Martin Reiter, seines Zeichens einer der profiliertesten und anerkanntesten Jazzpianisten des Landes, verwirklicht mit seinem neuen Doppel-Album „Acoustic & Electric Trio“ (Sessionwork Records) gleich zwei schon lange Zeit gehegte Vorhaben. Da wäre zum einen das Trio-Konzert beim Jazzfestival Wiesen 2007, dessen über die Jahre in der Schublade aufbewahrten Aufnahmen er nun erstmals auf einem Tonträger erscheinen lässt. Zum anderen die ebenfalls allererste Veröffentlichung seines elektrischen Trios.
Dass der mehrmalige Hans Koller Preisträger und einstige “Young Lion” Martin Reiter ein Musiker ist, der nicht unbedingt danach bestrebt, sich auf einen einzelnen Stil festzulegen, wissen Kenner der Szene eigentlich schon seit langem. Der Pianist mit Vorliebe für den Sound einer Fender Rhodes liebt es, zwischen den Stühlen Platz zu nehmen, und weiß auch ganz genau, wie man aus dieser uneingeschränkten Position heraus musikalisch etwas Besonderes auf den Weg bringt. In seinen verschiedenen Projekten seit je her die Grenzen des Jazz auslotend, versteht es Martin Reiter gekonnt, immer wieder spannende Verbindungslinien hin zu anderen Genres zu ziehen. Wie eben auch mit seinem elektrischen Trio. Hervorgegangen ist dieses aus der Formation Random, die in den frühen 2000er-Jahren durchaus einiges Aufsehen erregen konnte und auch international viel umher gekommen ist.
Nach einigen Besetzungswechseln bildete sich 2008 schließlich jenes Dreiergespann heraus, das nun auf dem Album zu hören ist. Neben Martin Reiter (Hammond Organ, Nord Electro), der heute an der Konservatorium-Wien-Privatuniversität Jazzklavier lehrt, sind es Jojo Lackner (E-Bass) und Shayan Fathi (Schlagzeug), die den Ton angeben. Als Gastmusiker ebenfalls auf dem Release zu hören ist der Trompeter Bastian Stein. Das Trio unternimmt einen überaus abwechslungs- und melodienreichen Streifzug durch die verschiedenen Formen des Jazz. Gediegen und warm im Klang, verorten sich die Stücke in ihrem Stil musikalisch irgendwo zwischen Standards in der Tradition eines Herbie Hancock und den vielen modernen Formen des Nu-Jazz, wobei es vor allem auch diese leichtfüßige Art, mit der die Beteiligten zu Werke gehen, ist, die in einem hohen Maße beeindruckt.
Auf dem zweiten Teil des Albums findet sich der schon eingangs erwähnte legendäre Jazzfestival Wiesen Auftritt, den Martin Reiter damals in klassischer Besetzung gemeinsam mit Matthias Pichler (Bass) und Peter Kronreif (Schlagzeug) absolvierte. Eigentlich sollte dieses Konzert schon viel früher in Form eines Tonträgers veröffentlicht werden, doch der große Erfolg seines preisgekrönten Albums „Alma“ (u. a. wurde es 2008 mit dem Hans Koller-Preis in der Kategorie „Beste CD des Jahres“ ausgezeichnet) führte zu einer anderen Gewichtung der Prioritäten. Nun aber darf man sich nach langem Warten endlich auch dieses besondere Hörerlebnis, das einmal mehr das immens weite Spektrum des musikalischen Ausdrucks des Pianisten aufzeigt, zu Gemüte führen.
Michael Ternai