„Lieber gemeinsam statt einsam!“ – MARGARETE MAIERHOFER-LISCHKA und LORENZO ROMANO (Schallfeld Ensemble) im mica-Interview

Das 2011 aus einem Lehrgang des KLANGFORUM WIEN entstandene SCHALLFELD ENSEMBLE ist ein freies KünstlerInnen-Kollektiv, das Raum für die individuelle Entfaltung seiner Mitglieder lässt: von konventionellen Konzerten und Musiktheaterproduktionen bis hin zur freien Improvisation und Klangkunst.

Das Schallfeld Ensemble ist dieses Jahr als einer der drei eingeladenen Ensembles in Residence bei den Darmstädter Ferienkursen. Gerade haben sie die Crowdfunding-Kampagne „Schallfeld goes to Darmstadt“ gestartet, um die Reisekosten für das Ensemble zu finanzieren. Doris Weberberger hat sich mit Margarethe Maierhofer-Lischka und Lorenzo Romano im mica-Interview über ihre Formation, die Balance der richtigen Programmierung und ihre Pläne für die Zukunft unterhalten.

Sie haben sich ja über den Lehrgang PPCM kennengelernt, oder?

Margarethe Maierhofer-Lischka: Nicht nur über den Lehrgang. Es ist hier in Graz aus dem Uni-Umfeld entstanden. Wir Instrumentalisten kennen uns über den Lehrgang des Klangforum, aber die Komponisten sind dazugekommen. Unsere Uridee für das Ensemble war, nicht das Kind des Klangforums zu sein, sondern etwas Eigenes zu machen. Wir sind selbst in Graz losgestartet. Es ist ja eine kleine Stadt. Wenn man jemandem auf die Zehen tritt, bekommt man ziemlich schnell Ärger. Den eigentlichen Start haben Anahita Abbasi (eine Freundin, die auch Komposition hier studiert hat) und ich gemacht, mit der Zeit sind auch noch ein paar andere Leute dazugekommen. Die Idee war, dass wir alles basisdemokratisch organisieren. Abgesehen vom Vorsitzenden des Vereins werden die Aufgaben immer wieder anders verteilt. Jede beziehungsweise jeder, die oder der möchte, kann Projektideen einbringen und Verantwortung übernehmen. Wir versuchen, dass jeder einmal jede Aufgabe übernimmt. Am Anfang war es extrem hart und hat viel Zeit und Energie gefressen, sich in die Management-Materie einzuarbeiten, aber mittlerweile läuft es ganz gut.
Am Anfang waren wir gute Freunde, aber aus einem Haufen Studierender ein gutes Ensemble zu machen, ist noch einmal etwas anderes. Man muss sich Aufgaben stellen, viel Zeit miteinander verbringen, viel Kaffee trinken [lacht], wir haben endlose Meetings und diskutieren stundenlang. Ich finde es sehr schön, dass wir etwas verändern konnten und dass Schallfeld inzwischen seinen Platz hat. Es geht nicht nur um Kunst, sondern dass man in einer gewissen Situation in einer Stadt etwas bewirkt und dass sich dadurch etwas verändert.

Im Bereich der Neuen Musik muss man oft alles selber machen, weil es kaum Manager gibt. Insofern geht es vielleicht auch darum, aus der Not eine Tugend zu machen?

Margarethe Maierhofer-Lischka: Wir kommen alle aus verschiedenen Ländern, jeder hat einen anderen Background und auch andere Interessen. Dadurch wirft jede und jeder die eigenen Kontakte und das Können in den Pool und so kommt immer etwas Neues heraus. Wir hatten zum Beispiel ein Gastspiel in Spanien, das über unsere spanische Cellistin, die dort auch sehr aktiv ist, zustande kam. Dieses Jahr sind wir in Darmstadt, dafür bin ich Ansprechperson, weil ich als Deutsch Kontakte dorthin habe und Fördermöglichkeiten kenne. So wird sich das hoffentlich mit der Zeit verselbständigen, wenn wir uns einmal etwas etabliert haben und auch immer mehr Anfragen kommen.

