Interview mit Laura Berman (Bregenzer Festspiele)

Laura Berman ist die neue Kuratorin der “Kunst aus der Zeit” bei den Bregenzer Festspielen. Sie stammt aus den USA und verwirklichte in Deutschland schon zahlreiche Projekte mit zeitgenössischer Kunst. Seit dem vergangenen Jahr ist sie bei den Bregenzer Festspielen engagiert. Das folgende Interview führte Silvia Thurner.

Sinn und Sinnlichkeit erlebbar machen

Laura Bermans Liebe gilt vor allem dem zeitgenössischen Musiktheater. Sie selbst beschreibt sich als sinnlich wahrnehmende Dramaturgin, die vor allem einen im besten Sinne des Wortes naiven Zugang zur Kunst liebt. Groß angelegte Musikprojekte, in denen MusikerInnen und TänzerInnen aus unterschiedlichen musikalischen Genres zusammen kommen, bilden einen Schwerpunkt des diesjährigen Festivals. In kurzer Zeit hat sie einen Zugang auch zur Vorarlberger Musikszene gefunden. Darüber hinaus wird Richard Dünser wird mit einem Porträtkonzert gewürdigt. Auch auf die Kooperation mit Willi Pramstallers “Seelax” Festival  und dem Stück “Liebesdienste” darf man gespannt sein. Im Gespräch mit Silvia Thurner stellt Laura Berman ihre inhaltlichen Grundgedanken zur “Kunst aus der Zeit 2009”  vor und erzählt über ihren Zugang zur Festivalgestaltung.

Welche wichtigen künstlerischen Stationen gab es bevor du nach Bregenz gekommen bist?

Mit ungefähr dreißig Jahren habe ich eine Gruppe für experimentelles Musiktheater in Köln gegründet. Zuletzt war ich am Theater Freiburg unter Amélie Niermeyer als leitende Dramaturgin für Musiktheater beschäftigt. Dort konnte ich in Kooperation mit dem SWR Experimentalstudio sehr schöne Projekte realisieren. Ich habe auch lange im Tanz gearbeitet. Für meine künstlerische Entwicklung war die Zusammenarbeit mit Achim Freyer sehr wichtig. Ich habe als Dramaturgin zwei Stücke mit ihm gemeinsam gemacht. Unmittelbar bevor ich das Engagement für KAZ angenommen habe, war ich damit beschäftigt, eine Agentur für Musiktheaterprojekte in Berlin aufzubauen.

KAZ will einen Dialog mit dem Publikum

Der Begriff “Kunst aus der Zeit” ist sehr breit gefächert. Versuchst du eher einen Spagat zwischen unterschiedlichen Interessen oder möchtest du aus KAZ auch eine Experimentierwerkstatt für innovative künstlerische Ideen machen?

Weil die Schiene so neu ist, muss man einen Dialog mit den Zuschauern aufbauen und Interesse wecken für das Neue. Ich sehe KAZ nicht als Experimentierwerkstatt. Wenn ich den musikalischen Jahresplan für zeitgenössische Musik in Vorarlberg anschaue, wird klar, dass es noch viel Raum für Entwicklungen gibt. Ich werde versuchen, klassischen zeitgenössischen Werken der letzten fünfzig Jahre einen Raum zu geben. Man kann nicht von den Zuschauern erwarten, dass sie mit dem Experiment etwas anfangen können, wenn sie das Vorangegangene nicht kennen. Das bedeutet aber nicht, dass die dargebotenen Werke keinen experimentellen Charakter haben.

Was ist der rote Faden in diesem Sommer?

In diesem Jahr soll Musik als sinnliches Erlebnis vermittelt werden. Ich habe Künstler ausgewählt, die nicht nur Kopf orientiert arbeiten, sondern Sinn und Herz ansprechen. Es sind einige Stücke vertreten, die eher naiv mit dem Begriff Musizieren umgehen. Ich habe auch versucht, verschiedene Formen zeitgenössischer Kunst ausgewogen abzudecken, zum Beispiel Installation, Performance, Musiktheater, Konzert und Schauspiel.

