Gerhard Bronner (1922-2007)

Gerhard Bronner (1922-2007)Gerhard Bronner, Baumeister des Nachkriegskabaretts in Österreich und Kritiker der reinen Unvernunft, Pianist, Librettist, Komponist, Autor, Arrangeur, Conferéncier, Fernsehpionier, Übersetzer und Zeitzeuge ist tot. Er starb in Wien an den Folgen eines Schlaganfalles. Das mica würdigt ihn als Musiker, als Förderer von jungen Talenten, als Ermöglicher des wichtigsten Wiener Jazzclubs, nicht zuletzt als Moderator des Orpheus Trust. Anstelle eines Nachrufs hier Bronners Bericht über seine Flucht nach Palästina, warum er nach Wien zurückkehrte und warum er 40 Jahre später noch einmal “emigrierte”. Mit “leichtem Gepäck” ins Exil

“Es ist mir eine Ehre und eine Aufgabe, ein Publikum für die Musik von Vertriebenen zu interessieren”, sagte Gerhard Bronner über seine Tätigkeit als Moderator, Mitwirkender und Mitgestalter der vom Orpheus Trust ins Leben gerufenen Konzertreihe “Mit leichtem Gepäck”, die mehrere Jahre lang an verschiedenen Spielorten über die Bühne ging. Er wußte, was es hieß vor der Naziherrschaft “mit leichtem Gepäck” fliehen zu müssen. Aufgewachsen in einer proletarisch geprägten Umgebung, zeigte sich die Musikalität Bronners bereits bei den “Roten Falken”. Genialer Autodidakt ist Bronner Zeit seines Lebens in allem geblieben. Mit einer Ausnahme: “Klavier lernte ich von sechs bis neun, dann wurde es gepfändet”. Sein Bruder Oskar, später ermordet in Dachau, setzte durch, dass man ihm Klavierstunden ermöglichte Emil, der älteste Bruder, starb 1934 als Schutzbündler an den Folgen einer Schussverletzung, die Eltern, alle anderen Familienmitglieder und die meisten Verwandten kamen in den Konzentrationslagern ums Leben.

Er selbst schlug sich, kaum 16-jährig, über die Tschechoslowakei unter abenteuerlichsten Umständen die Donau entlang bis nach Rumänien durch, wo er auf ein Schiff gelangte, das ihn nach Haifa führte. Dort lernte er in einer Kapelle zu spielen, zu instrumentieren, zu komponieren.

Bronner selbst erzählt die Geschichte dieser Flucht und seine Lebensgeschichte in den 2004 erschienen Memoiren “Spiegel vorm Gesicht” (DVA). Dass er dem Magazin profil diese Geschichte 2002, kurz vor seinem achtzigsten Geburtstag, erstmals erzählt hat (profil machte daraus eine “Exklusiv”-Coverstory) stimmt so nicht ganz. Primavera Gruber vom Orpheus Trust kannte Bronners Lebensgeschichte bereits aus vielen Gesprächen, die sie mit ihm geführt hatte, und vermittelte Heinz Rögl ein Interview, das zu einer kaum durch Fragen unterbrochenen Schilderung dieser Flucht wurde. Die Geschichte erschien bereits am 10.November 2001in der Wochenend-Beilage der Salzburger Nachrichten.

Statt eines Nachrufes hier das aus der Tonbandtranskription ergänzte und vervollständigte Originalinterview, das in der Broadway-Piano-Bar, Bronners liebstem Aufenthaltsort in Wien stattfand und dem SN-Artikel zugrunde lag.  Bronner ärgerte sich damals übrigens sehr über den Schluss des sonst wortgetreu den Großteil dieses Interviews wiedergebenden Artikels, in dem ihm, von redaktioneller Hand (nicht der des Autors) hinzugefügt, im Zusammenhang mit seiner zweiten Emigration sein Finanzstrafverfahren wegen Steuerhinterziehung unter die Nase gerieben wurde.

 

Unvergesslich bis in die Gegenwart

Ort der Handlung: Die altmodisch-nostalgische “Broadway Piano-Bar” in der Innenstadt, wo Nacht für Nacht eine versunkene Welt wieder ersteht. Gerhard Bronner residiert dort am liebsten, wenn er sich in Wien aufhält. Manchmal setzt er sich spätnachts auch ans Klavier, um eine junge Sängerin zu begleiten, der er “aus Spaß an der Freud” Unterricht gibt. Zum Zeitpunkt des Interviews gerade viel beschäftigt, trat er unter anderem als Präsentator von Musik vom NS-Regime Vertriebener für den “Orpheus Trust” in Erscheinung.

