„Ich will, dass meine Musik so klingt, wie ich bin“ – KARIN KIENBERGER im mica-Interview

Mundart-Pop verfeinert mit Latin und Jazz, das machen KARIN KIENBERGER und Band. Geschichten, die Herz und Hirn berühren, zum Lachen und Nachdenken anregen. Im September veröffentlichte die Musikerin und Songwriterin mit ihrer Band das Debütalbum „Wos is dei Liad“. Mit Petra Ortner sprach sie über Vorbilder, Crowdfunding, Zusammenarbeit und Livekonzerte.

Wann und wie waren Ihre ersten musikalischen Erfahrungen?

Karin Kienberger: Wahrscheinlich zu einem Zeitpunkt, an den ich mich nicht mehr erinnern kann. Ich bin in einer sehr musikalischen Familie aufgewachsen. Schon als Kind habe ich viel gesungen. Zum Beispiel mit meinen Cousinen. Wir haben auf dem Traktor bei der Oma mehrstimmig so Sachen wie „In die Berg bin i gern“ gesungen. Beim Spielen war die Fernbedienung des Radios mein Mikrofon, in das ich immer sang. Dann habe ich in der Musikschule Flöte und schließlich Klavier gelernt. Mit circa sechs, sieben Jahren. Mit ungefähr vierzehn hab ich dann wieder aufgehört. Nie wieder wollte ich dieses Ding angreifen, denn damals war es für mich eher eine lästige Pflicht. Dafür habe ich mir selbst das Gitarrenspielen beigebracht. Mit sechzehn, siebzehn habe ich dann begonnen, meine ersten Nummern zu schreiben.

Spielen Sie manche dieser Nummern noch?

Karin Kienberger: Nein, momentan eigentlich nicht. Ich habe mir vor Kurzem einige Aufnahmen von den Sachen, die ich vor einigen Jahren gemacht habe, wieder angehört. Aber spielen tu ich sie nicht mehr. Ich spiele ja inzwischen auch nicht mehr Gitarre, nur mehr Klavier.

Wie schreiben Sie Ihre Songs? Setzen Sie sich einfach ans Klavier und lassen es passieren oder arbeiten Sie eher an konkreten Ideen?

Karin Kienberger: Meistens ist es so, dass ich mich hinsetze und herumspiele. Und irgendwann, wenn es passt, wenn ich Glück habe, kommt dann eine Melodie oder Akkordfolge, von der ich mir denke: „Wow. Cool!“ Und wenn ich dann eine schöne Melodie oder irgendwelche Harmonien habe, gibt es auch schon ein Stichwort oder Gefühl dazu. Und aus dem Gefühl heraus kommt ein Thema. Dann gibt es Sätze oder Phrasen und so entwickelt sich der Song. Ich schreibe nicht erst einen Text und vertone ihn dann. Das habe ich zwar auch schon gemacht, aber normalerweise ist es nicht so.

„Ein großes Vorbild für mich ist Hubert von Goisern.“

Haben Sie musikalische Vorbilder? Oder gibt es für Sie Songschreiberinnen und -schreiber, die Sie besonders bewundern?

Karin Kienberger: Ein großes Vorbild für mich ist Hubert von Goisern. Nicht nur musikalisch, auch in der Hinsicht, wie er als Künstler ist. Sein Charakter als Künstler. Sein Wesen ist es, was mich beeindruckt. Das heißt aber nicht, dass ich meine Musik so machen möchte wie er. Ich will auch nicht so wie er klingen. Ich will, dass meine Musik so klingt, wie ich bin.

Wann haben Sie Ihre jetzige Band gegründet? Wie haben Sie Ihre Bandkollegen gefunden?

Karin Kienberger: Ich habe vor zwei Jahren begonnen, am Konservatorium in Wien Songwriting zu studieren. Dort begann ich auch meine ersten Mundart-Nummern zu schreiben. Schließlich lernte ich Dieter Herfert, meinen Schlagzeuger, kennen. Er unterrichtet auf dem Konservatorium. Irgendwann habe ich ihm etwas von mir vorgespielt, er fand es gut und wollte mitspielen. Dann haben wir erst mal zu zweit Musik gemacht. In der Zeit sind auch einige Songs entstanden. Wir gingen schließlich auf die Suche nach einem Bassisten und durch Zufall – über ein paar Ecken, von Musiker zu Musiker – sind wir dann zu Klaus Lahner gekommen. Ich hab ihn angerufen und er war gleich dabei. Wir haben eine Probe vereinbart und es hat sofort gepasst.

