„Man muss versuchen, die kreative Arbeit losgelöst vom Bedürfnis nach Publikum zu machen“ – PARKWAECHTER HARLEKIN im mica-Interview

Zehn Jahre nach seinem ersten und drei Jahre nach seinem letzten Album veröffentlicht der Rapper PARKWAECHTER HARLEKIN mit „Der Vollstaendigkeit halber“ (Born a bird instead) am 22. Oktober 2020 sein viertes Album. Antonia Seierl sprach mit dem Niederösterreicher über Selbstzweifel, die katholische Scham und den Wiener Wasserkopf.

Du veröffentlichst bald dein viertes Album – und das genau in einer Zeit, in der Veröffentlichungen nicht ganz so einfach sind. Wie hast du die letzten Monate erlebt?

Parkwaechter Harlekin: Mein Albumrelease wurde davon nicht so stark beeinflusst, weil das Album eigentlich davor schon fertig war. Gemastert wurden die Songs, als das mit Corona gerade angefangen hat – das war alles einigermaßen auf Schiene und es war dann einfach nur die Frage, ob ich das Album dann trotzdem rausbringe oder nicht. Aber ich wollte es halt unbedingt genau zehn Jahre nach meinem ersten Album rausbringen und deswegen habe ich es dann einfach dabei belassen. Das macht nicht so viel Unterschied, so viele Tour-Möglichkeiten entgehen mir dadurch nicht. Die Konzerte lassen sich hoffentlich nachholen.

Release-Party ist also derzeit keine geplant?

Parkwaechter Harlekin: Nein, leider nicht. Ich habe die Befürchtung, dass ich  unglaublich frustriert sein würde, wenn ich etwas planen würde und es dann wegen irgendwelchen Restriktionen nicht klappen sollte. Da ist es mir lieber, es gar nicht erst zu probieren. Ich bin nicht sehr optimistisch, was das betrifft. Ich schließe es nicht völlig aus, aber momentan ist noch nichts geplant.

Einige der Songs, die bis jetzt erschienen sind, passen erstaunlich gut zu dieser Zeit, „Schäm Dich“ zum Beispiel. Was sind deine Gedanken, wenn du Songtexte schreibst?

Parkwaechter Harlekin: „Schäm Dich“ wäre vielleicht eine gute Single gewesen, der Song ist ganz gut angekommen. Manchmal sind meine Sachen nicht so direkt oder ausdrücklich ausformuliert. Der Song aber schon, weil er nur aufzählt, wofür man sich alles schämen soll, auch oft Sachen, die sich widersprechen, für die man sich beide schämen soll. Meinem Gefühl nach hat das Aufwachsen in einem katholisch geprägten Land dieses Grundgefühl von Scham für alles. Das ist etwas, mit dem ich sehr oft kämpfe, dass man, bevor man irgendwas macht, sich erst mal überlegt, ob man das überhaupt darf. Die Scham ist dem Katholizismus innewohnend und deswegen in der österreichischen Kultur sehr schön eingearbeitet.

Vor allem in diesen Zeiten ist es wieder sehr en vogue, mit dem Finger auf andere zu zeigen und damit die Scham anzusprechen.

Parkwaechter Harlekin: Genau. Und in solchen Zeiten äußern sich genau die gleichen Dinge, die zuvor schon da waren. Jetzt gibt es halt verstärkt Anlass, mit dem Finger zu zeigen. Auf junge Menschen, die am Donaukanal sitzen oder vor der Karlskirche Müll hinterlassen. Die müssen sich alle schämen dafür, dass sie im Freien feiern und keinen Abstand zueinander halten (lacht). Es basieren ganze Wahlprogramme derzeit darauf, dass man sich für irgendwas möglichst schämen muss – vor allem, wenn man kein weißer, blauäugiger Hetero-Cis-Mann ist.

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„Der Content wächst von allen Seiten […]“

In einem Interview mit On Doubt vor drei Jahren hast du deinen Frust gegenüber der Musikindustrie sehr deutlich ausdrückt und vor allem Opinionleader und die Mechanismen, die zu „Content Visibility“ führen, kritisiert. Hat sich dieser Zustand deiner Meinung nach mittlerweile geändert?

Parkwaechter Harlekin: Nein, mein erster Instinkt sagt mir, dass es sich wahrscheinlich sogar verschärft. Aber ehrlich gesagt, habe ich keine Ahnung, ob sich da tatsächlich irgendetwas getan hat. Auf Social Media ist es wahrscheinlich noch schwieriger geworden, irgendwie etwas durchzudringen. Der Content wächst von allen Seiten, daher glaube ich, dass es nach wie vor so ist, nur eben, dass die Menge zunimmt. Das von dir angesprochene Interview fand zu einem Zeitpunkt in meinem Leben statt, als ich sehr frustriert war [lacht]. Zurzeit ist mir so etwas irgendwie egal. Es hat sich aber wenig geändert, ich komme genauso wenig durch, aber ich habe schon das Gefühl, dass es in der kleinen Fangemeinde, die sich für meine Musik interessiert, mehr Bewusstsein für Plattformen wie Bandcamp gibt, auf denen man direkt Künstlerinnen und Künstler unterstützen kann. Und auch Bewusstsein dafür, dass das mehr bringt, als wenn man ein Spotify-Abo hat. Aber das kann auch einfach nur meine eigene Bubble sein. Keine Ahnung, wie das in tatsächlichen Zahlen ist.

