ICH MACH KEINE ROCK’N’ROLL-SPRÜNGE MEHR – STEFANIE WERGER IM MICA-INTERVIEW

„Langsam Wea I Miad“, heißt das 13. Studioalbum von STEFANIE WERGER. Die 70-jährige Musikerin feiert deshalb ihr 40-jähriges Bühnenjubiläum mit einer Tournee. Der letzten, wie sie sagt. Im letzten Jahr durch eine Rückenoperation verhindert, soll es ein ehrlicher Abschied werden. Von der Bühne. Und ihren Fans, mit denen sie ein letztes Mal ihre Hits singen will.

Darf ich dich fragen: Wie geht es deinem Rücken?

Stefanie Werger: Tuat scho! Ich bin in der Vorbereitung für die Abschiedstournee. Allzu lange darf ich ohnehin nicht sitzen, deshalb beweg ich mich.

Der Rücken hat 2021 deine Abschiedstournee verhindert.

Letztes Jahr war schlimm, ich hatte starke Schmerzen. Das möchte ich aus meinem Gedächtnis streichen. Ich hab gedacht, dass ich vielleicht nie mehr etwas tun kann … Das macht schon traurig! Dabei tu ich eh nicht mehr lang. Nur die Abschiedstournee, die wollt ich in jedem Fall machen. Und jetzt findet sie statt!

Wenn nicht …

Stefanie Werger: Ein neues Virus kommt und uns ins Hirn pinkelt!

Fangen wir lieber nicht damit an.

Stefanie Werger: Ich bin vorsichtig und geh nicht außer Haus, wenn ich nicht muss. Alle, die zu mir kommen, müssen drei Mal geimpft sein. Aufpassen halt!

Auch in puncto Rücken.

Stefanie Werger: Ich mach eh keine Rock’n’Roll-Sprünge mehr! Die hab ich mir schon vor ein paar Jahren abgewöhnt. Trotzdem hat die OP sehr geholfen. Ich kann mich bewegen. Außerdem hab ich abgenommen, ohne dass ich was dafür getan habe.

Ja?

Stefanie Werger: 25 oder 26 Kilo! Jetzt hab ich einen ganzen Schrank voller Gewand, das ich nicht mehr anziehen kann. Ich muss erst wieder einkaufen gehen.

Du bist wortwörtlich wieder auf den Beinen.

Stefanie Werger: Na, nie so wie vor zehn Jahren! Ich sitz auf der Bühne und steh manchmal auf. Das war davor auch schon so – und den Leuten ist das völlig wurst.

Sie kommen deinetwegen.

Stefanie Werger: Sie lieben mich und sind froh, wenn ich mich ein letztes Mal präsentiere.

Das ist wahre Treue.

Stefanie Werger: Es ist unglaublich, wie treu meine Fans sind. Manche sind mit mir 40 Jahre gewachsen – so lange stehe ich schon auf der Bühne.

Ich wollt gerade sagen: 1982 erschien die erste Platte, ein Wahnsinn! Was denkst du dir dabei?

Stefanie Werger: Es ist wirklich ein Wahnsinn – aber auch okay, dass man mit 70 Jahren sagt, des woar’s jetzt.

Pfiat gott und auf Wiedersehen?

Stefanie Werger: Na, ich wollt ja nie eine Rock-Oma sein. Dabei bin ich das mit 70 doch schon.

Das heißt, keine Mick-Jagger-Attitüde?

Stefanie Werger: Na, des könnt peinlich werden – und das will ich nicht.

Wieso sollte es bei dir peinlicher sein, als bei Mick Jagger?Stefanie Werger: Frauen sind oft peinlich, wenn sie im Alter auftreten. Aber manchmal auch Männer!

Stefanie Werger (c) ARTige Bilder/Hannes Loske

Meistens sind es eher die Mä…

Stefanie Werger: Sag, gehen wir heut den Kernfragen eh auch nach?

Den Kernfragen? Du möchtest nicht über dein Leben reden?

Stefanie Werger: Ich will lieber über meine Produkte reden und über die Tournee!

Du willst also nur knallhart Promotion machen?

Stefanie Werger: Selbstverständlich! Das wollen eh alle anderen auch, selbst wenn sie was anderes sagen. Außerdem mag ich keine Oberflächlichkeit. Das will ich dir nicht unterstellen, aber …

Gut, mir soll es recht sein. Reden wir über deine Platte, dein 18. Album…

Stefanie Werger: Das 13. ist es – eine Glückszahl! Eine Platte, die ich selbst finanziert und produziert habe. Deshalb hängt an diesem Album mein Herzblut.

Mehr als in Platten, die du nicht selbst finanziert hast?

