„In New York hat man wirklich keine Zeit, um schlecht zu klingen“ – Alan Bartuš im mica-Interview

Der in der Slowakei geborene und im Burgenland aufgewachsene Pianist Alan Bartuš hat sich in den vergangenen Jahren als vielseitige Stimme der jungen Jazzgeneration etabliert. Nach seinem Studium an der Manhattan School of Music in New York verbindet er Einflüsse aus Europa und den USA zu einem klaren, persönlichen Stil. Im Oktober 2025 stellte der Gewinner des Ö1 Jazzstipendiums im Radiokulturhaus Wien erstmals Stücke seines neuen Albums Deep Roots vor – Musik, die seine musikalischen Wurzeln und seinen Weg zwischen Kontinenten hörbar macht. Im Interview mit Michael Ternai spricht der Pianist über die Bedeutung kontinuierlicher Weiterentwicklung, die Suche nach dem eigenen Klang und seine Begeisterung für R’n’B.

Du hast im Oktober im Wiener Radiokulturhaus ein Konzert gespielt und dabei einen ersten musikalischen Einblick auf neues Album „Deep Roots“ gegeben. Was bedeutet „Deep Roots“ im Kontext des Albums?

Alan Bartuš: Ich würde sagen, der Titel „Deep Roots“ spiegelt meine große Liebe und Leidenschaft für die Tradition des Jazz wider. Wenn man Jazz spielt, sollte man, glaube ich, zuerst einmal zur Tradition zurückgehen – zum Bebop, zu Louis Armstrong und all den anderen Musiker:innen, die mich beeindruckt haben. Von dort aus kann man sich dann weiterentwickeln und neue Wege gehen. Ich habe das Album in New York komponiert. Es sind neue Kompositionen, die während meiner Zeit an der Manhattan School of Music entstanden sind.

Kann man das Album als eine Art Hommage an die alte Zeit sehen, oder bringst du auch modernere Elemente ein?

Alan Bartuš: Die Musik selbst ist schon sehr zeitgemäß. „Deep Roots“ ist ein Mainstream-Jazz-Album. Ursprünglich wollte ich eigentlich das Album mit Robert Hurst and Jeff Watts. Aufnehmen, mit denen ich im Lincoln Center Theater gespielt habe.

Du bist ja in der Slowakei geboren, bist mit elf Jahren nach Österreich ins Burgenland gezogen und schließlich in New York gelandet. Welche Erfahrungen hast du dort gemacht?

Alan Bartuš: New York ist ja das Mekka des Jazz – dort ist diese Musik, der Bebop, entstanden. Ich hatte dort auch die Ehre, regelmäßig im Minton’s Playhouse zu spielen, was mich sehr glücklich gemacht hat. Man muss sich nur die Namen anschauen, die dort aufgetreten sind: Charlie Parker, Dizzy Gillespie, Thelonious Monk, Bud Powell. Es ist schon etwas ganz Besonderes, auf derselben Bühne stehen zu dürfen wie diese Legenden – und dort sogar als Leader eigene Gigs spielen zu können. Musikalisch ist es dort einfach faszinierend.

Auf der anderen Seite ist New York nicht für jeden etwas – die Stadt ist schon ein hartes Pflaster. Man muss wirklich hart arbeiten, und es ist nicht leicht, dort zu überleben. Es gibt viele Musiker:innen, die großartig spielen, wirklich auf Top-Niveau, aber trotzdem einem Day-Job nachgehen müssen, um über die Runden zu kommen. In New York hat man wirklich keine Zeit, um schlecht zu klingen – man muss immer hundert Prozent geben, denn man weiß nie, wer gerade zuhört. Aber das ist eigentlich generell so: Man muss immer sein Bestes geben. Wenn man sich aber verbessern will, ist es das Beste, in dieser Stadt zu leben. Man muss wirklich konstant arbeiten, was letztlich aber auch einen besseren Artist aus dir macht.

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Wie hast du eigentlich dein musikalisches Talent entdeckt?

Alan Bartuš: Für mich war das irgendwie ganz natürlich. Ich komme aus einer Musikerfamilie – mein Großvater und mein Urgroßvater waren Musiker, mein Vater ist Musiker, und auch auf der Seite meiner Mutter gibt es viele Musiker:innen. Zu Hause hatten wir jede Menge Instrumente, und bei meinem Großvater stand ein Klavier. Ich habe viele verschiedene Instrumente ausprobiert, aber das Klavier hat mir schließlich am besten gefallen. Da habe ich dann entschieden, dass ich Pianist werden möchte. Am Anfang wollte ich natürlich nicht üben – erst so mit zwölf Jahren habe ich dann regelmäßig geübt.

Aber dir dürfte auch ein gewisses Talent in die Wiege gelegt worden sein. Oft reicht Üben allein ja nicht aus, um so gut zu werden.

Alan Bartuš: Ich glaube, vielleicht sind es 20 Prozent Talent, die man als Geschenk mitbekommt. Die restlichen 80 Prozent sind harte Arbeit – und genau diese Arbeit verschiebt die Grenzen des Talents und macht es letztlich wirklich sichtbar. Je mehr man arbeitet, desto stärker zeigt sich das Talent.

Du hast deinen Vater erwähnt. Das Besondere an deinem Trio ist ja, dass du mit ihm zusammenspielst. Inwieweit spielt diese familiäre Verbindung im Trio eine Rolle – auch musikalisch gesehen?

