Martin Mallaun spielt Neue Musik für Zither (CD: Omonéro )

Beständig auf der Suche nach neuen klanglichen und stilistischen Ausdrucksformen auf der Zither ist MARTIN MALLAUN, 1975 in Kitzbühel/Tirol geboren. Diese Suche führte ihn in so unterschiedliche Felder wie zeitgenössische Musik, barocke Lautenmusik bis hin zu freier Improvisation und alpiner Volksmusik. Kürzlich erschien für Extraplatte eine CD mit Neuer und neuester Musik mit ihm als Interpreten, sie versammelt Werke von Leopold Hurt, Dieter Schnebel, Franz Hautzinger, Manuela Kerer und Georg Friedrich Haas: „Omonéro“. Gerne stellt das mica diese neue CD hier in einer Besprechung vor.

Während es vor einiger Zeit so aussah, als würde die Zither in ihrem eigenen Klischee erstarren, erlebte sie in den vergangenen Jahren eine erstaunliche Renaissance – vor allem in der zeitgenössischen Musik. Unerschöpflich scheint der Klang- und Farbenreichtum dieses merkwürdigen Zupfinstruments mit fünfeinhalb Oktaven Tonumfang und der Aufteilung in fünf Griffbrettsaiten und 34 frei schwingende Basssaiten. Im von Mallaun verfassten Extraplatte-Booklet steht zu lesen: „Neben engagierten Interpreten einer jungen Generation“ [wie Mallaun und Leopold Hurt, mehr über ihn unten] „verdankt sich dieser Aufschwung auch den Instrumentenbauern, die die Zither in den letzten Jahren konsequent weiterentwickelt und den Anforderungen neuer Musik angepasst haben. Und nicht zuletzt sind es die Komponistinnen und Komponisten, die sich diesem Instrument auf unorthodoxe Weise genähert und es so aus seiner Rolle als Zitatengeber und Heraufbeschwörer einer versunkenen Welt befreit haben. Was in den 1970er Jahren mit zaghaften Versuchen begann (etwa von Mauricio Kagel oder Walter Zimmermann) hat sich inzwischen zu einer Bewegung ausgewachsen, die so prominente (Komponisten-)Namen einschließt wie Bernhard Lang, Olga Neuwirth, Dieter Schnebel oder Georg Friedrich Haas.“

Martin Mallaun studierte Konzertfach Zither am Tiroler Landeskonservatorium (und Botanik an der Universität Innsbruck). Während und nach seinen Studien besuchte er Workshops im Bereich der historischen Aufführungspraxis (Hopkinson Smith, Rolf Lislevand, Jürgen Hübscher) und der zeitgenössischen Musik/Improvisation (Gunter Schneider, Hans Koch, Georg Glasl). Prägend für seine musikalische Entwicklung waren auch private Studien beim Lautenisten Hubert Hoffmann in Wien.

Neben der Zusammenarbeit mit diversen Musikern, Schauspielern und Schriftstellern begründete er zahlreiche eigene Projekte (u. a. „…oh süßliebstes ferslein“ mit dem Schauspieler Klaus Ortner und dem Improvisationstrio „tricky bridges“, die langjährige Zusammenarbeit mit dem Tenor Johannes Puchleitner, „Kleitschophones“, „Senkblei“, das Jugendprojekt „Klangfarben“). Daneben erhielt er Engagements als Solist bei internationalen Orchestern. Zahlreiche Uraufführungen zeugen von seinem Engagement für die Neue Musik (Stücke von Manuela Kerer, Max Nagl, Harald Oberlechner, Helga Pogatschar, Manuel de Roo, Ralph Schutti, Rudi Spring und Robert Zollitsch).

Im Jahr 2004 war Martin Mallaun Preisträger beim 1. Volkmann-Preis (München), dem ersten internationalen Wettbewerb für Zither, in dessen Jury er 2008 berufen wurde. Für sein Solo-Debut „zwischen steinen“ wurde er 2005 mit dem Pasticcio-Preis von Radio Ö1 ausgezeichnet.