Stefanie Werger: Das Gefühl, die Platte selbst zu machen, ist wunderschön, weil einem niemand dreinredet! Die Plattenfirmen, bei denen ich sonst war, hatten schließlich ihr Recht, dass sie ihren Senf dazu geben konnten – aber der Senf hat immer mehr gestört als geholfen.

Kannst du das kurz ausführen?

Stefanie Werger: Ich kann mich an einen Moment im Studio in München erinnern. Da sind sie gekommen und meinten in ihrem deutschen Dialekt, da muss mehr Bass rein. Mein Produzent hat dann so getan, als würd er an etwas herumdrehen und die haben gleich gemeint, ja, das ist super! Dabei hat er gar nichts verändert. Heut kann man es ihnen ja sagen, dass es ein Schaß war!

Ist das oft vorgekommen?

Stefanie Werger: Ich will über die oiden Gschichten keine neue Wäsche waschen. Die Leute von den Plattenfirmen hatten ihre Rechte, aber die künstlerischen Entscheidungen – und das hab ich vertraglich abgesichert – mussten bei mir bleiben. Trotzdem haben sie oft dreingeredet. Deshalb war die Entscheidung, bei diesem Album alles selbst zu machen, befreiend. Ich bin mit meinen Musikern ins Studio von Opus in Graz gefahren, wir konnten in Ruhe aufnehmen. Das war ein wunderbares Arbeiten.

Obwohl du länger nicht aufgenommen hast. Das letzte Album ist von …

Stefanie Werger: Na jo, vor 30, 40 Jahren war das noch ganz anders. Da hat man jedes Jahr ein Album gemacht. Auf die Idee kommt heute niemand mehr.

Auf dem neuen Album sind …

Stefanie Werger: Auch nur sechs neue Titel. Der Rest besteht aus alten Liedern.

„Kamasutra“ ist neu. Das Stück hat … was.

Stefanie Werger: Das ist leider nicht so aufgegangen, wie ich es mir gewünscht hätte. Dafür ist das Abschiedslied „Langsam wea i miad“ bisher gut angekommen. Außerdem haben wir gerade „Kumm wieder z’ruck“ als Single ausgekoppelt – ich bin mittlerweile ja die Balladenkönigin!

Du warst doch immer die Balladenkönigin, wenn es um Liebe gegangen ist.

Stefanie Werger: Dabei hab ich auch andere Themen behandelt. Das haben viele nur nicht bemerkt. „Flamenco Touristico“, „Nacht der Tränen“, „Höher als die Drach’n steigen“ … trotzdem stimmt es: Die Liebeslieder sind am besten angekommen, man hat sie am häufigsten gespielt.

„KAMASUTRA HAT MICH NIE INTERESSIERT.“

Stört es dich, dass man deine Titel häufig auf die Liebe reduziert hat?

Stefanie Werger: Geh, was soll ich mich aufregen, es bringt ja nichts. Liebe ist ein wichtiges Thema. Bei „Kumm wieder z’ruck“ – auch ein neues Lied – geht es trotzdem anders um Liebe, um ein psychisches Verlassen-Werden. Weißt, wenn der Alltag in der Beziehung eintrudelt nach ein paar Jahren? Auf einmal reden die Pärchen ganz anders als am Anfang.

Und bei „Kamasutra“? Das ist ja eine gewagte Gschicht.

Stefanie Werger: Deshalb hab ich es ja gemacht – weil es lustig ist!

Eine Partynummer also.

Stefanie Werger: Wär ich 40, hätt ich die Nummer wahrscheinlich nicht gemacht.

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Wieso?

Stefanie Werger: Was heißt wieso? Weil es lustig ist, dass ich 70 bin und des sing! Wieso, wieso … wer sagt denn bitteschön, dass man ab einem gewissen Alter keinen Sex mehr hat?

Es ist ein gesellschaftliches Tabu, nicht meines.

Stefanie Werger: Schau, mich hat Kamasutra in Wahrheit nie interessiert. Das Buch hatte ich vor langer Zeit zu Hause, weil ich es mir anschauen wollte.

Aber die Umsetzung hat dich nicht gereizt?

Stefanie Werger: Ich hab kein Kamasutra gebraucht, um mein Glück zu finden. Deshalb heißt es am Schluss des Liedes auch: „Mach ma’s wieder bieder und ganz normal.“

I sog jo, ich hab immer Humor gehabt, zu dem ich gestanden bin. Und ich hab ihn nach wie vor, weil: Den Humor hat mir noch niemand wegnehmen können.

Du hast auch Kabarett gemacht.

Stefanie Werger: Genau, ich hab nicht immer nur Kunst gemacht, sondern auch Kabarett. Das wissen die wenigsten. Da bin ich in ausverkauften Häusern aufgetreten – und es sind viele junge Leute gekommen, die ich daraufhin für meine Konzerte gewinnen konnte.

