Die Komponistin und Musikerin ANGELIKA STEINBACH-DITSCH aus Waidhofen/Ybbs schlägt mit ihrer Band DIESTEINBACH Brücken zwischen Tradition und Moderne. Dialekttext und Volksmusik treffen auf Popmusik, Jazz und mehr. Wie sie ihre Liebe zur Volksmusik entdeckte, erzählte sie im Interview mit Petra Ortner.
Wann und wodurch wurde Ihr Interesse für Volksmusik geweckt?
Angelika Steinbach-Ditsch: Das war sehr spät. Ich habe zuerst ganz normal klassische Geige gespielt und war auch immer davon überzeugt, klassische Geigerin zu werden. Ich merkte aber sehr bald, dass ich dafür einfach zu faul bin [lacht]. Da muss man wirklich beinhart sein. Wenn man keine acht Stunden am Tag übt, dann war es das. Und für mich war es so. Genau in der Sinnkrise kam die Waidhofnerin Ruth Krammer und fragte mich, ich glaube, sogar zweimal, ob ich bei ihrem Volksmusikensemble Geige spielen möchte. Ich habe zweimal abgesagt, weil mir das mit dem Dirndl und Jodeln nicht antun wollte. Das war gar nicht meins, irrsinnig uncool. Es hat mir allerdings sehr gefallen, dass man mit der Musik fortkommt. Du spielst und darfst dafür gratis nach Teheran fliegen und so. Das Volksmusikensemble reiste zwar „nur“ nach Innsbruck zu einem Wettbewerb, aber ich dachte: „Okay, das passt auch. Wer weiß, was sich noch auftut.“ Darum habe ich fünf Volksmusikstücke auswendig gelernt. Wir haben dann – für mich völlig überraschend – den Wettbewerb gewonnen. Mir hat das sehr gefallen – weg von dem Klischee-Dirndl. Dort waren Leute, die wirklich spielen konnten. Da wusste ich, dass mich das befreit, dass ich mich hinstellen und einfach drauflosmusizieren kann.
Es wird also viel improvisiert?
Angelika Steinbach-Ditsch: In der klassischen Volksmusik gar nicht. Ich habe klassische Volksmusik studiert, aber das ganze Gefüge war mir dann doch zu starr. Da gibt es die Texte und die Melodien, die seit hundertfünfzig Jahren so gespielt und gesungen werden. Dann kommt die Volksmusikpflege dazu und sagt: „Das gehört so“ oder „Da fehlt die dritte Strophe“ oder „Du hast jetzt statt Mensch statt Bua gesungen. Das geht nicht“.
Das ist wirklich streng.
Angelika Steinbach-Ditsch: Ja, aber ich glaube, es wird jetzt schon liberaler. Die Volksmusikpflege will das natürlich so. Den Kern, der erforscht wurde, will man einfach bewahren. Das hat auch seine Berechtigung. Aber für mich war das zu eng. Darum habe ich dann begonnen, eigene Melodien, eigene Musik und Texte zu schreiben.
Wie hieß die erste Band, in der Sie gespielt haben?
Angelika Steinbach-Ditsch: Das war Stoahoat und Bazwoach. Florian Weiß, der damals Gitarrist bei der Band war, habe ich beim Studium kennengelernt. Die Band wollte frisches Blut. Sie hat sich in der alten Besetzung einfach zu Tode gespielt. Es gab dann die Diskussion, ob überhaupt eine Frau in die Band soll. Ich glaube, das Burschikose und mein großes Mundwerk waren damals ausschlaggebend [lacht]. Aber es hat dann toll gepasst.
Wie viel beziehungsweise was haben Sie für Ihren weiteren Weg mitnehmen können?
Angelika Steinbach-Ditsch: Extrem viel. Das war, glaube ich, die Lernphase schlechthin. Erst mal habe ich damit mein Studium finanziert. Ich musste nie einen Studentenjob machen. Ich habe jede Woche dreimal gespielt. Ich habe die Kompositionstechniken, die ich im Studium lernte, wirklich anwenden können. Und dann diese ganze Bühnengeschichte. Erst spielst du bei einem Vorspielabend oder irgendwo in einem Orchester, aber mit so einer Gruppe, da stehst du so richtig auf der Bühne. Da siehst du das Publikum. Da sitzen vierhundert Leute und sehen erst einmal dich an. Es wird beobachtet, wie du dich bewegst oder ob du schlecht drauf bist. Man muss lernen, damit umzugehen. Wenn du über Jahre mit ein und derselben Band unterwegs bist, gibt es Krisen. Man sitzt tagelang im Tourbus und weiß dann einfach, wie jeder tickt. Und manchmal ist es schlimmer als in einer Ehe [lacht]. Aber auch die finanztechnischen Sachen, also Buchhaltung, Steuererklärungen und so weiter habe ich gelernt.
