„Man bekommt schon ein Gespür dafür, was funktionieren kann und was nicht.“ – ONK LOU im mica-Interview

Vor rund zwei Jahren quasi aus dem Nichts auf der Bildfläche erschienen, hat sich ONK LOU – dank seines hochgelobten Erstlingswerks – in einem rasenden Tempo von einem Geheimtipp zu einer fixen Größe im heimischen Popzirkus entwickelt. Die Frage, die sich nun stellt, ist: Kann der in Niederösterreich als LUKAS WEISER geborene Liedermacher seinem Debüt mit „Quarterlife“ (Karmarama) noch eines draufsetzen? Die Antwort ist ein dick unterstrichenes JA. Michael Ternai unterhielt sich mit ONK LOU über die Entstehung seines neuen Albums, darüber, warum er in seinen Songs dieses Mal mehr von sich preisgibt, und er Onlinekonzerte so gar nicht mag.

Was einem bei Durchhören von deinem neuen Album „Quarterlife“ sofort auffällt, ist, dass es musikalisch auf diesem abwechslungsreicher abgeht als noch auf dem Debüt. Es wirkt sehr ausbalanciert. 

Cover Quarterlife
Cover “Quarterlife”

Onk Lou: Das war auch ein Ziel von mir. Beim ersten Album war es noch so, dass ich aus dem breiten Fundus an Liedern, die ich über die Jahre bis zu diesem geschrieben habe, schöpfen konnte. Es war kein Problem, ein Album mit sechzehn Tracks zu füllen. Und ich wollte wirklich so viele Songs wie möglich auf das Debüt draufpacken. Dieses Mal wollte ich bewusst ein slimes Album machen, eines, dass ein schönes Gesamtbild ergibt und in dem ich mich wiederfinden kann. Es sollte ein Album werden, das ich hoffentlich auch in ein paar Jahren noch gerne höre.
Und ja, es war mir sehr wichtig, dass es ausbalanciert ist. Ich habe ganz bewusst 50 Songs in unterschiedliche Richtungen geschrieben und mir dann die zehn ausgesucht, die für mich am besten gepasst haben. Natürlich war ich etwas traurig, dass es die anderen Songs nicht auf das Album geschafft haben, denn irgendwie sind sie ja alle meine Kinder. Aber das Leben ist noch so lang. Da kann ich noch so viel rausbringen.

„Ich bin ja kein allzu großer Studiofan und wollte es so gut wie möglich vermeiden, eine allzu lange Zeit in einem verbringen zu müssen.“

Dein Debüt war sehr erfolgreich. Inwieweit hast du Druck verspürt, diesen Erfolg wiederholen zu müssen?  

Onk Lou: Das mit dem Druck ist relativ. Ich habe ja für das neue Album drei Jahre gebraucht. Ich glaube, es ist jetzt nicht mehr so en vogue, sich so lange Zeit zu lassen. Was den Erwartungsdruck betrifft, den habe ich mir selber gestellt. Von Seiten des Labels gab es keinen. Ganz im Gegenteil, die waren relativ entspannt. Sie meinten, dass sie von mir jetzt kein zweites „In the Morning“ erwarten. Vielmehr sagten sie: „Mach einfach das, was du jetzt fühlst, quasi ein Abbild von der Zeit, in der du dich gerade befindest. Das ist das Spannende.“

Bild Onk Lou
Onk Lou (c) Carina Antl

Ein weiterer Grund, warum es dieses Mal relativ entspannt abgelaufen ist, hat auch mit den Umständen zu tun, in denen das Album entstanden ist. Ich bin ja kein allzu großer Studiofan und wollte es so gut wie möglich vermeiden, eine allzu lange Zeit in einem verbringen zu müssen. Erfreulicherweise sah das mein Produzent Kevin Lehr ähnlich. Wir haben uns einfach zusammengepackt und uns immer für ein paar Tage irgendwo, wo es schön ist, über Airbnb eingemietet. Dort haben wir dann an den Songs geschrieben. Das war lustigerweise nicht nur viel billiger als ein Studio zu mieten, sondern es ist auch wirklich etwas weitergegangen. Und ich glaube, auch wenn das jetzt etwas esoterisch klingt, dass man die Umgebung, in der die Songs entstanden sind, irgendwie durchhört. Es ist kein Wunder, dass zum Beispiel der Song „Penemies“ recht opulent geworden ist. Der ist irgendwo hoch oben auf einer Almhütte in Oberösterreich geschrieben worden. Ich kann jetzt also nicht sagen, dass die Zeit allzu stressig war. Ich finde es weitaus stressiger, in einem Studio zu sitzen und zu wissen, dass ich – aufgrund der Kohle, die mir zur Verfügung steht – ein Album in zwei Wochen fertig haben muss.  

Du hast dich bei diesem Album ja mit dem Produzenten Kevin Lehr (LOST, Tagtraeumer; Anm.) zusammengetan. Was kannst du über die Zusammenarbeit erzählen? 

Onk Lou:  Es ist eine ganz lustige Geschichte, wie es zur Zusammenarbeit von Kevin und mir gekommen ist. Ich bin ja ein Fan von dem New Yorker Songwriter und Produzenten Jon Bellion. Der hat zwar megachristliche Texte, mit denen ich absolut nichts anfangen kann, aber seine Produktionen finde ich sehr spannend. Kevin hat mich eines Tages gefragt, ob ich nicht Interesse hätte, für sein Projekt ein Feature einzusingen. Als er mir ein paar seiner Songs geschickt hat, ist mir dann ein starker Zug in Richtung eben zu diesem Jon Bellion aufgefallen. Wie wir uns dann zu ersten Mal wirklich gesehen haben, habe ich ihn auch gleich gefragt, ob er ein Fan von Jon Bellion ist, worauf er antwortete: „Ja, voll.“ Da war mir eigentlich klar, dass wir gut zueinanderpassen, und ich habe ihn dann ziemlich schnell auch gefragt, ob der nicht mein Album machen will. Unsere Zusammenarbeit funktioniert wirklich gut, wir hören aufeinander, was sehr wichtig ist.

