„KLAR WOLLEN DIE LEUTE WEN BEWUNDERN, DER UNERREICHBAR HOCH ÜBER IHNEN STEHT“ – AUSTROFRED IM MICA-INTERVIEW

Unter dem vielsagenden Titel „Die fitten Jahre sind vorbei. Questions & Answers“ hat Österreichs einzigartiger „Champ“ namens AUSTROFRED sein nun mittlerweile siebtes Buch auf den Markt geworfen. Diese Sammlung von Fan-Fragen und Rock-Star-Antworten ist erneut ein spitzfindiges Feuerwerk weit jenseits simpler Rock-Kabarett-Witzigkeit. Schwingt doch FRANZ ADRIAN WENZL (seines Zeichens nicht nur die Person hinter AUSTROFRED und kongenialer Sänger der ebenso zwingenden Band KREISKY) eine mitunter sehr analytische Feder, was z. B. all die mannigfaltigen Zusammenhänge zwischen Tourismus, Musik- und Landwirtschaft speziell in einem Land wie Österreich betrifft. Für mica hat sich Didi Neidhart mit dem zwischen München und Wien pendelnden AUSTROFRED zu einem ausführlichen Interview getroffen

Im Vorwort Ihres Buchs steht zur Idee, dass Fans via soziale Medien Fragen stellen können, der Aspekt eines „ehrlichen, offenen und menschlichen Dialogs“ im Vordergrund. Gab es hierzu vielleicht auch Vorbilder? Ich denke da z. B. an die vielen „Kummerkasten“-Rubriken in all den Zeitschriften, die in diversen Warteräumen herumliegen, oder an die Face-to-Face-Kommunikation mit den Fans in der volkstümlichen Musikwelt.

Austrofred: Ein direktes Vorbild habe ich keines gehabt, aber so vom Feeling her ist mir so was wie der Beichtstuhl in der katholischen Kirche vorgeschwebt. Oder der Dr. Sommer im Bravo-Heftl. Wo es also nicht nur um Faktenwissen geht, sondern darum, dass sich wer wem anvertraut, dass es zu einer Verbindung kommt. Weil natürlich ist das ein starkes geheimes Band, das einen Pfarrer und einen Mörder verbindet, oder den Dr. Sommer und den Teenager, der sich erkundigt, wie jetzt das mit dem Petting genau geht.

Wie wichtig ist diese direkte Fan-Bindung? Ist das nicht auch ein Statement gegenüber einem Starkult, wo man als „Star“ dann quasi nur noch in gated communities und mit zig Bodyguards etc. leben kann? 

Austrofred: Ich habe ja so gated communities, wie Sie sagen – etwa das Café Anzengruber in Wien –, immer schon gemieden, weil ich denke mir, ich muss ja künstlerisch aus etwas schöpfen, was auch für die Normalbürgerin bzw. den Normalbürger interessant ist. Deswegen stelle ich mich nach meinen Auftritten auch immer selbst zu meinem Merchandise-Stand, plaudere ein bisschen mit den Fans, das schätzen die sehr. Und sie kaufen auch mehr.

Jetzt sind Ihre Social-Media-Aktivitäten durchaus überschaubar, aber wir kennen ja auch Fälle wie bei Lady Gaga, der das auch mal zu viel geworden ist und die dann einen radikalen Stopp gemacht und eine Pause eingelegt hat. Zerstört nicht vielleicht auch ein Overkill an Privatem aus dem Starleben so etwas wie die Aura des Stars? Zum Divenkult gehörten ja immer auch eine gewisse Distanz und Geheimnisse. 

Austrofred: Es braucht den vernünftigen Maßnahmen-Mix. Klar wollen die Leute wen bewundern, der unerreichbar hoch über ihnen steht. Auf der anderen Seite wollen sie sich aber auch identifizieren können und das Gefühl haben, das sind auch normale Leute mit normalen Problemen. Dieses Yin bzw. Yang hast du schon bei den griechischen Göttern, das hast du bei den Windsors, und bei mir ist es im Prinzip ähnlich.

