GERNOT FELDNER ist der Bandleader von HARLEQUIN’S GLANCE. Der ursprünglich aus Villach stammende Musiker und seine Band haben mit „Pain and Ecstasy“ nun das vierte Album aufgenommen. Die Bandgeschichte reicht bis in die 1990er-Jahre zurück, denn schon damals hat Feldner erste eigene Lieder mit einem 4-Spur-Gerät aufgenommen. Mit Jürgen Plank sprach er über seine Begeisterung für BOB DYLAN und TOM WAITS und darüber, was ihn an den 1960er-Jahren fasziniert.
Wie ist der Bandname Harlequin’s Glance entstanden?
Gernot Feldner: Ich habe lange nach einem Namen gesucht, mir haben an Pierrots und Harlekins immer das Traurige und das Lustige gefallen. Diese Spaßmacher, die auch das Gegenteil in sich haben: das Deprimierte, Frustrierte, Resignative.
Sind Musikerinnen und Musiker auch Spaßmacherinnen und Spaßmacher?
Gernot Feldner: Musik ist Entertainment, klar. Wenn jeder weinend aus dem Konzertsaal ginge, hätte man etwas falsch gemacht. Es ist ein Egotrip, wenn man 15 Jahre lang über seine verlorenen Lieben singt.
Angesichts einer Bandgeschichte, die rund 20 Jahre zurückreicht: Wie viele Lieder haben Sie schon verfasst?
Gernot Feldner: Ich würde sagen, dass es rund 150 Lieder gibt. Man muss natürlich unterscheiden zwischen Fragmenten und ausgereiften Liedern. Von den 150 Liedern warten rund 120 bis 130 darauf, benutzt zu werden.
„Jede Udo-Jürgens-Platte ist irgendwie das Gleiche.“
Was macht das neue Album „Pain and Ecstasy“ im Vergleich zu früheren Alben aus?
Gernot Feldner: Es ist immer schwierig, nicht so zu klingen, wie man sowieso schon immer geklungen hat. Bei Leuten, die schon seit dreißig oder vierzig Jahren im Geschäft sind, gibt es natürlich den Vorwurf, dass sie immer das Gleiche machen. Jede Udo-Jürgens-Platte ist irgendwie das Gleiche. Man versucht einfach, einen noch treffenderen Song zu machen. Oder ein noch witzigeres Arrangement. Für mich sind dieses Mal Kleinigkeiten neu: Beatles-artige Bridges, die in eine andere Tonart modulieren. Ein bisschen Tom Waits ist dabei, vielleicht noch verwegenere Soundkompositionen, Chaos, dann wieder sehr harte Sachen und dann wieder weiche, melodische.
Wie war der Aufnahmeprozess?
Gernot Feldner: Wir sind die Aufnahmen so angegangen, dass wir mit rund 15 Liedern ins Studio gegangen sind, alles aufgenommen haben und dann die im Kontext eines Albums gelungensten Stücke genommen haben. Das heißt nicht, dass die anderen Stücke schlecht waren, aber die kann man vielleicht beim nächsten Mal verwenden.
Und es gibt auch einige Gäste.
Gernot Feldner: Bei der neuen Platte haben wir einige Gäste gehabt: Robert Polsterer spielt eine singende Säge, Franz Haselsteiner spielt Akkordeon und ein bisschen Klavier und Tino Klissenbauer von der Gruppe Bratfisch spielt auch Akkordeon. Wolfgang Schöbitz spielt E-Bass und singt und unser Produzent Robin Gillard singt eine zweite Stimme und spielt Perkussion.
Sind Sie mehr ins Detail gegangen?
Gernot Feldner: Ja, auch beim Songwriting habe ich mir Zeit gelassen. Das Lied „Losing me“ ist beispielsweise ist eine Beatles-artige Ballade, die es schon lange gibt, aber die Bridge ist vor rund zwei, drei Jahren entstanden.
Sie waren vor Kurzem auf Tour, unter anderem in der Schweiz. Wie war’s?
Gernot Feldner: Sehr gut. Wir haben fünf Konzerte in Folge gespielt, in der Schweiz und in Vorarlberg hatten wir sehr coole Veranstalter. Die Anzahl der Besucherinnen und Besucher war unterschiedlich, aber wir sind jeweils gut angekommen und alle fünf Veranstalter haben gemeint, dass sie uns erneut buchen werden. Das ist schon ein gutes Zeichen.
The Beatles haben Sie schon erwähnt – inwiefern sind die 1960er-Jahre ein Referenzpunkt für Ihre Musik?
Gernot Feldner: Die 1960er-Jahre tauchen in einem Lied auf, dafür aber massiv. Ich bin ein Fan der 1960er-Jahre und wollte immer schon ein Lied schreiben, das in diese Richtung geht. Und mit dem Gitarrenthema von Alex Gantz und der Anlehnung an The Byrds ist ein Lied entstanden, das auf diese Zeit verweist, ein Stück mit einem großen psychedelischen Outro. Den einen oder anderen Ansatz in Richtung Songwriting der Beatles gibt es auch, aber an sich ist der Haupteinfluss schon diese urbane Musik à la Tom Waits.
