„Keiner wartet mehr auf irgendein Album“ – KONEA RA im mica-Interview

Nach vier Jahren sind KONEA RA zurück im Spiel. Das neue Album trägt den selbstreflexiven Titel „A-Side“ und erschien erstmalig auf „Couch Records“. Das inzwischen dritte Album des Duos versteht sich als ein kurzes Innehalten innerhalb der gängigen Shuffle-Schleifen, als ein Verlieren in der vorgegebenen Reihenfolge, on repeat. Die B-Seite fehlt – noch. MATTHIAS „MANGARA“ CERMAK und STEPHANIE ZAMAGNA sprachen mit Ada Karlbauer über die A-Seite, über Bruchstellen innerhalb der Homogenität und über das persönliche Verhältnis zum Pop, Shuffeln und Skippen.

Wann haben Sie mit Konea Ra gestartet?

Matthias „Mangara“ Cermak: Wir machen seit 2011 gemeinsam Musik. Damals haben wir das Album „Pray for Sun“ herausgebracht, mit dem wir auch sehr viel live gespielt haben. Danach folgte unser selbstbetiteltes zweites Album, das vor allem bei FM4 sehr viele Freundinnen und Freunde gefunden hat, das war sehr erfreulich. Ein paar private Projekte kamen schließlich dazwischen: Ich wurde zweimal Papa und Steffi wurde Mama. Das hat dann natürlich das ganze Projekt verzögert, aber wir sind trotzdem drangeblieben. Als wir Vlado Dzihan, unseren Produzenten, kennengelernt haben, nahmen wir das zum Anlass, wieder mehr Zeit in die Musik zu investieren. Alles noch einmal richtig schön rechts und links zu drehen, bis wir auch richtig zufrieden sind. Jetzt ist es fertig und Vlado ist bei manchen Songs fast zum dritten Bandmitglieder geworden, das ist schön.

„[…] ein ganz natürliches Verlangen weiterzumachen.“

Das Album „A-Side“ ist das erste musikalische Lebenszeichen seit vier Jahren. Warum jetzt?

Stephanie Zamagna: Ich glaube, das ist ein ganz natürlicher Fluss, ein ganz natürliches Verlangen weiterzumachen.

Matthias „Mangara“ Cermak: Wir machen immer Musik, aber das heißt noch lange nicht, dass etwas fertig wird [lacht]. Wir machen beide sowieso Musik, eigentlich geht es nur um die Frage: Sind wir mit dem Ding zufrieden? Weniger um die Frage, ob man jetzt fünf Tracks hat, sondern ob man „die“ fünf Tracks hat, finde ich. Wir haben relativ schnell nach dem zweiten Album wieder weitergemacht. Im Prozess des dritten Albums war viel dabei, wo wir einfach beide nicht zufrieden waren, das zu veröffentlichen bringt dann auch nichts.

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Stephanie Zamagna: Wir hatten eine riesige Auswahl an Liedern, was bei den beiden Alben zuvor nie der Fall war. Wir hatten einfach viel mehr divergierende Ideen.

Matthias „Mangara“ Cermak: Das Spannende ist, dass es am Ende trotzdem homogen klingt. Ein komischer Gedanke, dass die Titel die fertig sind und dann auch automatisch zusammenpassen.

Wie wichtig ist Ihnen diese musikalische oder ästhetische Homogenität ?

Stephanie Zamagna: Sehr wichtig! Es gibt Bruchstellen innerhalb der Homogenität, dann ist es wieder gut, Genrebruchstellen finde ich aber nicht sinnvoll.

Matthias „Mangara“ Cermak: Darum geht es bei Konea Ra nicht. Es geht nicht darum, dass plötzlich ein Techno-Track dazwischen ist oder irgendetwas total herausfährt.

Das aktuelle Album „A-Side“ erscheint erst mal „nur“ digital und etwas später im Frühjahr gemeinsam mit „B-Side“ auch auf Vinyl. Warum?

Matthias „Mangara“ Cermak: Die Leute haben uns immer gefragt: „Warum bringt ihr kein Vinyl raus?“ Wir waren uns aber nicht sicher, ob sich überhaupt noch jemand für solche Tonträger interessiert. Ich finde es schön, dass ich die Platte auflege, die Nadel drauflege und mich dann hinsetze und was lese. Ich beginne aber nie zu shuffeln oder zu skippen. Mein Schallplattenspieler geht auf repeat und dann spiele ich noch einmal die Seite. Es  kann passieren, dass die Platte sehr lange rennt, bis ich zur nächsten Seite wechsle oder eine andere Platte nehme. Das Musikhören von einem längeren Stück Musik ist inzwischen ja sehr schwierig geworden. Darum gab es auch die Idee, zunächst nur die A-Seite zu veröffentlichen. 

Konea Ra (c) Gabriel Hayden

  Der Rezeptionsmodus wird hier klar durch das Medium Vinyl selbst vorgegeben.

Matthias „Mangara“ Cermak: Genau. Deshalb haben wir uns gesagt, dass wir die eine Seite veröffentlichen und die mal wirken lassen, bis man ein Gefühl dafür hat und daran denkt, sie doch mal umzudrehen [lacht].

Aber dann kommt nichts.

