Lärmend und reizend zugleich – NOISE APPEAL RECORDS im mica-Porträt

NOISE APPEAL RECORDS ist eines der am längsten agierenden Independent-Labels Österreichs. Genre-Scheuklappen sind der Wiener Talenteschmiede fremd. Hauptsache ist, die Musik hat Qualität. Das lässt sich anhand eines Katalogs mit so unterschiedlichen Künstlerinnen und Künstlern wie den legendären Avantgardisten FUCKHEAD, den ohren- und radioschmeichelnden LIKE ELEPHANTS und den noisigen Alternative-Rockern HELLA COMET ableiten.

Noise Appeal Records bewegt sich seit mehr als einem Jahrzehnt konsequent abseits des Mainstreams und unterstützt die musikalische Subkultur Österreichs. Wenn man es sich als Label zum Ziel setzt, unbequeme Musik zu veröffentlichen, also forderndes Material zu fördern, bleiben die großen finanziellen Gewinne wohl meist aus. Dann geht es stattdessen um Herzblut, Liebe zur Musik und ähnliche am Pathos rüttelnde Beweggründe. Genau diese sind aber die Motive hinter einem Vorhaben wie einem langfristigen geführten Independent-Label, denn auch Label-Chef Dominik Uhl meint: „Das ist hundertprozentiger Idealismus, das geht gar nicht anders. Das Label hat mir noch nie ein verlängertes Wochenende oder sonst irgendetwas finanziert.“ Das ist insbesondere dahingehend sehr nobel, als dass die Veröffentlichungen von Noise Appeal im Gegenzug schon so einigen Menschen bereichernde und anregende Stunden bis Wochenenden beschert haben dürften.

Der Name ist Programm – lärmend und reizend

Stilistisch begibt sich das Label quer durch den Gemüsegarten, die Bands sind aber meistens auf irgendeine Art und Weise am Anecken. Natürlich eckt nicht jede Band so eklatant an wie die legendären Fuckhead aus Linz, die seit ihrer letzten Veröffentlichung „Avoid Nil“ im Jahr 2013 Noise Appeal ihr Zuhause nennen. Nach wie vor schwingen sie musikalisch eine brutale Noise-Keule und provozieren in Sachen Live-Darbietung mittels eines Repertoires von Gewalt bis Körpersäften. Andere Bands des Labels wie Sex Jams und Hella Comet, die letztes Jahr ihr viel gelobtes Album „Locust Valley“ veröffentlichten, ignorieren hingegen ganz einfach konsequent, wie man laut allgemeiner Meinung eine konventionelle Rock-Nummer zu schreiben hat. Stattdessen wird den Gitarren erlaubt zu kreischen und zu quietschen, Stimmbänder werden durchaus auch mal überstrapaziert, trotzdem schaffen es diese Bands auf ihre eigene Art und Weise, reizend ins Ohr zu tänzeln. „Noise“ und „Appeal“ eben, der Name des Labels ist für viele der Bands Programm.

Domink Uhl (c) noise appeal

Manche Bands gehen überhaupt ohne Umwege direkt ins Ohr wie etwa Like Elephants, die dabei aber clever New Wave und Post-Punk referenzieren und sich somit auf andere Art und Weise ihren Platz im Repertoire von Noise Appeal erspielen. Der vordergründige Anspruch scheint zu sein, qualitativ hochwertige, authentische und interessante Musik zu veröffentlichen, unabhängig davon in welchem Genre sich eine Band bewegt. „Grundsätzlich war Noise Appeal immer ein Label, auf dem ich das rausbringe, was mir im Moment gerade zusagt. Klarerweise war das Ganze mit Hardcore Punk verhaftet, denn da komm ich halt her,“ meint Dominik Uhl und spielt damit auf die Frühphase des Labels an, in der Bands wie The Plague Mass und Fresnel mit Veröffentlichungen an der Tagesordnung standen. Das ist allerdings kein Grund, um anno 2017 nicht zum Beispiel auch das zweite Album der Dialekt- und Wien-Pop-Aficionados Die Buben im Pelz rauszubringen. Je länger ein solches Projekt besteht, desto fortschreitender ist ganz einfach auch die Verschmelzung des Labels mit dem Menschen dahinter und seinen sich wandelnden musikalischen Vorlieben, erklärt Uhl: „Wenn man so etwas so lange macht wie ich, also diesen täglichen Kontakt zur Musik zu haben, ist man regelrecht damit verwoben. Man ist selber irgendwie das Label und umgekehrt. Klingt vielleicht zu romantisch, ist aber tatsächlich so.“ Diese andauernde Romanze zwischen Label und Chef feiert im Jahr 2018 jedenfalls ihr 15-jähriges Jubiläum, was freilich zu interessanten Veröffentlichungen auf Noise Appeal führt.

Established 2003, vinyl ever since

Nischenmusik im kleinen Österreich: finanziell betrachtet kein besonders fruchtbares Umfeld. Wenn man unter solchen Umständen trotzdem 15 Jahre überlebt und auch nicht daran denkt aufzuhören, gehört das umso mehr gefeiert. Dominik Uhl, der das Label in verschiedenen Konstellationen bereits seit 2003 leitet, verrät vorweg die Pläne fürs Jubiläumsjahr 2018: „Ich werde einen Single-Klub machen mit zwölf Split-Singles von Bands des Labels und anderen Künstlern. Jeden Monat kommt eine Platte raus und Interessenten gehen dafür ein Abo ein.“ Für Vinyl-LiebhaberInnen eine optimale Möglichkeit, um ihre Plattensammlung mit Sammlerstücken anzureichern, die Schallplatte ist nämlich seit jeher das bevorzugte Veröffentlichungsformat bei Noise Appeal. Es ist ein weiterer Baustein in der Liebhaberei, die hinter dem Label steckt. Denn andere Formate hätten profitable Vorzüge, meint Uhl: „CDs würden wirtschaftlich teilweise mehr Sinn machen. Es war aber auch eine Idee, Noise Appeal als das Label für Vinyl zu positionieren.“ Und das bereits zu einer Zeit wie 2003, als Schallplatten nicht nur totgesagt, sondern tatsächlich tot waren und sich die Schickeria unter den Musikfans noch nicht wieder dafür interessierte, wie es heute der Fall ist. Es ist Noise Appeal nur zu vergönnen, dass dieser Trend die Verkaufszahlen gegenwärtig und in Zukunft etwas ankurbelt. Wer mittlerweile Lust bekommen hat, sich im Onlineshop digital durch die Platten zu wühlen, dem wird auffallen, dass sich ein weiteres Jubiläum des Labels bisher in der Warteschleife befindet. Die fünfzigste Veröffentlichung wurde ganz einfach übergangen. „Das wird die nächste Fuckhead-Platte, die hat den Ehrenplatz. Aus Liebe zur Band und zu Bruckmayr-Veröffentlichungen“, gesteht der Label-Chef schmunzelnd, und gibt allen Freundinnen und Freunden von musikalischer Kunst abseits des Mainstreams einen weiteren Grund, Noise Appeal Records auch in Zukunft immer im Auge zu behalten.

Sebastian J. Götzendorfer

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