Wie setzt sich dein Publikum zum Abschied zusammen? Kommen viele junge …

Stefanie Werger: Die Jungen haben mich über die Plattensammlungen der Alten entdeckt. Denen gefallen die Texte, die waren ja nie oberflächlich …

Allein damit würde man keine 40 Jahre auf der Bühne überstehen, oder?

Stefanie Werger: So ist es! Jedes Konzert ist die Promotion für das nächste. Nur dieses Mal ist es anders, weil es ja keine nächste Tournee mehr gibt. Trotzdem möcht ich es gut machen und mich nicht blamieren!

Das letzte Konzert ist das letzte Konzert. Erzeugt das bei dir einen Druck, weil du danach nichts mehr ändern kannst?

Stefanie Werger: Ich spiel sicher keine acht Abschiedstourneen. Als ich auf die Kabarettbühne gewechselt bin, hab ich mich zwar von der Rockbühne verabschiedet. Aber das war etwas anderes. Mittlerweile spielen wir ohne Schlagzeug, weil ich es auf der Bühne nicht leiser drehen kann. Schließlich wollen die Leute mich hören, das bekommen sie auch. Die Leute dürfen viele Hits erwarten.

„Stoak wie a Felsen.“

Stefanie Werger: So stark wie ein Felsen bin ich nicht mehr.

Und so groß – verzeih mir, aber du hast vorhin erwähnt, dass du 26 Kilo abgenommen hast – auch nicht mehr.

Stefanie Werger: Geh, schlank bin ich trotzdem nicht. Dafür war ich davor zu dick. Dass ich mich jetzt wohlfühle, ist die Hauptsache, weil als ganz Dicke hab ich mich nicht immer wohlgefühlt, das ist ja eine Belastung fürs Kreuz, für die Füße, für ois!

Jetzt geht es dir besser.

Stefanie Werger: In meinem Buch „Wer spricht hier von Diät“ hab ich geschrieben: Wer sagt, dass er mit großem Übergewicht glücklicher sei, lügt! Und so ist es. Man sucht nur nach einer Ausrede …

Hast du schon von Bewegungen wie Body Positivity gehört?

Stefanie Werger: Wer?

Body Positivity. Man akzeptiert alle Körper, so wie sie sind.

Stefanie Werger: Ah, das sind diese Ansagen, die kenn ich eh alle! Natürlich war das damals auch mein Körper. Wohlgefühlt hab ich mich darin trotzdem nicht. Nur: Gut war ich auf der Bühne trotzdem. Selbst in der Zeit, in der ich zu dick war. Außerdem ist mein Publikum da nicht so. Schließlich sitzen auch ein paar zu Dicke unten.

Stefanie Werger (c) (c) ARTige Bilder/Hannes Loske

Sie lieben dich, weil du Stefanie Werger geblieben bist.

Stefanie Werger: Na, schau dich doch um! Wer hat denn die Idealfigur? Ganz wenige! Deshalb machen die Leute ja eine Schönheits-OP nach der anderen.

Das hast du nie gebraucht.

Stefanie Werger: Ich hab einmal die Schlupflider straffen lassen, weil ich nichts mehr gesehen hab. Das war alles.

Das zählt nicht als Schönheits-OP.

Stefanie Werger: Ich bin auch nicht bereit, mich unters Messer zu legen, weil ich weiß, wie viele Stunden Narkose man braucht. Das ist jedes Mal ein Risiko. Da muss man aufpassen. Gerade die jungen Mädels.

Das hängt auch mit einer Selbstwahrnehmung zusammen, die über Social Media …

Stefanie Werger: Hör mir mit Social Media auf. Ich bin seit sechs Jahren nicht mehr bei Social Media. Das hat mich nur genervt, weil alles so oberflächlich war und immer mehr Idioten dazugekommen sind. Da les ich lieber ein gutes Buch.

Was hast du zuletzt gelesen?

Stefanie Werger: Ich hab immer schöne Bücher gelesen. Von Andrzej Szczypiorski oder Gabriel García Márquez.

„Liebe in Zeiten der Cholera“ hat er geschrieben.

Stefanie Werger: Glaubst, ich les keine Sachen, die mit Liebe zu tun haben, oder was? Du bist schon oberflächlich unterwegs …

Wir müssen es nicht besprechen. Ich merk, dass du nur die Platte promoten möchtest, das ist okay.

Stefanie Werger: Die Leute sollen sie kennen, bevor ich auftrete, damit sie mitsingen können. Ich will mich ehrlich verabschieden, das ist mir wichtig.

Gut so. Danke für deine Zeit und alles Gute!

Christoph Benkeser

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Links:
Stefanie Werger (Homepage)
Stefanie Werger (Wikipedia)
Stefanie Werger (Abschiestournee Tickets)