Alan Bartuš: Mein Vater wollte eigentlich nicht unbedingt, dass ich Musiker werde – er wollte mich zu nichts zwingen. Anfangs habe ich klassische Musik gespielt, mit der bin ich aufgewachsen. Später bin ich dann auf R’n’B gestoßen. Mein erstes großes Vorbild nach der klassischen Musik war Michael Jackson. R’n’B und Popmusik haben mich seit meiner Kindheit wirklich begeistert – dort liegen eigentlich meine musikalischen Wurzeln. Ich habe mit Stevie Wonder, Michael Jackson und so weiter angefangen.

Mit 14 habe ich dann begonnen, mich mehr mit Jazz zu beschäftigen und ein bisschen Jazz zu spielen – und das hat mir immer besser gefallen. So richtig Klick gemacht hat es, als ich zum ersten Mal das Oscar Peterson Trio gehört habe. Oscar Peterson hat mir dann die Türen zu Musiker:innen wie Herbie Hancock, Chick Corea und anderen geöffnet.

Bild des Pianisten Alan Bartus
Alan Bartus © Milan Navratil

Ich bin dann in einen Club gegangen, zu meiner ersten Jam-Session, und habe dort Blues gespielt. Dieses Gefühl, das ich auf der Bühne erlebt habe, wollte ich nie wieder loslassen. Das war etwas, das mir die klassische Musik nicht geben konnte. Ich würde sagen, es ist ein Gefühl von Freiheit. Jazz – beziehungsweise Improvisation – ist im Grunde auch eine Form des Komponierens, aber eben Komponieren im Moment. Man muss diese Sprache beherrschen. Improvisation ist nicht gleich Improvisation – man ist dabei nie völlig frei, sondern immer auch in einem gewissen Rahmen. Deshalb muss man diese Jazz-Sprache lernen. Wenn man all diese Einflüsse verinnerlicht und alles zusammenkommt, sollte am Ende ein Klang entstehen, der dein eigener Klang ist. Genau deswegen habe ich angefangen, Jazz zu spielen.

Ein großes Plus war natürlich, dass mein Vater Kontrabassist ist. Ich konnte immer mit ihm zusammenspielen. Er hat mich unterrichtet, mir die wichtigen Skills und Standards beigebracht. Außerdem hat er mich auch in die klassische Musik eingeführt und mit mir an klassischen Stücken gearbeitet. So gesehen hatte er einen großen Einfluss auf mich.

Bei dir ist es in deiner Karriere sehr schnell gegangen – du hast schon mit 22 Jahren das Ö1-Jazzstipendium 2022 gewonnen, dann warst du auch Semifinalist bei der Herbie Hancock International Piano Competition. Danach folgten weitere Auszeichnungen und Stipendien. Bist du selbst über dieses Tempo überrascht? Diese Preise öffnen dir ja immer wieder neue Türen.

Alan Bartuš: Ich war schon überrascht – auch weil ich nie mit dem Ziel zu diesen Competitions gegangen bin, um zu gewinnen. Ich habe einfach mitgemacht, um mich sichtbar zu machen. Deshalb war es für mich jedes Mal eine Überraschung, wenn ich tatsächlich gewonnen habe. Es war nie mein Ziel, um jeden Preis zu siegen. Ich weiß, dass viele Musiker:innen mit einem festen Ziel zu solchen Wettbewerben gehen, aber ich glaube, man sollte Musik nie als Competition sehen. Wir sind Musiker, keine Sportler. Ich will nicht „der Beste“ sein – niemand ist der Beste. Aber natürlich hat es mich gefreut, und es war jedes Mal eine große Ehre. Für mich war jeder Preis ein Zeichen dafür, dass ich Talent habe und dass ich weiterarbeiten soll.

Du sprichst in diesem Interview sehr oft davon, dass man viel arbeiten und üben muss. Wenn man sich deine Musik anhört, merkt man davon allerdings nichts – sie klingt ganz mühelos und hat eine große emotionale Tiefe. Ist das etwas, das man als Musiker mitbringen muss? Wie gelingt es dir, den Schweiß in Emotionen zu verwandeln?

Alan Bartuš: Ich glaube, das passiert bei mir ganz natürlich, also eher unbewusst. Diese Emotionen sind einfach in meiner Musik drin. Alle meine Kompositionen spiegeln mein Leben wider. Wenn ich schreibe oder komponiere, habe ich immer Gedanken oder Erlebnisse im Kopf, die mit meinem privaten Leben zu tun haben. Aus diesen Erfahrungen entstehen dann meine Stücke – und daher kommt wahrscheinlich auch dieser emotionale Ton.

Du hast vorher erwähnt, dass deine erste große musikalische Liebe R’n’B war. Kannst du dir vorstellen, in Zukunft auch wieder in diese Richtung zu gehen?

Alan Bartuš: Ich tue das sogar schon. Ich produziere R’n’B-Beats und mache auch Trap-Musik. Vor Kurzem habe ich in New York in einem Practice Room aufgenommen und ein Cover von Bobby Brown gemacht – mit meinen eigenen Beats und meinem Sound. Ich würde in Zukunft sehr gerne mit Popmusiker:innen zusammenarbeiten – aber es muss wirklich qualitativ hochwertiger Pop sein. Ich liebe alles, was Qualität hat. Auch Filmmusik und Soundtracks bewegen mich sehr. In Zukunft würde ich also gerne auch in andere musikalische Richtungen gehen. Außerdem habe ich ein Projekt mit den Hodek-Brüdern, in dem wir Hip-Hop mit Jazz- und R’n’B-Einflüssen verbinden. Mal schauen, was daraus wird.

Vielen Dank für das Interview.

Michael Ternai

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