„IMMER WENN EIN LIED FERTIG WAR, HABE ICH MICH TOTAL DARÜBER GEFREUT“ – MICA-INTERVIEW MIT KATHARINA PICHLMAYER (UND DE SCHEENEN HOA)

KATHARINA PICHLMAYER, ADELE KNALL und RICI KOLCK-THUDT sind UND DE SCHEENEN HOA, ein in Wien verortetes Trio mit Wurzeln im Mostviertel. Die drei legen nun ihr Debüt-Album Immer wieder neu” vor. Die Sängerin und Gitarristin KATHARINA PICHLMAYER schreibt die Lieder und erzählt im Interview mit Jürgen Plank von Inspirationsquellen, queeren Anklänge und davon, dass das Verarbeiten von Erlebnissen oder Gefühlen in Liedform meist nicht gelingt.

Wann hast du begonnen, Lieder zu schreiben, und welche Inspirationen hattest du?

Katharina Pichlmayer: Das reicht schon lange zurück. Ich habe ungefähr im Alter von 15 oder 16 Jahren darüber nachgedacht, wie es wäre, selbst Musik zu machen und Texte zu schreiben. Die ersten Versuche in deutscher Sprache habe ich eher nur für mich gemacht. Die große Inspiration waren Musikerinnen und Musiker, die mich fasziniert haben, meine Idole waren und deren Texte mich berührt haben. Es hat mir getaugt, dass man es mit Texten schaffen kann, tief ins Herz hinein zu treffen. Das wollte ich ausprobieren.

Wer hat dich zum Beispiel inspiriert?

Katharina Pichlmayer: Das war speziell Annette Humpe. Früher habe ich viel deutschsprachigen Pop gehört und da war Ich + Ich eine Band, die mir getaugt hat. Ich bin in Humpes Biographie bis in die 1980er Jahre zurück gegangen, bis Ideal. Damals waren ihre Texte ungeschliffen und roh und es hat mir dann noch mehr getaugt, dass sie zu späteren Zeitpunkten ganz andere Stile mit viel feineren Texten bespielt hat. Egal mit welchem Stil das bei ihr war: für mich ist das immer mitten ins Herz gegangen und hat mich sehr angesprochen. Schreiben war für mich immer ein Ventil zum Verarbeiten von Dingen.

Hast du Humpes jüngste Phase verfolgt, in der sie für Max Raabe Texte geschrieben hat?

Katharina Pichlmayer: Ja, da bin ich up to date. Ich feiere sie immer noch extrem. Ich finde es großartig, weil man es bei jedem Projekt merkt, dass sie ihre Finger im Spiel hat.

Erinnerst du dich an deinen ersten Song und wie war dein weiterer musikalischer Weg bis hin zum aktuellen Projekt Und de scheenen Hoa?

Katharina Pichlmayer: In früheren Bands habe ich eher im Hintergrund, mit Schlagzeug und Bass gespielt. Vor sieben, acht Jahren habe ich begonnen diese Texte zu schreiben. An den allerersten Song kann ich mich noch erinnern, der war für meine erste Band The Dead Pinkies. Ich habe mir gedacht: ich kann einen Text schreiben, zur Probe mitbringen und dann schauen, was damit passiert.

Welche anderen Bandnamen hat denn Und de scheenen Hoa ausgestochen?

Katharina Pichlmayer: Ich habe das Projekt als Solo-Projekt begonnen und es hat ursprünglich Katiba geheißen. Das war eine Anspielung auf meinen Spitznamen Kati, in Kombination mit dem Bass, Kati am Bass: Katiba. Der Name hat nicht mehr gepasst, seit Adele und Rici dabei sind. Nach einer Probe haben wir in einer Bar überlegt, wie wir uns nennen könnten. Es gab eine Serviette, auf der ein paar andere Namen standen, aber es war ziemlich schnell klar, dass es Und de scheenen Hoa wird. Die Zeile kommt im Lied „November“ am Album vor. Das ist meine Lieblingsnummer, der Abend ist genauso passiert, wie im Lied beschrieben. Sonst schweifen die Texte eher ins Träumerische ab. Die Idee zum Bandnamen kam von Adele und ich fand die Idee schön, mal die Haare in den Vordergrund zu stellen. Über Haare wird zwar selten gesprochen, aber Haare sind sehr präsent, sie sind oft das Erste, was man von einem anderen Menschen sieht.