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„Irgendwann muss man unter jedes Lied einen Schlussstrich setzen.“

Wenn du dich zum Liederschreiben hinsetzt, hast du da schon im Vorhinein eine Idee davon, wie der Song am Ende klingen wird.

Onk Lou: Nein, ein Song verändert sich in diesem Prozess immer. Es gibt einen Spruch von Tom Waits, der sinngemäß meint, dass, solange man an einem Lied weiterschreibt und dieses aufnimmt, es sich immer verändern wird. Irgendwann muss man unter jedes Lied einen Schlussstrich setzen. Zwei Songs von dem neuen Album habe ich in ihrer Demoversion ja schon letztes Jahr auf meiner „Summertapes“-EP rausgebracht. Die Versionen, die sich jetzt auch „Quarterlife“ wiederfinden, klingen vollkommen anders. 

Inwieweit spielt eigentlich deine musikalische Vergangenheit – du warst ja einige Jahre auch als Straßenmusikant unterwegs – in das Album rein? 

Bild Onk Lou
Onk Lou (c) Carina Antl

Onk Lou: Ich muss das immer ein bisschen relativieren. Im Grunde war ich oft eigentlich so auf gut Glück unterwegs oder habe jeden Tag so 500 Mails mit Ankündigungen, wo ich vorhabe zu spielen, in den Äther geblasen, um so einen Monat Europa-Tour zusammenzubekommen. Ich habe mich dann einfach ins Auto gesetzt und war ein paar Wochen unterwegs. Wenn sich dann irgendwo Leerstände ergeben haben, habe ich eben dort gespielt. Aber ich bin kein Straßenmusikant im klassischen Sinn. Es gibt ja Leute, die das tatsächlich hauptberuflich und noch dazu richtig gut machen.
Aber nichts desto trotz spielen diese Erfahrungen vor allem bei Liveshows sehr stark mit. Man bekommt schon ein Gespür dafür, was funktionieren kann und was nicht. Und vor allem geben dir solche Auftritte auch die Möglichkeit, an den Sachen zu schleifen.

Was sind die Themen, über die du auf deinem neuen Album singst?

Onk Lou: Das hat sich irgendwie gewandelt. Ich habe früher versucht, möglichst nichts von mir zu erzählen und stattdessen fiktive Geschichten zu erfinden. Mit der Zeit ist mir aber bewusst geworden, dass ich doch etwas von mir hergeben will. Deswegen heißt das Album ja auch „Quarterlife“. Die Songs sind so etwas wie zehn Bilder aus meinem bisherigen Leben. Es geht auf diesem Album viel um diesen persönlichen Struggle mit sich selber und dem daraus Kraftschöpfen, wieder Aufstehen und Weitermachen.

Aus deinen bisherigen Antworten lässt sich eigentlich recht klar herauslesen, dass du am liebsten auf der Bühne stehst.

Onk Lou: Definitiv. In einem Ranking der vier Sachen, die eine Musikerin oder ein Musiker machen muss, steht bei mir das Spielen ganz vorne, dann folgt das Songschreiben, dann das Aufnehmen und an letzter Stelle Videos machen.

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Videos zu machen, steht am Schluss?

Onk Lou: Das ist für mich so eine komische Sache. Beim ersten Album war es auch ganz cool. Da sind wir zu dritt nach Kuba geflogen und Bernhard (Kaufmann; Anm.) hat mit der Kamera immer wieder draufgehalten. Er hat ein sehr gutes Auge und kann echt gut schneiden. Aber jetzt hat sich – auch aufgrund der aktuellen Situation – gleich schon am Anfang die Frage gestellt, wo wir den eines aufnehmen sollen. Die Videos haben eigentlich immer dann am besten funktioniert, wenn wir uns um nichts wirklich gekümmert haben, uns einfach irgendeine Location ausgesucht haben, ein paar Requisiten mitgenommen und dann drauf los improvisiert haben. So ist zum Beispiel auch das Video zu „Grey Goose“ entstanden.

Die aktuelle Lage macht es ja unmöglich, das Album jetzt live vorzustellen. Wie stellst du es an, dass es trotzdem unter die Leute kommt?

Onk Lou: Ich sträube mich schon sehr dagegen, ein Onlinekonzert zu geben. Das habe ich bisher zweimal gemacht und so richtig befriedigend empfand ich das jetzt nicht. Ich habe über diese Thematik auch schon einen ganzen Film gedreht und finde, damit habe ich alles gesagt. Ich werde einfach Videos rausbringen und versuchen, noch über andere Kanäle mehr herzugeben. Aber man kann das Spielen einfach nicht ersetzen.

Aber ist für nächstes Jahr – sollte es möglich werden, wieder zu spielen – schon etwas geplant.

Onk Lou: Natürlich. Von März bis April stehen immer noch Deutschland- und Österreich- Termine. Ob es möglich sein wird, die zu halten, wird sich zeigen. Viele, die ich kenne, haben ihre Touren in diesem Zeitraum schon abgesagt. Aber ich sehe das so und will auch nicht blauäugig klingen, aber manchmal glaube ich an Wunder. Und wenn so eines passiert, bin ich möglicherweise einer der wenigen, die Konzerte spielen. Wenn das nicht passiert, dann muss man es eh verschieben. Darauf sind mittlerweile alle eingestellt.

Herzlichen Dank für das Gespräch.

Michael Ternai

 

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