It’s The Lipstick on Your Teeth – „Skintrade“

Eine derbe Mischung aus Hardcore, Industrial und Emo wartet auf dem reizend mit „Skintrade“ (Seayou Records) betitelten Debütalbum von IT’S THE LIPSTICK ON YOUR TEETH auf. Ein wahrer Brocken Hass wird einem in Hochgeschwindigkeit entgegengeschleudert. Dies passiert durchaus mit einer gehörigen Portion Kreativität, was nach und nach viele Seiten der Band offenlegt.

Bereits der Bandname verrät, dass es sich bei It’s The Lipstick On Your Teeth nicht gerade um einen Haufen Mauerblümchen handelt. Dementsprechend forsch prescht auch der Opener weg. Dieser ist, wohl mit einem gewissen Augenzwinkern, mit „Badass666Evil“ betitelt und macht seinem Namen alle Ehre: In hohem Tempo drückt eine Wand aus krächzenden Low-Frequency-Synthesizern und Low-Fi-Industrial-Drums ordentlich an. Als rettender Anker im kontrollierten Chaos präsentiert sich die im Vergleich zum restlichen Soundgewand glockenklare Stimme von Sängerin Michelle. Ihr Gesang ist nicht nur als Bindeglied für die restlichen mitunter verwilderten Elemente wichtig, sondern verpasst dem Charakter der Band auch eine zweite emotionale Schlagseite: Neben Wut, Hass und Ärger wird durch den lamentierenden Tonfall auch Verzweiflung und Pessimismus Ausdruck verliehen.

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Der Titeltrack „Skintrade“ weckt zwar einerseits Assoziationen zu seltsamen quasi-kannibalischen Tätigkeiten, beweist aber andererseits, dass die Band mehr kann, als nur den Vorschlaghammer zu schwingen. Man präsentiert sich nach wie vor in mächtigen elektronischen Noise-Wänden, platziert diese aber gekonnt im Wechselspiel mit den Vocals. Mit dieser Formel findet man zu einem Soundgewand, das sich verhältnismäßig eingängig gibt. Geschuldet ist dies wohl auch den bereits in Richtung Techno schielenden Synthesizern zu Beginn des Songs. Spätestens in „Vogue“ lockert das Quartett endgültig den Fuß am Gaspedal und offenbart in der Ruhe gewissermaßen seine Vielfältigkeit.

Hass und Tempo in mehreren Dimensionen

Cover “Skintrade”

Trotz eines roten Fadens namens Aggression kann man wahrlich nicht behaupten, It’s The Lipstick On Your Teeth seien auf ihrem Debüt eindimensional. Ein teilweise wirklich abgefahrener Stilmix, der Elemente von Industrial, Elektro und Hardcore verbindet. Im Industrial bedient man sich dreckiger Sound-Elemente und einer gewissen Lo-Fi-Qualität. Aus der Elektro-Ecke flirtet die Band immer wieder mit digitalen Einsprengseln in Sachen Drums und Synthesizer. Und aus dem Hardcore-Bereich kommt ohnehin der bereits erwähnte rote Faden des Albums. Hier liegen womöglich auch die Wurzeln der vier Wiener, die vor ihrem Debüt bereits drei EPs in Eigenregie veröffentlicht haben. Auch auf dem ersten Longplayer via „Seayou Records“ wurde nun bis aufs Mastering alles selbst gemacht, was für eine klare Vorstellung bezüglich des eigenen Sounds und der eigenen Darstellung insgesamt spricht. Genau so hört sich „Skintrade“ auch insgesamt an: eine von sich selbst und ihrer Idee von Musik als Ausdrucksweise überzeugte Band mit vier kreativen Köpfen, die sich nicht davor scheuen, das in die Welt hinauszuposaunen. Wobei die Erwähnung von Posaunen hier wahrlich irreführend ist. Überzeugung ist jedenfalls bekanntlich ansteckend, dementsprechend bleibt nur abzuwarten, bis man von It’s The Lipstick On Your Teeth trotz der schrillen Verortung in der Nischenmusik noch mehr zu hören bekommt.

Sebastian J. Götzendorfer

IT’S THE LIPSTICK ON YOUR TEETH live
14.08. – Chelsea, Album Release Show, Wien
02.09. – Venster 99, Wien
29.09. – WUK, Wien

Links:
IT’S THE LIPSTICK ON YOUR TEETH (Facebook)
Seayou Records