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Es gibt ein Video zum Lied „Heaz Beag“, das für mich textlich rätselhaft ist, was war die Idee hinter dem Lied?

Katharina Pichlmayer: Das ist eine Nummer mit ziemlich viel Text, das ist für mich eher ungewöhnlich. Es ist die einzige Nummer, die ich nicht in Wien geschrieben habe, sondern in Paris. Vor ein paar Jahren bin ich mit einem Freund nach Paris gefahren und habe mir Häuser und Galerien angeschaut und mir ist dabei aufgefallen: ich bin mit dem Kopf noch immer dort, wo ich herkomme, in Wien, bei dieser einen Person, die mich fasziniert. Das Lied ist wie ein Spaziergang aufgebaut, am Album ist es ein bisschen schneller, aber ursprünglich war das Lied in einer Gehgeschwindigkeit. Der Text gibt wieder, was ich gesehen habe: die Sonne legt sich auf eine Kirche am Berg, das ist Montmartre und Sacre Coeur. Ich gehe im Lied durch Paris und sehe überall etwas, was mich an diese Person erinnert. Das schreibe ich im Lied nieder und versuche, das zu verarbeiten, das ist ein lautes Nachdenken.

„Obwohl ich mir im echten Leben manchmal schwer tue, zu sagen, was ich denke, schaffe ich das in den Liedern ganz gut.“

Bemerkst du eine Veränderung wenn ein Lied fertig ist? Weil eben etwas verarbeitet wurde?

Katharina Pichlmayer: Das war immer die Hoffnung beim Textschreiben, dass mit einem Text mit Dingen abgeschlossen werden kann. Das hat aber nie funktioniert, deswegen gibt es das Album. Ich habe mit diesen Liedern versucht, mit mir selbst laut nachzudenken: reflektiere mal, was eigentlich passiert? Was geht in meinem Kopf vor? Schreibe das mal auf, was du mit deinen Freunden und Freundinnen nicht besprichst, weil es unangenehm ist oder weil es auch schön ist, wenn man ein Geheimnis hat. Immer wenn ein Lied fertig war, habe ich mich total darüber gefreut. Ich war glücklich darüber, wie das Lied klingt, wie es sich singen lässt und mich auch selbst berührt. Ich habe da immer ein Grinsen im Gesicht. Das habe ich immer noch bei den Proben, dass ich ein Lied spüre, dass es präsent ist. Das ist für mich ein Zeichen dafür, dass ich es wirklich so meine, dass es aus dem tiefsten Inneren heraus kommt und total ehrlich ist. Obwohl ich mir im echten Leben manchmal schwer tue, zu sagen, was ich denke, schaffe ich das in den Liedern ganz gut.

Bild Katharina Pichlmayer
Katharina Pichlmayer (c) Daniela Matejschek

Im Pressetext steht, dass es bei euren Liedern Ansätze in Richtung Queerness gibt. Inwiefern ist das neu für Österreich?

Katharina Pichlmayer: Es ist auf keinen Fall neu, wenn man sich junge österreichische Musik anhört, merkt man, dass queer immer mehr in den Texten vorkommt. Und dass man sich immer mehr mit seiner eigenen Queerness beschäftigt. Das finde ich super und ich freue mich immer, wenn ich das bemerke. Ich beschäftige mich viel damit, weil ich selbst queer bin und sich die Band ziemlich als queer definiert. Ich bin aber keine Freundin von Outings, ich wünsche mir, dass es irgendwann selbstverständlich ist und man nicht überlegen muss, wer schwul oder lesbisch ist. Das ist eigentlich total egal. Ich wollte es in meinen Texten nicht hochhalten, dass es da vielleicht um eine Frau geht. Ich habe mich darum bemüht, dass man es nicht so direkt mitbekommt: da ist eine Frau und ich bin verliebt in sie und bin auch eine Frau.

Das Thema Queerness kommt in deinen Texten dezent durch. Gibt es eine Szene von queeren Bands in Österreich, Europa oder weltweit?