Das war der Anlass, ihn zu bitten, einmal von seiner eigenen Vertreibung und Flucht zu berichten.

“Ich bin in Favoriten, was der 10. ist, aufgewachsen. 1938 kamen mein Vater und mein älterer Bruder als illegale Sozialisten nach Dachau. Meine Mutter musste dorthin monatlich 20 Reichsmark schicken. Es gab nichts mehr zum Beißen. Also fuhr ich mit der Bahn nach Unterretzbach, ging schwarz über die Grenze, trampte mit einem Lastwagen nach Brünn. Dort waren 20.000 Flüchtlinge aus Österreich und Deutschland. Eine Hilfsorganisation versorgte sie mit dem Allernötigsten.

Zuerst verdiente ich mein Geld mit Fenster putzen und Kohlen schaufeln. Dann habe ich mir eine alte Gitarre gekauft und brachte mir selbst bei, sie zu spielen.

Ich hab’ ein paar tschechische Lieder auswendig gelernt, auf der Straße gesungen, das ging eine Zeit lang gut, bis ich hopps genommen und in ein Polizeigefangenenhaus eingesperrt wurde. Von wegen keine Lizenzen. Zur Abschiebung bestimmt, wurde ich nach Znajm gebracht. Duat woar – a Mensch: Der Gendarm, der mich zur Grenze geführt hatte, sagte in tschechisch gefärbtem Deutsch: Also, das ist der Weg nach Esterreich, was jetzt Deitschland ist, aber ich würde an deiner Stelle nicht da gehen. Sprach’s, drehte sich um und ging weg.

Ich hab’ mich über die Büsche geschlagen, bin mit dem nächsten Lastauto zurück nach Brünn. Statt wieder auf der Straße zu spielen, gab ich Klavierunterricht. Das ging eine Zeit lang wieder gut. Dann kam das Münchner Abkommen, die Grenze war nur mehr 40 km entfernt. Die Stadt war voller Nazis, es gab Demos und Prügeleien. Der tschechoslowakische Staatschef wies (was half) alle Flüchtlinge aus.

 

Das Schiff hieß ausgerechnet Schönbrunn

Mit einem Freund beschloss ich zu versuchen, nach Palästina zu kommen, über Konstanza am Schwarzen Meer, von wo aus, wie wir wussten, illegale Transporte organisiert wurden. Sind wir nach Preßburg gedippelt. Dort kam ein Schiff, das hieß ausgerechnet “Schönbrunn”, ein Ausflugsschiff. Wir haben einen Matrosen gefragt, ob wir mitkönnen. Gegen Arbeit. Wir haben für den Heizer geschaufelt. Im bulgarischen Rustschuk, der Heimatstadt Canettis, gab es einen Maschinendefekt.

Die Juden haben mir immer geholfen, wenn ich nicht mehr weiterwusste. Aber mit den spaniolischen Juden in Rustschuk konnte ich mich nicht verständigen, die konnten nicht Jiddisch oder Deutsch. Das Schiff lag in den Docks. Unvergesslich: Ein Puff-Besitzer, der außer Bulgarisch auch Türkisch sprach und ein bisserl Ahnung von Deutsch hatte, hat uns engagiert, dass wir herumspazierende Touristen in sein Etablissement bringen.

Ich habe eine rote Laterne gekriegt und die Leute angeredet: Meine Herren, Spezialität des Hauses: rasierte Türkinnen. Dafür durften wir dort nach 3, 4 Uhr früh schlafen und kriegten ein bissl was zu essen. Eines Tags in der Früh fuhr das Schiff weiter. Ohne uns. Wir haben noch geschlafen. Dann standen wir da. Es ging nicht weiter.

Da hab’ ich die wahnwitzige Idee gehabt, dass wir über die Donau nach Rumänien schwimmen. Dort, rechnete ich mir aus, gibt es aschkenasische Juden, mit denen wir uns verständigen können. Auf Treibholzpfosten haben wir unsere Habseligkeiten gebunden. Also – ich bin hinübergekommen, der Freund ist ertrunken. Es war schon ziemlich kalt. Es war Oktober. Und die Donau ist dort sehr breit. Ich bin ungefähr zwanzig Kilometer weiter stromabwärts endlich in Rumänien angelangt. Zu einem Ort, der hieß bezeichnenderweise Orschowa.