„Aus dem ganz stinknormalen, langweiligen Leben entstehen die interessantesten Texte, wenn man nur genau hinschaut.“
Wovon lassen Sie sich inspirieren?
Angelika Steinbach-Ditsch: Eigentlich aus dem ganz normalen Alltag. Das Zwischenmenschliche, das so passiert. Die menschlichen Reibereien an sich. Ob man jemanden riechen kann oder nicht, der tägliche Stress, der zu bewältigen ist. Das Liederschreiben ist auch eine Art Selbsttherapie, damit du nicht komplett verzweifelst, wenn du mal wieder nicht weiterweißt. Bei meinen Sachen merke ich, dass das sehr viele Leute betrifft. Das gibt es keine elitären Geschichten, was im Kunstsektor passiert. Wo ich mir etwas zusammenreime und das vielleicht fünf Leute verstehen. Meine Sachen betreffen fast jeden. Aus dem ganz stinknormalen, langweiligen Leben entstehen die interessantesten Texte, wenn man nur genau hinschaut.
Und musikalisch?
Angelika Steinbach-Ditsch: Nun, da gibt es einen ziemlichen Wandel. Erst war es ja klassische Geige, dann reine Volksmusik, dann moderne Volksmusik, mit dieSteinbach haben wir begonnen, Pop und Jazz einzubauen. Seit eineinhalb Jahren geht es, weil wir die Besetzung reduziert haben, weg vom Schlagzeug und E-Gitarre hin zum Kammermusikalischen. Da sind wir jetzt.
Komponieren Sie auch gemeinsam?
Angelika Steinbach-Ditsch: Nein. Das kann ich gar nicht. Keine Gruppengeschichten und basisdemokratische Entscheidungen, nein [lacht]. Das schaffe ich nicht. Ich mache meine Stücke inklusive der Texte selbst. Es kann sein, dass ich einen Text, von dem ich weiß, dass mir die Vertonung schwerer fällt als den anderen, dem Heinz [Ditsch; Anm.] oder dem Bernhard [Krinner; Anm.] gebe. Es kommt dann auch auf das Stück an. Jazz ist zum Beispiel bei Heinz besser aufgehoben. Wenn es ein eher gitarrenlastiges Stück für Kontragitarre ist – wo ich die Technik nicht genau kenne –, dann ist Bernhard der Richtige. Ich behalte mir aber das Recht vor, am Ende zu sagen, wie ich es haben möchte und was mir nicht so gefällt [lacht].
Was würden Sie auf keinen Fall machen?
Angelika Steinbach-Ditsch: Für mich politisch unkorrekte Sachen gehen mal gar nicht. Bei mir ist die Politik relativ weit draußen. Obwohl wir auf Parteiveranstaltungen spielen, machen wir trotzdem ein Unterhaltungsprogramm. Aber es kommen bei mir sicher keine „blauen“ Texte vor. Oder etwas, was dieses Klischee erfüllen könnte. Ich entferne mich jetzt immer mehr von diesen traditionellen Liedguttexten, wo irgendwer auf der Alm oben steht und runterjodelt, oder Sachen über Handwerksberufe, die es gar nicht mehr gibt. Das haben wir aus unserer Volksmusik ausgeschlossen. Und Schlager-Sachen gehen für mich auch gar nicht. Diese volkstümliche Musik und Schlager. Da unterscheide ich schon zwischen Deutsch-Pop und deutschsprachigem Schlager. So etwas, was Andreas Gabalier zum Beispiel macht, geht für mich nicht. Ich habe mich aber auch total gewundert, dass ich ein Video von den Ursprung Buam gefunden habe, das mich zu Tränen gerührt hat. Gänsehaut! Ich steh eigentlich gar nicht auf die Ursprung Buam, aber dieses Lied haben sie so intim gesungen. Ich glaube, wenn jemand etwas ehrlich meint, dann spürt man das. Ich kann auch keine Texte singen, die für mich sinnlos sind. Wo nur ein Reimschema da ist – nach dem Motto: „Alles, was sich reimt, ist gut“ [lacht].
„Für mich ist es auch jedes Mal ein Highlight, wenn man ein neues Programm auf die Bühne bringt und man sieht, dass das gut bei den Leuten ankommt.“
Was waren Ihre bisherigen musikalischen Highlights?
