LANDESPREISE FÜR ELEKTRONISCHE MUSIK IN SALZBURG vergeben

Dass es in Salzburg nicht immer und überall nur nach Mozart klingt, dürfte sich mittlerweile schon herumgesprochen haben. Neben einer vitalen Rock- und Pop-Szene, einer regen Jazz-Community und engagierten AkteurInnen in Sachen Neuer Musik gehören auch die diversen Spielarten elektronisch generierter Klänge zum aktuellen „Sound of Salzburg“. So auch zu hören bei den diesjährigen Landespreisen für elektronische Musik. Einer der Preise wurde dabei an MARTIN LÖCKER vergeben, der zudem heuer die Reihe „5020 performing sound“ mitinitiiert hat. Didi Neidhart hat sich mit dem Preisträger unterhalten.

Am 9. Dezember 2015 wurden die heurigen Landespreise für elektronische Musik in Salzburg vergeben. Die Preise, die alle zwei Jahre vergeben werden, ergingen diesmal (bei 41 Einreichungen) an Martin Löcker, Frank Viktor Schlick, Luis Valdivia, Sebastian Kober, Micha Elias Pichlkastner und Marco Döttlinger. Verliehen wurden die Preise von Kulturreferent Landesrat Heinrich Schellhorn im Rahmen der Kulturpreisverleihung 2015 in der Salzburger Residenz.

Die Preisträger des Landespreises für elektronische Musik Elektronik-Land 2015 wurden von einer Jury, bestehend aus Susanne Kirchmayr (aka Electric Indigo), Gregor Ladenhauf (Ogris Debris), Gianni Stiletto (Dozent des Studiengangs „MultiMediaArt“ an der Fachhochschule Salzburg) und Achim Bornhoeft (Leiter des Studios für Elektronische Musik an der Universität Mozarteum Salzburg), unter der Moderation von Markus Grüner-Musil (künstlerischer Leiter der ARGEkultur Salzburg) in einer öffentlichen Sitzung in der ARGEkultur ermittelt.

Dabei wurde das Preisgeld von 9.000 Euro aus dem Kulturbudget des Landes Salzburg zu gleichen Teilen auf die sechs Preisträger aufgeteilt. In der allgemeinen Kategorie, in der bis zu drei Stücke mit maximal zwölf Minuten Spieldauer gefragt waren, wurden vier Preise vergeben, zwei Preise wurden interdisziplinären Projekten zuerkannt, bei denen elektronische Musik als Teil eines Kunstprojekts (Film, Performance, Ausstellung o. Ä.) eingesetzt wurde.

Die Jurysitzung kann im Internet nachverfolgt werden.

Eine CD mit sechs Tracks und zwei Bonus-mp4-Tracks der Preisträger und weiterer Bewerber von der Shortlist der Jury ist beim Kunstreferat des Landes Salzburg erhältlich (so lange der Vorrat reicht).
Bestellungen: paul.arzt@salzburg.gv.at, Tel.: 0662-8042-2641 oder -2249.

Die Preisträger

In der allgemeinen Kategorie setzten sich Martin Löcker (freier Tongestalter und Tonmeister für Film und Lehrender an der Fachhochschule Salzburg im Bereich Audiopostproduktion sowie Ko-Kurator der Reihe „5020 performing sound“) mit „Freeze Frame“, Frank Viktor Schlick (absolviert derzeit das Masterstudium „MultiMediaArt“ an der Fachhochschule Salzburg) mit „Reconstructed Memories“, Luis Valdivia (absolviert zurzeit das Masterstudium „Elektronische Komposition“ an der Folkwang Universität bei Thomas Neuhaus und studiert „Angewandte Informatik“ an der Universität Salzburg) mit „Xaev1uox“ und Sebastian Kober (arbeitet als Planer und Kalkulant für Hoteleinrichtungen bei einem Möbelwerk in Abtenau) mit „Sturmtief“ als Sieger durch. In der interdisziplinären Kategorie gewannen Micha Elias Pichlkastner (Absolvent des „MultiMediaArt“-Studiums an der Fachhochschule Salzburg) mit „Installation Replica“ und Marco Döttlinger (Assistent im Studio für Elektronische Musik an der Universität Mozarteum) mit der Filmmusik bzw. dem Sounddesign zum Tanzfilm „Kirchner“.