Es war schon Morgengrauen und wahrscheinlich der tristeste Zeitpunkt in meinem ganzen Leben. Ich ging in das Dorf, da gab es Geschäfte, und fand ein Schild, da stand Grünberg. Da hab’ ich gewusst, ich bin richtig. Ich habe gewartet, bis der Besitzer aufgesperrt hat. Der hat gleich seine Frau gerufen, die hat eine Decke gebracht, trockene Sachen, hat mir zu essen gegeben. Der Mann hat ein paar andere Juden zusammengerufen, die haben zusammengesteuert, damit ich mir eine Bahnfahrkarte nach Konstanza kaufen konnte. Und der für mich tristeste Gedanke ist der, dass kurze Zeit später alle diese Menschen von den Nazis umgebracht worden sind.

In Konstanza lag tatsächlich ein Schiff, das bereit war, nach Palästina in See zu stechen, illegal. Der Kommandant dieses Schiffes hieß Schurli Herrnstadt und war ein gebürtiger Wiener. Und der sagte zu mir, pass’ auf, das Boot ist so überfüllt, dass es schon wurst ist, wenn du auch noch mitkommst. Auf dem uralten griechischen Frachter waren 4000 Menschen. Im Laderaum gab es Pritschen. Der Sauerstoff war eine kostbare Sache dort. Jeder durfte alle 24 Stunden eine Stunde lang an Deck gehen.

Vom Abfall-Orangenschneider zum Bandleader

Wir sind durchgekommen. Das Schiff ist nach 6 Tagen vor der Küste Palästinas gewesen, aber nicht innerhalb der 3-Meilen-Zone. Da haben die Engländer aufgepasst. Da kam dann ein kleineres Motorboot, es hieß “Artemisia” – heute noch ist es auf der Hauptstraße von Haifa ausgestellt – das 180 Menschen fasste. Man hat zunächst Schwangere und Kranke ausgeladen und zehn junge Menschen, die beim Aussteigen helfen sollten.
Ich hatte das große Glück, unter diesen zehn jungen Menschen dabei zu sein. Man musste 50 Meter vor dem Strand den Leuten in Boote helfen. In einem Kino bekamen wir dann Joghurt und Obst. Und ich wusste, ich war frei.

Autobusse standen bereit, mit denen man über das ganze Land verteilt wurde. Meine erste Arbeit in einem Kibbuz war es, Abfall-Orangen zu zerschneiden, die an Kühe verfüttert wurden. Samt der Schale. Hebräisch – ka Wort. Ich hab irgendwie deutsch geredet, jiddisch ein bissl. Aber es hat nicht sehr lang gedauert, da bin ich mit der Sprache zurecht gekommen.

Es gab einen Russen, der hat ein Balalaika-Orchester gehabt, der brauchte einen Gitarristen, das musste ich aber auch neu lernen, denn die russische Gitarren hat sieben Saiten, nicht sechs.

Dann kam der nächste Glücksfall. Die Engländer gaben drei Stipendien aus, für musikalische junge Leute. Man hat mich nominiert
für ein Stipendium für ein Musikstudium in England: Royal Academy of Music. Aber dann brach der Krieg aus und ich wurde als ,german subject’ auf der Isle of Man interniert. Da gab’s natürlich auch Nazis. Dann hab ich versucht weiterzustudieren, aber die Preise sind durch den Krieg sehr angestiegen. Ich verdingte mich in Soho in einer furchtbaren Kaschemme als Klavierspieler. Denn schon vorher, auch in Wien, wann immer ich in der Nähe von an Klavier war, hab’ ich gespielt. Immer nach Gehör, viel besser als nach Noten. Ich les auch heute ungern Noten, die nicht von mir sind. Ich les’ die Noten, aber ich spiel nur das, was ich grad derspielen kann.

Es sprach sich herum, da kann einer am Klavier Sänger begleiten. Ich konnte das, auch wenn ich das Lied gar nicht kannte, habe mich einfach an den Sänger angepasst. Wobei es mir wurst war, in welcher Tonart der g’sungen hat, ich hab einfach mitgespielt. In kurzer Zeit hatte ich ein gewaltiges Repertoire an Volksliedern, Schlagern.

