„Konkurrenz tut auch gut“ – REINHARD FUCHS (ENSEMBLE PHACE) im mica-Interview

Das Ensemble PHACE zählt inzwischen zu den renommierten Ensembles des Landes – sowohl im kammermusikalischen wie auch im musiktheatralischen Bereich. Nun veröffentlichte es auf dem neuen, eigens gegründeten Label seine erste Aufnahme. Wie es dazu kam und was in Zukunft erwartet werden darf, erzählte REINHARD FUCHS im Gespräch mit Doris Weberberger.

Das Ensemble PHACE wartete mit der Gründung eines neuen Labels auf. Was hat den Ausschlag dafür gegeben?

Reinhard Fuchs: Bevor wir unser eigenes Label gegründet haben, war ich mit einigen Plattenfirmen in Kontakt. Doch die Situation ist auch für die größeren Labels in den letzten Jahren immer schwieriger geworden, sodass viele Projekte nur mehr fremdfinanziert realisiert werden können. Das war ein Grund, warum ich mich entschieden habe, den Weg mit einem eigenen Label zu gehen, wobei wir ausschließlich Aufnahmen von PHACE veröffentlichen. Es ist also für uns auch ein zusätzliches PR-Instrument. Als Visitenkarte ist die CD für Ensembles neben der Präsenz im Internet nach wie vor wichtig, weil der persönliche Zugang immer noch der direktere ist.
Durch unseren Zyklus im Wiener Konzerthaus, der nun in seine vierte Saison startet, haben wir die Möglichkeit, neben Studioaufnahmen auch sehr gute Liveaufnahmen zu verwenden. Auch mit dem ORF, der viele unserer Konzerte aufnimmt, verbindet uns eine gute Zusammenarbeit.

Die erste CD mit Werken von Bernhard Lang, Ricardo Nillni, Germán Toro-Pérez und Jorge Sánchez-Chiong liegt bereits vor. Welche Veröffentlichungen sind für die Zukunft geplant?

Reinhard Fuchs: Wir möchten ein bis zwei CDs pro Jahr produzieren, wobei es zum einen um Porträts von Komponistinnen und Komponisten geht, denen wir durch eine längere Zusammenarbeit eng verbunden sind. Zum anderen liegt ein Schwerpunkt auf Porträts unserer Musikerinnen und Musiker – wie bei unserer ersten CD mit dem Saxofonisten Lars Mlekusch. Er ist vor zwei Jahren mit der Idee, eine CD zu produzieren, an mich herangetreten. Und es hat sich so ergeben, dass mehrere Komponistinnen und Komponisten für Saxofon schreiben wollten. Der erste war Jorge Sánchez-Chiong vor einigen Jahren, Lars hat Ricardo Nillni ins Spiel gebracht, den ich auch für eine sehr spannende Figur halte. Das Stück von Bernhard Lang ist das jüngste auf der CD.
Als nächste CD kommt voraussichtlich ein Porträt von Wolfram Schurig, von dem wir schon etliche Kompositionen aufgeführt haben und der auch einige Werke für uns geschrieben hat, etwa den Liederzyklus „Gesänge von der Peripherie“. Als dritte CD planen wir ein Porträt von Pierluigi Billone.

„Die Musikerinnen und Musiker werden mit ihren Bewegungsabläufen in die Szene involviert.“

Abseits der kammermusikalischen Werke, wie sie auf der CD vertreten sind, stehen gerade in der letzten Zeit zahlreiche Werke in Kombination mit Tanz, Theater, Architektur auf dem Programm, gerade Helmut Oehrings „Gunten“. Oehring ist bekannt für die Aufweichung der Grenzen im Bereich des Musiktheaters. Darf man sich das auch in diesem Fall erwarten?

