mica-Interview mit Dubblestandart

Sie haben mit etablierten Köpfen wie Lee Perry, Dillinger, Sly & Robbie oder Ari Up kooperiert. Im fremdsprachigen Ausland kennt man die Band besser als hierzulande. Dubblestandart arbeiten seit dem Jahr 1988 zusammen und legen mit “Immigration Dub” heuer ihren zehnten Longplayer vor. Grund genug für Johannes Luxner Dubblestandart-Kopf Paul Zasky auf den Zahn zu fühlen.

Dubblestandart widmen sich bereits seit 1988 dem Dub-Reggae. Wie war das damals, einen vermeintlich exotischen Musikentwurf im wesentlich unmondären Wien als heute im Bandformat zu bestreiten?

Paul Zasky: Wir waren alle 17, 18 Jahre alt und man konnte sich mit der Musik gute Scheinrealitäten aufbauen. Wir haben uns damals der Soundästhetik gewidmet die On-U-Sound gemacht hat. Also eher die UK-Dub und Reggae-Szene. Das war für uns das, wo wir immer hingeschaut haben. Aus dem einfachen Grund heraus, dass uns alles was damals aus Österreich gekommen ist, uns nicht gefallen hat, uns nicht interessiert hat. Ich kann mich gut erinnern, dass das letzte was ich aus Österreich gut fand, Dinge aus der New-Wave-Zeit waren. Rosachrom und diese Ecke. Das waren die elektronischen schrägen Sachen die uns getaugt haben. Die Band ist damals eigentlich aus einer Community heraus entstanden. Wir sind immer gemeinsam abgehangen und haben Reggae gehört. Es hat damals zwei Brüder gegeben, die hatten im 13. Bezirk eine Wohnung und die beiden hatten alle Reggae-Platten der Welt gehabt. Aus welchem Grund auch immer. Dort haben wir die ganze Zeit nur Reggae-Musik gehört. Und irgendwann haben wir
gesagt: Okay, wir machen eine Band. Wobei jeder von uns zu dieser Zeit schon Musik gemacht hat. Ich habe damals mit Mind Blow geprobt und dadurch den Robbie und den Martin kennen gelernt. So haben sich die Ur-Roots ergeben. Wir sind das damals ganz pragmatisch angegangen. Und irgendwann ist mal Techno gekommen und wir waren dann auch von Reggae-untypischen Dingen beeinflusst. Von der Energie des Techno, von elektronischer Musik gemischt mit UK-Dub-Mustern. Das war so die Ursuppe das Flair der frühen Neunzigerjahre.

Was genau war das Fesselnde an der On-U-Sound-Ästhetik?

Bei Reggae fangen ja alle bei Peter Tosh und Bob Marley an. Meine erste Reggae-Platte war Sly & Robbie, also instrumentale Dub-Riddims. Und mir hat immer die UK-Szene wesentlich mehr getaugt. Weil die Beats wesentlich urbaner und heftiger waren und ab und zu z.B. eine verzerrte Gitarre zu hören war. Es hat alles mehr gedröhnt. Es war auch etwas tiefer als bei jamaikanischen Produktionen. Was dahinter stand war die urbane Legitimierung von Reggae-Music.

Also Reggae minus Hippie?

Ja. Es war nicht alles so easy und chillout, sondern es war ein bisschen heftiger. Irgendwann kam mal von On-U-Sound die Nummer “My life in a hole in the ground”. Das eigentlich eine Antwort auf eine Brian Eno Nummer war, die Adrian Sherwood als Afro-Dub-Version gemacht hat. In der Folge habe ich mir alles von On-U-Sound gekauft. Die Platten hatten alle einen klaren Sound aber gleichzeitig mit einer solchen Dreckigkeit umgesetzt. Überhaupt kein Gefühl von Rastafari und Jamaika. Das kam für mich erst später und das hat schon was. Ari Up hat mal ziemlich gut gesagt: “Reggae hat den bass in den Rock gebracht. Und dadurch ist auch Punk entstanden.” Ich habe ja auch mit Mark Stewart produziert und wenn man mit solchen Leuten redet, kommt man drauf, dass der ganze Punk, die Sex Pistols, The Clash, dieses ganze Punk und Postpunk-Movement und Dub-Reggae und On-U-Sound das alles eines. Einfach die Art wie die Musik funktioniert: Gängige Strukturen aufbrechen – auch als politisches Signal – das hast du alles im Dub. Das hat sich bei On-U-Sound perfekt verdichtet.

Ihr habt damals relativ bald mit Lee Perry kooperiert. Wie ging das damals vonstatten, in einer wesentlich unvernetzteren Welt als heutzutage?

Es war im Nachhinein gesehen easy. Damals hat unser Manager gemeint wir sollten was mit Lee Perry machen. Er hat dann die Miriam, die Frau von Lee Perry angerufen, die gesagt hat: “Schickt doch mal ein Band rüber nach Zürich.” Wir haben dann vier Nummern von ihm einstudiert und eingeschickt: Lee Perry hat gesagt dass er es cool findet und ist für 14 Tage zu uns gekommen. Wir haben geprobt und ein paar Shows mit ihm gespielt. Das war die Sache. Und bei aller Crazieness die ihm nachgesagt wird: Er weiß genau was er macht. Er ist abgehoben, das ist sein job. Er muss einfach Lee Perry sein.

