Kammermusikalische Kleinode jenseits von Kammermusik und imaginären Landschaften – HANS PLATZGUMER im mica-Interview

Mit „Minaturen“ (Konkord) hat HANS PLATZGUMER 20 intime Stücke zwischen „entsperrter Kammermusik“ und einer Art „Folklore Imaginaire“ veröffentlicht, die weit über den rein musikalischen Rahmen hinausgehen. Stellen sie doch auch Kommentare zum schnellen und gehetzten Musikkonsum unserer Tage dar, ohne dabei mit dem Zeigefinger des „Schöngeistigen“ zu drohen. Viel eher geht es PLATZGUMER um ein Auf-den-Punkt-Bringen von Stimmungen, Affekten und Emotionen. „Miniaturen“ stellt Musik vor, die ihre Wirkung gerade deshalb entfalten kann, weil sie sich selbst auf das Nötigste reduziert, die kleine Form (das Marginalisierte) der großen Opulenz und dem Bombast vorzieht, und gerade in dieser Reduktion ihren Mehrwert findet. Für mica hat sich Didi Neidhart mit HANS PLATZGUMER über Kammermusik, Kleinerwerden, Fragiles und kollektives Arbeiten sowie das Ende der CD unterhalten.

Wie kam es zur Idee, 20 musikalische Miniaturen zu machen, und über welchen Zeitraum hat sich die Arbeit erstreckt?

Hans Platzgumer: Die ersten Klavieraufnahmen hierfür habe ich sogar schon in den 1990er-Jahren gemacht. Die Idee, solch kurze Instrumentalstücke zu machen, so etwas unaufgeregt Schönes, Skizzenhaftes zu produzieren, reizt mich also schon lange. In den letzten drei Jahren habe ich mich dann ganz konkret darangesetzt und ohne jeglichen Zeitdruck an einer offenen Sammlung derartiger Stücke gearbeitet. Vorerst wollte ich sie noch kürzer, noch minimaler halten, aber irgendwann merkte ich, dass ich die Zeitspanne von etwa zwei Minuten brauche, um meine Vorstellungen auf den Punkt zu bringen – und dass den Kompositionen durchaus auch ein feinfühliges Arrangement und eine perfektionistische Produktion guttun. Also ließ ich mir alle Zeit, um mich wieder und wieder mit diesen kleinen Nummern zu beschäftigen, solange bis – vor einem guten Jahr war dieser Punkt erreicht – 20 Miniaturen zu meiner absoluten Zufriedenheit fertiggestellt waren.

Im CD-Booklet definieren Sie die „Miniatur heutzutage als schlüssigste Variante eines musikalischen Werks”, da die „Jahrhunderte mit großen opulenten Werken“ vorbei seien. Konkret heißt es weiter: „Die Zeitspanne, in der Musik konsumiert wird, ist kurz, je schneller Musik zu einer Aussage kommt, desto mehr Chance wird ihr gegeben.” Kann das nicht auch als ein Sich-mit-den-Verhältnissen-Arrangieren missinterpretiert werden, indem Sie nun diesen schnellen, kurzen Musikkonsum selbst anbieten?

Hans Platzgumer: Klar kann man das so interpretieren, und warum auch nicht? Limitationen sind doch immer Inspirationen! Ich finde es spannend, auf Gegebenheiten einzugehen. So wie ich meine erste Platte mit einem Vierspurrekorder aufgenommen habe und sich das damals genau richtig angefühlt hat. So fühlt es sich heute genau richtig an, kleine musikalische Perlen auszulegen. Natürlich ist das ein Statement. Musik sprudelt doch niemals nur aus dem Inneren eines Genies einfach so heraus! Es ist immer auch der äußere Faktor entscheidend. Die Epoche, die Umgebung, die Inspirationen, die von außen kommen. Warum sollte ich die verleugnen? Wenn es Einschränkungen von außen gibt, dann sollte man genau diese benutzen und bewusst mit ihnen arbeiten.

Jetzt hat gerade die Pop-Musik ja immer schon das Marginale zum Sprechen gebracht und hat marginalisierten Gruppen zur Selbstermächtigung verholfen. Wir kennen ja alle noch das Konzept der Single und des Dreiminutensongs als stets neues Update eines Welterklärungsansatzes im Sinne von „die Welt als Scheibe“. Hat dieses Konzept für Sie nun ausgedient oder verstehen Sie Ihre Miniaturen auch als Transfer dieser Ideen in eine musikalische Sprache, die sich nicht mehr primär am Pop orientiert?

