„Man kann sagen, dass ich in der Tüftelei versunken bin“ – CLARA LUZIA im mica-Interview

Was Veröffentlichungen betrifft, ist es um CLARA LUZIA in den letzten Jahren etwas ruhiger geworden. Ihr bislang letztes Album, „When I Take Your Hand“ brachte sie 2018 heraus. Wobei untätig war die Singer-Songwriterin während dieser Zeit keineswegs. Sie schrieb Musik für Theater und Film und wurde auch mehrfach für ihre Arbeiten ausgezeichnet. Unter erhielt sie den Kinder- und Jugendtheaterpreis „Stella“ und den begehrten Film- und Fernsehpreis „Romy“. Und auch im Genre Hörspiel, unter anderem für den NDR, war sie tätig. Mit Howl At The Moon, Gaze At The Stars!“ (Asinella Records; VÖ: 27.01.) meldet sie sich nun aber in alter Stärke wieder mit einem eigenen Album zurück. Im Interview mit Michael Ternai erzählt die die Niederösterreicherin über ihre neu gewonnen Lust am Liederschreiben, die Dinge, die sie wirklich beschäftigen und über das eine Thema, um das sich im Grunde alle ihre Songs drehen.

Du hast dir für dein neues Album recht viel Zeit gelassen. Die Alben davor sind in Ein- oder Zwei-Jahres-Abständen erschienen. Warum hat es dieses Mal so lange gedauert?   

Clara Luzia: Diesen Ein-, Zwei-Jahres-Rhythmus hatte ich eigentlich eher am Anfang. Irgendwann sind die Phasen zwischen den Veröffentlichungen dann schon länger geworden. Warum es dieses Mal so lange, nämlich fast fünf Jahre, gedauert hat, hat viel damit zu tun, dass ich viel in andere Dinge eingespannt war. Ich habe in den letzten Jahren zum Beispiel viel fürs Theater gemacht. So gesehen blieb einfach keine Zeit für ein Album. Außerdem fehlte mir auch jede Muse. Ich habe mich zweitweise auch sehr leer gefühlt, weil all diese Dinge mitunter sehr intensiv waren. Dann kam auch noch Corona hinzu.

Ich kenne dich als einen sehr feinfühligen und sensiblen Menschen. Wie ist es dir eigentlich während der Pandemie gegangen?

Clara Luzia: Anfangs habe ich mir gedacht, dass mir die Pandemie relativ egal ist. Die ersten Lockdowns haben mich sogar etwas erleichtert, weil ich nicht so gern unter Menschen bin. Daher kam mir das Ganze eigentlich ganz gelegen, wobei ich schon mitbekommen habe, dass die Stimmung in meiner Umgebung insgesamt eher nicht so schön war und dass es vielen Menschen nicht gut gegangen ist. Die Zeit war so gesehen nicht schön, aber sie ist halt – mit Blick auf das, was in der Welt vorgeht – grundsätzlich nicht schön.

Mir ist es also relativ gut gegangen. Wir hatten ein Haus am Land und waren diesbezüglich privilegiert bis zum Abwinken. Ich will jetzt auch gar nicht rumjammern. Was mich viel mehr gesorgt hat und es immer noch tut, ist das alte, leidige Thema der Umweltzerstörung. Da ich während der Pandemie noch mehr als sonst allein zu Hause war und mich viel in der Natur aufgehalten habe, habe ich die Auswirkungen der Umweltzerstörung noch mehr wahrgenommen als sonst. Das hat mich in ein tiefes schwarzes Loch katapultiert.

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War Corona vielleicht auch ein Antrieb für das neue Album? Vor allem auch nach der vielen Zeit, die du mit der Theaterarbeit verbracht hast.

