Interview mit Petra Stump

“Ich hab noch nie so eine schöne Partitur gekriegt” – Die Bassklarinettistin Petra Stump, BA-CA-Artist of the year, ist derzeit eine der gefragtesten Solistinnen im Bereich der zeitgenössischen Musik. Etliche namhafte Komponisten haben für sie und ihren Partner Heinz-Peter Linshalm eigens Stücke geschrieben Der letzte ganz große Erfolg des Duos war die Uraufführung von Pierluigi Billones abendfüllendem Stück für zwei Bassklarinetten 1 + 1 = 1 bei Wien Modern. Im Gespräch mit Heinz Rögl erzählt Petra Stump wie sie auf die Bassklarinette und zur Neuen Musik gekommen ist und über die Arbeit mit Billone.

HR: Wie kamst du zur Neuen Musik?

PS:  Vor allem über die Bassklarinette. Ich habe an der Wiener Musikuniversität Klarinette studiert, der Unterricht war sehr traditionell und das hat mir nicht besonders gefallen. Das ist halt so da. Und mir war das zu wenig. Ich bin in Konzerte gegangen, u. a. zum Klangforum Wien und habe dort erfahren können, dass man mit einer Bassklarinette viel mehr machen kann als bloß Orchester zu spielen. Der Ernesto Molinari war das erste Vorbild, ich habe ihn dann kennengelernt und es war irrsinnig nett mit ihm zu arbeiten. Er sagte mir aber, wenn ich das wirklich studieren will, muss ich nach Amsterdam gehen. Da bin ich dann hin. Und hätte ich das nicht gemacht, würde ich heute, glaub’ ich, überhaupt nicht mehr Klarinette spielen.

HR: Die Bassklarinette ist ja vor allem ein Instrument der zeitgenössischen Musik.

PS: Genau, die relevante Literatur ist aus den letzten dreißig, vierzig Jahren – abgesehen von Transkriptionen von Cellosuiten, das hat mich aber nie interessiert, das klingt am Cello besser. Ich lernte die wichtigsten Stücke kennen, es hat mir auch vieles nicht von Anfang an gefallen. Aber durchs Spielen ist das auf einmal immer interessanter geworden, ich war einfach neugierig, was das Instrument alles kann. Wenn man das jahrelang macht, kommt man da auch rein. Und vor zehn Jahren war das, was man auf dem Instrument machen zu können glaubte, auch noch ganz anders. Es hat sich viel getan.

HR: Das heißt, vor Berührungsängsten warst auch du nicht gefeit?

PS: Ich komme aus der Blasmusik und weil ich geschickt war, hat man mich aufs Konservatorium geschickt. Jazz und Improvisation haben mich aber auch interessiert, wobei ich mich da noch immer zu wenig auskenne, aber ich kann mir vorstellen, dass ich mich damit einmal gerne näher befassen werde. Was bei der Neuen Musik besonders interessant für mich wurde, war, dass man es mit lebenden Komponisten zu tun hat, denen man sagen kann, was geht und was nicht, oder was man mag oder nicht. Das waren früher Kompositionsstudenten, zu denen ich hinging und die ich fragte, ob sie was für Klarinette schreiben könnten. Das waren spezielle Leute, auch Stile, die mir jeweils entgegen kamen.

HR: Wer waren in Wien die ersten, die speziell für dich was gemacht haben?

PS: Ich mag mir ja nicht anmaßen, dass die speziell für mich geschrieben haben. Es waren zuerst damals die ganz Jungen von der Gruppe “Gegenklang” .

HR: Die Gruppe um Jorge Sánchez-Chiong, Staud, Fuchs, Resch, Toro-Pérez….

PS: …mit denen ich anfänglich viel zusammengearbeitet habe. Und der erste, der für mich und Heinz-Peter ein Stück geschrieben hat, war Bernhard Gander. Von dort ist es so weiter gegangen, dann traut man sich halt, auch andere, “weiter oben” in der Rangliste zu fragen.

HR: Beat Furrer zum Beispiel. Seit wann gibt es die Partnerschaft mit Heinz-Peter Linshalm?

