Interview mit Jürgen Plank

Als Journalist, Bandmitglied beim ersten Wiener Heimorgelorchester sowie den Lassos Mariachis und Labelchef von Lindo Records ist Jürgen Plank in der heimischen Musikszene längst kein unbeschriebenes Blatt mehr. Vor kurzem hat er nun auch das Debüt seines Solo-Projekts The Wichita vorgelegt, das er im mica-Interview mit Michael Masen vorstellt.

Obwohl es dein Solo-Projekt The Wichita schon relativ lange gibt, ist erst jetzt die zugehörige Debüt-CD „Songlines“ erschienen. Was hat dich so lange aufgehalten?
Das stimmt, das Projekt gibt es schon ziemlich lange, nämlich seit ungefähr Mitte der Neunziger Jahre. Und wie das halt so ist bei Soloprojekten, stehen diese meist nicht im Mittelpunkt des Tuns. Ab und zu hat es zwar schon Aufnahmen gegeben, aber das war halt immer so in ganz kleinen Schritten, bis schließlich der entscheidende Schritt im Jahr 2006 doch noch erfolgt ist. Da habe ich mir ein eigenes kleines Studio eingerichtet, was in Folge den Produktionsprozess extrem beschleunigt hat. Über die Jahre sind auch genug Songs entstanden und so war es jetzt wirklich an der Zeit, das Album zu machen.

Wie lange hast du insgesamt an dem Album gearbeitet?
Intensiv mit dem Aufnehmen begonnen habe ich mit dem eigenen Studio, also ungefähr im Frühjahr 2007. Es gab aber auch da verschiedene Phasen. Ich habe mich nicht etwa eine Woche lang komplett zurück gezogen und aufgenommen, sondern halt ab und zu einzelne Aufnahmetage eingeschoben, mitunter auch nur einzelne Aufnahmestunden. Insgesamt habe ich wohl zwei Jahre lang an dem Album gearbeitet. Und dann gibt es eben Prozesse, wie beispielsweise das Mastering oder das Mischen, die zusätzlich noch einige Zeit in Anspruch nehmen.

Haben alle Stücke, an denen du seit es das Projekt gibt gearbeitet hast, ihren Weg auf das Album gefunden oder musstest du stark aussortieren?
Auf der CD sind jetzt 13 Songs gelandet, insgesamt gibt es aber sicher schon ungefähr 30. Ich habe also eigentlich auch schon das Material für die nächste Platte beisammen. Für das aktuelle Album habe ich sozusagen aus dem Vollen schöpfen und auswählen können, was mir in der Zusammenstellung am Sinnvollsten erschienen ist. Es sind auch ältere Songs dabei, aber ich glaube, wenn man das nicht weiß, erkennt man es gar nicht. Es fügt sich einfach alles zu einem schönen Debüt-Album zusammen.

Eine Art Konzept liegt dem Album also nicht zugrunde?
Doch. Es gibt schon ein paar Klammern, würde ich mal sagen. Schon der Name ist das Konzept. „Songlines“ bezieht sich einerseits auf die Liedzeile eines Songs, andererseits, da ich ja auch Kultur- uns Sozialanthropologe bin, auch auf die mythologische Ursprungsgeschichte der australischen Aborigines. Hiernach wurde die Welt, wie sie heute besteht, entlang der Traumpfade, der sogenannten Songlines, geschaffen. Und auch der Bandname The Wichita ist insofern in dieses kleine Konzept eingepasst, als er sich auf eine nordamerikanische Ethnie bezieht. Man kann da also sozusagen eh schon die Brücken erkennen, die in die ganze Welt geschlagen werden. Insofern ist es also schon ein rundes Ganzes für mich.