„Ich habe feststellen dürfen, dass ich von vielen jungen Leuten selber als Influencer wahrgenommen werde.“

Gibt es Sachen, die Sie nie von sich preisgeben würden?

Austrofred: Das klingt jetzt fast deppert, weil es etwas ist, was ein jeder Promi dauernd „verrät“, nämlich so was wie Lieblingskaffeehäuser oder Lieblingsorte. Würde ich nie tun! Ich habe doch keinerlei Interesse daran, dass mir meine Fans dann privat den Platz wegnehmen!

Bleiben wir noch etwas bei den von Ihnen „sogenannten sozialen Medien“: Wie sehen Sie sich hier eigentlich selber, umgeben von all den jungen Influencerinnen und Influencern und Celebritys? Als quasi „Fels in der Brandung“, als Kuriosität oder doch auch als Auslaufmodell?

Austrofred: Ich habe feststellen dürfen, dass ich von vielen jungen Leuten selber als Influencer wahrgenommen werde. Von Auslaufmodell keine Rede. Nehmen wir meinen Schnauzbart: Für den bin ich vor zwanzig Jahren medial teilweise belächelt worden, das hat als unmodern gegolten. Aber ich bin mir und dem Freddie Mercury treu geblieben und wie immer hat sich das ausgezahlt. Heute ist der Austrofred-Style bei jungen Männern sehr beliebt. Im Endeffekt sehe ich mich selbst durchaus als aktiven Teil von diesem Social-Media-Milieu. Altersbedingt poste ich halt nicht einmal pro Stunde, sondern einmal pro Woche.?

Haben Sie bei den an Sie gerichteten Fragen gewisse Tendenzen rauslesen bzw. erkennen können? Oder anders gefragt: Was sind Ihre Lieblingsfragen? Vielleicht solche, die Sie sich auch schon mal gestellt haben, allerdings nicht so auf den Punkt gebracht? Und bei welchen würden Sie lieber abwinken oder nicht antworten? 

Cover Die fitten Jahre sind vorbei
Cover “Die fitten Jahre sind vorbei”

Austrofred: Das Thema Ernährung war auf jeden Fall sehr präsent, würde ich sagen, und dann alles, was so persönliche Fragen angeht, für die ein Psychologe oder ein Pfarrer nicht ausreicht. Und eine Frage, die halt oft kommt und die ich eigentlich gemieden habe, ist die nach den Groupies in meinem Beruf, weil das ist ein Klischee, das interessiert mich nicht. Irgendwann bin ich halt dann doch weich geworden und habe diesem unausrottbaren Mythos ein Ende gemacht. Ich meine, ihr bei der mica kennts das österreichische Rockgeschäft auch ein bisschen, zumindest von unten … Sind euch da jemals Groupies untergekommen? Mir nicht! Und man kann echt nicht behaupten, dass ich nicht die Augen offen gehalten hätte.

Die im Buch behandelten Fragen erstrecken sich von 2019 bis 2020. Beginnen also noch vor Corona. Und in dieser Vor-Corona-Zeit sind Sie ja auch noch davon ausgegangen, dass ein Beruf wie der Ihrige eher total krisensicher ist, weil die Leute ja, auch wenn es ihnen nicht so gut geht, zur Kunst Zuflucht nehmen können. Nun haben wir aber seit über einem Jahr den Lockdown. Wie kommen Sie da ohne Konzerte und Lesungen über die Runden und wie halten Sie sich da fit? 

Austrofred: Mein Glück ist ja, dass ich kein sogenanntes one-trick pony bin, sondern ich bin ein two-trick pony. Jetzt habe ich mich im letzten Jahr halt aufs Schreiben verlegt. Aber natürlich gehen mir Auftritte ab. Da geht es ja nicht nur um die Konzerte selbst, sondern so eine Tour deckt ja in meinem Leben auch die Bereiche Soziales, Reisen, Alkohol etc. weitgehend ab, das muss man sich halt alles woanders herholen. Bierher.at zum Beispiel.