Es heißt immer, dass man vor allem mit Social Media Zielgruppen besonders zielgerichtet erreichen kann. Was ist deine Erfahrung damit?

Parkwaechter Harlekin: Ich habe bei dem kommenden Album überhaupt nicht versucht, irgendetwas bezahlt zu bewerben über Social Media, deswegen habe ich jetzt schon länger keine Erfahrung mehr mit Zielgruppen und so gemacht. Ich durchblicke es auch nicht ganz. Meine Kritik ist, dass ich nicht verstehe, warum Dinge, die an der Oberfläche gleichwertig sind, in Zahlen komplett unterschiedlich wahrgenommen werden. Um das wirklich durchblicken zu können, müsste man entsprechende Expertise haben, die aber besitze ich nicht.

Du hast in der Musikbranche deiner Erzählung nach viel mit Frust zu kämpfen – wie viele Musikerinnen und Musiker wahrscheinlich auch. Gerade Social Media sind dafür bekannt, Selbstzweifel zu verstärken. Wie gehst du damit um bzw. was hilft dir in Situationen von Selbstzweifel und Frust? 

Bild Parkwaechter Harlekin
Parkwaechter Harlekin (c) David Visnjic

Parkwaechter Harlekin: Wenn ich das wüsste [lacht]! Ich habe mir dieses Mal vorgenommen, dass ich jede Woche einen Track veröffentliche, bis das Album fertig ist. Ich habe mir vorgestellt, dass das irgendwie nett sein könnte. Aber es ist irrsinnig viel Arbeit und lohnen tut sich das nicht wirklich. So etwas bekommen nur sehr wenige Leute mit und das kann zwischendurch oft frustrierend sein. Man steckt viel Arbeit hinein und dann bemerkt es keiner. Man muss versuchen, die kreative Arbeit losgelöst vom Bedürfnis nach Publikum zu machen. Das gelingt mal besser, mal schlechter.

Gerade in Bezug auf Sichtbarkeit wird in Österreich gerne über den „Wasserkopf Wien“ geschimpft. Wie ist das in Niederösterreich? Und wo stehst du als Badener Musiker?

Parkwaechter Harlekin: In Baden gehöre ich irgendwie zu Wien dazu. Ich bin ja auch andauernd in Wien. Mein persönlicher Eindruck ist, dass man tatsächlich kaum etwas davon mitbekommt, was außerhalb von Wien passiert. Abseits von den Leuten, die ich persönlich kenne, weiß ich eigentlich gar nicht, was in den Bundesländern passiert. Das ist schade, weil es eigentlich schön wäre, da mehr zu kennen. Die Konzerte in der Pampa sind meistens die lustigsten!

Du produzierst alles bis aufs Mastering selbst. Wie bist du zur Musik gekommen?

Parkwaechter Harlekin: Soweit ich mich erinnern kann, habe ich das schon immer – seit es möglich ist, mit Computern Musik zu machen – irgendwie gemacht.

Und warum genau Hip-Hop bzw. Rap?

Parkwaechter Harlekin: Ich habe als Kind immer die Musik meiner Geschwister gehört, weil die halt cool war – und da war auch Hip-Hop dabei. Dieser Beat hat mich immer sehr angesprochen, das war’s im Endeffekt. Für mich stellt sich dann eher die Frage, inwiefern ich überhaupt behaupten darf, Hip-Hop zu machen. Mit 17 war es mir noch viel wichtiger, mich da dazuzählen zu können. Heute ist mir das eigentlich wurscht, ob ich Hip-Hop-Anspruch habe. Ich mache einfach Rap.

Man hört bei Rap medial meist nur von den üblichen Verdächtigen aus Favoriten, Donaustadt und Rudolfsheim-Fünfhaus. Diese Art von Rap ist meinem Gefühl nach eher niederschwellig, ganz im Gegensatz zu deinen Texten, die häufig implizit politisch und gesellschaftskritisch sind. Wie und wo verortest du dich in der Szene in Österreich?