Glaubst du, dass es dir gelungen ist, als Europäer, als Österreicher, diese ganzen verschiedenen Einflüsse authentisch durchklingen zu lassen und gleichzeitig etwas Originelles zu machen? Bist du mit dem Endergebnis zufrieden?
Ich bin zufrieden mit dem Endergebnis und hoffe, dass es auch andere so sehen. Die ersten Feedbacks scheinen das jedenfalls zu bestätigen und die Hörer merken auch, dass ich nicht bloß eine Kopie des amerikanischen Alternative-Country gemacht habe, sondern dass da schon eine besondere Variante herausgekommen ist. Insbesondere in den Texten schwingen ja verschiedene Dinge durch. Es würde zum Beispiel in einem „normalen“ Countrysong vermutlich nie Indien vorkommen oder Vietnam. Letzteres vielleicht schon, aber lediglich im Zusammenhang mit dem Krieg. Ho Chi Minh City als Sehnsuchtspunkt eines Liedes existiert aber normalerweise nicht im Country. Das gilt auch generell für die Songlines, wie ich sie skizziert habe. Insofern denke ich schon, dass ich eine neue Variante zum Alternative Country gefunden habe.

Das ist ja wahrscheinlich auch notwendig, um sich von den amerikanischen Wurzeln abgrenzen zu können.
Ich glaube schon. Es würde glaube ich relativ wenig Sinn machen, das was in US-Radios als Countrymusik läuft, in Europa nachstellen zu wollen. Es ist wichtig, sich selbst nicht irgendwas vorzumachen und sich nicht selbst zu täuschen, sondern wirklich das eigene Projekt durchzuziehen – ohne sich an irgendwelchen Nachstellungen zu versuchen. Das ist ziemlich sinnlos. Und solange man sich im Independent-Bereich bewegt, ist das ja auch relativ einfach umzusetzen.

Du hast bereits erwähnt, dass bei dir die Texte großes Gewicht haben. Kommen die immer zuerst, wenn du einen Song schreibst?
Das ist ganz verschieden. Manchmal ist der Text als erstes da, aber meistens entstehen Text und Musik gemeinsam. Dann wird natürlich noch weiter an den Texten gefeilt, was oft auch länger dauern kann. Die bleiben dann auch schon mal liegen, bis mir irgendwann eine bessere Zeile oder ein besseres Wort einfällt. Generell kann man aber nicht so bestimmt sagen, wie schnell das geht. In einem Fall sind es ein paar Stunden, im anderen Fall kann es auch schon mal ein paar Monate dauern, bis endlich die letzte Zeile steht. An den Texten feile ich also schon immer sehr genau, aber meistens entstehen diese gemeinsam mit der Musik, weil sich das auch oft gegenseitig bedingt.

Verwirfst du auch schon mal Songs, wenn du nach ein paar Monaten irgendwo stecken bleibst und nicht weiter weißt, oder will man sich das nach so langer Arbeit dann doch nicht antun?
Komplett Verwerfen gibt es bei mir nicht. Ich denke auch, dass es sich beim Songschreiben um einen handwerklichen Prozess handelt und dass, wenn man es sich zutraut, Lieder zu schreiben, man eigentlich jederzeit eines schreiben können sollte. Einmal wird es besser, einmal gefällt einem das Endprodukt weniger gut, aber letztlich ist es glaube ich für jeden, der Lieder schreibt, möglich eines zu machen. Und wenn ich eines begonnen habe, dann führe ich das auch zu Ende. Sicher bleiben manchmal ein paar Skizzen liegen oder gehen irgendwie verloren, das kommt wahrscheinlich auch vor, aber meistens vollende ich die Stücke.

Kannst du ein wenig über deine Mitmusiker erzählen?
Die Musik auf dem Album habe ich komplett selbst eingespielt. Eine sehr wichtige Position nimmt aber Heike Mangold als Sängerin ein. Ihre Rolle und Stimme wird auch durchwegs sehr positiv reflektiert. Ein weiterer Gast ist Laura Rafetseder von Laura & The Comrats, die beim Lied Chattanooga die zweite Stimme beisteuert. Das Artwork der CD stammt außerdem von Sascha Mallon, eine Österreicherin, die mittlerweile in Amerika lebt. Man bekommt sozusagen mit jeder CD ihr kleines Kunstwerk mitgeliefert, was glaube ich auch ein wichtiger Teil des Albums ist. Die Reaktionen darauf sind jedenfalls durchwegs sehr positiv.