Martin Löcker im mica-Interview

Mit dem Stück „Freeze Frame“ haben Sie heuer den alle zwei Jahre ausgeschriebenen Elektronik-Land Preis gewonnen. Dazu gab es in der Salzburger ARGEkultur im Oktober eine – sehr lange – öffentliche Jurysitzung. Wie ist das, wenn man andere über die eigene Musik reden hört?

Martin Löcker: Es ist immer interessant, wie jemand abstrakte elektronische Musik wahrnimmt und vor allem welche Teilaspekte daraus besprochen werden und mit welchen Worten die Musik beschrieben wird.

Waren Sie überrascht, als Sie als Preisträger genannt wurden?

Martin Löcker: Ich wollte Feedback, weil es eine anonyme Einreichung war und ich so nicht als Person mit meiner Musik verbunden wurde. Das war mein Ziel! Dass daraus ein Preis geworden ist, freut mich natürlich sehr!

Das Ausgangsmaterial von „Freeze Frame“ war ein eine Sekunde dauerndes Sample. Wie sind Sie dann weiter mit dem Material vorgegangen? Sie haben ja auch einmal den Begriff „Low Level“ verwendet, um Ihre Arbeitsweise zu charakterisieren.

Martin Löcker: Ich arbeite meist mit ganz wenigen Samples, die ich so weit wie möglich erforsche. Da ich technisch versiert bin und genau weiß, was ich tue, habe ich natürlich einen breiten Fundus an Möglichkeiten. „Low Level“ ist mein Ansatz insofern, als dass ich – auch wenn ich mit komplexen Audioalgorithmen arbeite – sehr viel von Hand mache. Ich wähle aus, schneide, bearbeite, loope und arrangiere. Wie damals, als ich mit meinem ersten Sampler und Sequenzer angefangen habe. Nur sind mittlerweile die Bearbeitungstools sehr viel komplexer geworden.
Man kann heute Klangverläufe unabhängig von Rhythmus und Klangspektrum schaffen. Dadurch habe ich die Möglichkeit, jeden Sound genau so zu formen, wie ich möchte, und bin heute nicht mehr durch Hardware eingeengt. Dementsprechend zeitaufwendig ist aber der Vorgang meines Musikschaffens geblieben. Denn „generative“ Synthesizer im klassischen Sinne verwende ich nur selten. Wichtig ist mir bei aller Abstraktion aber auch, dass meine Musik die Hörenden auch ohne „Beipackzettel“ erreicht und dass man sie immer wieder „neu“ hören kann. Ich finde zum Beispiel, dass meine Musik sehr „visuell“ ist, auch wenn hier natürlich jede und jeder etwas anderes erfahren wird.

Sie haben heuer in den Räumlichkeiten der Salzburger Galerie 5020 die Electronica-Reihe „5020 performing sound“ ins Leben gerufen, die Sie gemeinsam mit Sebastian Drack kuratieren und die seit Mai dieses Jahres fünfmal stattgefunden hat. Wie sind Sie auf diese Idee gekommen und an wen richtet sich die Reihe?