„Ich mag die Musik aus den 1960er-Jahren heute noch.“
Was fasziniert Sie an der Musik der 1960er-Jahre?
Gernot Feldner: Vielleicht diese Aufbruchsstimmung. Diese Verwobenheit von sehr traditioneller Schmalzmusik aus den 1950er-Jahren mit der Revolution, die ab 1965 völlig ausgebrochen ist. Es gab eine unglaubliche Anzahl an genialen Musikerinnen und Musikern, ob das jetzt die Kinks, die Beatles oder die Rolling Stones waren. Da gab es eine gewaltige Dichte. Die 1980er-Jahre habe ich im Vergleich zu dem, was es in den 1960er-Jahren gegeben hat, als völlig leer empfunden. In den 1970er-Jahren war die Musik sehr pompös, aber noch immer hochinteressant – mit einer Verquickung von klassischer Musik und Pop. Ich mag die Musik aus den 1960er-Jahren heute noch.
Wie ich weiß, sind Sie ein Fan von Tom Waits – wer beeinflusst Ihr Songwriting noch?
Gernot Feldner: Dylan ist natürlich ganz groß, das ist klar. Mich hat schon immer die Einfachheit fasziniert, mit der er einen Song schreibt. Aber er hat natürlich das Paket, er bringt die Lieder auch zum Klingen. Ich finde, er ist ein absolut fantastischer Sänger. Gitarrist vielleicht nicht so, aber ein fantastischer Sänger und Songwriter. Und das auf die Bühne zu bringen, das ist einfach grandios, wie er das macht. Nämlich bei so vielen verschiedenen Liedern. Er hat nicht nur seine fünf oder sechs Lieder, die wirklich gut sind, sondern er hat ein unglaubliches Werk.
Dylan hat wie andere Musiker auch – ich denke da an Neil Young – mal gute Alben gemacht und mal schlechtere. Ist das bei Ihnen auch so, dass Sie verschiedene Phasen durchmachen?
Gernot Feldner: Eigentlich schon, es ist schon ein Reifeprozess da. Ich finde so eine Band auch wesentlich interessanter als eine Band, die in drei Jahren sechs Alben ausspuckt. Es ist auch ein großer Vorteil, dass es uns doch schon so lange gibt und sich das Ganze auch verändert.
„Was man mit dem Älterwerden an Begeisterung und an Elan einbüßt, wird mit positiver Routine wettgemacht.“
Welche Entwicklung sehen Sie in Hinblick auf Harlequin’s Glance?
Gernot Feldner: Ich glaube, dass meine Mitmusiker das, was sie jetzt können, auch schon vor zwanzig Jahren gekonnt haben. Es hält sich vielleicht die Balance: Was man mit dem Älterwerden an Begeisterung und an Elan einbüßt, wird mit positiver Routine wettgemacht. Das verschiebt sich ein bisschen. Als Band sind wir ein bisschen in geregeltere Bahnen und zu einer größeren Bandbreite gekommen.
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Greifen Sie bitte ein Lied der neuen CD „Pain and Ecstasy“ heraus und erzählen Sie, worum es dabei geht und was dieses Lied ausmacht.
Gernot Feldner: Vielleicht „Most beautiful pearls“. Die Themen, die aufkommen, ergeben eine Collage. Ich möchte da jetzt nicht die große Aussage herauskitzeln. Möglichweise könnte man sagen, dass man sich schon recht viel Mühe geben muss, um etwas Vernünftiges aus dem Boden zu stampfen. Musikmachen kann auch sehr leicht sein, gerade heutzutage, wo alles das Gleiche ist. Bei „Most beautiful pearls“ könnte das Thema sein, dass man schon ein wenig tiefer graben muss, um etwas Spezielles schaffen. Man gibt sich zumindest Mühe, nicht auf dem ganz flachen Wasser zu fahren. Musikalisch gefällt mir die Nummer, sie hat Groove, sie hat ein lässiges Thema und ein kleines barockes Zwischenspiel, sie hat einen griffigen Refrain und ein bisschen Chaos zum Schluss. Es ist eine gut erprobte Nummer, die mit ihren verschiedenen Teilen live gut ankommt.
Ein Musiker erzählte mir einmal, dass er die Basis für seine aktuelle Musik schon vor vielen Jahren gelegt hat und von den Ideen seiner Anfangsphase zehrt. Ist das bei Ihnen auch so?
Gernot Feldner: Ja, das ist durchaus so. Es gibt viele alte Ideen, die man vielleicht früher falsch umgesetzt hat und die man Jahre später durchaus noch verwenden kann. David Bowie hat mal gesagt, dass er überhaupt nichts wegwirft, denn vielleicht kann man eine Idee für die nächste Platte verwenden. Der hat überhaupt nichts weggeworfen, nicht einmal den kleinsten Fetzen.
Herzlichen Dank für das Gespräch.
Jürgen Plank
Live:
30. September 2017, 20:00 Uhr: Reigen, Wien
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