Dann ging es ja ganz flott mit den internationalen Kooperationen, bis hin zur Zusammenarbeit mit Ari Up auf eurem neuen Album …

Das war ein langer Weg bis dort hin. Wir haben ja mit Reggae, Elektronik und Rock begonnen und dann von 1992-1995 eine Popphase gehabt, in der Dubblestandart Ö3 affine Musik gespielt hat. Inklusive zwei Mal in der Hitparade und so weiter. Aber das war ein kurzes Ding, weil wir gemerkt haben, das ist zwar fein aber nicht das was wir eigentlich sind. Wir haben dann 1996-97 mit Dillinger getourt und dadurch wieder dorthin zurück gefunden wo wir eigentlich begonnen haben: Dub-Reggae in einer High-Energy-Variante spielen, wo du auf den Alben auch Chillout-Sachen hast und eben energiegeladene Sachen. Aber auf einer anti-kommerziellen Ebene. So wie wir sind: Wir interessieren uns für Kunst, Menschen und die Natur. Über den Dillinger habe ich damals auch den Devon Denton kennen gelernt, der später unsere Verbindung nach Kingston war. Wo wir auch mit Sly & Robbie zusammen gekommen sind. Das hat sich über die Jahre so ergeben. Du hängst mit den Leuten ab und irgendwann traust du dich auch zu fragen ob die gemeinsam was machen wollen. Bei uns war auch nie viel Kohle vorhanden, also haben wir immer auf Gentleman-Agreement gesagt: Wenn euch der Sound taugt dann machen wir was. Wenn nicht dann vergiss es. Weil dann bringts auch nichts. Das hat sich von Album zu Album weiter ergeben.

Eure Presseinfo qualifiziert euch als Band mit Political Awareness und Spirituality. Wie äußert sich das bei Dubblestandart im Konkreten?

Wenn ich von Wien ausgehe, hat es mich immer gestört, dass sich die elektronische Musikszene unpolitisch gibt. Uns interessiert z.B. die Natur, aber auch fragenstellende Themen: Was wäre warum wie? Oder wer was über wen sagt. Was hinter der Musik steht. Bei Dubblestandart war es immer so, dass wir auch Actions haben die nichts mit Musik zu tun haben. Wo wir unsere Kohle her haben, unsere Brotberufe. Wir wollen als Menschen dahinter stehen und nicht etwa durch gewisse Trends beeinflusst sein. Wir machen unser Ding. Take it or leave it. Dahinter steht aber auch ein sehr klarer Ansatz wie man mit Spiritualität umgeht. Wie man mit dem Geschlechterkampf umgeht, wie man mit politischen Systemen umgeht. Es geht um Religionen und Konfessionen. Ein klares Bekenntnis zu Wertigkeiten.

Ihr spielt bald 20 Jahre miteinander. Gibt es da noch Ziele die man sich steckt?

Ich befürchte wir sind relativ einfach gestrickt. Wir wollen immer nur wieder neue Musik machen und neue Platten raus bringen. Und wir überall auf dieser Welt unsere Musik machen, aber genauso nach links und rechts schauen und andere Projekte machen. Ich möchte ein Drehbuch schreiben und Filme machen. Der Robbie möchte das komplette neue Dubblestandart Album remixen. Ich möchte mit dem Bill Laswell was machen oder ein Jahr in Jamaika sein und einfach nur mit Musik zu tun haben. Was es bei uns ja nie gab war jemand der sich ums Management um die PR kümmert. Da scheißen wir uns leider viel zu wenig. Wir sind immer nur mit der Musik beschäftigt. Und dann vergessen wir manchmal drauf Shows aufzustellen. Es kommt dann Gott sei Dank eh immer was daher … Aber ich spür bei so vielen Leuten, dass ihnen diese Musik sehr taugt. Weg von der Schnellatmigkeit der Welt. Das wird die Leute immer interessieren.

Euer Pressespiegel beinhaltet in erster Linie englisch- und französischsprachige Reviews. In welcher Relation steht das Internationale zur Heimat?

In Österreich sind wir non-present. Ich treffe manchmal Leute auf der Straße die mich fragen ob wir diese Dubblestandart-Band noch machen? In Österreich gibt’s zwar viele Leute die uns kennen, aber medial sind wir nicht präsent. Mit taugt aber Wien vor allem jetzt total. Wien ist eine scheiß coole Stadt geworden in den letzten Jahren. Was ich immer über Wien gejammert hab! Es gibt auch irrsinnig viele junge Leute hier die nachkommen. Was Dubblestandart fehlt ist, dass eine andere Generation bei den Veranstaltern und den Medien sitzt. Sozusagen: Dubblestandart kennen wir von früher. That’s it. Einerseits tut es manchmal weh, andererseits scheiß ich rauf. Weil wir die Musik machen die uns taugt.

 

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