PS: Eigentlich eh komisch, dass es so lang gedauert hat, wir lebten ja schon zehn Jahre zusammen, bis wir sagten, spielen wir einmal etwas miteinander. Er hat etwas anders gelagerte Schwerpunkte gehabt, hat auch Oper gespielt und war am Anfang eher skeptisch. Bis er sich eben auch näher auseinandergesetzt hat und draufgekommen ist, dass das interessant ist. Das Stück vom Bernhard Gander [Anm: Mr. Vertigo] ist eigentlich aus einem Scherz heraus entstanden, wir haben ihm gesagt, schreib’ doch einmal was für zwei Bassetthörner. Ein halbes  Jahr später ist er mit einem fertigen Stück dahergekommen. Der Nächste war dann der Jorge [Anm.: Sánchez-Chiong – trópico transito]. Und dann kam auf einmal großes Interesse von vielen Komponisten für diese Duo-Konstellation, was für mich eigentlich unerwartet war, weil ich dachte, das wäre denen zu “wenig”: Zwei gleiche Instrumente und nur zwei Leute. Das kam dann ziemlich ins Rollen und war in den letzten zwei, drei Jahren das Hauptgebiet dessen, was ich gemacht habe.

HR: Christoph Herndler mit seiner sehr eigenen, stillen, versponnenen Art von Musik und die Arbeit im Ensemble EIS war auch in eurem Spektrum drin?

PS: Ja. Man braucht auch Abwechslung. Ich spiele gerne einmal etwas Lautes mit Turntables und total Gefiltertes vom Jorge, aber genauso gern fünfzig Minuten vom Herndler.

HR: Verbindungen zur zeitgenössischen Klassik – mit dem Ensemble Wien-Berlin – gibt es aber doch auch wieder? Die alten Hochschullehrer?

PS: Das ist hinterher gekommen. Ich habe das Studium in Wien nach Amsterdam doch noch abgeschlossen. Mein Lehrer hat immer geglaubt, ich mag die klassische Musik nicht, nur weil ich ihn von Neuer Musik überzeugen wollte, die ich ihm immer wieder vorgespielt habe. Seit ich von der Universität weg bin, werde ich hin und wieder gefragt, z.B. vom Milan Turkovics, ob ich im Ensemble mit dem Bassetthorn mitspielen will. Ich mache das auch sehr gern. Vielleicht habe ich mich auch zu sehr aus der Szene hinauskatapultiert, weil ich so vehement für die Neue Musik eingetreten bin. Jetzt kommt das langsam zurück, was mich sehr freut.

HR: Sprechen wir ein wenig über das Stück von Pierluigi Billone.

PS: Wir lernten ihn bei der Klangforum-Aufführung des Ensemblestücks Mani Long kennen, bei dem wir mitspielten. Und wir haben uns auf Anhieb sehr gut verstanden, ihm hat die Art gefallen, wie wir spielten.  Für ein “generator”-Konzert im Konzerthaus durften wir uns jemanden suchen, für den wir ein Werk in Auftrag geben. Da kamen wir gemeinsam mit Thomas Schäfer auf den Billone. Der sagte aber kategorisch nein, ich schreibe kein Zehn-Minuten-Stück. Beat Furrer, den wir natürlich auch sehr schätzen,  hat dann ein Stück für diesen Anlass für uns gemacht. Kaum war das vorbei, kam Billone noch einmal auf uns zu und sagte, ja, er möchte was für uns machen – aber es muss ein abendfüllendes Stück werden. Wir fanden die Idee ganz toll, das gab es ja noch nie, aber es war für uns sehr schwierig dafür einen Auftrag oder einen Veranstalter zu finden. Wir haben ein Jahr lang herumgefragt. Es war dann Ute Pinter von der Jeunesse, die sich sehr ins Zeug gelegt hat dafür, und dann ist – im Zusammenhang mit der Artist of the year-Sache – auf einmal doch etwas herausgekommen. Es ging alles überraschend schnell, auch das mit der CD noch dazu.

HR: Man kann nur hoffen, dass ihr noch öfter eingeladen werdet, das wieder zu spielen.

PS: Wir spielen es auf jeden Fall Ende November in Graz bei den Minoriten. Dann wird man sehen.

