund um uns passiert, müssten wir so berührt sein, dass wir für eine Veränderung und einen neuen Umgang miteinander einstehen.
Wie stehst du zum Video-Stream als Ersatz für ein Live-Konzert? Ist das für dich denkbar oder bist du eher dagegen?
Thomas Andreas Beck: Ich bin richtig dagegen. Die Krise hat schon auch die Aufgabe, uns Künstlern und Künstlerinnen neue Formen abzuringen. Wenn uns nichts anderes einfällt, als ein Konzert zu streamen, halte ich das künstlerisch für eine Niederlage. Wenn jemand das machen will, soll er das machen, ich mache das nicht. Mich fordert die Lage eher heraus, andere Formen zu suchen und zu finden.
Welche anderen Formen könnten das sein?
Thomas Andreas Beck: Mich würde zum Beispiel ein richtiger Musikfilm reizen. Einen Film zu produzieren, der ins Kino kommen kann. Das ist dann kein Stream, sondern eine hochwertige Projektion, die bei einem Festival gespielt werden kann. Dann erlebe ich das so ähnlich wie das Auflegen einer Vinyl-Platte. Oder ich überlege alternative Konzertformate: ich könnte mich auf ein Segelboot setzen, über den Neusiedlersee fahren und spielen – auch das könnte passieren. Wir kriegen das schon hin, auch mit dem Live-Spielen.
Welche Fragen stellst du dir als Künstler im Angesicht von Corona?
Thomas Andreas Beck: Was ist mein künstlerischer Ausdruck in dieser hochinteressanten Phase unserer Gesellschaft? Welche Aufgaben und welche Verantwortungen habe ich in dieser Situation? Mein Auftrag ist es nicht zu protestieren, weil ich ein Härtefall bin, sondern: mein künstlerischer Auftrag ist es, den Menschen Mut und Hoffnung zu geben und Lösungen durch eine kreative Spitzenleistung zu bringen. Das interessiert mich. Wir sind die Innovationsmotoren unserer Gesellschaft, wenn wir wirklich Künstler sind. Ich verstehe mich als Innovator in einer bröckelnden Gesellschaft, in der wir dringend neue Lösungen brauchen.
Herzlichen Dank für das Interview.
Jürgen Plank
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Live:
11.06.2021: Freuraum, Eisenstadt
06.08.2021: Cselley Mühle, Oslip
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Links:
Thomas Andreas Beck
Alles brennt
MedienManufaktur Wien