„Ich will Spaß an der Selbstinszenierung haben dürfen“ – FARCE im mica-Interview

VERONIKA J. KÖNIG aka FARCE macht lärmige Popmusik, daheim, im Schlafzimmer. Erst kürzlich erschien ihre erste Vinyl-EP „ICH SEHE IM VORBEIFAHRENDEN AUTO DEN UNFALL MITVORBEIFAHREN, IN ZEITLUPE UND RÜCKWÄRTS“ auf Metamatter Records. Im Sommer 2017 tourt FARCE durch Deutschland und im Herbst folgt eine Art Grenzland-Tour. Im Gespräch mit Ada Karlbauer erzählte FARCE von Emanzipation durch Popmusik, der DIY-Ästhetik als Markenzeichen und der Authentizität in der künstlerischen Praxis.

Wie kam es zum Projekt Farce und zur ersten handfesten EP?

Veronika J. König (Farce): Ich war in einer Vorlesung und da ging es um den Fluxus-Künstler Wolf Vostell, da war da dieses Zitat: „Ich sehe im vorbeifahrenden Auto den Unfall mitvorbeifahren“. Ich saß im Audimax, habe Gefallen an dem Zitat gefunden und mich entschieden, eine EP mit diesem Namen zu schreiben. Daraufhin habe ich mir den Namen des Projekts überlegt – ich weiß gar nicht mehr, woher der Impuls ursprünglich kam. Ich glaube, ich mag einfach das Wort „Farce“ und habe es auch ständig im alltäglichen Wortgebrauch. Als die EP fertig war, habe ich sie auf SoundCloud hochgeladen, komplett ungemastered und ungemischt, einfach, weil ich es nicht besser wusste. Ich habe dann einfach angefangen, auf diese Klangästhetik zu bestehen – dass es irgendwie scheiße und zu laut und nicht gemischt ist. Ich mag das so und eigentlich will ich auch, dass es so klingt. Ich mag es, dass es irgendwie lärmig ist und nicht professionell produziert klingt, sondern wirklich direkt so, wie es rauskam. Dann haben Leute daran Gefallen gefunden und so ist auch eine gewisse Öffentlichkeit entstanden.

„Ich mag es, dass es irgendwie lärmig ist und nicht professionell produziert klingt […]“

Veronika J. König (Farce): Es ist auch immer ein Traum gewesen, aber ich habe davor nie daran gedacht, mit einem Soloprojekt eine Platte zu machen, auch tatsächlich aufgrund der Qualität der Musik und der Machart. Ich dachte einfach nicht, dass es etwas ist, was auf Vinyl gepresst wird, auch weil es eben komplett digital ist. Komplett überfüllt mit Fuzz und Kompressoren hat das eigentlich auf einer Vinyl nichts zu suchen – würden Puristinnen und Puristen sagen. Ich habe dann noch drei Songs geschrieben, die die B-Seite darstellen, und alles in allem ist das Resultat jetzt sehr collagenhaft geworden. Es ist kein Album, sondern eine EP mit einer B-Seite. Im Hinblick auf die Veröffentlichungen lebt das Projekt wahnsinnig davon, dass viele Leute sehr empfänglich, nett und daran interessiert sind.

Das DIY-Mindset und dessen technische Umsetzung prägen Ihre Soundästhetik grundlegend.