War von Anfang an klar, dass Sascha Mallon das Artwork gestalten wird oder hat sich das erst nach Fertigstellung der Songs so ergeben?
Es war schon von Anfang an klar, weil wir bereits seit langer Zeit zusammen arbeiten. Sie hat das Cover dann aber erst in der letzten Phase der CD-Produktion realisiert, also erst zu einer Zeit, wo ich schon die allerletzten Spuren aufgenommen habe und der Mix auch schon in Bearbeitung war.

Das heißt, das Artwork ist bereits auch unter dem Eindruck der Musik entstanden?
Ja. Ich habe ihr die Songs nach New York geschickt und sie konnte sich daraus quasi ein wenig Inspiration holen. Das Ergebnis hat dann kongenial zu den Liedern gepasst.

Noch mal zurück zu deinen beiden gesanglichen Begleiterinnen. Hattest du speziell diese beiden schon im Hinterkopf, als du die Songs geschrieben hast oder hast du dich erst nach deren Fertigstellung nach Sängerinnen umgesehen?
Laura Rafetseder ist in den letzten Jahren deshalb dazu gekommen, weil sie auch auf meinem kleinen Label, Lindo Records, erschienen ist. Von daher kennen wir uns jetzt schon eine Zeit lang und so hat auch dieser Prozess der Zusammenarbeit für ihr Album begonnen und dann hat es sich eben mal ergeben, dass ich sie gefragt habe, ob sie nicht bei einem meiner Lieder Backing Vocals singen möchte.

Heike Mangold ist schon länger dabei. Wir haben vor ein paar Jahren mal damit angefangen, so ein wenig zu proben und ab diesem Moment war es für mich eigentlich klar, dass sie auf der Debüt-CD auf jeden Fall mit dabei sein wird. Ursprünglich wollte ich auch noch viel mehr Gäste auf dieses Album mit rauf nehmen, aber das wird dann wahrscheinlich beim nächsten passieren.

Arbeitest du bereits daran oder ist das noch in der geistigen Planungsphase?
Die Planung ist quasi fertig, die Songs sind bereits geschrieben. Was jetzt noch fehlt, ist die Umsetzung, sprich die kompletten Aufnahmen. Es ist jetzt aber ohnehin noch zu früh, gleich mit der Arbeit am zweiten Album zu beginnen. Prinzipiell könnte ich aber bereits wieder zehn bis zwölf Stücke aussuchen und diese aufnehmen. Ein paar werden sicher noch dazu kommen, da ich mal annehme, dass ich mir jetzt wieder zwei bis drei Jahre bis zum nächsten Album Zeit lasse.

Hast du für dieses kommende Album auch schon ein paar Klammern im Kopf, in welche Richtung es gehen soll?
Von der grundsätzlichen Ausrichtung wird es natürlich ähnlich sein wie das erste Album, sprich, wieder dem Genre Alternative Country zugehörig, aber die aktuelle Idee ist es, alles ein wenig mehr in Richtung Elektronik auszurichten. Das ist schon bei der aktuellen CD der Fall gewesen, fällt aber vermutlich gar nicht so richtig auf, weil alles sehr dezent gehalten ist. Dieses Element möchte ich beim Nachfolger jedenfalls verstärken. Ansonsten wird Heike Mangold sicher wieder mit dabei sein und auch den einen oder anderen Elektronikmusiker kann ich mir sehr gut vorstellen.