Reinhard Fuchs: Das Werk basiert auf Robert Walsers Roman „Jakob von Gunten“. Helmut versucht in diesem wie auch in anderen Stücken, die Grenzen zwischen den Musikern und den Schauspielern aufzulösen. Die Szenen verflechten sich zum Teil, sodass die Musiker auch gewisse szenische Rollen übernehmen, sie fungieren auch als Institutsbrüder von Jakob, die namentlich erwähnt werden und mit ihrem Instrument tatsächlich eine Person darstellen. Regie führt Steffen Jäger, der gemeinsam mit der Bühnenbildnerin Sabine Freude eine für Helmut und mich sehr interessante Umsetzung entwickelt hat. Der Berio-Saal im Wiener Konzertsaal wird komplett leer geräumt, die Bühne befindet sich in der Mitte auf mehreren Ebenen, das Publikum kann sich frei bewegen. Dazu haben wir mit Tim Breyvogel einen hervorragenden Schauspieler für die Rolle des Jakobs von Gunten gefunden.
Ein weiteres spannendes Projekt, das auf uns zukommt, ist die Monadologie XVIII „Moving Architecture“ von Bernhard Lang. Es handelt sich um ein Tanzprojekt gemeinsam mit der Choreografin Silke Grabinger, die eine ganz eigene Bewegungsnotation entwickelt hat, die Bernhard in die Partitur einfließen hat lassen. Die Musikerinnen und Musiker werden mit ihren Bewegungsabläufen in die Szene involviert.

Bei den Tanzstücken von Bernhard Lang entsteht die Musik oft aus den Bewegungen der Tänzerinnen und Tänzer heraus, sodass zwischen Musik und Tanz enge Verflechtungen entstehen. Darf man sich dergleichen auch bei „Moving Architecture“ erwarten?

Reinhard Fuchs: Viel von Bernhards Musik eignet sich durch die Wiederholungen, die Loops gut für eine choreografische Umsetzung. Wenn man Musikerinnen und Musiker betrachtet, entstehen oftmals Bewegungsmodelle, die Bedeutung bekommen und als visuelles Element deutlich wahrgenommen werden, etwa die Bewegung der Bogenhand, wenn zum Beispiel der Cellist einen Loop spielt, und die Bewegung, die zum Klang führt, auch zu einem visuellen, choreografischen Motiv wird. Dieser Gedanke lässt sich auch auf die Performer übertragen. Es gibt bei diesem Stück auch reine Bewegungspassagen ohne Musik, wo die Musiker mit den Performern die Bewegungsnotation, die Silke entwickelt hat, ausführen.

Liegt in der Aufführung dieser zahlreichen Werke in Kombination mit anderen Disziplinen eine bewusste Schwerpunktsetzung?

Reinhard Fuchs: PHACE beziehungsweise zuvor ensemble_online war immer schon ein Ensemble, das interdisziplinär arbeitet. Wir haben das seit dem Relaunch 2009 noch verstärkt. Auch durch die Kooperation mit Wien Modern und dem Tanzquartier Wien hat sich bei den Tanzprojekten eine gewisse Kontinuität ergeben – zunächst mit „Tableaux Vivants“ von Johannes Maria Staud, Anne Juren und Roland Rauschmeier 2011, dann mit „Grace Note“ von Arturo Fuentes, Liquid Loft bzw. Chris Haring und Günter Brus 2012 und heuer eben mit „Moving Architecture“. Es ist schön, hier zwei Partner zu haben, die diese spezielle Kombination unterstützen.
Die Projekte im szenischen Bereich sind in den letzten Jahren aber auch mehr geworden, weil wir insgesamt präsenter sind. Mit 35 bis 45 Terminen pro Jahr nehmen auch diese Projekte zu, andererseits forciere ich sie auch. Die Theaterförderung, die wir dafür erhalten, hilft uns, einen Teil unserer Strukturkosten abzudecken.

Heißt das, dass es auch finanzielle Gründe gibt, sich auf diesen Bereich zu spezialisieren?

Reinhard Fuchs: Wenn ich es von der finanziellen Seite betrachte, muss ich leider feststellen, dass dieser Bereich viel besser gefördert wird als unsere konzertante Arbeit. Gerade vonseiten der Stadt Wien sind wir fast gezwungen, in diesem Bereich immer mehr zu machen, um Unterstützung zu bekommen und als Ensemble überleben zu können. Ich hoffe, dass sich das möglichst bald wieder in die andere Richtung bewegt, weil wir in erster Linie natürlich ein Konzertensemble sind.

„Ich finde es gut, dass es so viele neue Initiativen gibt […]“

In Wien gibt es zahlreiche Ensembles für Neue Musik, die sich sowohl künstlerisch wie auch finanziell auf unterschiedlichsten Ebenen bewegen. Sehen Sie diese Situation als fruchtbares Miteinander oder als Konkurrenz, auch in Hinblick auf Förderungen?