Veronika J. König (Farce): Das war genau der Ansatz und das ist auch, weshalb ich Farce angefangen habe. Eigentlich komme ich aus dem Metal-, Punk-, Hardcore-Band-Bereich. Die letzte Band, die ich hatte, bevor ich nach Wien gezogen bin, war Boden – eine experimentelle Post-Black-Metal-/Shoegaze-Band. Ich konsumiere sehr viel Musik, ich habe immer irgendetwas im Ohr. Dazu ist zu sagen, dass meine Eltern Musiker sind und ich mit dem autonomen Musikmachen sozialisiert wurde. Die Vorstellung, dass Musik irgendwo etwas Hierarchiefreies sein sollte und dass man auch alles machen kann, worauf man Lust hat, kommt daher. Dass man Singen und jedes Instrument ausprobieren kann und sollte, wenn man Lust darauf hat. Ich bin eigentlich auch mit Popmusik aufgewachsen, aber habe mich dann in der Pubertät in Richtung extremerer Genres gelehnt. Ich wollte das „Hässliche“ – die klassische Sozialisierungsgeschichte, wenn man anfängt, Metal zu hören [lacht]. Dazu kommt, dass in der Gegend, in der ich aufgewachsen bin, Punk und Metal recht politisch und subkulturell sind. Man ist dann direkt eine Gruppe und nicht nur eine einzelne Rezipientin. Konzerte zu machen, zu spielen etc. – die ganze DIY-Kultur geht für mich von Anfang an damit einher. Musik zu organisieren, Musik zu machen ist dann sofort ein soziales Ding gewesen, schon immer. Das war teilweise sehr schön, aber auf der anderen Seite auch sehr elitär. Elitär vor allem im Hinblick auf Popmusik und im Hinblick darauf, was man mögen darf und was nicht.

Nach dem Abitur hatte ich sehr viel Zeit. Ich saß am PC und habe GarageBand angemacht, rumgedrückt und angefangen, Beats zu bauen. Irgendwann wurde daraus ein Song – der war natürlich beschissen, klang wie Kraut und Rüben – mit vielen Loops aus der GarageBand-Bibliothek, die zum größten Teil ekelhaft klingen. Ich habe das dann weiter nebenher gemacht, aber nie daran gedacht, die Resultate zu veröffentlichen. Dann bin ich nach Wien gezogen und habe die alte Band verlassen. Ich habe gemerkt, dass ich trotzdem weiter Musik machen will, dass ich das brauche, und habe mich wieder an GarageBand gesetzt. Das Erste war dann ein Cover von „Baby, It’s Cold Outside“. Ich habe in den Computer hineingesungen, weil ich kein Mikrofon hatte. Dann habe ich das auf SoundCloud hochgeladen und ganz nettes Feedback von Freundinnen und Freunden bekommen.

Klassisches Bedroom Producing sozusagen.

Veronika J. König (Farce) [lacht]: Ja, Bedroom oder Dungeon Producing. Es ist ein schwieriger Begriff und ich weiß gar nicht, ob ich mich damit identifiziere. Er wird trotzdem benutzt, und das ist auch okay, weil es ja so ist. Es ist Bedroom Producing, das ist das Setting, der Kontext, in dem die Musik entsteht. Aber da schwingen dann immer Vergleiche oder Referenzen mit: Namen wie Grimes und Alex G fallen da, denn das wird gerne als eigenes Genre genutzt, was völlig sinnfrei ist. Nicht alles, was im Schlafzimmer produziert wird, ist gleich. Da könnte man ja genauso sagen, dass alles, was in einem Studio produziert wird, gleich ist.

„Meine Zuwendung zur Popmusik hatte sehr viel mit der Wahrnehmung meines Selbst und meiner Umwelt zu tun.“

Welche Rolle spielt die eigene Entwicklung von eher extremeren Genres hin zur Popmusik?