Hans Platzgumer: Meine Miniaturen sind ja genau das: Singles. Es ist eine Sammlung kurzer, einzelner Stücke. Die Reihenfolge spielt keine Rolle, auch die Vollständigkeit nicht. Es könnten auch 30 oder 40 Miniaturen sein und erst in ein paar Jahren rauskommen. Aber mir schien dieses Album mit 20 Stücken erstmals perfekt gefüllt und abgerundet zu sein. Ein letztes Mal wollte ich noch ein „klassisches“ Albumformat bedienen. Auch, um mich davon zu verabschieden. In Zukunft werde ich vielleicht Miniaturen einzeln veröffentlichen, als Downloads oder in 5er-Packs. Oder vielleicht als Serie, jedes Jahr ein neues Stück, bis zu meinem Tod, das wäre auch schön. Die Definition „Pop-Musik“ hierfür zu verwenden, erscheint mir wiederum schwierig. Ich glaube nicht, dass es Pop ist. Meiner Auffassung nach entspricht es den Pop-Kriterien nicht.

“Die große Kraft der Musik ist das Irrationale.

Im Zusammenhang mit den Miniaturen sprechen Sie auch viel von „Reduktion“. Jetzt gibt es ja – quer durch die Musikgeschichte und die Genres – immer wieder einen Disput darüber, was nun (auch technisch) „schwieriger“ ist: das Komplexe oder das Einfache. Wie sehen Sie das? Ist es einfacher, viele Noten zu komponieren und zu spielen als wenige?

Hans Platzgumer: Es geht nicht darum, was schwieriger oder leichter zu spielen und zu schreiben ist. Natürlich verlangen schnelle Notengewitter einen hohen Grad an Virtuosität, aber sie blenden auch. Sie erreichen jene Bereiche, wo das Handwerkliche übernimmt und das Metaphysische verloren geht. Ich verorte Musik eher in Letzterem. Musik muss in erster Linie eine sinnliche Erfahrung sein. Sie muss atmen. Die große Kraft der Musik ist das Irrationale. Wenn sie mich körperlich nicht erreicht, mich nicht berührt, nicht durchfährt, wird sie austauschbar, beliebig. Ich mag nicht, wenn Instrumente und Sounds in einem Strudel untergehen oder überfrachtet sind mit Überflüssigem.
Je länger man Musik macht, desto mehr will man den Kern eines Stücks, den Kern eines Sounds herausschälen. Wenn ich überladene Produktionen höre, wird mir schwindlig und schlecht. Früher habe ich selbst oft genug diesen Fehler begangen. Heute versuche ich, mit dem Nötigsten auszukommen und es auf den Punkt zu bringen. Eine asketische Herangehensweise vielleicht, definitiv eine Reduzierende.

Marcus Maida, der die Liner Notes geschrieben hat, spricht ja auch von einem „Bekenntnis zur Kleinheit“ und führt dann Erik Satie und sein Konzept einer „Musique d’ameublement“ an, welches später auch von so unterschiedlichen Komponisten wie John Cage und Brian Eno erneut aufgenommen wurde. Wobei deren Konzepte ja immer auch von einer sich quasi von selbst spielenden Musik ausgegangen sind. Entweder durch den Einsatz von Tonbandmaschinen oder durch Elektronik. Auf „Miniaturen“ wird hingegen fast alles von Hand und mit Instrumenten wie Gitarre, Mandoline, Bouzouki, Cello, Banjo, Klavier, Orgel etc. eingespielt. War das eine bewusste Entscheidung, um sich gleichsam in eine intime Stimmung mit den jeweiligen Instrumenten zu versetzen?

Hans Platzgumer: „Intimität“ ist ein passendes Wort. Ich wollte bestimmte Klangfarben zusammenfügen und keine Farbe zu viel verwenden, sodass jede ihren Charakter bewahren, ihre Funktion erfüllen kann. Manche Stücke waren rein am Klavier eingespielt quasi fertig. Eigentlich wollte ich mehr rein elektronische Ambient-Miniaturen dazupacken, aber meist verliebte ich mich in den Klang der verwendeten Saiteninstrumente, die ich einspielte. Sie erschienen mir als am persönlichsten und unverwechselbarsten. Das Schnurren einer tiefen Mandolinensaite etwa oder dunkle, verstaubte Nylonsaiten auf der Gitarre oder scheppernde Bouzouki-Melodien, das stellte sich als sehr essenziell heraus. Es geht mir um den wohltemperierten Grad von Unperfektheit, den richtigen Anteil von Schmutz. Erst durch den Fehleranteil wird es menschlich, und das hat mich bei diesen Miniaturen hauptsächlich interessiert: das Menscheln. Nicht das Maschineln, das mich bei früheren Alben reizte. Ich habe viel rein digitale Musik gemacht, wo es darum ging, Software zu überreizen und Nullen und Einsen zu Fehlern zu zwingen. Nun wollte ich es etwas tief Organisches produzieren.