Wie weit sind Ihre Kollegen ins Songwriting involviert?

Karin Kienberger: Sie bringen sich natürlich schon auch ein, weil jeder mit seinem Instrument weiß, was er tut. Grundsätzlich schreibe ich die Nummern und die Texte, aber beim Arrangement arbeiten sie dann mit. Wenn alle das Gefühl haben, dass es holpert, dann wird auch gemeinsam daran gearbeitet. Das Songwriting selbst aber ist meins.

Sie haben im Sommer Ihr erstes Album aufgenommen. Wann kam der Wunsch auf, das zu machen?

Karin Kienberger: Ich glaube, den Wunsch eine CD zu machen, gab es schon länger. Vor ein paar Jahren hatte ich ein anderes Solo-Projekt. Mit Gitarre und englischsprachigen Songs. Und schon da hatte ich die Idee. Wenn du mal ein Programm hast, das steht, und du es bereits live gespielt hast, kommt ganz automatisch der Wunsch, das Ganze auch auf CD zu bringen. Es ist ja so, dass man ein Konzert spielt und die Leute, denen es gefallen hat, nach dem Konzert kommen und nach einer CD fragen. Bisher musste ich immer sagen: „Nein, noch nicht.“ [Lacht] Weil das immer öfter passierte, hab ich meine Idee schließlich in die Tat umgesetzt.

Finanziert haben Sie die Aufnahmen durch Crowdfunding. Wie sind Sie darauf gekommen?

Karin Kienberger: Auf die Idee hat mich Thomas Franz-Riegler, der das auch gemacht hat, gebracht. Bei ihm habe ich diese Sache von der „Finanziererseite“ miterlebt. Ich habe mir bei ihm ein T-Shirt und eine CD bestellt, und das hat mir wirklich gut gefallen. Also wollte ich es auch versuchen und es ist super gelaufen! Die Summe, die wir wollten, haben wir erreicht. Natürlich kostet die CD insgesamt um einiges mehr, aber es ist ein Teil vorfinanziert und es gibt so auch die Möglichkeit, das Album vorzubestellen.

Wo haben Sie das Album aufgenommen?

Karin Kienberger: Wir waren in Michelhausen, in der Nähe von Tulln, im Studio von Markus Weiß und Bern Wagner. „Lords of the Sounds“ heißt es. Das Studio war unglaublich. Echt super. Wir hatten dort einen Flügel und so ein altes Klavier. Es klingt in etwa wie ein altes Saloon-Klavier. Meine zwei witzigen Nummern habe ich auf dem gespielt. Es war so intensiv und gleichzeitig hat es auch so viel Spaß gemacht. Dort habe ich mich wirklich sehr wohlgefühlt. Ich hab mir ja einige Studios angesehen und bei den beiden habe ich sofort gewusst: „Hier will ich meine CD machen.“

Wie lange haben die Aufnahmen gedauert?

Karin Kienberger: Sie haben länger gedauert als angenommen. Insgesamt brauchten wir circa drei Wochen. Einige Tage lang machten wir nur die Instrumental-Aufnahmen, dann habe ich alles eingesungen. Vor Kurzem war ich die zweiten Stimmen einsingen. Ich hatte auch Gastmusiker dabei, einen Gitarristen. Und für zwei Nummern auch einen Akkordeonisten. Bei zwei Nummern ist ein Geiger dabei. Bei drei Liedern gibt es auch einen Background-Chor. Vieles ist noch im Studio entstanden. Ich hatte zwar die Arrangements und Layouts, aber vieles passiert im Tun. Man sitzt dann dort in der Regie und dann haben die Produzenten vielleicht auch noch eine Idee. Es waren einfach ein paar Tage mehr notwendig. Aber ich habe die Zeit voll genossen.

„Es gab wirklich Momente, in denen ich so gerührt war, dass mir die Tränen kamen.“

Was an Erfahrungen nimmt man vom Studio mit, für das weitere Songwriting zum Beispiel?