 

„Wenn man ein bisschen kreativ ist, dann kann man sich als Künstler durchaus in die Tourismuswirtschaft integrieren.“

Der Buchtitel lautet ja „Die fitten Jahre sind vorbei“. Ist das jetzt einfach ein cooler Spruch oder steckt da mehr dahinter? Anders gefragt: Fühlen Sie sich vielleicht auch schon ein bissl „Too Old to Rock’n’Roll: Too Young to Die“ wie es Jethro Tull 1975 mal formuliert haben?

Austrofred: Na, ehrlich gesagt, habe ich mir schon zuerst einmal gedacht, dass das einfach ein super Titel ist. Aber natürlich wäre er nicht gut, wenn er nicht etwas im Menschen zum Schwingen brächte. Und nachdem ich gerade 50 geworden bin, schwingt bei mir da so einiges. „Too Old to Rock’n’Roll“ dagegen hat sich einfach als laffer Spruch herausgestellt. In den Siebzigern war das vielleicht pfiffig, wo die Rockmusik noch eine Jugendkultur war, aber freiwillig steigt halt keiner von der Bühne. Das beste Beispiel dafür ist der Ian Anderson von Jethro Tull selber. Ich meine, stimmlich ist der jetzt schon sauber paniert, aber trotzdem spielt der immer noch seine Shows. Da habe ich großen Respekt davor, weil da gehört schon einiges an Stehvermögen dazu. Auf einem Bein noch dazu!

In Ihren Texten und Büchern haben Sie sich auch immer sehr mit den spezifisch österreichischen Zusammenhängen zwischen z. B. Landwirtschaft, Tourismus und Musikwirtschaft auseinandergesetzt. Müssten Sie da jetzt nicht einige Annahmen von früher revidieren, denn wie es ausschaut, hat die Musikwirtschaft bzw. die Kunst an sich zumindest gegenüber der Tourismuswirtschaft nicht wirklich jene viel beschworene Systemrelevanz? 

Austrofred: Da ist sicher etwas dran, aber wenn man ein bisschen kreativ ist, dann kann man sich als Künstlerin bzw. Künstler durchaus in die Tourismuswirtschaft integrieren. Stichwort: Après-Ski. Stichwort: Flyer verteilen im Mozart-Kostüm. Da halte ich es ja noch für ein Glück, dass der Tourismus bei uns die Leitwirtschaft ist. Die deutschen Kolleginnen und Kollegen haben es da weit schwieriger, weil wie integrierst du dich als Musikerin bzw. Musiker in die Automobilindustrie?

Jetzt stellt sich natürlich auch die Frage, was Sie selber im Lockdown als quasi zur Untätigkeit verdammter Künstler tun. Im Buch erwähnen Sie z. B. Outfit-Pflege, aber wie steht es ganz persönlich mit Sachen wie Corona-Kreativität? Gemeinhin wird ja angenommen, dass a) je schlechter die Zeiten, desto besser die Kunst und dass b) je schlechter die Lebensumstände von Künstlerinnen und Künstlern, desto toller die Kunst, die sie unter widrigen Umständen produzieren. Wie schaut es da bei Ihnen aus?

Austrofred: Also, ich persönlich kann zum Beispiel ganz schlecht komponieren, wenn ich einen Hunger habe, von dem her halte ich das mit den der guten Kunst bei schlechten Lebensumständen für ein Missverständnis. Das ist so nach dem Motto: Was einen nicht umbringt, macht einen stärker. Nur: Es hätte einen ja auch umbringen können.

„Ich bin maximal ein knallgelb-weißer Mann in den besten Jahren.“  

In einer Leseranfrage schrieben sie bezüglich Corona, dass – künstlerisch-ästhetisch betrachtet – die große Gefahr besteht, dass die „Geniemuskeln“ eher verkümmern könnten als die „Mittelmaßmuskeln“. Was meinen Sie damit genau und haben Sie das schon bei sich selber beobachten können?