Jetzt erwähnen Sie als eigentliche Inspirationsquelle jedoch das „Commercial Album“ der Residents aus dem Jahr 1980, auf dem 40 Songs zu je circa einer Minute zu hören sind. Interessanterweise beziehen sich auch Attwenger bei ihrer aktuellen CD „Spot“ auf diesen Album-Klassiker und das dahinterstehende Konzept der kleinen Form. Ist das jetzt reiner Zufall oder sehen Sie hier durchaus Parallelen in den Reaktionen auf den schnellen und auch kurzlebigen Musikkonsum unserer Zeit?

Hans Platzgumer: Witzig, ich wusste das von Attwenger nicht, aber es überrascht mich nicht. Ich sagte ja vorhin, dass Musik und musikalische Konzepte immer aus der Zeit, der Gesellschaft, der Epoche heraus entstehen. Insofern lesen wohl Attwenger aus dem Heute dasselbe heraus wie ich. Musikerinnen und Musiker sollten ja an sich sensibel sein und ihre Sensoren auch für Veränderungen ausgefahren haben, die sich in ihrem Umfeld entwickeln.Vielleicht ist es beziehungsweise wird es ein Trend, sich nun musikalisch wieder so kurz wie möglich zu fassen, das fände ich spannend. So viel Musik hatte in den letzten Jahren so viel Leerlauf, es wäre gut, wenn das alles endlich entmüllt werden würde.

Überschrieben ist der Text von Marcus Maida in den Liner Notes ja mit „The Politics of Fragility & Smallness“. Das hat durchaus etwas von einem Manifest. Was stört Sie denn nun wirklich an der Opulenz, am Pompösen und am Pathos? Pop hat sich ja immer schon durch eine gewisse barocke Überschwänglichkeit und Extravaganz ausgezeichnet. Durchaus bei gleichzeitiger Fragilität.

Hans Platzgumer: Als alter Queen-Fan wuchs ich ja mit übertrieben bombastischen Produktionen auf und fand und finde das noch immer in erster Linie lustig. Gerade letztes Jahr habe ich mich beispielsweise monatelang vor allen Dingen über die russische Nationalhymne begeistert, weil sie (neben Mahler oder Wagner) so ziemlich das am meisten aufgeblasene Werk ist, das man sich vorstellen kann. Ich finde so etwas Gigantomanisches faszinierend, gleichzeitig aber kann ich es nicht wirklich ernst nehmen. Es ist lustig, zu beobachten, wenn etwas dermaßen in die Höhe getrieben wird, dass es nicht mehr höher geht. Im Vergleich zur russischen Hymne klingt jede andere erbärmlich, kränklich, schwach. Die Übersteigerung ist eine Leistung. Mir aber geht es, besonders heutzutage – und das ist durchaus ein politischer Ansatz –, um etwas anderes: darum, sich zurückzunehmen und mit wenig auszukommen. Um Bescheidenheit statt großprotziger Prahlerei. Um Understatement und Subtilität.

“Es wäre höchste Zeit, herrschende Denkmuster wieder zu sprengen und in Frage zu stellen”

Ein Begriff, der im Zusammenhang mit den Miniaturen immer wieder vorkommt, ist „Kammermusik“. Marcus Maida spricht sogar von „entsperrter Kammermusik“ und beruft sich dabei auf die Genealogie des Begriffs als eine „emanzipatorische und anti-hierarchische“ Art des Musizierens im Gegensatz zu den nicht für alle zugänglichen „feudalistischen Aufführungspraxen“ der damaligen Zeit. Mittlerweile suggeriert der Begriff „Kammermusik“ jedoch nicht mehr diesen (damals auch politisch zu verstehenden) utopischen Aufbruch. Verstehen Sie dieses „Entsperren“ als eine Art Reaktualisierung einstiger politischer Implikationen, die im Laufe der Jahrhunderte abgeschliffen wurden?