Martin Mallaun arbeitet als frei schaffender Musiker und als Musiklehrer im Tiroler Musikschulwerk. Seit 2001 ist er Mitarbeiter im Forschungsprojekt GLORIA, das die Auswirkungen des Klimawandels auf die Vegetation alpiner Ökosysteme untersucht). „Beim Hören kommt man aus dem Staunen nicht mehr heraus“, sagte der bekannte Gitarrist und Radiomacher Helmut Jasbar anlässlich der Verleihung des angesehenen Ö1-Pasticcio-Preises 2006 an Martin Mallaun.

Die Stücke der CD “Omonéro – Neue Musik für Zither”, produziert im ORF-Landesstudio Tirol im November 2009 (Aufnahmeleitung: Wolfgang Praxmarer) „markieren fünf konträre Positionen und Herangehensweisen an dieses Instrument. Von Leopold Hurt, der LOGBUCH aus einer improvisatorischen Klangrecherche entwickelt hat, bis zur postseriellen Musik des Dieter Schnebel. Vom verinnerlichten Nachspüren und -hören eines Franz Hautzinger über die radikal witzige Experimentierlust von Manuela Kerer bis zum mikrotonalen Klangkosmos von Georg Friedrich Haas.“

Tatsächlich lohnt sich das Anhören. Es beginnt mit Leopold Hurt, seines Zeichens selbst ebenfalls sehr guter Zitherspieler mit drei Einträgen seines LOGBUCH,  komponiert 2007. Der gebürtige Regensburger machte zuletzt mit dem Musiktheater „MEDEA” (nach Christa Wolf) auf sich aufmerksam. Eine Reihe von Werken spiegelt seine Auseinandersetzung mit historischen Klangdokumenten traditioneller Volksmusik wider, letzteres auch mit elektronischen und multimedialen Mitteln. Seine Arbeit trägt auf vielfältige Weise zur Integration der Zither im aktuellen Musikleben bei. So entstand u. a. die Zusammenarbeit mit dem DJ-Duo Gebrüder Teichmann (Berlin). 2004 war er „Ernst-Volkmann-Preisträger“ im Internationalen Wettbewerb für Zither. Im Auftrag des Goethe-Institutes unternahm er wiederholt Konzertreisen nach China und in den Libanon. LOGBUCH ist eine Sammlung von Unterrichts- und Konzertstücken speziell für junge Zitherspieler, daneben eine Hommage an die grotesken (Zither-)Künste Karl Valentins.

Sehr vergnüglich auch das „Sammelsurium“ (2004) von Dieter Schnebel. Dem 1930 geborenen Komponisten, der als Komponist, Theologe, Theoretiker und Pädagoge tätig war und ist – der emeritierte Professor für experimentelle Musik und Musikwissenschaft an der Berliner Hochschule der Künste ist heute noch als  Prediger an der Johann-Sebastian-Bach- Kirche in Berlin-Lichterfelde aktiv. Sein Werk Sammelsurium beschäftigt sich mit den Fragen des „Wie anfangen? Und wenn, wie dann weitermachen, so oder so oder doch anders? (…) es entsteht ein bunter Katalog des Tönens, also eben ein ‚Sammelsurium’ für Zither.“ (Schnebel).

Franz Hautzingers „kleine Göttermusik“ entstand aus der monatlangen Beschäftigung mit einer uralten Wiener Zither, die ihm Mallaun zur Verfügung gestellt hatte, nachdem er ihn um ein Stück für Zither gebeten hatte. Mallaun: „Er schuf ein extrem reduziertes und introvertiertes Stück von berückender Schönheit“, die (Unter)titel: Göttertisch, Göttertrank, Götterspeise, Goddess, Goldstaub, Göttertisch II und noch einmal Göttertisch.