Bild Austrofred
Austrofred (c) Pressebild

Austrofred: Na ja, ich sag es mal im Alpinjargon: Ein Skilehrer kann auf eine Art super Ski fahren, dass er locker mal ein Jahr Pause machen kann, mit Urlauben auf Jamaica, und dann kommt er zurück und kann sofort wieder einen Seniorenskikurs machen, und zwar ohne Abstriche. Aber wenn einer in der Marcel-Hirscher-Liga, also in der Spitzenklasse, ein Jahr lang nicht fährt, dann ist der weg vom Fenster. Natürlich könnte der Marcel Hirscher auch jederzeit einen Seniorskikurs halten und jeder sagt: „Wau, fährt der gut.“ Aber das ist eine ganz andere Liga. Und von dem her bin ich mir sicher, dass die Leute, die unsere Charts bevölkern, problemlos wieder an ihre Leistungen anschließen werden können, aber ich bin halt in der Marcel-Hirscher-Liga …

Wie schaut es aktuell eigentlich mit dem „Austrofred-Kompetenz-Zentrum“ aus? Gibt es das noch? Mussten Sie Kurzarbeit anmelden oder gar Leute kündigen?

Austrofred: Kurzarbeit habe ich keine, aber natürlich arbeiten wir im Homeoffice. Mein neues Buch war ja jetzt auch viel Arbeit, promotechnisch zum Beispiel, und irgendwer muss ja auch die andauernden Absagen und Verschiebungen administrieren. An sich, das muss ich aber sagen, gefällt mir die neue Arbeitsumgebung nicht schlecht. Ich muss mich viel weniger über meine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ärgern, seit sie nicht mehr zurückkeppeln. Also, wahrscheinlich keppeln sie noch genau so viel, aber ich höre sie halt nicht, wenn ich sie im Zoom stummschalte.

Wie genau kennen Sie jetzt eigentlich Ihre Fans bzw. wie sehr wird sich dieses Wissen, welches quasi auch ein wenig wie Big Data ist, auf Ihre neuen Post-Corona-Programme auswirken? 

Austrofred: Na ja, natürlich schadet es nie, wenn man sein Publikum ein bisschen kennt. Bei mir ist es ja so, dass ein großer Teil meines Publikums aus sogenannten alten weißen Männern besteht. Ein Begriff, von dem ich mich für mich übrigens distanziere, weil ich bin maximal ein knallgelb-weißer Mann in den besten Jahren. Im Übrigen muss ich aber sagen, ist das ein sehr gutes Publikum, weil es kennt sich in der Rockgeschichte aus, was sehr wichtig ist für meine Arbeit, und natürlich sind das auch die Leute, die das Geld haben.

Aus der Geschichte wissen wir, dass es nach jeder großen Katastrophe, nach Pandemien, Weltkriegen etc., einen Boom an Orgien, Partys und Festen gegeben hat. Glauben Sie, dass die Post-Corona-Zeit auch so wild werden wird, bzw. bereiten Sie sich vielleicht auch schon mit einem neuen, extravganteren Programm darauf vor?

Austrofred: Ich glaube auch, dass das eine lustige Zeit wird! Ich habe ja letzten Sommer etliche Auftritte in dem Zeitfenster, in dem es möglich war, gehabt und gefühlsmäßig muss ich sagen, da staut sich im Publikum schon was an. Körperlich, meine ich. Ich kann es jetzt nicht genauer beschreiben, das ist rein ein Gefühl in den Knorpeln. Auf jeden Fall freu mich schon drauf!

Herzlichen Dank für das Gespräch!

Didi Neidhart

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Austrofred: Die fitten Jahre sind vorbei. Questions & Answers, Czernin Verlag, 2021, 200 Seiten, € 18,00.-

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