„ICH LIEBE ES LAUT ZU SEIN UND LAUTE MUSIK ZU MACHEN“ – FLORIAN KARGL (FREISCHWIMMA) IM MICA-INTERVIEW

Im Jahr 2023 hat die Band FREISCHWIMMA ihr Album „RUHE“ veröffentlicht: Die Dokumentation RUHE – BEKENNTNIS ZUR EINFACHEN ROCKBAND zeigt den Aufnahmeprozess in der Cselley-Mühle in Oslip. Jürgen Plank hat mit Bandleader Florian Kargl über die Erstellung des Filmes genauso gesprochen wie über den für die Band wichtigen Live-Moment. Der hat dazu geführt, dass es im letzten Jahr eine Konzert-Serie im Wiener Café Carina gegeben hat: Zu den Abenden haben sich FREISCHWIMMA jeweils musikalische Gäste wie INTIMSPRAY oder MARY BROADCAST eingeladen. Und weil die Konzerte mitgeschnitten wurden, steht die nächste Veröffentlichung schon an: ein Live-Album, das im Oktober 2024 unter dem Titel „LIVE, LAUD & WÜD“ präsentiert werden wird.

Im Film „Ruhe – Bekenntnis zur einfachen Rockband“ sagst du sinngemäß, dass du immer ruhiger wirst, je lauter es wird. Wie ist das gemeint?

Florian Kargl: Ganz genau sage ich: Seitdem ich immer lauter werde, werde ich umso ruhiger in mir. Lautstärke ist grundsätzlich ein wichtiges Thema für mich, ich rede auch gerne laut und habe meine Meinung und vertrete diese auch. Und beim Musikmachen ist es so: ich habe in den letzten Jahren verfolgt, dass immer alles leiser werden muss. Auch für Live-Musik ist es immer schwieriger geworden, Orte zu finden, an denen man laut sein kann. Auch wenn man sich mit Gitarrenverstärkern und mit der Entwicklung der Technik beschäftigt, sind wir mittlerweile dort angelangt, dass jeder zu Hause im Wohnzimmer einen geilen Sound haben will, aber alles muss leise sein. Du kannst keinen 100 Watt-Amp im Wohnzimmer spielen.

Nur mit Kopfhörern.

Florian Kargl: Nein, das ist eben etwas anderes. Genau das meine ich. Entweder laut oder leiser. Aber es geht nicht, leise zu spielen, mit dem Gefühl, es wäre laut. Das geht nicht. Da kannst du noch so viele technische Hilfsmittel besorgen, es ist anders, wenn du laut aufdrehen darfst. Ich habe das Glück, dass ich im Proberaum auch um elf Uhr am Abend laut sein kann. Man fühlt sich ja gleich gestört, wenn es irgendwo laut ist. Es macht mir als Gitarrist Spaß, den Amp laut aufzudrehen und die Gitarre und die Elektronik beginnen zu leben, beginnen zu vibrieren und das macht mich innerlich ruhig. So ist das gemeint. Wenn ich eine laute Gitarre spielen kann oder auch nur höre, liebe ich das. Deswegen liebe ich amerikanische Bands: alle Gitarristen, die ich verfolgt habe und live gesehen habe, waren immer brachial laut. Sie sind aber auch mit der attitude angetreten, den Amp aufzudrehen. In Österreich hat man eher die Angst auf einer Bühne zu laut zu sein, weil man sonst dort nie mehr spielen darf. Ich liebe es laut zu sein und laute Musik zu machen.

Wenn man wie ich einen klassischen Zugang zur Blues-Rock-Musik hat, dann ist es auch gut, wenn es laut ist. In den 1960er-Jahren haben die Gitarren laut sein müssen, weil es keine PA-Anlage gegeben hat. Damals gab es eben große Amps, die einen großen Saal beschallen mussten und das muss ja heute nicht mehr sein und ich tauche auch nicht mit einem 100 Watt-Amp in einem kleinen Club auf.

Dieses Video auf YouTube ansehen.
Hinweis: Mit dem Abspielen des Videos laden sich sämtliche Cookies von YouTube.