Sie widmen sich aber nicht nur der Neuen Musik, sondern treten auch in Kontakt mit anderen Kunstformen …

Bild Margarete Maierhofer-Lischka
Bild (c) Margarete Maierhofer-Lischka

Margarethe Maierhofer-Lischka: Wir kooperieren auch mit Vereinen aus anderen Bereichen. Wir spielen viel in Galerien, da kommen wir in Kontakt mit der bildenden Kunst. Außerdem haben wir ein Kinderprogramm in der Stadtbibliothek gestaltet. Wir zeigen Klänge, Instrumente und wir improvisieren. Wir spielen also kein Neue-Musik-Repertoire, aber wir möchten die Ohren öffnen. Es war für uns auch sehr wichtig, nicht nur im klassisch-künstlerischen Bereich tätig zu sein, sondern auch direkt an die Gesellschaft heranzutreten und etwas für alle Teile der Bevölkerung zu geben – nicht nur für die zehn Leute, die ohnehin zu den Neue-Musik-Konzerten kommen.

Sie sind ja aber nicht nur als Ensemble, sondern auch als Verein aktiv.

Margarethe Maierhofer-Lischka: Wir kuratieren eine  Konzertreihe, die wir als Verein veranstalten und selber finanzieren, ansonsten kooperieren wir viel oder werden zu Gastauftritten  eingeladen. Wir haben also in Graz mittlerweile einen Namen als Veranstalter und langsam geht es auch mit Touren los. Es ist diese Doppelrolle, die es manchmal sehr komplex macht, weil es naturgemäß verschiedene Aufgaben sind, die man zu erfüllen hat.

Newcomer und Oldies

Die Situation in der Neuen Musik ist ja etwas merkwürdig: Auf der einen Seite scheint alles erlaubt zu sein, auf der anderen Seite gibt es schon ästhetische Richtungen, die nicht gut aufeinander zu sprechen seid. Wie finden Sie sich stilistisch zurecht und wie fallen die Entscheidungen in puncto Programmgestaltung?

Margarethe Maierhofer-Lischka: Wir diskutieren ausgiebig darüber, wie wir unser Programm gestalten. Als Kurator oder als Veranstalter gibt es ja immer mehrere Möglichkeiten: Einerseits das zu bieten, was gerade “in” ist, andererseits nur junge, unbekannte Leute zu fördern oder das, was sich bereits im Repertoire etabliert hat, zu bedienen; außerdem gibt es noch die Schiene, komplett interdisziplinär zu sein. Wir versuchen, eine gute Mischung aus diesen vier Bereichen zu finden – etabliertes Repertoire ist für uns gut, weil es eine Art Referenzpunkt ist, mit dem man zeigen kann, was man kann. Es ist für uns als Ensemble auch wichtig, diese Werke zu lernen, daran zu arbeiten und zu wachsen.

Lorenzo Romano: Nur sehr selten haben wir berühmte Namen wie Beat Furrer oder Georg Friedrich Haas im Programm … Beim letzten großen Konzert haben wir eine Formel gefunden. Wir machen ein Konzert mit fünf bis sechs Stücken mit vier jungen Komponistinnen und Komponisten, die wir gerne präsentieren wollen. Normalerweise haben sie in Graz studiert oder eine Beziehung zu uns. Dann gibt es immer ein großes Stück aus dem Repertoire, aber immer aus der Generation der maximal 50-Jährigen, etwa von Pierluigi Billone oder Fausto Romitelli.

Margarethe Maierhofer-Lischka: In letzter Zeit haben Werke mit Elektronik für uns immer mehr an Bedeutung gewonnen. Das hängt auch damit zusammen, dass wir gute Verbindungen zum Institut für Elektronische Musik und Akustik hier in Graz haben. Inzwischen ist es eine von unseren Spezialitäten und wird auch vom Publikum extrem gut und dankbar angenommen – und es macht dem Ensemble auch total Spaß.

Bild Lorenzo Romano
Bild (c) Lorenzo Romano

Lorenzo Romano: Es gibt viele Gruppen in Europa, die mit Elektronik und Video arbeiten, etwa das Nadar Ensemble, es ist also auch ein bisschen gefährlich, nur auf diese Richtung zu setzen, weil wir auch andere Richtungen haben.