Man fragte mich, ob ich bereit wäre, bei einer Soldatenbetreuungstruppe mitzumachen. Zuerst in England, dann Middle East. Zu meinem Erstaunen fand ich mich eines Tages in Haifa wieder. Ich hatte zum ersten Mal ein anständiges Klavier, hab viel gelernt, viel geübt. Ich hatte einen Gitarristen, einen Bassisten, Schlagzeuger, drei Bläser. Musste Arrangements schreiben, die hab ich von Platten abgeschrieben.”

Bei Kriegsende ist Bronner arrivierter Kapellmeister einer Band von 24 Mitgliedern, hat komponieren und arrangieren gelernt und bleibt weitere drei Jahre bei einem Rundfunksender in Haifa. Inzwischen hat er geheiratet, sein Sohn Oscar wurde geboren. Die Schwiegereltern, die den Krieg in Shanghai verbrachten, sind wieder in Wien und möchten Tochter und Enkel wieder sehen. Und Bronner sagt zu seiner Frau: “Ich sag’ dir gleich, länger als einen Monat bleib’ ich nicht in dieser Scheiss-Stadt.”

 

Musik, Kabarett und Antisemitismus in Wien

Der Programmdirektor des Senders “Rot-Weiß-Rot” engagierte ihn für eine Sendung (“Das bunte Samstags-Variete`”), Alexander Steinbrecher und Hans Weigel überredeten ihn zu bleiben. Nachts spielt er in der “Marietta-Bar” Klavier.

“40 Schilling pro Abend. Die Marietta-Bar war das, was später die ,Fledermaus’ wurde. Ich hab dort viel amerikanische Musik gespielt, die Leut’ waren ausgehungert nach so etwas. Da habe ich einen Stammgast gehabt, der drei-, vier Mal in der Woche kam. Der war sehr musikalisch, hatte eine hübsche Stimme und hat öfter gesungen. Mit dem hab ich mich recht gut verstanden. Eines Abends kommt der herein mit einem ganz langen Gesicht. Ich frag, was ist los, was hast denn? – I muss aus meiner Wohnung aussi. Der Jud’, dem die gehört hat, ist zurückgekommen. Ich hab mich eines Kommentars enthalten. Lange Pause. Darauf er: Stell dir vor heast, so viele Juden ham’s derschlagen, ausgerechnet meiner musste es überleben. Das war die Stimmung damals. Da hab ich allen Ernstes überlegt, ob ich nicht doch nach England gehen soll.”

1950 fragt ihn der junge Regisseur Michael Kehlmann, ob er bei einer Adaption von Schnitzlers “Reigen” mitmachen wolle. Carl Merz und Helmut Qualtinger sind mit von der Partie, Bronner schreibt die Musik und macht die Conferéncen. Die Aufführungen im “Kleinen Theater im Konzerthaus” werden ein Riesenerfolg. Mit dem Programm “Brettl vor’m Kopf” schreibt dieses Ensemble 1952 dann Kabarett-Geschichte.

“Das war ein Theater mit 49 Sitzplätzen, maximal konnten da 110 Leute hineingestopft werden, Klappstühle wurden dazugestellt, Stehplätze – es war unglaublich. Der g’schupfte Ferdl war der Bestseller, den hat im Programm der Qualtinger gesungen, er war von mir – solange ich die Tantiemen kassiert hab’ war mir das wurst .. Mit dem Texte Schreiben  hatte ich nach und nach langsam begonnen gehabt, und wenn das keiner singen wollt’ habe ich es selbst gesungen. Und hab selbst a Theater gemacht und selbst Schallplatten produziert. Und als ich dann draufgekommen bin, dass ich gar nicht singen kann, war ich zu schon bekannt um aufzuhören . Später schrieb’ ich viel gemeinsam mit dem Wehle: Immer, wenn der ane ausgelassen hat, hat der andere weitergewusst.”

Nach einem dreijährigen Intermezzo in den Pioniertagen des Fernsehens in Hamburg (im Monatsrhythmus werden dort musikalische Lustspiele produziert und live gesendet) kauft Gerhard Bronner die “Marietta-Bar” (später “Fledermaus”), wird Direktor eines eigenen Kabarett- Etablissements (ab 1959 im legendären Kärntnertor-Theater). Die “Fledermaus” wird zu einem Zentrum Wiener Unterhaltungskultur, Marianne Mendt singt dort “Wia a Glock’n” – eine der Geburtstunden des Austropop. Viel später überlässt der Konzessionär Bronner das Lokal dem neu gegründeten Jazzclub “Porgy&Bess”.