Veronika J. König (Farce): Die Hinwendung zur Popmusik als Konsumentin hatte für mich damals wahnsinnig viel mit Feminismus zu tun, wie ich mich selbst als Person verändert hatte. Wahnsinnig viel Popmusik, vor allem von Frauen, hatte ich davor kategorisch abgelehnt, ohne Grund. Nur aus internalisierter Misogynie und internalisiertem elitärem Denken. Kein Pop, nur Black Metal, nur 90er-Jahre Hardcore-Punk aus San Francisco usw. Irgendwo eine edginess, die auch fehlgeleitet und total beschränkend sein kann. Mit meiner Hinwendung zu einem theoretischen wie auch praktischen Feminismus kam das recht profane Eingeständnis, dass ich Pop wirklich mag und dass das auch Spaß machen kann. Außerhalb dieses rein funktionellen Konsums kann Pop künstlerisch wirklich viel leisten und hat popkulturell und gesellschaftlich auch schon viel getan. Wenn man sich beispielsweise ansieht, wie Queerness und Weiblichkeit inzwischen wahrgenommen werden, sind da immer Musikvideos oder Pop-Acts repräsentationstechnisch an vorderster Front. Ich habe gelernt, Popmusik zu schätzen. Angefangen mit Beyoncé, das selbstbetitelte Album war eines der ersten Pop-Alben, die ich ernsthaft und mit viel Spaß gehört habe. Sich einzugestehen, dass das cool ist und eine Daseinsberechtigung hat, und zwar auf ästhetischer wie auch politischer Ebene, war wichtig. Das, was ich jetzt musikalisch mache, hat logischerweise sehr viel damit zu tun, was ich konsumiere. Zuallererst hatte ich die Maxime: „Ich will das machen, was ich hören will.“ Ich würde gerne etwas machen, was ich auch selbst cool finde. Bei den Metal- und Hardcore-Bands war das zwar auch so, aber ich habe damit nie ein Album gemacht, auf das ich persönlich gewartet hätte. Ich bin zwar immer noch nicht blown away, wenn ich meine eigene Musik höre [lacht], aber es geht schon eher in die Richtung, die ich selbst hören möchte.

„Ich will das machen, was ich hören will.“

Veronika J. König (Farce): Auch im Hinblick auf die Tatsache, dass ich eine queere Frau bin, die Musik macht, kann man sagen, dass ich bisher gesegnet damit bin, dass es wirklich niemanden juckt. Dass es keinen Diskussionspunkt darstellt und keinen Qualitätsparameter darstellt, nachdem die Musik bemessen wird. Dieses Écriture-féminine-Ding, danach wird es gar nicht besprochen, und das freut mich sehr. Ich finde es unfair Künstlerinnen gegenüber, wenn immer alles über den jeweiligen Gender-Standpunkt diskutiert werden muss. Dass etwas weibliche Musik ist oder einen weiblichen Klang hat. Es ist krass, dass ich mich gerade in Kontexten, die sich überwiegend mit Popmusik beschäftigen, viel weniger mit Sexismus in jeglicher Ausprägung konfrontiert sehe als beispielweise in Hardcore-Kontexten, die sich als dezidiert politisch oder feministisch bezeichnen. Ich wurde dort viel mehr mit der Tatsache konfrontiert, dass ich eine Frau bin, die das macht, und das ist erst mal ungewöhnlich und das muss erst mal hinterfragt werden. Das ist mir mit diesem Projekt noch nicht passiert, es hat mich noch niemand hinterfragt oder unterschätzt aufgrund der Tatsache, dass ich eine Frau bin. Das ist mir oft passiert in sogenannten feministischen Safe Spaces und diese Entwicklung ist sehr interessant zu beobachten. Es steht vielmehr mein künstlerisches Produkt im Vordergrund als die Tatsache, wer ich bin und wer nicht. Ich will nicht sagen, dass irgendein Kontext besser ist als ein anderer, nur weil er sich nicht plakativ als irgendetwas postuliert. Gefühlt ist es aber so, dass ich inzwischen nicht primär über meine Geschlechtsidentität wahrgenommen werde, und das ist schön.

Bild Farce
Bild (c) Farce

Was ermöglichen diese vermeintlichen musikalischen Gegenspieler Noise und Pop im direkten künstlerischen Dialog – handelt es sich dabei um eine reine Selbstreferenzialität?