Martin Löcker: Die Idee, eine regelmäßig stattfindende Konzertreihe, die Verbindungen zu anderen Kunstformen sucht und nicht als Festival oder von einer Institution organisiert ist, sondern von Künstlerinnen und Künstlern selbst motiviert entsteht, hatte ich schon lange.
Dabei geht es vor allem um Künstlerinnen und Künstler beziehungsweise Musikerinnen und Musiker, die sich nicht in musikalische Begrifflichkeiten wie E und U zwängen beziehungsweise unterteilen wollen. Einige von ihnen arbeiten beispielsweise mit Improvisation, andere sind Komponistinnen und Komponisten bzw. Instrumentalistinnen und Instrumentalisten oder Visual Artists, für die Musik eine große Rolle in ihrem Schaffen spielt. Andere arbeiten wiederum hauptsächlich mit Text und Sprache oder sind Performance Artists, die Musik in ihre Performances einbauen, oder Musikerinnen und Musiker, die ihre Musik live coden oder bearbeiten. Manche arbeiten nur mit Computer, andere komplett ohne. Und für genau diese „Musik- und Soundschaffenden zwischen den Stühlen“ wollen wir eine Plattform errichten.
Somit war die Ausrichtung von Beginn an klar, wie es der Ausschreibungstext bereits formuliert: „In dieser Reihe präsentieren Künstlerinnen und Künstler Arbeiten aus den Bereichen Musik, Sound und Performance, deren Übergänge, Bezugnahmen und Überlappungen. Elektronik trifft auf Akustik. Improvisation auf Komposition. Aktion auf Installation. Die Exploration stilistischer und klanglicher Interferenzen.“
Mit den bisherigen Acts – Drusenberg, Morgenstuhl, Dino Spiluttini, Mit Händen und Füßen, Naglstudio, Gianni Stiletto, APNOA, Desert Sound, KMET, Sound Selecta, Gnadenwalze und Low Profiler – haben wir das, glaube ich, schon sehr gut umsetzen können.
Daher auch gleich hier der Aufruf an interessierte Künstlerinnen und Künstler: Bitte schicken Sie Ihre Musik oder Links und Konzepte für eine Musik/Performance an loko@gmx.at!

Der Untertitel zu „performing sound“ lautet ja „what pop? what noise? be part!“. Wieso diese beiden Begriffe?

Martin Löcker: Es ist notwendig, Schubladen, also Begriffe wie z. B. „Pop“ und „Noise“, zu öffnen, um mal genauer reinzuschauen, herumzustöbern, diese auszuarbeiten und mitzuerleben. Und das Publikum nimmt speziell die stilistischen Abwechslungen sehr positiv auf.

Wie sind sie zur Location 5020 gekommen?

Martin Löcker: Die Galerie 5020 hat mich angesprochen, ob ich eine Musikveranstaltung machen wolle. Da ich die Idee schon länger hatte und die Galerie 5020 für neue Konzepte sehr offen ist, war es naheliegend, es einfach mal anzugehen. Dass gleich eine Reihe daraus wurde (vor allem wegen der sehr guten Publikumsrückmeldungen aus den ersten zwei Veranstaltungen vor der Sommerpause), freut mich natürlich sehr.

Bisher gab es vier Veranstaltungen, die auch sehr gut besucht waren. Worauf führen Sie das Interesse zurück? Haben Sie da eine Lücke gefunden bzw. gefüllt?

Martin Löcker: Das hoffe ich! Ich höre von vielen Seiten, dass es längst überfällig war und dass wir auf alle Fälle weitermachen sollen.

In Salzburg gibt es mit dem Studiengang „MultiMediaArt“ an der Fachhochschule Salzburg und dem Studio für Elektronische Musik an der Universität Mozarteum Salzburg durchaus Ausbildungsstätten im Bereich elektronischer Musikproduktion. Merkt man das überhaupt in der Stadt, gibt es eine Art Szene? Wie sehen Sie das als jemand, der selbst elektronische Musik macht und jetzt auch als Kurator tätig ist?