Clara Luzia: Diese intensive Theaterarbeit ist auch in die Corona-Zeit gefallen. Und sie war gerade auch deswegen so intensiv, weil eigentlich ständig unter sehr erschwerten Bedingungen mit sehr rigorosen und zum Teil abstrusen Auflagen geprobt wurde. Es war lange auch gar nicht klar, ob das Stück überhaupt je zur Premiere kommen wird. Es sind andere Sachen ja hundert Mal verschoben worden. Das war schon etwas zermürbend. So ist es eben gekommen, dass ich 2020 eigentlich gar nichts für mich gemacht habe. Aber irgendwann nach dem ganzen Film- und Theater-Geschreibe habe ich dann doch wieder das Bedürfnis gehabt, eigene Sachen zu schreiben.
Durch dieses viele Schreiben für andere, das vor allem zu Hause passiert ist und wo ich viel herumprobiert habe, habe ich irgendwie das Arrangieren und Produzieren wiederentdeckt. Das sind zwei Dinge, die ich davor eigentlich nie selber gemacht habe, an denen ich aber jetzt wirklich viel Spaß hatte. In der Theaterarbeit geht es sehr viel um das Erzeugen von Stimmung, und das ohne Gesang. Da muss man dann sehr oft nur mit Sounds arbeiten, und diese Arbeitsweise habe ich dann auch in meine eigenen Sachen einfließen lassen.

„Das Schreiben für andere ist etwas ganz anderes, als wenn du für dich selber schreibst.“

Das klingt, als wäre die andere Arbeitsweise irgendwie der Startschuss für das neue Album gewesen.

Clara Luzia: Wahrscheinlich schon. Das Schreiben für andere ist etwas ganz anderes, als wenn du für dich selber schreibst. Du gehst da irgendwie befreiter an die Sache heran, weil es nicht um dich selber geht. Auf der anderen Seite hat es auch etwas Beschränkendes, weil du schon dem Stück dienen musst und nicht völlig frei agieren kannst, was in meinem Fall auch ganz gut ist, weil ich mich diese freie Wahl immer überfordert.
Ich würde schon sagen, dass dieser neue Ansatz des Musikmachens irgendwie auch die Lust auf das Songschreiben wiedergebracht hat. Nach der Veröffentlichung meines letzten Albums „When I Take Your Hand“ habe ich ein Jahr lang so gut wie nichts geschrieben, zumindest nichts Brauchbares. Irgendwie war die Luft draußen. Was ich aber nicht schlimm fand. Ich hatte keine Schreibblockade oder so, ich hatte einfach zu dieser Zeit nichts zu sagen.

Die Songs sind im Grunde genommen alle komplett bei dir zu Hause entstanden. Einzig das Schlagzeug und der Bass sind im Studio eingespielt worden. Du hattest als viel Zeit zum Tüfteln. Hast du das auch getan? Clara Luzia: Ja. Man kann sagen, dass ich in der Tüftelei versunken bin. Es war irgendwie wie damals, als ich von meinen Eltern ein Vier-Spur-Aufnahmegerät geschenkt bekommen habe. Da war ich noch ein Teenager. Damals habe ich stundenlang herumgetüftelt und herumprobiert. Ich habe Sachen aufgenommen und verfremdet. Als ich dann begann, professionell Musik zu machen, habe ich damit eigentlich komplett aufgehört, weil ich mir dachte, dass ich da Produzent:innen an meiner Seite brauche, dir so etwas können. Und das hat zu der Zeit ja auch gestimmt. Aber jetzt habe ich die Freude an dieser Tüftelei wiederentdeckt und mich gleichzeitig wieder daran erinnert, wie viel Spaß mir sie einmal gemacht hat. In der Arbeit für das Theater habe ich zudem auch gemerkt, wie wichtig Sounds sind und mit wie wenig man Welten aufmachen kann. Und ein bisschen von diesem Ansatz ist dann auch auf die Platte gekommen.

Den Eindruck, den ich beim Durchhören des Albums gewonnen habe, ist, dass es sehr vielfältig und abwechslungsreich ist. Von minimalistisch und ganz ruhig bis rockig und flott ist eigentlich alles dabei.

Clara Luzia: Ich denke auch, dass die Platte musikalisch abwechslungsreich ist. Wobei ich nicht in jedem Lied komplett andere Sounds verwendet habe, weil ich schon eine gewisse Stimmung haben wollte. Aber ich habe schon sehr viel herumprobiert, herumgespielt und herumgesampelt, viele Sachen aufgenommen und verfremdet, es war ein bisschen wie auf einem Spielplatz. Das dürfte zur Abwechslung beigetragen haben, wobei ich am Ende schon versucht habe, es nicht komplett ausufern zu lassen.

Bild Clara Luzia
Clara Luzia (c) Marylise Vigneau

Deine Songs haben immer einen leicht melancholischen Einschlag. Und dennoch strahlt da und dort immer auch etwas Optimistisches durch.