Margarethe Maierhofer-Lischka: Manchmal führen wir auch  Performance-Stücke auf, also Stücke, für die man Musikerinnen und Musiker braucht, die keine Instrumente spielen, sondern bei denen es etwa um rhythmische oder gestische Elemente geht. Solche Stücke sind definitiv nicht einfach und es gibt viele Musikerinnen und Musiker, die sich das nicht trauen. Aber dem Ensemble macht es Spaß und wir wachsen daran.
Was uns  außerdem noch liegt, sind Stücke für Improvisationsensemble oder für offene Besetzung, weil unsere Instrumentenkombination nicht so oft im Repertoire zu finden ist. Das heißt, dass es schwierig ist, genau für diese Besetzung Stücke zu finden. Also haben wir aus der Not eine Tugend gemacht.  Viele von uns improvisieren auch tatsächlich  viel und auf sehr hohem Niveau. Das passt dann gut zum Ensemble.
Etwas, das auch aus den Interessen der Ensemblemitglieder entstanden ist, ist unsere Aktivität im pädagogischen Bereich. Wir führen immer wieder Projekte mit und für Kinder und Jugendliche durch, zum 2014 ein Musiktheaterprojekt. Musikvermittlung ist aktuell ein großes Thema, und es ist uns wichtig, als Künstler auch auf die Menschen zuzugehen.

Sie haben letztes Jahr auch einen Call for Scores für Werke mit Elektronik ausgeschrieben. Wie waren eure Erfahrungen damit?

Lorenzo Romano: Sehr gut! Wir konnten zwar nicht viel Geld bieten, das ist ein kleines Problem. Aber wir haben trotzdem knapp vierzig Einsendungen bekommen.

Margarethe Maierhofer-Lischka: Es war definitiv eines der größten, schönsten und erfolgreichsten Projekte, das wir bis jetzt gemacht haben. Alleine der technische Aufwand war extrem. Wir haben es in Kooperation mit dem Kulturzentrum in den Minoriten gemacht, es war in ein anderes Programm mit Elektronik eingebunden und wir haben den Saal komplett mit Lautsprechern vollgepackt. Das hätten wir alleine nicht hinbekommen. Die Entscheidung, was ins Programm kam, war nicht so einfach. Es waren auch sehr unterschiedliche Stücke, von der Besetzung und von der Konzeption, weil ja Elektronik verschiedene Funktionen haben kann – von Tape über live bis hin zu installativen Situationen. Viele Einsendungen sind in der Schublade gelandet, wir werden sie aber bestimmt einmal aufführen.

Starthilfe Crowdfunding-Kampagne

Was sind eure Pläne und Wünsche für die nächste Zeit?

Margarethe Maierhofer-Lischka: Eine sehr langfristige Idee, die wir gerne ausbauen möchten, ist, dass wir mehr Verbindung zu anderen Ensembles – auch im Ausland – aufbauen. Das haben wir mit unseren Austauschprojekten im Ausland angefangen, weil die meisten Netzwerke nur für Veranstalter oder für größere Institutionen existieren.

Lorenzo Romano: Unser aktuell größtes Vorhaben ist, dass wir als eine von drei ausgewählten Gruppen für eine Residency bei den Darmstädter Ferienkursen 2016 eingeladen sind, das ist ein toller Karriereschritt! Nur müssen unsere Finanzen mit unserer künstlerischen Entwicklung Schritt halten, das ist das größte Problem. Um unsere Darmstadt-Residency zu finanzieren, starten wir gerade eine Crowdfunding-Kampagne auf „wemakeit“. Wir hoffen auf viele tatkräftige Unterstützer!

Margarethe Maierhofer-Lischka: Es gibt so viele kleine Gruppen wie uns, die in einer ähnlichen Situation sind und gleiche Probleme haben. Wir versuchen, Verbindungen herzustellen, dass man gegenseitig voneinander lernt und profitiert. Das würden wir gerne noch ausbauen, weil man sich dadurch  gegenseitig helfen kann, vor allem jetzt, wo es für alle schwieriger wird – lieber gemeinsam statt einsam!

Doris Weberberger

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