Karin Kienberger: Ich weiß noch nicht, was ich mitgenommen habe, weil ich seitdem noch keine einzige Nummer geschrieben habe. Ich habe schon voll den Blues und denke immer wieder: „Hoffentlich fällt mir jemals wieder etwas ein!“ Das habe ich aber immer. Dann schreibe ich eine Nummer und bin total glücklich. Ich habe das Lied im Kopf und spiele es auch andauernd. Diese Phase flaut aber wieder ab und irgendwann denke ich sowas wie: „Ich hab schon so lange nichts mehr geschrieben. Und mir fällt auch gar nichts ein.“ Dann sitze ich oft am Klavier und klimpere sinnlos herum. Dann kommt der Zweifel: „Ob ich jemals wieder eine gute Nummer schreiben werde? Wahrscheinlich fällt mir nie wieder etwas ein.“ Das sind die Tiefpunkte und meistens, kurz danach, kommt dann wieder etwas. Aber das beantwortet jetzt nicht die Frage. Was ich aus dem Studio mitnehme, ist die Erfahrung, wie die Arbeit abläuft. Ich war anfangs noch sehr nervös. Vor allem vor dem Singen. Es gibt Tage, an denen ich meine eigene Stimme nicht hören kann und dann war es dort total cool. Ich habe nie die Nerven verloren, ich konnte mich ganz leicht wieder in das Gefühl jedes Songs versetzen und die Geschichten erzählen. Das war eine spannende Erfahrung. Eine weitere ganz wichtige Erfahrung, die ich gemacht habe, ist das Zusammenarbeiten mit anderen Leuten. Zuerst sitze ich alleine zu Hause und schreibe ein Lied, und aus dem entsteht plötzlich etwas Großes. Es sind Leute dabei, die sind begeistert, und alle geben ihr Bestes. Es gab wirklich Momente, in denen ich so gerührt war, dass mir die Tränen kamen.

Wie oft probt die Band im Durchschnitt?

Karin Kienberger: „Lacht!“, steht hier beim Interview. Also wir proben nicht so regelmäßig. Einmal in der Woche. Und wenn ich etwas Neues geschrieben habe, natürlich auch vor den Gigs.

Was war bisher das Schlimmste und was war das Schönste, das Ihnen live passiert ist?

Karin Kienberger: Das Schlimmste weiß ich natürlich sofort [lacht]. Es war beim letzten Konzert, da hatte ich ein komplettes Blackout. Das Konzert war fertig, Applaus und Zugabe. Und ich schlug die Nummer „Kaun i ned“ vor und dann noch meine Solonummer. Wir gehen also raus und ich sage: „Das nächste Lied heißt ‚Kaun i ned‘.“ Ich setz mich ans Klavier und die Nummer will mir einfach nicht mehr einfallen. Nach zwei Akkorden war Schluss. Ich hab überlegt, was ich tun sollte, die Musiker standen da, und hab es dann charmant gelöst. Ich habe eine Nummer im Programm, die heißt „Bled schaun“ und weil die Jungs auf der Bühne waren und darauf warteten, dass ich endlich anfange, meinte ich dann: „Weil es mit ‚Kaun i ned‘ nichts wird, lassen wir die beiden jetzt einmal hier sitzen und bled schaun. Ich spiele jetzt mal meine Solonummer.“ Im Nachhinein ist es witzig.

Und gut ist es, wenn die Leute ausflippen?

Karin Kienberger: Die meisten Lieder, ich hab auch ein paar witzige, sind sehr nachdenklich. Richtig „auszucken“ tut da keiner. Die Leute gehen eher in sich. Das Schönste ist für mich dann, wenn ich sehe, wie es ganz ruhig wird. Beim letzten Konzert bekam ich auch zum ersten Mal Standing Ovations. Sehr schön ist auch, was die Leute nach den Konzerten zu mir sagen. Viele holen ihre Taschentücher raus, weil ihnen die Geschichten nahegehen. Vor ein paar Wochen habe ich alleine ein Konzert gespielt. Dann kamen die Leute und meinten: „Es war so schön, dass ich die Zeit vergessen habe.“ Das ist für mich das Zeichen, dass es angekommen ist.

Was ist Ihr Ziel für die nächste Zukunft?

Karin Kienberger: Jetzt einmal die CD präsentieren zu können. Ich wünsche mir natürlich auch Radio-Airplay dort und da. Mein weiteres Ziel ist, so bekannt zu werden, dass ich die Möglichkeit habe, regelmäßig Konzerte zu spielen. Das gefällt mir und es ist etwas anderes, als zu Hause zu sitzen und für mich selbst zu spielen. Das habe ich früher gemacht, aber irgendwann habe ich bemerkt, dass meine Musik auch andere Menschen hören wollen.

Vielen Dank für das Gespräch.

Petra Ortner

Fotos Karin Kienberger (c) karin-kienberger.at

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