„Mein Ansatz war von Beginn an der, mich nicht zu wiederholen“ – TOJU KAE im mica-Interview

Hinter dem elektronischen Musiker TOJU KAE steckt FLORENTIN BERGER-MONIT, ein ursprünglich in der Schweiz verwurzelter und mittlerweile seit 20 Jahren in Wien lebender Sound-Virtuose, der sich seit Kurzem Mitglied der Konvoi-Familie nennen darf. Im mica-Interview mit Julia Philomena verriet er, was TOJU KAE, sein seit 2013 bestehendes Soloprojekt, mit einem japanischen Philosophen des 17. Jahrhunderts zu tun hat, und sprach über seine aktuelle, bei Neopren Records erschienene LP „Unfold“.

Wie hat Florentin Berger-Monit zum Soloprojekt Toju Kae gefunden?

Florentin Berger-Monit: Mit zwölf Jahren bekam ich mein erstes, billiges und trotzdem schon gebrauchtes Schlagzeug. Der Sound ließ zwar zu wünschen übrig, aber noch am selben Tag gründete ich mit einem Freund eine Band. Er hatte nur eine akustische Gitarre und wir mussten viel improvisieren. Mit 14 habe ich auf meinem iBook das Programm GarageBand für mich entdeckt, damit viel herumexperimentiert und eine Rap-Crew gegründet. Das war hauptsächlich Sprechgesang und die Tracks haben sich in erster Linie mit unserem Leben auseinandergesetzt. Das heißt, dass wir über unsere Freunde oder lustige rauschige Nächte reflektiert haben.
Von GarageBand bin ich bald auf das Programm Logic umgestiegen, weil ich damit doch etwas professioneller arbeiten konnte. Beeinflusst von Minimal oder Zürcher Techno der ausklingenden 90er-Jahre habe ich mit 17 dann erste Radio-Erfahrungen bei Kristian Davidek gesammelt, mit Freunden ein Label gegründet und begonnen, viel aufzulegen. Durch Davidek und seine Show auf Radio FM4 konnte ich zum Beispiel am Frequency-Festival spielen, oft im Café Leopold und auch international in Basel, Zürich, Berlin oder Paris. In den folgenden Jahren habe ich viel Zeit bei einem Freund im Studio verbracht, mir soundtechnische Fähigkeiten angeeignet, mir zu Hause – und später auswärts – ein eigenes Studio gebaut und dann schlussendlich mit dem Soloprojekt Toju Kae begonnen, um mein Spektrum der „klassischen“ Clubmusik zu erweitern.

Eine klare Absage an die Clubkultur?

Florentin Berger-Monit: Clubmusik kann schon fantastisch sein! Ich versuche auch, mich an ihr zu messen, die Genres zu verbinden, eine Intensität zu produzieren, die dann durchaus zur Bewegung führen kann. Aber ein Bum-Bum allein ist mir zu wenig, das muss schon ein smartes Bum-Bum sein.

Wie lange haben Sie an Ihrer ersten LP „VILLA/11 Rooms“ gearbeitet?

Florentin Berger-Monit: Das waren in Summe etwa zwei Jahre, es hat also doch länger gedauert als gedacht. Das Soundkonzept ist sehr offen, es geht in alle Richtungen – rauf und runter. Daher auch der Titel „11 Rooms“. Denn es sind tatsächlich elf unterschiedliche akustische Räume geworden, die ganz unterschiedlich funktionieren. Als das Album bereits fertig war, habe ich in der Schweiz Philippe Alioth kennengelernt, den „Herren der Synthesizer“. Er besitzt etwa 140 bis 200 Stück, alle spielbar. Alioth, Eigentümer und Produzent des Labels Neopren Records, wollte, dass ich ihm mein Album schicke. Als Antwort kam: „Wollen wir. Genau so, wie es ist.“ Das hat mich so gefreut, dass wir die Platte machen. Meine erste Schallplatte! Die Leute vom Label sind alle ganz liebevolle, verrückte Musikliebhaber, die in Paris, Basel und Berlin stationiert sind.

Wie ist der Weg nach „VILLA“ musikalisch weitergegangen? Gibt es im aktuellen „Unfold“-Album einen stringenten Leitfaden?

Florentin Berger-Monit: Mein Ansatz war von Beginn an der, mich nicht zu wiederholen. Natürlich gibt es immer Elemente, die sich durchziehen oder nicht kaschieren lassen. Aber so konzeptuell wie „VILLA“ ist es dann doch nicht geworden. Mein Drang zur kontinuierlichen Entwicklung, zur Veränderung dominiert. Ich habe sicher schon unzählige Nummern verworfen, nur weil sie mich im Ansatz an bereits Gehörtes erinnert haben.

Was steckte hinter der Idee, jeden Track von „Unfold“ zu visualisieren?