Inwiefern ist Musikmachen für dich ein meditativer Vorgang und du wirst auch deswegen ruhiger?

Florian Kargl: Das kann beim Gitarrenspiel schon sein. Ich spiele ja nicht nur live und bei Proben, sondern ich spiele auch sehr viel für mich. Nach einem langen Arbeitstag oder auch einem anstrengenden Tag mit der Familie, zwinge ich mich noch, eine Stunde lang Gitarre zu spielen und es stimmt: Es kann sein, dass man dann alles vergisst, was im Laufe des Tages so laut war. Um dieses Wort wieder zu strapazieren. So kann ich mit dem Instrument wieder ein bisschen innere Ruhe finden. Für mich war die Gitarre immer ein Mittel zum Verarbeiten von meinen Emotionen. Um Gefühle heraus zu lassen, ist es gut zu singen oder ein Instrument zu spielen.

„ES GEHT DARUM, EINEN ORT ZU FINDEN, AN DEM MAN NICHT NACHDENKT“

Euer Schlagzeuger Tobias Neuwirth sagt im Film, er würde mit Freischwimma – mehr als mit anderen Bands – beim Spielen in einen Flow kommen. Wie geht es dir diesbezüglich, ist das für dich auch so?

Florian Kargl: Zu einhundert Prozent. Unser Zugang, wie wir als Trio die Musik anlegen: es geht darum, einen Ort zu finden, an dem man nicht nachdenkt. Einen transzendentalen Ort, an dem man einfach spielt. Man denkt nicht darüber nach, ob der Ton, den man spielt, richtig oder falsch ist, sondern man spielt ihn einfach und schaut, was mit einem passiert. Ich glaube, Tobias meint das so ähnlich: dass er bei Freischwimma nicht groß überlegt, was er macht, sondern das intuitiv heraus lässt.

Welche Rolle spielt da das Trio als Formation?

Florian Kargl: Wenn man in einem Trio ist, kann diese Spielen sehr direkt sein. Das ist in einem Trio ganz eigen, weil man sich richtig cool aufeinander einlassen kann und für jeden ausreichend Platz ist: keiner darf zu wenig und keiner darf zu viel machen. Das ist irgendwie die Urform der Rockmusik und das merkt man auch beim Spielen: wenn man zu viel zu denken anfängt, ist man in diesem Dreieck nicht mehr drinnen.

Dieses Video auf YouTube ansehen.
Hinweis: Mit dem Abspielen des Videos laden sich sämtliche Cookies von YouTube.

Was kannst du zum Aufnehmen im Studio in der Cselley-Mühle sagen?

Florian Kargl: Das Album davor haben wir auch dort aufgenommen und so hatten wir dieses Mal genau dieselbe Situation: Wir sind eine Live-Band und haben einen Ort gesucht, an dem man live aufnehmen kann. An dem es möglich ist, sich wie im Proberaum hinzustellen und die Musik live aufzunehmen. Mit dem Trick, zu sagen, dass man kleine Konzerte spielt: wir haben immer 5 bis 6 Lieder in Folge gespielt und nach einer Pause wieder dieselben 5 bis 6 Lieder. Einfach auch um nicht nachzudenken, was bei einer Nummer gut war oder was man anders machen könnte. Das wird dann auch so mechanisch. Bei Thomas Pronai im Studio hat es sich gut angeboten: Es ist reduziert und man nimmt auf Tonband auf, so beginnt man nicht zu schneiden oder macht Overdubs. Das haben wir alles nicht gebraucht. Es ist uns darum gegangen dieses Gemeinsame aufzunehmen. Das war dort möglich. Manchmal braucht es gar nicht die Überproduktion. Es geht eher darum, den Moment einzufangen. Das war dort auch technisch möglich.

Es passiert alles im Moment, warum wolltet ihr sozusagen diese Vergänglichkeit doch mit einem Film dokumentieren?

