Komponieren mit Hingabe

Zum Buch “musizieraktionen. frei streng lose. Anregungen zur V/Ermittlung experimenteller Musizier- und Komponierweisen” von HANS SCHNEIDER.

Mit “frei streng lose” untertitelt Hans Schneider sein neues umfangreiches  musikpädagogisches Buch, das sich ausschließlich der V/ermittlung experimenteller, zeitgenössischer Musik widmet, und bringt damit seine Herangehensweise gleich mal auf den Punkt: Im Vorwort appelliert er an MusikpädagogInnen und -vermittlerInnen, die Übungen, Anweisungen und Kompositionsausschnitte als Impulse für ein selbstbestimmtes, kreatives und experimentierfreudiges Arbeiten mit dem musikalischen Material zu sehen.

Das Besondere an diesem Buch liegt wohl in der Ernsthaftigkeit, Genauigkeit, aber auch in der Hingabe, mit der Hans Schneider bereits in seinen Vorüberlegungen auf die Rahmenbedingungen beim Komponieren mit Kindern und Jugendlichen eingeht. Der ehemaliger Professor für Musikpädagogik an der Hochschule für Musik Freiburg räumt der Präsentationsform, dem Gestus beim Musizieren, der Art anzuleiten und einigen zusätzlichen Ebenen während des Kompositionsprozesses mit SchülerInnen viel Platz zum Nach-Denken ein.

Der ausführliche Praxisteil ist in thematische Abschnitte wie Vokales / Instrumentales / Rhythmisches / Grafisches / Performatives etc. aufgeteilt und bezieht sich oft auf Kompositionen des 20./21. Jahrhunderts, die teilweise als Referenz für neue Spielanleitungen dienen, teilweise in für SchülerInnen adaptierter Form präsentiert werden. In detailliert beschriebenen, aufbauenden Schritten nähert sich Schneider beispielsweise dem Thema Kälte (bezugnehmend auf Heinz Holliger, Klaus Schneider und Helmut Lachenmann) mit Stimm- und Körperübungen, um dann mit traditionellem Instrumentarium und alltäglichen Gegenständen wie Alufolie oder Steinen in den Kompositionsprozess einzutauchen.

In einem weiteren Teil befindet sich eine Sammlung von Werken renommierter zeitgenössischer Komponistinnen wie Peter Ablinger, Katharina Klement oder auch Christian Wolff: Die Anthologie reicht von humorvollen, spielerischen Anweisungen wie jener von Manuela Kerer für Kaugummikauer (KAUAKt) bis zur Auseinandersetzung mit traditionellem Material und Instrumentarium (Matthias Handschick: Chromatische Tonleitern). Alle diese Stücke stehen für sich, ohne konkrete Handlungsanweisungen. Auch hier ist der/die VermittlerIn gefordert sich selbst Gedanken über die Lesart und Herangehensweise zu machen.

Hans Schneider übergibt der Welt der MusikvermittlerInnen und MusikpädagogInnen mit diesem übrigens auch grafisch sehr ansprechend gestalteten Buch seinen musikpädagogischen Erfahrungsschatz von mehreren Jahrzehnten, die Essenz seiner engen, von Diskursen geprägten Zusammenarbeit mit zahlreichen experimentellen MusikerInnen und KomponistInnen sowie sein Wissen über und seine Leidenschaft zur Neue Musik.

Veronika Grossberger

Hans Schneider: musizieraktionen. frei streng lose. Anregungen zur V/Ermittlung experimenteller Musizier- und Komponierweisen. Mit 29 Originalbeiträgen. Pfau Verlag 2017

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Veronika Grossberger ist freischaffende Musikvermittlerin und arbeitet u. a. für die Klangspuren Schwaz, das Ernst Krenek Forum Krems, das Ensemble PHACE, die Jeunesse und Bildungseinrichtungen wie Pädagogischen Hochschulen oder Musikuniversitäten. Gemeinsam mit Johannes Voit schrieb sie den Band „György Ligeti – Atmosphères. Materialien zur Musikvermittlung“ in der Reihe „Listening Lab“ der Universal Edition, der mit dem britischen Music Teacher Award for Excellence ausgezeichnet wurde. Derzeit entwickelt sie mit der Komponistin Manuela Kerer ein Musiktheaterstück für Kinder “Villa Wunder”, das bei den Klangspuren Schwaz im September 2017 uraufgeführt wird.

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