Konzert: Ensemble Windkraft – Die himmlische Stadt

Am Freitag, den 6. Juni 2014 um 20.15 Uhr findet im Veranstaltungshaus Vierundeinzig ein Konzert in der Reihe „Die Himmlische Stadt“ des Ensembles Windkraft statt. Im Mittelpunkt stehen die von der Sopranistin Elisabeth Gellner gesungenen „Folk Songs“ – elf Volkslieder aus verschiedenen Kulturen von dem italienischen Komponisten Luciano Berio. Weiters auf dem Programm sind Werke von Sir Peter Maxwell Davies und Sir Harrison Birtwistle, welche beide 2014 ihren 80. Geburtstag feiern. „The Lone Pine Singing in the Wind“ des Chinesen Guoping Jia wird erstmals in Europa und Österreich zu hören sein. Den Bogen zurück in die Tiroler Heimat wird mit einem Stück des Innsbruckers Erich Urbanner geschlagen.

Vom Singen in der neuen Musik

Sir Peter Maxwell Davies, einer der großen britischen Komponisten der Gegenwart, hat ein Werk seines Landsmanns John Dunstable neu gefasst. Dunstables Isorhythmik, das Überlappen von Rhythmik und Melodik, inspirierte ihn zu einer einfühlsamen Transkription der vierstimmigen Motette. Erich Urbanners „Improvisation IV für Bläserquintett“ kommt aus einer Zeit des avantgardistischen Aufbruchs. In Urbanners reichem Oeuvre spiegeln sich immer neueste Entwicklungen in sehr persönlicher Fassung. Der chinesische Lachenmann-Schüler Guoping Jia verbindet mit Klangsinn und blühender Phantasie die klassische Musik seiner Heimat mit der westlichen Moderne. Seine einsame Pinie, die im Winde singt, ist nun erstmals in Europa zu erleben.

Verbindungen von Alt und Neu

„Die ‚Zwölftonkomposition‘ ist mir jetzt eine bereits vollkommen klare Sache“, schrieb Anton Webern 1925 an Alban Berg. Im Dienste der neuen Technik stehen Jodlermotive im ersten Lied des op. 18 auf einen Text des von den Komponisten der „Zweiten Wiener Schule“ sehr geschätzten steirischen Volksdichters Peter Rosegger, extreme Expressivität im zweiten aus „Des Knaben Wunderhorn“ und äußerst kunstvolle Reihentechnik samt Krebsumkehrung im abschließenden lateinischen Marienlied. Die Gesänge gehören zum Schwierigsten, was jemals für Singstimme geschrieben wurde.

Überraschen mag, dass der mittlerweile wie Peter Maxwell Davies, der Widmungsträger des Stücks „The World is Dicovered“ (Die Welt ist entdeckt), zum Ritter geschlagene Harrison Birtwistle sich anno 1961 mit einem großen, sehr mit Tirol verbundenen flämischen Meister der Renaissance, Heinrich Isaac, beschäftigte. Doch fasste er die alte Canzona „Der Welte Fundt“ nach eigener Aussage in der Art neu, in welcher sich Pablo Picasso Techniken seines Kollegen aus dem spanischen Barock, Velasquez, angeeignet hatte. Die Besichtigung von Picassos Studien in der Tate Gallery hatte Birtwistle zu seiner klingenden Isaac-Übermalung inspiriert.

Seemänner, ideale Frauen und bedauernswerte Kreaturen

Luciano Berio schrieb die „Folk Songs“ 1964 seiner ersten Frau Cathy Berberian in die Stimme. Die charismatische amerikanische Sängerin armenischer Abstammung war eine Muse der Avantgarde ihrer Zeit. Berio umgab die elf Volkslieder aus verschiedenen Gegenden der Erde, die alle in den Originalsprachen gesungen werden, mit einer ebenso raffinierten wie liebevollen Begleitung für Flöte, Klarinette, Viola, Cello, Harfe und Schlagwerk. Am Beginn stehen zwei Lieder aus der Feder des US-Folkmusikers und Volksliedsammlers  J. J. Niles. Ein stimmungsvolles instrumentales Gespinst führt in pausenlos zu einem armenischen Volkslied, „Loosin yelav en sareetz“ (Der Mond geht über dem Berge auf). Weiter geht die Reise nach Frankreich zu einer kleinen Nachtigall im Walde, „Rossignolet du bois“. Ein Mädchen bittet die Nachtigall um Hilfe: „Wie man spricht, wie man es macht, wie man liebt …“ „Herrgott, gib uns gutes Wetter“, bittet die Frau eines Seemanns, die um ihren Liebsten bangt, im sizilianischen Volkslied „A la femminisca“. Die beiden nächsten Lieder hatte Berio schon als jugendlicher Anfänger bearbeitet. Ein wenig wie schöne alte Salonmusik wirkt das genuesische Lied von der „donna ideale“, der idealen Frau.

Mit dem kurzen, leidenschaftlich temperamentvollen Lied „Ballo“ (Tanz) bleiben wir in Berios italienischer Heimat. Es folgt ein Sprung auf die Insel Sardinien mit ihrer eigenen Sprache: Im Klagelied „Motettu de tristura“ weint eine Frau um ihren toten Liebsten. „Bedauernswert, wer ein Weib hat“ (Malorous qu’o uno fenno) stammt aus den „Chants d’Auvergne“, der berühmten Sammlung von meist in Mundart verfassten Liedern, welche der aus der zentralfranzösischen Landschaft Auvergne stammende Komponist Joseph Canteloube herausgegeben hat. Zu bedauern sind die Einsamen, doch ebenso die Verheirateten, dies allerdings zu spielerisch vergnügter Musik. In der Auvergne bleiben wir mit „Lo fiolaire“, der Spinnerin. Zum Lohn für das Hüten der Schafe bekommt ein junger Hirte von einem Mädchen nicht nur den dafür ausgemachten einen, sondern gleich zwei Küsse, ehe Harfenklänge zum beschwingten Finale führen, ins ferne Aserbaidschan.

Programm:

Freitag, 06. Juni 2014, 20.15 Uhr, „Vierundeinzig“/Innsbruck

Solisten
Elisabeth Gellner (Sopran)

Windkraft Bläserquintett
Michael Cede (Flöte)
Lukas Runggaldier (Oboe)
Roberto Gander (Klarinette)
Lukas Gruber (Fagott)
Martin Schöch (Horn)

Kasper de Roo (Dirigent)

Werke:
Peter Maxwell Davies/John Dunstable: Veni sancte – Veni creator spiritus (1972)
Erich Urbanner: Improvisation IV für Bläserquintett (1969)
Guoping Jia: The Lone Pine Singing in the Wind (2000/ÖEA)
Anton Webern: Drei Lieder op. 18
Harrison Birtwistle: The World is Discovered; Six Instrumental Movements after Heinrich Isaac
Luciano Berio: Folk Songs

Link:
Ensemble Windkraft