Hans Platzgumer: Unbedingt, siehe auch oben, das Konzept solch befreiter, unakademischer und unhierarchischer Instrumentalmusik suggeriert natürlich ein alternatives Modell zu Strukturen, die sich immer wieder einschleichen. Die Gesellschaft tendiert dazu – besonders heutzutage ist das allgegenwärtig, denn die digitalen Vernetzungs- und Überwachungsmethoden machen es einfacher denn je –, alles zu regulieren, zu analysieren und in geordnete Bahnen zu leiten. In unserer marktwirtschaftlich dominierten und verprofessionalisierten Welt bleibt kaum noch freier Entfaltungsraum.
Alles wird seinem augenscheinlichen Wert unterworfen und kategorisiert. Es ist interessant, zu beobachten, wie sich die Menschen in den westlichen Industrienationen gerade selbst ihrer Freiheit berauben und die Rückkehr zu feudalistischen Gesellschaftsstrukturen zulassen. Unsere Gesellschaft erscheint oberflächlich zwar liberaler als früher, im Grunde jedoch ist sie so spießig und festgefahren wie schon lange nicht mehr. Es wäre höchste Zeit, herrschende Denkmuster wieder zu sprengen und infrage zu stellen.
In diesem Umfeld kann solch „entsperrte Kammermusik“ wie die absolut unvoreingenommen entstandenen Miniaturen als Beispiel dafür dienen, wozu man fähig ist, wenn man sich von engen Vorgaben befreit. Es ist ein Aufruf dazu, endlich wieder die Fantasie zu benutzen. Schließlich steuert die Menschheit auf eine Sackgasse zu, und die Kunst mit ihr. Wir alle täten gut daran, uns neu zu erfinden.

„Musik taugt als internationale Sprache, je abstrakter sie ist, desto mehr.“

Ein anderer Begriff, den Marcus Maida ebenfalls zur Disposition stellt, ist „Folklore Imaginaire“. Was ist darunter zu verstehen?

Hans Platzgumer: Bei Fragen an den Autor der sehr ausführlichen und tief greifenden Liner Notes würde ich bitte direkt an Marcus Maida verweisen.
Der Begriff „Folklore Imaginaire“ spricht jedenfalls für sich und beschreibt dieses Album sehr treffend, finde ich. Die Musik hat etwas auf den ersten Eindruck evident Folkloreartiges und Kammermusikalisches. Das liegt an den verwendeten Instrumenten und Melodien, die immer wieder aufblitzen. Gleichzeitig driften die Stücke ohne Verzögerung weiter und landen in anderen Sphären, tatsächlich in sehr freien und transzendentalen Bereichen. Sie sind gleichzeitig im Hier und Jetzt verortbar wie in einer Parallelwelt, einer vergangenen und futuristischen. Das greifbar folklorige Element ist eigentlich bloß die Erinnerung daran. Eine Spiegelung. Ein Ausgangspunkt. Man kann sich eine Weile daran festhalten, doch in Wirklichkeit geht es darum, loslassen zu lernen und zuzulassen, fortgetragen zu werden.

„Miniaturen“ ist, bei aller kammermusikalischen Intimität, aber auch ein gleichsam kollektives Kunstwerk. Die Songtitel stammen Albert Ostermaier, die Fotos von Michael Höpfner und Georg Gaigl wird Videoclips dazu machen. Wie wichtig war es Ihnen, die einzelnen Musikstücke, die zudem ja alle auch rein instrumental sind, quasi aus der Hand zu geben und dann mit Künstlern aus ganz anderen Sparten zusammenzuarbeiten?

Hans Platzgumer: Interdisziplinäre Kollaborationen waren mir immer schon ein großes Anliegen. Insbesondere interessiert mich die Übersetzung eines künstlerischen Ausdrucksmittels in ein anderes. Schon bei meinem Album „Soundtrack“ (2009) erforschte ich, wie deutlich Instrumentalmusik als Sprachmittel funktioniert. Ich ließ 23 höchst unterschiedliche internationale Künstlerinnen und Künstler den „Hörfilm“ hören und bebildern, ohne irgendwelche Informationen oder Vorstellungen beizusteuern. Heraus kamen einander teils verblüffend ähnelnde Visualisierungen. Musik taugt als internationale Sprache, je abstrakter sie ist, desto mehr.
Bei den Miniaturen hatte ich ähnliche Überlegungen. Anstatt den Stücken selbst Titel zu geben oder sie neutral zu nummerieren oder Ähnliches, wollte ich einen echten Dichter die Musik in Worte übersetzen lassen. Ich selbst bin ja Prosaschriftsteller und nicht poetisch veranlagt. Vor allem wollte ich die Titelgebung bewusst aus der Hand geben und sehen, wie jemand anders, dessen Ausdruckskraft ich vertraue, diese Musik liest. Albert Ostermaier hat daraufhin frappierend stimmige Bilder zu den 20 Soundtracks erschaffen, die knapp und reduziert wie die Musiken in Summe ein Album, ein Gedicht, in Wellenform, ergeben. Als nächsten Schritt nahm Michael Höpfner die Musiken mit in die Wüste und fotografierte, mit den Miniaturen im Ohr, die Artworks in Nordchina. Auch diese Bilder spiegeln die entsprechenden Stimmungen wider. Ebenso gibt es bereits zwei fertige Videoclips von Georg Gaigl, die auch sehr minimalistisch und ausdrucksstark sind.