Angelika Steinbach-Ditsch: Ein Highlight war sicher, neun Tage nach der Entbindung wieder auf der Bühne zu stehen. Das ist sich so knapp ausgegangen. Würde ich nie wieder machen. Aber das war ein Highlight. Ein weiteres war Bad Staffelstein, wo wir den Nachwuchspreis gewonnen und vor fünftausend Leuten ein Open-Air-Konzert mit Reinhard Mey gespielt haben. Für mich ist es auch jedes Mal ein Highlight, wenn man ein neues Programm auf die Bühne bringt und man sieht, dass das gut bei den Leuten ankommt. Und wenn ich in Waidhofen spiele, vor den eigenen Leuten, dann ist das noch eine „Zwangsverschärfung“. Denn irgendwo anonym zu spielen, geht bald einmal. Aber zu Hause, wo dich die Leute im Kaffeehaus treffen oder vor dem Kindergarten, das ist etwas anderes.
Werden Sie oft von Leuten angesprochen?
Angelika Steinbach-Ditsch: Ja, vor allem, als ich wieder nach Hause gekommen bin. „Aha, bist du wieder hergezogen?“, „Wie ist das mit Wien?“, „Machst du eigentlich jetzt noch Musik, wo du ein Kind hast?“ Solche Sachen. Ich habe ja nie aufgehört, Musik zu machen, und trotzdem werde ich danach immer wieder gefragt. Also ja, es sprechen mich viele an. Das ist aber schön.
Gibt es vom Publikum auch mal negative oder, besser gesagt, kritische Stimmen?
Angelika Steinbach-Ditsch: Nein, die rühren sich nicht. Ich würde gerne einmal jemanden treffen, der auch mal kritisches Feedback gibt, mit dem man arbeiten kann. Wo man vielleicht erst mal sagt: „Du blöder Hund, das ist mir egal.“ Aber es sagt niemand etwas Negatives. Ich glaube, das ist so in unserer Gesellschaft. Das Positive kommt vorne raus und das Negative kommt auf Facebook, da trauen sich die Leute schon. Meistens geht es dann aber nicht um die Musik, sondern um visuelle Sachen. Da heißt es dann: „Hey, diese Bluse hat dir überhaupt nicht gepasst.“ Oder: „Du hast schon ganz schön zerrupft ausgesehen.“ Oder: „Der hatte den Hut schief auf.“ Es ist selten, dass jemand etwas über die Stimme sagt oder über das Geigenspiel oder ein Lied.
Sie machen auch Kinderworkshops. Was passiert da so?
Angelika Steinbach-Ditsch: Das ist unterschiedlich. Wir bieten mehrere verschiedene Sachen an. Schulen laden uns zum Beispiel ein, um mit den Kindern zu singen. Die Lehrerinnen und Lehrer sind sehr bemüht, nur leider sind die Stundenpläne so, dass Kunst und kreative Fächer relativ eingeschränkt sind. Wir bieten sowohl einen ein- wie auch zweitägigen Workshop an. In den Workshops wird vor allem in Mundart gesungen und auch regionale Musik vermittelt, damit die Kinder lernen, was eigentlich ein Volkslied ist, und damit sie es nicht genauso grindig finden, wie ich es als Kind empfunden habe. Das ist dabei der Hauptaspekt. Es passiert schon mal, dass ein Zwölfjähriger erst einmal mit verschränkten Armen dasitzt und dir sagt, dass es ihn überhaupt nicht interessiert und er alles andere lieber machen würde. Nach zwei Stunden, wenn dann die Berührungsängste abgebaut sind, schaut die Sache schon ganz anders aus. Die nehmen das dann auch sehr ernst. Sie merken dann, wie befreiend es ist, wenn man so einen „Juchaza“ rauslässt. Sie haben Spaß daran, etwas machen zu können, was gar nicht schwer ist, wo sie keine besonderen Handwerkstechniken lernen müssen. Sie dürfen einfach loslegen, sie dürfen schreien. Es gibt ja die Urschrei-Jodler, eine Therapie, wo du all deine Sachen einfach mal rauskotzt. Du brauchst keine bestimmte Technik oder Haltung, sondern darfst singen. Und dann haben wir Workshops, in denen wir es nicht nur beim Singen von neuer und traditioneller Volksmusik belassen, sondern in denen die Kinder etwas selbst erarbeiten. Es gibt auch themenbezogene Schwerpunkte wie Gstanzldichten im Deutschunterricht, wo jeder sein eigenes Gstanzl macht und wir es dann gemeinsam vertonen. Das geht mit Volksschülerinnen und Volksschülern genauso gut wie mit siebzehnjährigen Teenagern. Und alle sind stolz, wenn sie ihr eigenes Werk mit nach Hause nehmen können.
Vielen Dank für das Gespräch.
Petra Ortner
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Angelika Steinbach-Ditsch (Facebook)