Veronika J. König (Farce): Ich glaube, dass durch das Zusammenspiel zwischen einerseits sehr kommerziellen und harmonielastigen Elementen und andererseits einem „Lärm“, einer „Hässlichkeit“, einer „Nicht-Glattheit“ in erster Linie eine viel ehrlichere Reflexion entsteht, weil nichts nicht ambivalent ist. Ich habe das Gefühl, dass ein komplett glatt poliertes Produkt, das nur eine Sache ist, keine ehrliche Reflexion meines Selbst sein kann. Eine Repräsentation, eine Verhandlung mein Selbst muss es aber irgendwo sein. Ich bin ja keine Produzentin, die irgendetwas für irgendjemanden produziert, sondern ich will es ja machen, weil es aus mir raus muss oder will. Die Mischung dieser Bereiche stellt mich einfach ehrlicher dar. Ich fühle mich bei Billy Joel genauso zu Hause, wie ich mich bei Sunn O))) zu Hause fühle – wenn man jetzt einen blöden Namenszusammenschluss braucht. Es ergibt irgendwie Sinn, beides in meiner Arbeit zu haben, auch wenn ich mich inzwischen wegentwickle von der Gitarre als ursprünglichem Hauptausdrucksmittel. Ich liebe die Gitarre und ich liebe es, mit Gitarre zu schreiben, aber die  Soundpalette ist bei Farce einfach anders. Obwohl auch das Zusammenspiel interessant sein kann, auch im Hinblick darauf, wie es live performt wird. Ich will weder mit der Gitarre dastehen noch die Gitarrenspuren live abspielen. Da hört es für mich echt auf [lacht]. Ich habe inzwischen nur mehr einen Song im Live-Set, in dem ein Gitarren-Sample ist. Ich könnte das genauso gut live machen und ich frage mich dann, wieso ich es nicht tue – das kann ich mit mir selbst einfach nicht vereinbaren. Ich habe keine Lust darauf, mit der Gitarre live zu spielen, deshalb wird die Gitarre gänzlich aus Farce verschwinden. Ich fühle dabei aber keinen Schmerz, weil ich immer noch Gitarrenmusik machen kann, wenn ich Lust darauf habe.

„[…] im Bob-Dylan-Sinn bin ich keine Geschichtenerzählerin, die durch ihre Texte irgendein Narrativ präsentieren will.“

Was wird auf der Text- bzw. Gesangsebene behandelt?

Veronika J. König (Farce): Das ist sehr unterschiedlich. Das Lyrische ist nie das Erste. Es ist für mich vielmehr ein Mittel zum Zweck und ich würde nicht sagen, dass ich eine Poetin bin, die ihre Texte vertont. Ich würde mich auch auf keinen Fall als Singer-Songwriterin beschreiben. Ich bin zwar eine Sängerin und eine Songwriterin, aber im Bob-Dylan-Sinn bin ich keine Geschichtenerzählerin, die durch ihre Texte irgendein Narrativ präsentieren möchte. Oft ist es so, dass ich irgendeinen Song habe und Worte darauf collagiere, die in dem Moment keinen direkten Sinn ergeben. Ein halbes Jahr später denke ich zurück und es war, wenn ich ehrlich zu mir selbst bin, eine genaue Reflexion meiner damaligen Gefühlslage. Ich bin dann immer erschrocken und hasse mich kurz, weil ich denke: ,,Wow! So habe ich also für dieses Thema empfunden, gut zu wissen.’’ Dann weiß ich plötzlich genau, über wen oder was dieser Song ist, während des Schreibprozesses weiß ich das nie. Neulich habe ich erstmalig absichtlich einen sogenannten Lovesong geschrieben und es war komisch, weil ich das davor noch nie gemacht habe. Außer bei 25, den habe ich absichtlich über Polizeigewalt geschrieben. Sonst ist es nicht so, dass ich das Konzept habe und dann auf textlicher Ebene irgendetwas Bestimmtes erzählen möchte, sondern grundsätzlich kämpfe ich immer damit, dass es nicht zu cheesy, nicht zu einfach oder plakativ ist. Sonst steht das Textliche nicht so sehr im Vordergrund.

Ich schreibe bald ein Album, glaube ich, weil ich Lust habe, ein absichtlich zusammenhängendes Werk zu machen. Bisher habe ich sehr stark mit zufälligen Elementen gearbeitet, günstige Zusammenarbeiten. Ich möchte gerne absichtlich ein Album schreiben und es absichtlich veröffentlichen. Ich möchte mich mehr darauf fokussieren und auch mich als Person, die etwas produziert, ernster nehmen. Bisher habe ich mich mehr als eine Privatperson, die auch Musik macht, wahrgenommen. Ich habe ein großes Problem mit dem Künstler- und Musiker-Begriff. Ich würde mich nie selbst so beschreiben. Aber ich möchte mich selbst ernster nehmen in dem Topos „Produzentin von Inhalten“, weil ich merke, dass ich mich immer wohler fühle in dem, was ich mache.