Als audiovisuelle Installation wird es „Miniaturen“ heuer ja auch beim Donaufestival geben. Was können wir dabei erwarten?

Hans Platzgumer: Es werden in der Kunsthalle Hörstationen errichtet, bei denen die Besucherinnen und Besucher mit Kopfhörern die Musik und dazu auf Monitoren die erwähnten Titel und Bilder auf sich wirken lassen können. Das gibt eine Idee der Parallelen und auch Unterschiede zwischen den verschiedenen Kunstformen. Zusätzlich mache ich zwei Live-Performances mit Mandoline und Elektronik zu großflächigen Videoprojektionen von Pipilotti Rist.

Sie haben in den letzten Jahren – neben Ihrer Tätigkeit als Buchautor – vermehrt Musik für Theater etc. produziert. Wie haben sich die Erfahrungen, die Sie dabei gemacht haben, auf die Musik der Miniaturen ausgewirkt?

Hans Platzgumer: Meine Musik ist immer sehr atmosphärisch. Sie erzeugt Stimmungen, evoziert Bilder, erzählt etwas, auch ohne es genau zu erklären. Meine Kinder bekamen oft Angst, wenn ich in meinem Studio an sehr eindringlichen Sounds arbeitete und sich diese Stimmungen in der ganzen Wohnung verbreiteten. Solche Ausdruckskraft kann ich natürlich in Theaterproduktionen und Ähnlichem sehr gut gebrauchen. Dort bediene ich Stimmungen, kündige sie an und reflektiere sie. Bei eigenen freien Musikproduktionen erzeuge ich sie.

Vor knapp 28 Jahren erschien ihr mittlerweile legendäres Debüt „Tod der CD!“ und nun heißt es, „Miniaturen“ sei Ihre letzte CD, ihr letztes ultimatives Statement. Hat Sie die CD nun zuletzt doch besiegt, oder ist das zu kurz gegriffen? Anders gefragt: Wird es in Zukunft noch Musik von Hans Platzgumer geben?

Hans Platzgumer: Die CD stirbt offensichtlich einen langsameren Tod als ich. Ich beneide sie nicht darum. Ich finde es wichtig, die Zeit zu erkennen, wenn man gehen soll. Die CD ist praktisch seit vielen Jahren am Boden und unaufhaltsam geht es bergab mit diesem Format, dennoch klammern sich noch überraschend viele daran. Noch immer, allen Gegebenheiten zum Trotz, werden Releases nur richtig ernst genommen, wenn sie auch physisch veröffentlicht werden. Es ist ein anachronistisches, nostalgisches Festhalten an alten Gewohnheiten, das aus manchen Köpfen nicht zu vertreiben scheint. Ein letztes Mal hatte ich diesmal noch das Gefühl, dieses Klammern mitbedienen zu wollen. In Zukunft aber werde ich nur mehr als Downloads veröffentlichen, und auch ganz losgelöst von dem mittlerweile längst überholten Albumformat. Ich habe durchaus vor, in den nächsten Jahren weitere Miniaturen zu veröffentlichen (gerade welche, die weiter eine jazzige Richtung ausloten, reizen mich), aber es wird bestimmt kein CD-Album-Format mehr sein. Es ist an der Zeit, sich von allen Mustern zu lösen.

Danke für das Interview.

Didi Neidhart


Hans Platzgumer, Michael Höpfner, Albert Ostermaier: “Miniaturen”
Donaufestival 2015

25.04. – 26.04.2015
30.04. – 01.05.2015
Jeweils von 10:00  – 20:00 in der Kunsthalle Krems

Fotos Hans Platzgumer © Sandra Bellet

http://www.platzgumer.net
http://www.platzgumer.net/miniaturen