Neues und Bewährtes

Vor allem Uraufführungen zeigen das Profil eines Festivals auf. Inwieweit möchtest du in Zukunft neue Werkideen initiieren und aktiv an der Entstehung daran teilhaben?

In diesem Jahr ist fast jedes Stück eine Uraufführung oder eine Koproduktion, bei der die erste Aufführung ein paar Wochen vor Bregenz stattfindet. Ich glaube für die Zuschauer zählt nicht, ob sie eine Uraufführung erleben oder nicht. Und ich bin auch eine Verfechterin davon, dass Werke nachgespielt werden. Wenn wir alle als Veranstalter nur auf das Neue schielen, gibt es keinen Raum für Wiederholung, das geschieht allzu oft.

Spektakel und Experimentierfeld

Im Rahmen von “My Musig” kommen Stücke von Moritz Eggert, Benedict Mason und Georg Nußbaumer zur Aufführung, die speziell die Örtlichkeiten von Bregenz thematisieren  und unterschiedliche musikalische Genres zusammen führen. Hast du eine Vorliebe dafür, ortspezifische Projekte zu kreieren?

Die drei Stücke zum ersten Block “My Musig” sind alle für hier kreiert worden. Im Vordergrund steht die Frage nach den Identifikationsprozessen zwischen Zuschauern und unterschiedlichen Klangwelten. Der Auftrag an Georg Nußbaumer lautete, ein Stück zu machen über die Umgebung, aber bitte nicht den See. Im Stück “Processional” von Moritz Eggert sind Musiker am Festspielhaus postiert, drei Musikvereine ziehen durch die Stadt zum Festspielhaus. Das Stück hat die Funktion, auf den Beginn von KAZ aufmerksam zu machen, wie ein Ritual. Natürlich ist es auch ein großes Spektakel, es hat diese Funktion.

Für sein Stück “Da hleeo durum daree durum dittm da herum” hat Benedict Mason Spezialisten für ethnische Musik, Jazz und Improvisation und Klassik zusammen geführt. Er sucht mit seinem Werk eine Art musiktheatralische Antwort auf die Frage “Wo bleibt in Zeiten der Migration und Globalisierung unsere Musik?”. Hier kommen international renommierte Musiker mit heimischen Musikerinnen und Ensembles zusammen.

Kontinuität betonen

Die Programmgestaltung deines Vorgängers war meiner Meinung nach weitgehend belang- und konzeptlos. Inwiefern wird sich unter deiner künstlerischen Leitung das Programmkonzept schärfen?

Es gibt eine Tendenz, wenn Leute neu ein Theater oder ein Tätigkeitsfeld übernehmen, das Vorangegangene zu negieren. Das finde ich sinnlos und unsympathisch. Deshalb habe ich auch Künstler engagiert, die schon einmal hier waren, um damit ein Gefühl von Kontinuität zu schaffen. In diesem Jahr sind es “Nico and the navigators” und Franui und die Tatsache, dass Harrison Birtwistle wieder präsent ist.

Ich mache Programme relativ intuitiv. Erst jetzt, wenn ich das fertige Programm anschaue, weiß ich, dass es sehr viel mit mir und meiner Art zu tun hat, aber das ist sehr schwer zu erklären. Das hat sicher viel mit meiner Vorliebe für eine manchmal eher direkten Herangehensweise und einer Nutzung einer sinnlichen künstlerischen Handschrift innerhalb eines Theaters oder einer Musikform zu tun.

 

 

Altes ins Neue überführen

Eine Rückbesinnung auf die Klänge der Renaissance und des Barock ist Thema der beiden großen Musiktheater-Produktionen von Nico and the Navigators & Franui sowie Harrison Birtwistle als auch von drei Konzerten im Kunsthaus Bregenz. Inwieweit findest du es sinnvoll, derartige Verbindungslinien der tradierten Musik in die Moderne Musik zu ziehen?