Matthias „Mangara“ Cermak: Doch, „B-Side“ kommt, aber eben erst ein bisschen später. Ich kriege ja dauernd irgendwelche Musik geschickt. Ich hör mir dann einen Track an und wenn mir der gefällt, gehe ich auf die Artist-Seite und höre mir noch zwei Songs an, aber lande dann schnell wieder in irgendwelchen Playlists. Man nimmt sich einfach kaum mehr Zeit, um Songs anzuhören. Ich finde es großartig, wenn ich höre, dass Menschen sich noch ganze Alben anhören können.

Stephanie Zamagna: Ich würde mir so gerne das neue James-Blake-Album anhören. Ich habe aber einfach vorgeskippt, damit ich zumindest mal zur Mitte komme [lacht].

Ist der Shuffle-Button überspitzt gesagt das Sinnbild des Untergangs der klassischen Musikrezeption?

Matthias „Mangara“ Cermak: Ich finde „Shuffle“ eigentlich gar nicht so schlimm. Das ist eigentlich das Absurde: Wenn man Spotify öffnet, ist „Shuffle“ der einzige große grüne Knopf in der Mitte. Wer hat die Idee gehabt, dass da nicht einfach „Play“ steht? Es wird nicht passieren, aber wenn es eine ideale Art und Weise gibt, in der man sich Konea-Ra-Musik anhören kann, dann ist es die, dass man die Songs anhört, sie laufen lässt. Als Reihenfolge, aber eben auch in einem Stück.

Stephanie Zamagna: Ich weiß gar nicht, wie andere unsere Musik wahrnehmen. Ob unsere Musik als Zuhörmusik oder als Hintergrundmusik wahrgenommen wird. Musik, die man im Hintergrund hört, hat für mich auf jeden Fall etwas Positives.

Matthias „Mangara“ Cermak: Man kann sich einfach wünschen, dass jemand auf „Play“ drückt und sich die Songs in einem durchhört. Ich denke, dass man eher sechs als zwölf Songs durchhält [lacht].

„Es ist schon eine Geschichte mit Anfang, Ende und Hook“

Stichwort Kontinuität: Wie zentral ist Ihnen das Vermitteln einer überlegten Story?

Stephanie Zamagna: Es werden schon immer Geschichten erzählt. Es sind keine kryptischen Wortaneinanderreihungen mehr. Es ist schon eine Geschichte mit Anfang, Ende und Hook. Das macht den Song-Charakter aus.

Matthias „Mangara“ Cermak: Beim ersten Album war es noch etwas kryptischer, etwas verklausulierter, was die Inhalte betrifft. Beim letzten Album gab es schon ganz konkrete Geschichten. Jetzt ist es eine Metaebene, wo man sich auch besser reinfinden kann.

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Auf „A-Side“ wird an einigen Stellen mit gängigen Mustern aus den Pop kokettiert. Wie stehen Sie dazu ?

Stephanie Zamagna: Es wird immer besser [lacht].

Matthias „Mangara“ Cermak: Ganz entspannt. Wenn Pop heißt, dass es auch geschmackvoll sein darf, dann finde ich das schön. Wenn Pop aber die alleinige Überlegung hat, einen Track so zu produzieren, dass es jetzt gerade genau jemanden abholt und auf die 12 geht, dann finde ich das ein bisschen uninteressant. Vor allem dann, wenn es einfach zu konstruiert ist und an der Freude, warum ich Musik mache, vorbeigeht.

Stephanie Zamagna: Pop ist es ja auch noch lange nicht, wenn man die herkömmliche Definition von Pop hernimmt. Es ist Pop in dem Sinne, dass es eingängigere und einfachere Melodien benutzt. Einfach nicht so komplex. Es bricht an gewissen Stellen, an denen Pop anders abbiegen würde.

„Auch wenn ich der größte Bluesgitarrist der Gegenwart bin, kann es sein, dass es niemanden interessiert. “

Hatten Sie Angst vor dem Vergessenwerden?

Matthias „Mangara“ Cermak: Ich finde, „Angst“ ist das falsche Wort. In vier Jahren passiert so viel, man braucht nur FM4 hören, wie viele Artists da jeden Tag etwas veröffentlichen. In dieser speziellen Zeitrechnung ist dann schon ein halbes Jahr eine Ewigkeit. Ich denke, genau aus diesem Grund hauen die Leute alle der Reihe nach nur mehr einzelne Tracks raus. Keiner wartet mehr auf irgendein Album.

Es war uns von Anfang an bewusst, dass es auch sein kann, dass sich niemand das Album anhört. Das ist ein Risiko, das man mit jeder Veröffentlichung eingeht. Ich kenne so viele Musikerinnen und Musiker, die tolle Projekte machen, die es aber nie irgendwohin geschafft haben. Vieles bleibt in seiner Ecke und macht die vier Leute glücklich, die es sich anhören. Es hat auch viel mit den richtigen Momenten zu tun, ob man den richtigen Nerv trifft. Auch wenn ich der größte Bluesgitarrist der Gegenwart bin, kann es sein, dass es niemanden interessiert.

Was ist für die Albumveröffentlichung geplant?

Matthias „Mangara“ Cermak: Wir legen die Seite auf und lassen sie wirken.

Stephanie Zamagna: Wir machen eine Flasche Prosecco auf.

Matthias „Mangara“ Cermak: Dann lassen wir es wieder wirken [lacht].

Herzlichen Dank für das Gespräch!

Ada Karlbauer

Links:
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