Martin Löcker: Hier kann ich nur meine ganz persönliche Sichtweise und meinen Eindruck wiedergeben: Generell gibt es hier in Salzburg natürlich viel Musik! Schon aus Tradition. Es gibt mehrere „Szenen“ von Musikschaffenden: Da sind die traditionelle akustische Musik, die neue zeitgenössische Musik, Jazz, Rock, die Clubveranstaltungen, die lokale Musik in den Gemeinden und so weiter.
Aber ich kenne nur sehr wenige, die sich überall zu Hause fühlen, und das ist wahrscheinlich auch gar nicht nötig. Das hat etwas mit Sprache zu tun: Jemand, der zum Beispiel am Filter eines Sequenzers zu einem Beat aus einer Drum Machine dreht, hat andere Begrifflichkeiten und versucht, andere Ausdrucksformen in der musikalischen Sprache zu entwickeln, als jemand, der eine Partitur auf die Geige setzt, oder jemand, der generative Musikalgorithmen erstellt oder ein Werk durch Improvisation erforscht und weiterbearbeitet.
Die elektronische Musik bietet hier aber sehr viele Überschneidungspunkte. Diese zu finden und hier vielleicht auch die eine oder andere Kollaboration zu motivieren, ist natürlich das Ziel der Reihe, und es ist schön, wenn dadurch scheinbar unvereinbare Positionen zueinanderfinden.

Kann man mit elektronischer Musik in Salzburg eigentlich seinen Lebensunterhalt bestreiten oder haben sie auch einen „Brotjob“?

Martin Löcker: Es ist generell so, dass man heute international unterwegs sein muss, wenn man von der eigenen Musik leben will. Geld – zumindest in der elektronischen Musikszene – gibt es für Konzerte, für Musikrechte bei Radio-, TV- und Film-Einsatz, eventuell noch für Lectures, Workshops, Performances, Merchandising. Über den Verkauf kommt nur sehr wenig Geld herein, und das verpufft dann gleich wieder für Werbung, Grafik, Video und so weiter.
Vorausgesetzt, man kann sich selbst überhaupt so weit etablieren und ein Label finden.
Wenn man also nicht zusätzlich Auftragskomponistin beziehungsweise Auftragskomponist oder Auftragsproduzentin beziehungsweise Austragsproduzent (für Pop, Klassik und so weiter), Instrumentalistin beziehungsweise Instrumentalist oder Interpretin beziehungsweise Interpret ist, kann man in Salzburg nicht davon leben, zumal man in einer Stadt nicht ständig für Konzerte gebucht werden wird.
Da ich aber sehr früh mit der Arbeit im Film begonnen habe und zudem tontechnisch sehr versiert bin, arbeite ich als freier Tongestalter und Tonmeister für Filmproduktionen. Aber eine Hauptschwierigkeit habe ich wie ganz viele andere auch: den „Brotjob“ mit der künstlerischen Arbeit zeitlich zu verbinden. Und dann gibt es ja auch noch ein Leben außerhalb der Arbeit, um das man sich kümmern muss und das mindestens genauso wichtig ist – Familie, Freunde und so weiter –, und man hat immer das Gefühl, dass man für etwas davon zu wenig Zeit hat. Aber trotzdem ist es natürlich auch sehr erfüllend.

Wie geht es jetzt weiter mit „performing sound“ und Ihren eigenen Arbeiten?

Martin Löcker:
Weitermachen! Weitere Kollaborationen motivieren. Kunstschaffende kontaktieren, viel, viel Musik hören und Konzepte lesen, besprechen und organisieren. Werbung machen. Was meine eigenen Projekte betrifft: Ich habe am 18. Dezember in der ARGEkultur im Rahmen der Verleihung des Elektronik-Land Preises ein Konzert. Im März und April wird es Performances geben, wo ich viel mit meiner eigenen Stimme arbeiten werde. Dazu gibt es ein Bandprojekt, zudem stehen auch ein paar Filmmischungen an. Und „performing sound“ wird im Jänner 2016 weitergehen.

Vielen Dank für das Interview.

Didi Neidhart

 

Link:
Martin Löcker