Reinhard Fuchs: Das betrachte ich als sehr positiv, sehr spannend. Konkurrenz um Förderungen besteht bestimmt, wobei: Wenn man als junge Formation anfängt und versucht, etwas auf die Beine zu stellen, ist immer extrem viel unbezahlte Arbeit dabei. Als wir mit Freunden während der Studienzeit die Komponistengruppe Gegenklang gegründet haben und angefangen haben, Konzerte zu veranstalten, haben wir extrem viel Zeit und Energie investiert und finanziell dafür nichts bekommen, aber es war trotzdem eine extrem fruchtbare Zeit, die uns alle weitergebracht hat. Es ist toll zu sehen, wie viele Komponisten von Gegenklang heute in der Szene etabliert sind. Initiativen wie Platypus, die jetzt auch nicht mehr ganz jung sind, braucht es für junge Komponistinnen und Komponisten, damit ihre Werke gespielt werden. Wir hatten damals einen anderen Zugang mit Gegenklang – für uns war es eine Plattform, wo wir in erster Linie versucht haben, Werke von uns acht Komponisten aufzuführen. Platypus tritt ja als Ensemble und Veranstalter auf. Etwa auch das Black Page Orchestra rund um Matthias Kranebitter ist dabei, sich im elektronischen Bereich sich zu etablieren. Ich finde es gut, dass es so viele neue Initiativen gibt, damit sich die Szene weiterentwickelt. Konkurrenz tut auch gut.

Neben dem Zyklus im Wiener Konzerthaus und den Musiktheaterproduktionen im Inland stehen auch einige Auslandsreisen auf dem Programm, letzte Woche haben Sie in Budapest ein Konzert gegeben. Ist trotz der unklaren Lage an der Grenze noch alles gut gegangen?

Reinhard Fuchs: Wir haben bis zuletzt gezittert. Es war zunächst geplant, dass wir am Tag des Konzerts mit dem Zug hinfahren, was unter normalen Umständen kein Problem ist, dann hat sich immer mehr abgezeichnet, dass der Zug keine Option sein wird, weil der Zugverkehr eingestellt wurde. Dann mussten wir zittern, ob wir überhaupt einen Bus bekommen. Zum Glück ist alles gut gegangen und es war ein sehr schönes Konzert im Rahmen des Festivals Bridging Europe.

Vielleicht auch ein besonderes Zeichen in Zeiten der Grenzschließung … Inwiefern hat Kunst beziehungsweise Musik gerade auch in Zeiten wie diesen eine politische Funktion?

Reinhard Fuchs: Ich finde es gut, wenn Kunst politisch ist. Bei rein konzertanter Musik ist das schwierig, weil sich die zeitgenössische Musik ohnehin schon in einem eher elitären und eher kleinen Kreis bewegt. Im diesem Rahmen politische Kunst zu zeigen, ist wohl wenig wirkungsvoll, weil viele Besucherinnen und Besucher dieser Veranstaltungen meist ohnehin eine sehr offene, reflektierte Haltung einnehmen. Ich glaube, politische Kunst kann funktionieren, wenn sie versucht, in den öffentlichen Raum hinauszugehen, um möglichst viele Menschen zu erreichen.

„Ich bin auch dabei, über andere Lösungen als Förderungen nachzudenken […]“


Was sind Ihre Wünsche für die Zukunft?

Reinhard Fuchs: Mein wichtigster Wunsch ist, dass wir finanziell einigermaßen abgesichert sind und nicht jedes Jahr zittern müssen, ob es weitergehen kann oder nicht. Wir planen mittlerweile nicht mehr ein halbes Jahr im Voraus, sondern wir müssen zwei bis drei Jahre im Voraus planen, weil wir sonst nicht die Partner bekommen, die größere Projekte mit uns realisieren. Es ist schwierig, Verpflichtungen einzugehen, wenn unklar ist, ob man sie bedienen kann. Ich bin auch dabei, über andere Lösungen als Förderungen nachzudenken, um diese Sicherheit zu bekommen. Auch wenn die zeitgenössische Musik in viel stärkerem Maß auf Subventionen angewiesen ist als andere Bereiche, können wir uns nicht allein darauf verlassen. Deshalb bin ich dabei, Ideen zu entwickeln, wie man aus anderen Bereichen Unterstützung bekommen kann. Das ist der wichtigste Wunsch, künstlerisch läuft es ja bestens.

Vielen Dank für das Gespräch.

Doris Weberberger

Foto Ensemble PHACE (c) Oliver Topf
Foto Reinhard Fuchs (c) Petra Jebinger

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