Florentin Berger-Monit: Ich arbeite als Toju Kae musikalisch so viel allein, dass mich die Idee, mich mit befreundeten Künstlern zu verwirklichen, sehr gereizt hat. Mich hat es sehr interessiert, was mit meiner Musik in Kombination mit Bildern passiert. Es gab überhaupt keine Vorgaben. Ich habe die einzelnen Tracks den acht Filmemachern zugeteilt und dann nägelkauend auf die Videos gewartet. Ich war von den Ergebnissen sehr beeindruckt.

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„Einem gewissen Exhibitionismus kann man sich als Künstlerin beziehungsweise Künstler ja nicht verwehren.“

Wie wichtig ist der Erfolg?

Florentin Berger-Monit: Einem gewissen Exhibitionismus kann man sich als Künstlerin beziehungsweise Künstler ja nicht verwehren. Aber es beeinflusst meine eigene Begeisterung, meine eigene Euphorie nicht, ob im Club drei oder 300 Leute meiner Musik zuhören. Ich freue mich sehr über jede schöne Resonanz. Aber Ruhm ist sicher nicht mein Antrieb.

Wird Wien Ihr kreatives Zentrum bleiben? Oder wohin könnte es Sie in Zukunft ziehen?

Florentin Berger-Monit: Ich liebe Wien und bin sehr glücklich hier. Aber die richtigen Megacitys begeistern mich. Ich liebe zum Beispiel Tokio. Nirgends fühle ich mich so wohl wie dort, bin in der Anonymität gefangen und gleichzeitig narrenfrei.

In den großen Städten gibt es die Pop-Kultur, aber auch Orte der Ruhe. Finden Sie in dieser Mischung die Inspiration für Ihre Musik?

Florentin Berger-Monit: Absolut! Die Ruhe suche ich, weil ich selbst ein so umtriebiger Mensch bin. Und die Ruhe finde ich in meiner Musik.

Was wünschen Sie sich von Ihrer Hörerschaft?

Florentin Berger-Monit: Aufmerksameres Zuhören vielleicht. Dass sich die Aufmerksamkeitsspanne wieder verlängert. Diese Ruhe, die meine Musik – so denke ich zumindest – ausstrahlt, die schenke ich schon gerne, ja.

Was hat es mit dem Namen Toju Kae auf sich?

Florentin Berger-Monit: Ich habe „Toju“ als Künstlernamen im Kopf gehabt und bin dann zufällig auf den Philosophen Toju Nakae gestoßen. Ich habe mich dann, ausgehend von meiner Japan-Affinität, auch länger mit seinen Ansätzen befasst und war begeistert von seinem progressiven Gedankengut im Japan des 17. Jahrhunderts. Das hat mich fasziniert. Ich lehne mich allerdings nicht direkt an seine Lehrsätze an.

Worum geht es also? Um Menschlichkeit?

Florentin Berger-Monit: In Bezug auf die Musik ist das für mich das Organische, das Direkte. Sich selbst nicht zu verlieren. Ich arbeite sehr viel mit echten Instrumenten, die mich mehr berühren als digitale, rein synthetische Klänge. Und dann natürlich die interkulturelle Aktion, die durch oder mit der Musik passieren kann.

Weisheit?

Florentin Berger-Monit: In der Musik, aber auch sonst darf man sich nie auf bereits bestehendem Wissen ausruhen – auch wenn unser Zeitalter dazu verleitet. Sowohl auf der technischen wie auch auf der kreativen Seite wird immer unendlich viel möglich sein. Auch wenn man sich gewissen Grundsätzen oder dem Drang, zu kopieren, zu sampeln, nicht entziehen kann. Weisheit ist ein großes Wort und ein Superlativ, der für mich nicht funktioniert, aber dennoch als Antrieb funktionieren kann.

Aufrichtigkeit?

Florentin Berger-Monit: Aufrichtigkeit in der Musik ist das Wichtigste. Sich den Einflüssen nicht verwehren, aber sich selbst dabei nicht vergessen. Deswegen bin ich auch sehr glücklich über meinen Einstieg bei der Artist-Management- und Booking-Agentur Konvoi. Denn Max Zeller und Sebastian Reiter, die beiden Köpfe des „Caravan of Love“, wissen genau, was sie tun. Sie begegnen den Musikerinnen und Musikern auf Augenhöhe, sie geben ausführliches Feedback und sie arbeiten intensiv mit ihren Künstlerinnen und Künstlern zusammen. Ihre Aufrichtigkeit und ihre Ehrlichkeit sagen mir sehr zu.

Herzlichen Dank für das Gespräch!

Julia Philomena

Foto Toju Kae 1(c) Elena Shirin
Foto Toju Kae 2 (c) Nives Widauer

http://www.tojukae.com
https://www.facebook.com/TojuKae