Im Kabarett ist der sanguinische Peter Wehle zu Bronners kongenialen Partner geworden. Ende der sechziger Jahre begannen sie mit Fernseh-Kabarett, in den achtziger Jahren mit dem wöchentlich produzierten Rundfunk-Brettl “Guglhupf”. Die Geschichten, Anekdoten und Erinnerungen aus diesen Jahren könnten natürlich Bände füllen.

Gemäß der Leitline “Kritik der Unvernunft”

“Kritik der reinen Unvernunft” war die Maxime von Bronnners Kabarett, das sich wahrlich kein “Blattl vor den Mund” nahm. Zensur – namentlich in der Besatzungszeit beim RAVAG-Sender – gab’s zuhauf. Einmal wollte man ihn aus der SPÖ ausschließen, bis sich herausstellte, dass er dort gar nicht Mitglied war.

“Besonders in der Argentinierstraße im russisch kontrollierten Sender war die Zensur arg. Der Zensor war ein Österreicher, der mit vorauseilendem Gehorsam alles strich, was vielleicht den Russen nicht gefallen könnte, wobei, die Russen haben das nie zu Gesicht bekommen. Einmal hat er mir wieder was gestrichen und ich hab beschlossen, jetzt geh ich zum russischen Zensor. Das war ein Büro beim Eislaufverein, dort saß ein Major Goldberg, das war ein russischer Jude aus Kiew. ,Um was dreht es sich?’ – ,Ich hab eine Nummer geschrieben, dass es in Österreich zwei Mercedes 300 gibt, einer gehört dem Mautner-Markhof und einer dem Schani [Johann] Böhm, das war der ÖGB-Präsident. Warum darf ich das nicht sagen?’ Goldberg: ,Ist eigentlich richtig.’ Macht seine Kraxen und gibt die Nummer frei.”

Einmal rief ihn Bruno Kreisky an, nachdem der “Guglhupf” dessen eigenartigen Umgang mit dem Antisemitismus ins Visier genommen hatte. “Wann da was net passt, Bronner”, brummte Kreisky, “dann sag’s mir, die Gojim (Nichtjuden) geht des nix an!”

1987 kam es zur zweiten Emigration. In Florida erwirbt Gerhard Bronner ein Haus und startet dort noch einmal eine neue Karriere als Komponist und Musiker. Die Motive für diesen Exodus erklärt er so: “Anonyme antisemitische Beschimpfungen hat es in den ganzen Jahren immer wieder gegeben. Aber während der Waldheim-Affäre kamen an mich solche Briefe mit vollem Absender, manchmal sogar mit Telefonnummer. Ich hab mir gedacht, jetzt sind wir wieder dort, wo wir schon einmal waren. Was mach’ ich noch hier. Und ich war hundsmüde nach 10 Jahren Guglhupf’, der Wehle ist gestorben, ich fand keinen Ersatz für ihn. Ich bin nach Florida gegangen. Das ist ein Entschluss gewesen, der mein Leben um etliches verlängert hat. Wäre ich in der Wiener Tretmühle geblieben, dann wär’ ich jetzt genauso tot wie alle meine Kollegen, denn keiner von ihnen ist so alt geworden, wie ich es jetzt bin. Das muss einen Grund haben.”

Sehr alt, inzwischen doch wieder viel in Wien, ist Gerhard Bronner ja doch  nicht geworden. Wie hellsichtig er bis zum Schluss geblieben ist, zeigte seine Neuversion vom alten ,gschupften Ferdl’, wie er ihn zu Silvester bei einem Auftritt im Theater Akzent noch vorgestellt hat. Auf viele machte der Klavierspieler Gerhard Bronner den größten Eindruck – es schien, als spiele er im Schlaf, völlig mühelos. Es war wunderbar zu erleben, wenn er nachts in der Broadway-Bar junge Leute begleitete, danach gedankenverloren noch ein bisschen herumimprovisierte und dann einfach den Mantel anzog und heimging. Jetzt ist er endgültig gegangen und es ist mit ihm – und auch mit seiner Art Musik zu machen – ein bisschen eine Welt versunken.
Heinz Rögl

Fotocredits: APA, Der Standard, Christian Brandstätter Verlag (Bronner um 1965) , Christian Kulpa

 

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