HR: Bei Doblinger habt ihr auch eine Klarinettenschule (samt im mica aufgenommener Begleit-CD) herausgebracht. Ein pädagogischer Impetus?

PS: Ja schon. Es gab immer wieder Studenten, die bei uns vorbeikamen und uns fragten, wie man das oder das spielt. Und manches schaut wilder aus. Wenn man sich mit Geduld damit beschäftigt, kommt schon etwas heraus. Man muss sich einarbeiten. Es interessant, wie schnell etwa Kinder auffassen, die ganz schnell lernen, multiphonics zu spielen, wenn man es ihnen zeigt. Ein Heft für Fagott gab es in dieser Reihe schon und es hat mich sehr interessiert, dieses Arbeitsheft für Klarinette herauszubringen. Wir haben ein paar Komponisten eingeladen, rund um die Vorstellung der jeweiligen Technik, z.B. multiphonics. oder Glissandi, ein Stück drumherum zu komponieren. Das hat gut funktioniert, Kinder können diese Sachen wirklich spielen. Wir versuchen jetzt, das auch ein bisschen an die Musikschullehrer weiterzuvermitteln. Das ist schon wieder schwierig, manche wollen das einfach nicht lernen.

HR: Ihr macht auch schon Kinderkonzerte.

PS: Schon länger, da gibt es als Programme eine Zauberflöte mit drei Bassetthörnern und zwei  Sängern, oder Stockhausens Tierkreis, das ist mit zwei Klarinetten, Akkordeon und einer Schauspielerin. Und ein neues Programm für Quintett ist gerade in Arbeit.

HR: Du hast als Musikerin eine emanzipatorische, nicht elitäre Haltung und bist für den Abbau von Zugangsbarrieren?

PS: Sagen wir so: Die Projekte, für die ich selber verantwortlich zeichne, möchte ich so gestalten, wie mir das selber gefällt und wie ich das selber gerne vermittelt bekommen hätte. Ich versuche auch etwas dazu zu sagen und zu erklären, wenn ich es für notwendig halte – je nachdem, in welchem Rahmen das stattfindet. Ich habe aber auch nichts dagegen in einem Frack aufzutreten. Aber in den Echoraum brauche ich nicht mit dem Frack gehen. Jedes Konzert hat einen bestimmten Rahmen, und so, wie das dort hinpasst, nach dem richte ich mich dann auch. Mir geht es um die Musik und nicht um das Drumherum. Auf dem Land kommen die Leute manchmal festlich angezogen, dann brauche ich dort nicht in Jeans daherkommen. Ich möchte das denen doch nicht kaputtmachen. oder sie absichtlich vor den Kopf stoßen.

HR: Pläne?

PS: Einmal ein bisschen Ruhe. Das nächste Große ist eine Tournee nach Australien und Neuseeland. Mit einem kleinen Kammerensemble, für das Jorge Sánchez-Chiong auch etwas komponiert. Die nächste Stufe wäre also, dass wir als Solisten gerne etwas mit einem Ensemble machen würden, öfter, auch hier.

HR: Ein ständiges Ensemble?

PS: Das ist sehr viel Organisationsaufwand, den ich persönlich nicht ständig gerne machen würde. Obwohl es ab und zu dazugehört. Bis zum Quintett geht’s noch.

HR: Freie Musikerin sein?

PS: Die bin ich auch ein bisschen gezwungenermaßen. Alles was ich in diesen Monaten spiele, spiele ich gerne, aber es sollte mehr Zeit sein. Auch einmal Pause. Ich würde sehr gerne unterrichten, egal, ob Kinder oder ob in einer Musikschule. Unterricht ist wichtig und eine interessante Arbeit. Das Problem ist, dass ich oft einen Monat lang einfach keine Zeit habe und für Kinder ist das nichts. Vielleicht kommen in Österreich die Musikuniversitäten einmal darauf, dass man für Neue Musik und Bassklarinette etwas anbieten sollte. Da gibt es in der Schweiz, Holland, Frankreich Möglichkeiten, wo man das studieren kann, bei uns nicht.

HR:  Ausgleich ist das Bergsteigen?

PS: Ja, und ich bin gern auf dem Land.

 

 

Petra Stump