Katharina Pichlmayer: Es gibt auf jeden Fall eine Szene, aber sie ist ziemlich klein und man muss nach ihr suchen. Ich schrecke mich oft, wenn ich mit jemandem rede, der sich nicht mit der queeren Bubble beschäftigt, der kennt teilweise Namen gar nicht. Auch bei Liedern, von denen ich mir denke, dass sie wie Hymnen sind, dass sie jeder kennt und sie im Radio laufen – und das ist dann aber nicht so.

Wie ordnest du deine Musik selbst in der queeren Musikszene ein?

Bild Katharina Pichlmayer
Katharina Pichlmayer (c) Daniela Matejschek

Katharina Pichlmayer: Da tue ich mir schwer. Ich kenne keine Singer-Songwriter-Projekte, die sich mit queeren Themen beschäftigen. Wenn, dann nicht in Österreich, aber es gibt in Kanada einige Storytelling-Projekte von Personen, die auch Musik machen. Da geht es musikalisch in die Richtung Folk und Singer-Songwriting. Voll im Trend ist zum Beispiel Kerosin95. Rund um Kerosin95 gibt es auf jeden Fall eine Szene bei uns. Bei mir ist das ziemlich schwierig, ich fliege da irgendwo herum.

Zur musikalischen Ausgestaltung des Albums: mir ist „Blau“, der erste Track, aufgefallen, der in Richtung Countrymusic geht. Wie kam das?

Katharina Pichlmayer: „Blau“ war eine Trotzreaktion. Das war eine der ersten Nummern, die ich für dieses Projekt geschrieben habe, im Jahr 2014 oder 2015. Das war zu einer Zeit, in der ich Probleme hatte, neue Lieder zu schreiben. Ich habe mich mit der Gitarre hingesetzt und habe immer hohe Ansprüche an die Akkordfolgen und das Fingerpicking. Letztlich bin ich technisch aber nicht so gut und habe einfach zwei Akkorde gespielt und irgendetwas dazu gesungen. Daraus wurde ein eher lustiger Text, mit dem ich total happy war. Ich habe sofort an Countrymusic gedacht und das Lied sticht auf dem Album ein wenig heraus, ist aber ein Ohrwurm.

Welches Lied am Debüt-Album ist für dich noch besonders?

Katharina Pichlmayer: Da denke ich an „Um di“, das ist die einzige Nummer am Album mit gestrichenem Kontrabass. Das ist textlich die Nummer, bei der ich die Spannung im Körper spüre und richtig nervös werde. Das Lied beschreibt eine Situation, die wirklich so passiert ist: ich stehe irgendwo und warte auf jemanden, die Person verspätet sich und ich bin total nervös. Es ist für mich unglaublich und unbegreiflich, dass ich diese Person gleich sehen und treffen werde. Diese Aufregung von damals, die spüre ich immer, wenn ich dieses Lied spiele. Das geht mir unter die Haut, obwohl die Nummer sehr ruhig und meditativ ist.

Bekommst du zu deinen Liedern rückgemeldet, dass sich Menschen berührt fühlen?

Katharina Pichlmayer: Manchmal kommen Leute nach einem Konzert zu mir und sagen, dass es sie berührt hat. Ich habe es schon einige Male erlebt, dass Menschen wirklich zu Tränen gerührt waren und ich bekomme schon die verschiedenen Emotionen im Publikum mit: weinen, lachen, das ist sehr intim und das ist genau das, was ich will. Ich will, dass die Leute mit mir weinen können. Man darf kollektiv weinen, das ist total wichtig. Ich bin der großen Überzeugung, dass viele Leute mit den Dingen zu tun haben, die ich besinge. Dass sie ähnliche Gefühle haben, egal ob das jetzt Liebesgeschichten sind oder etwas anderes. Es gibt immer etwas, was einen beschäftigt und das muss man heraus lassen können. Ich finde es total schön, wenn ich Leuten dabei helfen kann, das Herz zu öffnen und mitzufühlen. Es ist wichtig, dass man das kann und macht. Es freut mich, wenn jemand nach dem Konzert zu mir kommt und sagt: Das hat mich fertig gemacht! (lacht)

Herzlichen Dank für das Interview.

Jürgen Plank

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Und de scheenen Hoa live
2.9.2021
Hengl-Haselbrunner, Iglaseegasse 10, 1190 Wien
19h

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