Clara Luzia: Das hoffe ich. Ich mag jetzt nicht die ganze Zeit rumheulen, weil das letztendlich wieder sehr egozentrisch ist. Ich versuche schon, mich nicht komplett in meiner Wehleidigkeit zu verlieren.

„Es gibt dieses eine große Thema, dass sich bei mir durch alles zieht.“

Was sind eigentlich die Themen, die du auf diesem Album verarbeitest? Gibt es ein bestimmtes?

Clara Luzia: Nein, nicht wirklich. Es gibt diesen Spruch, dass man nur ein Thema im Leben hat. Und dieses Gefühl habe ich auch. Es gibt dieses eine große Thema, dass sich bei mir durch alles zieht. Ich versuche, es nicht immer ganz offensichtlich in den Vordergrund zu rücken. Man kann ein Thema auch von unterschiedlichen Perspektiven betrachten und es hat auch Einfluss auf viele andere Sachen. Ich kann von vielen unterschiedlichen Dingen erzählen, die alle aber eine gemeinsame Basis haben. Insofern kann man meine Lieder immer auf dieses eine Thema runterbrechen. Das Richtige im Falschen, dieses In-die-Welt-geworfen-Sein und das Gefühl, komplett fehl am Platz zu sein. Alles läuft falsch. Die Rolle von uns Menschen in der Welt. Du siehst, ich habe da unzählige Antworten, für mich aber ist irgendwie alles das gleiche Thema. Aber es kommt, wenn du es zerlegt, alles auf einen Punkt, nur den Punkt kann ich jetzt nicht konkret benennen. Aber vielleicht komme ich in ein paar Jahren nach ein paar weiteren Platten drauf.

Wenn du einen Blick zurückwirfst: Kannst du glauben, dass das Erscheinen deines Debüts mittlerweile 16, 17 Jahre her ist? Hast du dir jemals ausmalen können, dass du nach so einer langen Zeit immer noch erfolgreich Musik machst?

Clara Luzia: Ehrlich gesagt, habe ich mir darüber nie wirklich Gedanken gemacht. Ich tu mir sehr schwer, mich an Vergangenes zu erinnern. Es fällt mir auch wahnsinnig schwer, mir Zukünftiges auszumalen. Deswegen kann ich dazu nicht so viel sagen. Mein Wunsch war natürlich schon, irgendwann von der Musik leben zu können. Und es war anfangs auch nicht klar, ob das jemals funktionieren wird. Aber irgendwie habe ich mir schon gedacht, dass das möglich sein müsste. Ich bin sehr froh, dass das letztlich funktioniert hat. Zumindest bis jetzt.

Zuletzt vielleicht dann doch auch noch ein kleiner Blick in die Zukunft. Im Frühjahr steht eine recht ausgiebige Tour auf dem Programm. Wie sehr freut es dich, wieder selbst auf der Bühne zu stehen?

Clara Luzia: Ich habe mit der Band in diesem Jahr schon ein paar Konzerte gespielt, aber es hätten eigentlich viel mehr sein sollen. Aber wir waren irgendwie vom Pech verfolgt. Wir wurden sehr oft kurzfristig angefragt, mussten aber sehr vieles wieder absagen, weil praktisch immer jemand kurzfristig krank geworden ist. Es war wie verhext. Wir hätten Ende November unser letztes Konzert des Jahres gehabt. Und wieder. Catharina [Priemer-Humpel; Anm.] ist zwei Tage davor krank geworden. Oder dieses eine Konzert, dass ich mit Farce schon 2020 im RadioKulturhaus spielen hätte sollen und das schon mehrmals verschoben werden musste. Beim letzten Mal, als es stattfinden hätte sollen, wurde ich plötzlich krank. Ich dachte mir: „Das gibt’s doch nicht.“ Aber es ist, wie es ist. Jetzt freue ich mich auf jeden Fall auf die Tour. Einzelne Konzerte zu spielen, macht eigentlich nur halb so viel Spaß, wie eine Tour zu spielen.

Herzlichen Dank für das Gespräch.

Michael Ternai

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Clara Luzia live
27.04. Milla / München 
28.04. Treibhaus / Innsbruck 
29.04. Spielboden / Dornbirn
04.05. Arge / Salzburg 
05.05. Kik / Ried 
06.05. Kunsthaus / Mürz 
11.05. Cinema Paradiso / St. Pölten 
12.05. Orpheum / Graz 
13.05. Posthof / Linz 
17.05. Porgy & Bess / Wien

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