Impresa Omnonéro (2009) ist das auch für die CD titelgebende Stück von Manuela Kerer, eine frappierend gute Musik der vielseitigen Südtiroler Musikerin und Komponistin, die „nebenbei“ in Innsbruck auch an zwei Dissertationen arbeitet. Kerer: Omonéro ist das toskanische Synonym für ‚Schwarzer Peter’, eines der meist verbreiteten Kartenspiele für Kinder. Auch sie „befasste sich intensiv mit der Zither, quälte dazu das Instrument ihrer Schwester“ und mischte neue Klangfarben. „Immer wieder verstecken sich neue Nuancen im Tonmaterial, der Schwarze Peter oder ein ‚Hinterfotziger’ lassen sich vereinzelt blicken …“ Der Anspruch Manuela Kerners: Neue Klänge sollen gesucht aber auch versteckt werden, denn im Versteck ‚hustet man nicht’“.

Georg Friedrich Haas schrieb „Ein Saitenspiel für umgestimmte Diskantzither“ im Auftrag des Klangspuren Festivals 2002, er nützte die vielfältigen Umstimm-Möglichkeiten der Zither, um seinen mikrotonalen Kosmos zu erschaffen.  – zwei harmonische Ausgangsmaterialien stehen einander gegenüber: einerseits die Klangwelt der Naturtonreihe, andererseits jene der zwöfteltönigen Skala – am Schluss des durch Variationen eines siebentönigen Motivs strukturierten Stücks erscheint der Versuch der Synthese der beiden konträren Tonsysteme.

Über Mallauns sonstige Produktionen (auch Alter Musik, Dowland et al) erfährt man auf seiner Website, auch über Senkblei (I, D, A) für drei Zithern: Reinhilde Gamper – Zither, Leopold Hurt – Zither, Martin Mallaun – Zither. Im Text heißt es: „Zither? Der dritte Mann? Ach ja, das war gestern – längst hat die Zither ihren fixen Platz in der aktuellen zeitgenössischen Musikszene erobert. Interpreten der jungen Generation entdeckten in den letzten Jahren den schier unerschöpflichen Klang- und Farbenreichtum dieses Instruments. In diesem Projekt treffen erstmals drei profilierte Vertreter dieser neuen Szene aufeinander – ausgestattet mit radikaler Experimentierlust und Neugier“.

Das führt uns zu einer Recherche über den „Dritten Mann“ und die Musik zu dem berühmten Film im Wien der Nachkriegszeit. (wikipedia macht’s möglich) (hr).

Hier ein kleiner Exkurs:

Anton Karas wurde als typisches Kind der eher unteren Schicht der Arbeiterklasse im Wiener Stadtteil Zwischenbrücken geboren und lebte dort bis zum 19. Lebensjahr, und zwar in dem Teil von Zwischenbrücken, der 1900 von der Leopoldstadt als Brigittenau (heute 20. Wiener Gemeindebezirk) abgetrennt worden war. Seine Eltern waren der Fabrikarbeiter Karl (1883–1959) und dessen Frau Theresia Karas (1884–1946). Er hatte vier Geschwister (Karl, Friedrich, Hermine und Maria).

Karas’ musikalisches Talent wurde zwar bereits in der Volksschulzeit erkannt, doch sein Berufswunsch Kapellmeister war unfinanzierbar. Stattdessen entschied der Vater, den Sohn ab 1920 eine Lehre zum Werkzeugschlosser absolvieren zu lassen, finanzierte ihm jedoch, wie auch seinen anderen Kindern, Musikunterricht. In der Umgebung erfreuten sich die fünf musizierenden Kinder einiger Bekannt- und Beliebtheit.

Bereits neben der Lehre besuchte Anton Karas Abendkurse an der privaten Pollux-Musikschule. Nach der Gesellenprüfung, 1924, hatte er zwar kurzzeitig eine Beschäftigung bei der Fross-Büssing KG im Fahrzeugbau, wurde jedoch bereits im Jänner 1925 „aus Mangel an Arbeit“ gekündigt. Da er aber 1924 an der Wiener Musikakademie zu studieren begonnen hatte (was er bis 1928 auch weiter betrieb), scheint ihn dieses Problem wenig belastet zu haben: Er begann, als Partner des damals höchst berühmten Adolf Schneer, in Sieveringer Heurigenlokalen Zither zu spielen, und sein Einkommen war bald höher als das seines Vaters.