Diese Veränderung hat sich vor allem durch die Öffentlichkeit entwickelt, die plötzlich da war und meine Musik in den Händen hatte. Der Mehrwert oder die Veränderung, die diese Öffentlichkeit gebracht hat, ist, zu sehen, dass es Leute gibt, die meine Musik interessiert, die sie sehen und hören möchten. Eine Art Eingeständnis: Maybe I should be doing this, und nicht einfach nur so nebenher. Ich mache mich im Nebenher sehr gerne gemütlich – man macht sich verletzlich, wenn man dazu steht, was man macht. Es ist einfach feige und faul, wenn ich mich selbst kleinmache und nicht dahinterstehe. Ich muss aufhören zu sagen, dass ich das nur nebenher mache [lacht].

Das Thema Verletzlichkeit ist in Ihrer Arbeit sehr präsent, sowohl in der Ästhetik der Klänge als auch in Ihrer Performance. Sie entblößen sich in gewisser Weise permanent mit, so scheint es.

Veronika J. König (Farce): Es ist interessant zu hören, wie das von außen wahrgenommen wird. Ich kämpfe natürlich damit, weil zu performen kein Normalzustand für mich ist. Es ist einmal nicht laut genug, dann gibt es eine Rückkopplung oder sonst was; das ist eine Situation, in der ich im Stress bin. Im Endeffekt ist es aber egal, ob es mir dabei auch manchmal schlecht geht, weil es gleichzeitig auch immer guttut. Grundsätzlich freue ich mich danach, dass ich es gemacht habe. Das ist ganz unromantisch, dass es für mich nicht das A und O ist, live zu performen. Das Pathos ist für mich nicht so da, aber inzwischen ist meine Qualitätskontrolle, ob ich persönlich eine gute Zeit hatte oder nicht. Wenn ich irgendwo eine gute Zeit hatte, ist das für mich schon genug.

Auch eine Interviewsituation ist für mich immer noch weird, aber gar nicht unbedingt negativ besetzt. Das alles zu besprechen ist noch sehr ungewohnt für mich. Ich nehme an, das wird sich noch normalisieren – oder auch nicht. Es kann auch sein, dass es für immer komisch ist, wer weiß. Auch was Reviews angeht; jetzt ist die Platte ja draußen und hier und da kommen welche. Es ist sehr interessant für mich, was Menschen, die mich nicht kennen und noch nie ein Wort mit mir gewechselt haben, isoliert über dieses Stück Musik sagen. Das ist befremdlich. Das liegt auch daran, dass es sich bisher sehr viel in einem persönlichen Networking-Kontext befunden hat und diesen nur graduell verlässt, sich dadurch eigenständig entwickelt. Es hilft mir aber auch, das alles anders zu betrachten, wenn es geschützte Kreise verlässt. Zu Live-Performances nochmal: Es gibt ja auch sehr viele Künstlerinnen, die sagen, die Bühne sei ihre Komfortzone, das ist bei mir überhaupt nicht so. Ich wäre gerne der David-Bowie-Typus im glitzernden Anzug, aber das bin nicht ich und das ist auch nicht unbedingt die Musik dafür.

„Authentizität ist absolut überbewertet und irrelevant.“

Im digitalen Raum und im Bereich der sozialen Netzwerke wird immer noch stark für eine Art Ehrlichkeit zwischen realer Person und virtueller Aktion plädiert. Wie wichtig ist Ihnen eine vermeintliche Authentizität in Ihrer künstlerischen Praxis?

Veronika J. König (Farce): Authentizität ist absolut überbewertet und irrelevant. Zumindest in der herkömmlichen Begriffsdefinition, das ist wirklich so uninteressant. Auch dass Selbstinszenierung und Artifizialität so negativ konnotiert sind, finde ich unerträglich. Ein Problem habe ich nicht mal so sehr mit dem Begriff der Authentizität, sondern mit dessen positiver Wertbesetzung. Es ist noch immer ein positives Qualitätsmerkmal, wenn etwas authentisch ist. Scheiße ist für mich nicht besser, wenn sie authentische Scheiße ist.

