Kontinuität zwischen Tradition und Moderne – Hans-Udo Kreuels zeigt mannigfaltige künstlerische Zusammenhänge auf

Hans-Udo Kreuels, Klavierpädagoge am Vorarlberger Landeskonservatorium, hat mehr als siebzig Werke komponiert, ist wissenschaftlich tätig und publizierte bereits drei Bücher bei renommierten Verlagen. Kürzlich hat er ein Buch über Schuberts „Winterreise“ vorgelegt. Akribisch zeigt er darin Zusammenhang stiftende Motiv- und Themenbildungen auf und verweist auf innere Wirkzusammenhänge. Ausgangspunkte für seine musikwissenschaftlichen Arbeiten sind stets künstlerische Fragestellungen, die sich aus der unmittelbaren Praxis ergeben. „Ich mache mir die musikwissenschaftliche Forschungsarbeit zunutze, wenn ich auf musikalisch künstlerische Problemstellungen stoße, die ich weiter verfolgen möchte“, so Hans-Udo Kreuels. „Im Sinne einer künstlerischen Aufarbeitung, aber auch einer Bewusstwerdung von ungelösten Sachverhalten, versuche ich einen Zugang zu finden. Darum reizt mich das Handwerkszeug des Musikwissenschaftlers, um etwas Konkretes über interessante Fragestellungen auszusagen. Ich folge Impulsen, die aus dem künstlerischen Schaffen heraus entstehen.“

Selbstverständlich werden die musikwissenschaftliche Forschung sowie daraus resultierende Veröffentlichungen am Vorarlberger Landeskonservatorium und vom Kooperationspartner Mozarteum in Salzburg gerne gesehen. Trotzdem fühlt sich Hans-Udo Kreuels am Landeskonservatorium in Feldkirch nicht adäquat gesehen. „Ich sitze nicht einmal in den wissenschaftlichen Gremien“, merkt Hans-Udo Kreuels auf die Frage an, welchen Stellenwert seine wissenschaftliche Tätigkeit in seinem beruflichen Umfeld einnimmt.

Die besondere Liebe zum Lied

Hans-Udo Kreuels komponiert seit seiner frühen Jugend in unterschiedlichen musikalischen Gattungen. Zahlreiche Liedkompositionen sowie die beiden Publikationen über Schuberts Winterreise und Schumanns Kerner-Lieder weisen jedoch auf seine besondere Liebe zur Liedkomposition hin. Wenn auch Erkenntnisse aus der wissenschaftlichen Auseinandersetzung nicht bewusst in das kompositorische Schaffen einfließen, finden sich doch in mehreren Kompositionen Zitate, die ganz gezielt auf tradierte Werke verweisen. So auch im neuesten Klavierwerk, das Hans-Udo Kreuels für den aufstrebenden Pianisten Aaron Pilsan komponiert hat.

Die Tonhöhe ‚a’ früher und heute

Die Anfangsbuchstaben von Aaron waren Inspirationsquelle für das neueste Klavierwerk. In „A wie a“ setzte sich Hans-Udo Kreuels mit dem Ton und der Tonqualität auseinander und stellte sie in unterschiedlichen Beziehungen und Beleuchtungen zueinander dar. „Der Titel ‚A wie a’ hatte eine doppelte oder fast dreifache Bedeutung“, erzählt Hans-Udo Kreuels. „Die Tonhöhe ‚a’, die wir in unserem Tonspektrum heute verwenden, hat einen anderen Charakter und andere Tonmerkmale als das ‚a’ von früher, auch wenn die physikalischen Bedingungen geblieben sind. Während man früher eher an ein Kolorit, den Toncharakter und an die Tonfarbe gedacht hat, denkt man heute weitgehend nur noch an den „Kammerton a“, beschreibt der Komponist seine Ausgangsgedanken. An einer bedeutenden Stelle zitiert Hans-Udo Kreuels Schuberts „Frühlingstraum“ und verweist damit auf die Tonartencharakteristik des A-Dur in der klassischen Musik.

Sehnsucht nach der klassischen Musik

Gleichzeitig wird in diesem Werk auch eine wichtige Frage im Hinblick auf die Rezeptionsgeschichte der klassischen und Neuen Musik in den Raum gestellt. Warum widmen sich so viele Musiker der traditionellen Musik, während sich nur wenige auf gegenwärtige musikalische Ausdrucksformen spezialisieren? „Damit möchte ich auch anspielen auf eine sehnsuchtsvolle Welt, die wir als heutige Musiker ganz selbstverständlich in uns tragen. Dieses Sehnsuchtsverlangen, mit der klassischen Musik verbunden zu bleiben“, spricht Hans-Udo Kreuels an und meint weiter: „Eigentlich sollte man doch von heute ausgehen und dann schauen, was man von früher mitnehmen kann. Nein, die Seele und das Herz schlagen für die ältere Musik, als würde diese doch die stärksten emotionalen Anteile bündeln.“

Junge Musiker unterstützen

Nicht nur für Aaron Pilsan hat Hans-Udo Kreuels Werke komponiert. Auch der junge Cellist Payam Taghadossi hat erfolgreich Kompositionen von Hans-Udo Kreuels zur Uraufführung gebracht. „Groß ist die Identifikation mit einem neuen Werk, das noch dazu den jungen Musikern auf den Leib komponiert ist. Überdies wird mit einer neuen Komposition die gegenseitige Wertschätzung des Komponisten und des ausführenden Musikers hervorgehoben. Auf eine positive Art profitieren beide davon.“

Sinn für Humor

Eine besondere Wesensart von Hans-Udo Kreuels, die sich vor allem in den zahlreichen Liedkompositionen offenbart, ist sein feinsinniger Humor. Dieser zeigt sich in den zugrunde gelegten Texten sowie in der musikalischen Gestaltung selbst. „Ich interessiere mich sehr für die Sprache in Verbindung mit der Musik. Beim Komponieren versuche ich die Extrakte aus den Worten eines Gedichtes zu ziehen, daraus Gefühle zu bündeln und Klänge zu formen. Den Klavierpart lege ich in Form eines psychologischen Untergrundes an. Die Klavierstimme ist mit dem Text verwoben, kommentiert ihn und ist immer präsent. Sie soll aber nicht erstickend wirken“, führt Hans-Udo Kreuels aus, der sich sehr für den Humor von Loriot und dessen Sicht auf Alltagswahrnehmungen begeistern kann.

Vielseitiger Komponist

Zwei weitere, noch nicht aufgeführte Werke der vergangenen Jahre illustrieren die Vielseitigkeit des Komponisten. „Wurm in Brand“ beispielsweise entstand im Hinblick auf eine Performance in der Grazer „Wurmbrandgasse“. Konzipiert wurde ein Tanzspiel für Septett und Elektrosounds in elf Sätzen. Die „Passion Jesu“ nach einem Text von Markus Hofer verfasste Hans-Udo Kreuels vor zwei Jahren. Und obwohl die Werkanlagen sowie die Ausgangsgedanken für jedes Werk individuell ausgerichtet sind, zeigt sich in jeder einzelnen Komposition das Wissen und die Kraft der Tradition, die der Komponist in die Moderne transferiert.
Silvia Thurner

Dieser Artikel ist zuerst in der Zeitschrift für Kultur und Gesellschaft, März 2012 erschienen.

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