Aber grundsätzlich strebst du von der instrumentalen Umsetzung her wieder einen Alleingang an?
Als Basis der Stücke denke ich schon. Das ist auch vom Produktionsprozess her am praktischsten, weil ich selber am besten weiß, wann ich Zeit habe, und wie viel Zeit ich mir überhaupt nehmen kann. Es hat schon gewisse Vorteile, wenn man selber die Produktionsmittel kontrolliert. Aber Gäste sollen auf dem nächsten Album jedenfalls mehr vertreten sein. Man kann sich ja überraschen lassen, wer genau das sein wird.

„Songlines“ ist ja auf deinem eigenen Label, Lindo Records, erschienen. Wurde das zu dem Zweck gegründet, deine eigenen Sachen zu veröffentlichen?
Lindo Records ist im Jahr 2004 entstanden, weil viele Musikerinnen und Musiker aus meinem Umfeld Schwierigkeiten gehabt haben, ein Label zu finden und ihre Sachen zu vertreiben. Mein Label ist also vordergründig als Plattform für mein befreundetes Umfeld entstanden. So war es etwa auch bei Lassiter, der ersten Band auf Lindo Records. Deren CD war fast fertig, sie haben aber kein Label gefunden und so hat sich das dann sehr gut zusammen gefügt. Einerseits für sie aber auch für mein Label.

Dann ist es auch schon weiter gegangen mit Clint, dem Solo-Projekt des Lost Compadres-Sängers Robert Tauber, der ebenfalls ein paar Songs aufgenommen hatte. Ihn habe ich bei einem Auftritt kennen gelernt und in Folge hat sich die Zusammenarbeit ergeben, die letztendlich zu seiner Platte geführt hat. Diese wird übrigens jetzt am 4. Juni weltweit digital veröffentlicht. Und so geht das halt weiter. Man kommt mit Leuten ins Reden, die ein Label suchen und wenn alles passt, dann landen die eben bei Lindo Records.

Vordergründig ist es also bei dem Label nicht darum gegangen, meine Sachen zu veröffentlichen, aber natürlich war ab dem Moment, wo ich wusste, dass ich eine Platte herausbringe, klar, dass das auf meinem eigenen Label sein würde. Da habe ich natürlich meine eigene Infrastruktur genützt. Den Großteil bilden aber nach wie vor die Releases anderer Künstler.

Wo liegen deine Kapazitäten als Labelbetreiber? Wie viele Veröffentlichungen pro Jahr sind überhaupt möglich?
Der Schnitt liegt bei ca. zwei CDs pro Jahr. Es ist zwar ein kleines Label, aber die Infrastruktur funktioniert gut. Zwei CDs ist glaube ich ein ganz guter Schnitt, weil man die noch gut betreuen und eine gute Promo-Arbeit machen kann, ohne überfordert zu sein und ohne dass etwas unter geht. Ich versuche halt, in der Labelarbeit die Künstler in den Mittelpunkt zu stellen. Jeder hat seine Freiheiten, es wird niemandem gesagt, wie er seine Musik machen soll, wie er aufnehmen soll, usw. Gerade im Independent-Bereich ist das auch sehr wichtig, finde ich.

Man wird sehen, wie es weiter geht. Es kann gut sein, dass heuer auch noch eine dritte CD erscheint. Dazu gibt es schon Gespräche und es bleibt jetzt mal abzuwarten, ob das noch konkreter wird. Ansonsten sind wir zunehmend besser aufgestellt. Unser Vertriebspartner in Österreich ist Hoanzl und das mit dem Digitalvertrieb funktioniert auch wunderbar. Mit Laura Rafetseder und meiner eigenen CD gehen wir jetzt auch nach Deutschland und in die Schweiz. Für ein Independent-Label ist das eigentlich schon ganz in Ordnung.

Wann kann man The Wichita demnächst einmal live sehen?
Wir spielen am 31. Juli, um 19 Uhr, im Wiener WUK.

Vielen Dank fürs Interview.

http://www.myspace.com/thewichita
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