Am 14. Dezember 1930, keine drei Monate vor der Geburt seiner Tochter, heiratete er Katharina Perger (1901–1986). Von 1939 bis 1945 war er zur Flugabwehr der Wehrmacht eingezogen und zeitweise in Russland eingesetzt. Eine Zither hatte er stets dabei, wie unter anderem durch Fotos belegt ist, auf denen er vor Offizieren spielt. Mehrere Instrumente soll er im Zuge von Kriegshandlungen verloren haben, doch verstand er stets, sich Ersatz zu beschaffen.

1948 wurde er vom englischen Filmregisseur Carol Reed entdeckt, der für seinen in Wien spielenden Film Der dritte Mann eine Begleitmusik suchte. Reed entdeckte den Zither-Spieler, während er nach Drehorten für seinen Film suchte und Karas in einem Biergarten spielen hörte. Reed wollte zwar Walzer-Musik, sie sollte aber dennoch zur Stadt Wien passen, in welcher der Film spielte. So fragte er Karas, ob er die Filmmusik schreiben und aufnehmen würde. Karas war einverstanden und schrieb das Thema, welches auf einer Melodie in einem Übungsbuch basierte.

Franz Marischka stellte in seiner Autobiographie Immer nur lächeln diese Begebenheit etwas ausführlicher dar. Demnach verbrachte Reed zusammen mit Marischka und der Filmcrew einen Abend beim Heurigen, wo Karas auf der Zither spielte. „Reed war von der Musik so angetan, daß er mich um ein Tonband bat, das er mit nach England nahm.“

Dort habe ein Cutter während der Mustervorführungen der einzelnen Szenen (im Rohschnitt und noch ohne Ton) zufällig die Kassette mit der Zithermusik von Karas gefunden und sie eingelegt, um Produzent Alexander Korda zu unterhalten. Erst wegen dessen Begeisterung für diese Musik habe Reed Karas in Wien ausfindig gemacht und nach London bringen lassen. In London spielte Karas tagelang auf der Zither in einem Tonstudio, da er schließlich den gesamten Film zu instrumentieren hatte.

Die eindringliche Melodie wurde zum Erfolg, und der bis dahin außerhalb Wiens völlig unbekannte Interpret und Komponist zum umjubelten Star. Bereits drei Wochen nach Erscheinen des Films waren 100.000 Schallplatten verkauft; in anglophonen Ländern wurde der Film mitunter bloß The Zither Film genannt. In den USA war Karas der erste Österreicher, der die Hitliste anführte. Er ging auf mehrere längere Tourneen (…)  Nach der ersten größeren Tournee durch Europa und die USA wurde er im Juli 1950 von Bundeskanzler Leopold Figl und anderen Regierungsmitgliedern am Flughafen begrüßt.

Nach seiner Veröffentlichung als Single 1950, hielt sich das „Harry-Lime-Thema“ elf Wochen (vom 23. April bis 8. Juli) auf Platz eins der US-Bestseller (Best Sellers in Stores) des Billboard-Magazins. Der Erfolg führte zu einer Tendenz, Filmthemenmusik in Singles zu veröffentlichen.

In Wien eröffnete er 1954 in Sievering das Nobelheurigenlokal Zum dritten Mann, das zwar zum „verpflichtenden“ Programmpunkt internationaler Stars und zur internationalen Touristenattraktion wurde, den Künstler Karas jedoch nicht befriedigte: Anlässlich seiner Pensionierung 1966 gab er es auf. Vor gewöhnlichem Wiener Publikum, das ihn, seine Sprache und seine Musik verstünde, in gewöhnlichen Lokalen zu spielen, wäre ihm lieber gewesen, notierte er später. Nach seinem Tod wurde Karas in einem ehrenhalber gewidmeten Grab auf dem Sieveringer Friedhof (Gruppe 28, Reihe 9, Nummer 9/10) bestattet.