Ich glaube das ist sehr wichtig, weil man damit unsere Gedanken über die Musik heute im Hinblick auf unsere Gesamtgeschichte besser einordnen kann. Vor allem die Musik zwischen der Renaissance und dem Barock, sagen wir die “manierierte Musik”, fasziniert viele moderne Komponisten. Diese Musik hat auch viel mit unserer Zeit zu tun, denn sie ist eine Beschäftigung mit inneren Zuständen und individuellen Befindlichkeiten. Auch heute steht das Individuum im Mittelpunkt des Erlebens. Strukturelle Fragestellungen über die Programmauswahl sind aber meiner Meinung nach für das Publikum letztendlich nicht so wichtig.

Neue Konzepte fürs KUB

Wie sinnvoll ist es, das Kunsthaus Bregenz als Raum für Konzerte zu nutzen und könnte man nicht die ungünstigen akustischen Bedingungen als Chance für genau solche musikalischen Konzepte nutzen, die die Architektur und das spezifische Ambiente als Inspirationsquelle nutzen?

Diese Frage stelle ich mir immer wieder. Die Kooperation mit dem KUB möchte ich nicht verlieren. Ich muss jetzt mit der neuen Leitung darüber reden, in welcher Form wir weiter kooperieren. Das KUB ist aus akustischen Gründen kein idealer Raum für Konzerte, das ist klar, aber ich bin mir sicher, manche Zuschauer finden es wunderbar, in dieser Architektur Musik zu hören. Das war auch ein Grund, warum dieses Jahr Musikstücke ausgewählt worden sind, die für ,hallige’ Räume gedacht sind. Ich schätze das KUB und die Menschen, die dort arbeiten. Das ist eine wichtige Partnerschaft.

Seestudio als neuer Ort

Das Seestudio wird als neuer Raum erstmals bespielt. Was ist zu erwarten?

Ich bin etwas nervös, weil ich nicht weiß, ob das Publikum das Seestudio annimmt. Es ist für mich ein sehr guter Raum, weil er eine hervorragende Akustik hat und eine konzentrierte Atmosphäre bietet. Das “Österreichische Ensemble für Neue Musik” wird unter der Leitung von Johannes Kalitzke musizieren. Darüber hinaus findet auch ein Dirigierworkshop mit Stipendiaten des Dirigentenforums des Deutschen Musikrates statt. Mit dabei ist auch der hierzulande bestens bekannte Markus Landerer.

Die Menschen hier kennen lernen

Anlässlich des 50. Geburtstages von Richard Dünser gibt es ein Porträtkonzert. Inwieweit konntest du dir bereits ein Bild von der Vorarlberger Komponistenszene machen?

Richard Dünser ist seit Jahren mit den Bregenzer Festspielen verbunden und beim Publikum und den Musikern gleichermaßen beliebt. Deshalb ist er mit einem Porträtkonzert im KAZ Programm vertreten. Bei der Programmgestaltung gehe ich jedoch mehr von Ideen und Erlebnissen aus oder Assoziationen zu Themen und baue damit das Programm zusammen.

Ich mache mir nun nach und nach ein Bild, man wird dies in der zukünftigen Programmentwicklung sehen, doch nun lerne ich die Menschen erst einmal kennen. Das Stück von Benedict Mason hat viel dazu beigetragen, dass ich Leute aus der Region kennen gelernt habe.

Danke für das Gespräch.

Factbox:
Bregenzer Festspiele, Kunst aus der Zeit, 22. Juli bis 23. August 2009
www.bregenzerfestspiele.com
Erschienen in: Kultur. Zeitschrift für Kultur und Gesellschaft. Dornbirn, Juli/August 2009.