Auch im Bezug zu dem, was ich mache: Ein Song, der fertig ist, an dem ich stundenlang saß, den ich produziert habe und der absichtlich ein Produkt ist, ist viel authentischer. Ein absichtlich kuratiertes Produkt hat in letzter Konsequenz eine viel höhere Authentizität, als zu sagen: „Wow, ich habe das innerhalb von fünf Minuten geschrieben und einfach aufgenommen, und das kommt deshalb wirklich aus meinem Herzen.“ Künstlerischer Ausdruck in seiner ganzen Artifizialität ist das Authentischste, was man haben kann, weil man sich für alles wirklich entschieden hat. Das ist der einzige Authentizitätsanspruch, den ich haben möchte und den ich auch an andere Dinge habe. Nicht, dass Person XY nach einer Formel irgendetwas produziert, um möglichst viel Identifikationsfläche zu bieten. Das ist für mich uninteressant und hat auch keinen künstlerischen Mehrwert. Beispielsweise diese ganzen Akustikcovers von irgendwelchen Songs – es ekelt mich nichts mehr an, als ein melancholisches Cover von Robyns „Dancing On My Own“, ich will das nie wieder hören. Das ist so überemotionalisiert und künstlich ohne Ende – in einer unguten Art und Weise.

Darin spiegelt sich auch eine Form von Kulturpessimismus wider.

Farce: Ich denke, viel davon ist auf einen deutschsprachigen Diskurs zu begrenzen. Dieser Anti-Hedonismus, der aus der Postmoderne noch sehr geblieben ist. Das finde ich sehr langweilig. Der Anspruch an eine bedeutungsleere Ernsthaftigkeit, man dürfe keinen Spaß dabei haben, sich selbst darzustellen, und vor allem nicht zugeben, dass man sich gerade selbst darstellt. Alles sei ehrlich, nichts davon sei kuratiert oder inszeniert, dieser Anspruch ist super unsexy. Zu sagen, mein Instagram-Profil sei nicht kuratiert, ist unehrlich. Es ist dein Platz im Internet, der Quadratmillimeter, den du für dich selbst hast und auch genauso nicht haben könntest, aber du hast ihn und nimmst ihn dir. Als Individuum oder Subjekt brauchst du diesen Platz, um dich selbst darstellen und wahrnehmen zu können. Ich finde das verrückt, wenn mir jemand vorwirft mein Instagram sei kuratiert – no shit, das ist eine Internetpräsenz. Andere posten ein Foto von einer Pizza und ich denke: ,,Wow, das ist echt authentisch von dir, weil du hast sie bestimmt auch wirklich gegessen!’’ Who gives a shit? Natürlich ist es authentisch. Ich will Spaß an der Selbstinszenierung haben dürfen. Spaß an der Künstlichkeit, aber auch dieser Künstlichkeit nicht absprechen, dass sie ehrlich sein kann. Das bringt mich tatsächlich zurück zum Aspekt, dass jeder Klang absichtlich ist. Über bewusste Entscheidungen kann man viel mehr über eine Person lesen. Dieser Prozess ist nicht zwingend natürlich, aber er ist naturalisiert in unserem täglichen Leben und dieser Generation. Auch wenn ich mir ansehe, welche Künstlerinnen und Künstler ich selbst cool finde – die interessieren sich nicht dafür. Die interessieren sich nicht für einen authentischen Internetauftritt. Mein eigener Internetauftritt als Farce kennt nur eine Maxime: Ich möchte, dass meine Musik so präsentiert wird, dass ich dahinterstehen kann. Und ich will nicht für Promozwecke wirken wie ein Arschloch [lacht]. Das ist alles und so möchte ich meine Identität als Künstlerin präsentieren.

Vielen Dank für das Gespräch.

Ada Karlbauer

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