Parkwaechter Harlekin: Bezüglich der medialen Berichterstattung über bestimmte Rapper muss ich sagen, dass das meiner Meinung nach eine Generationenfrage ist. Ich als „alter Mann“ denke bei Hip-Hop bzw. Rap aus Österreich stark an Linz. Linz war Ende der 1990er, Anfang der 2000er die Hip-Hop-Hauptstadt Österreichs. Wien hat dann erst nachgezogen. Ich habe den Bezug zu deutschsprachigem Hip-Hop bzw. Rap in den letzten Jahren irgendwann ein bissl verloren, auch weil meinem Gefühl nach alle in diesem Genre nach Berlin ziehen. Egal ob sie aus einer österreichischen oder deutschen Stadt kommen. Vor ein paar Jahren noch habe ich gemeinsam mit zwei Freunden von the closing immer wieder Veranstaltungen gemacht, die sich in alternativen Hip-Hop-Kreisen bewegt haben. Da waren oft Leute von Duzz Down San dabei – das ist eine ganz eigene Bubble. Die Sachen, die abseits dieser Szene passieren und vielleicht medial öfter beleuchtet werden, streifen mich ganz selten in dieser Bubble. Vielleicht habe ich mich auch selber zu sehr zurückgezogen. Vielleicht ist es auch einfach eine Überflutung an Content, sodass ich es nicht mehr mitbekomme.

Bild Parkwaechter Harlekin
Parkwaechter Harlekin (c) David Visnjic

„Ich fühle mich nie wirklich wohl in Szenen, wo man Gruppen zugeordnet wird.“

Gab es einen Grund dafür, dass du dich zurückgezogen hast?

Parkwaechter Harlekin: Es gab keinen konkreten Anlass, nein. Ich fühle mich nie wirklich wohl in Szenen, wo man Gruppen zugeordnet wird. Da habe ich immer das Gefühl, ich müsste bei etwas zustimmen oder für irgendwas mitverantwortlich sein. Gerade wenn man wie ich Hip-Hop schon lange Zeit hört und macht, ist es seltsam, sich für die homophoben und misogynen Texte anderer Leute rechtfertigen zu müssen. Das sollten diese Leute tun. Aber es wird halt gerne Hip-Hop als Ganzes dafür verurteilt, was in gewisser Weise auch verständlich ist, weil man von außen schnell diesen Eindruck bekommen kann. Da kann man nur immer wieder sagen, dass diese Sachen nur ein Teil von Hip-Hop sind. Das hat wahrscheinlich mitgespielt, dass ich mich langsam zurückgezogen habe.

Welche Musikerinnen und Musiker waren auf deinem Weg besonders prägend für dich?

Parkwaechter Harlekin: Als Kind die Fantastischen Vier, das war damals in den 1990ern das Einzige, was ich mitbekommen habe (lacht). Später waren dann auch Texta sehr wichtig, aber auch Fettes Brot und Fünf Sterne Deluxe.

„Ich habe noch nicht vor, das Handtuch zu werfen!“

Dein neues Album heißt „Der Vollstaendigkeit halber“. Das klingt fast ein wenig nach einem Abschluss, als wolltest du vor dem Rückzug noch abschließend etwas sagen. Wie kam es zu dem Albumtitel?

Parkwaechter Harlekin: Mir ist irgendwann aufgefallen, dass „der Vollstaendigkeit halber“ eine lustige Phrase ist. Nachdem ich mich dafür entschieden hatte, diese Phrase als Titel für das Album zu verwenden, ist mir dann natürlich auch aufgefallen, dass das so klingt, als wäre es das Requiem auf mich selbst [lacht]. Das war aber nicht die Absicht. Ich habe noch nicht vor, das Handtuch zu werfen! Wobei ich dieses Gefühl schon oft hatte, aber dann habe ich es doch nie gemacht. Auch das letzte Album hat schon „Zum Fleiß“ geheißen, das war auch schon irgendwie ein dem Tropfen gewidmeter Titel. Das scheint irgendwie dem innezuwohnen, was ich mache [lacht].

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Im Vorfeld deines Album-Releases hast du mittwochs um Viertel vor fünf immer eine Single veröffentlicht und das auf Instagram jeweils angekündigt. Wieso genau diese Lieder? Und was hat es mit der Sanduhr auf deinem Instagram-Account auf sich?

Parkwaechter Harlekin: Ich habe keine Lieder ausgewählt, und das ist eigentlich wirklich der Gedanke dahinter. Es sind einfach alle Lieder, die ich veröffentlicht habe. Sie kommen einfach jeden Mittwoch genau in der Reihenfolge, in der sie auf dem Album sind. Das war ein bisschen dem Single-Prinzip widersprechend sozusagen, weil ich mir schwer dabei tue, zu entscheiden, welche Lieder man denn jetzt hören sollte, bevor das Album erscheint. Die Sanduhr hat denselben Gedanken wie der Albumtitel – ein Spiel mit „halb und voll“, weil es bei der Sanduhr ebenso diese zwei Teile gibt, einerseits die Zeit, die abläuft, andererseits den Teil, der sich wieder mit etwas anfüllt.

Herzlichen Dank für das Gespräch!

Antonia Seierl

 

Links:
Parkwaechter Harlekin (Facebook)
Parkwaechter Harlekin (bandcamp)
Born A Bird Instead