Florian Kargl: Ganz einfach, wir haben bei der ersten Studio-Session mit Thomas beim Album „Brofezzeiung“fünf Fotos gemacht. Sonst gar nichts. Wir haben das Album, die Musik und fünf Fotos. Wir leben in Zeiten, in denen jeder mit einer Kamera herumrennt, deswegen haben wir uns gedacht: warum nehmen wir die Session nicht einfach auf? Mit zwei oder drei Kameras. Es war gar nicht geplant, daraus einen Doku-Film zu machen, sondern uns hat die Session so gut gefallen, dass wir beschlossen haben, das Material in einen Film zu packen und zu veröffentlichen.

Was hat noch für einen Film gesprochen?

Florian Kargl: Wie du ja eh schon weißt, bin ich ein großer Fan von Neil Young und seinen Studio-Filmen, bei denen er im Prinzip auch nichts anderes macht: ein paar Kamera halten einfach drauf und filmen den Prozess. Wir haben das Glück, in einer Zeit zu leben, in der man das einfach selbst machen kann. Natürlich kann man technisch gesehen eine noch bessere Produktion machen, mit viel Geld und Menschen, die sich wirklich dabei auskennen, was Film heißt. So könnte man die Qualität sicher noch heben, aber es geht eben darum, den Moment einzufangen und zu zeigen. Man bekommt ein bisschen ein Gefühl dafür, wie das Album entstanden ist. Teile des Materials haben wir für unsere Singles verwendet.

Dieses Video auf YouTube ansehen.
Hinweis: Mit dem Abspielen des Videos laden sich sämtliche Cookies von YouTube.

In einem Kommentar zu eurer Dokumentation hat jemand geschrieben: „So geht Rock’n’Roll“.

Florian Kargl: Das finde ich super, wenn jemand das so sieht. Das freut mich sehr. Ich kann das nur so machen, ich kann gar nicht anders. Für mich geht Rock’n’Roll auch so, unsere Art von Rock’n’Roll.

Am Ende des Films steht gleichsam ein Motto zu lesen: „Schauen wir auf die Erde, schauen wir auf uns.“ Ist das ein Motto von dir?

Florian Kargl: Ich glaube, das sollte ein Motto von uns allen sein. Wenn wir mit offenen Augen, offenem Hirn und offenen Herzen durch die Welt gehen, müssen wir auf den Planeten schauen und auf unsere Mitmenschen achten. Dadurch achten wir auf uns. Das ist für mich schon lange ein Leitmotiv. Im Endeffekt geht es um Liebe und Achtsamkeit und um ein Gespür für den Mitmenschen. Noch dazu: wenn man ein Kind zuhause hat, denkt man schon an dessen Lebenserwartung von mehr als achtzig Jahren und daran, dass sich das hoffentlich noch gut ausgeht. Für mich war das schon immer ein Leitmotiv, vielleicht bin ich auch deswegen Sozialarbeiter geworden. Deswegen mache ich auch diese Art von Musik: möglichst ehrlich, damit es kein fake ist.

Dieses Video auf YouTube ansehen.
Hinweis: Mit dem Abspielen des Videos laden sich sämtliche Cookies von YouTube.

Ihr habt im letzten Jahr unter dem Titel „Reigen“ eine lange Konzertreihe im Café Carina gemacht. Wie ist die Reihe gelaufen?

Florian Kargl: Die war super, wir hatten 17 Abende. Von Jänner bis Dezember, im Sommer haben wir ein wenig pausiert. Es gab 17 verschiedene Gäste und wir haben an jedem Abend ein Video gemacht und den Ton mitgeschnitten. Aus diesem ganzen Material haben wir uns auf einige geile Live-Versionen geeinigt und die werden wir im Oktober 2024 veröffentlichen. Wir wissen schon, welche Lieder es sein werden und auch darüber werden wir einen Film machen.

Manchmal haben wir vor zehn Leuten gespielt, manchmal vor fünfzig Leuten. Für uns als Band war es cool, weil wir viel gespielt und viel ausprobiert haben. Es ist immer cool, mit anderen zu spielen. Wir hatten auch mal Gernot Feldner beim Song „Niemandsland“ an der Orgel, er spielt da eine wunderbare Orgel und es ist eine emotionale, schöne Version geworden. Das wird ein richtig wildes Live-Album.

Ihr habt das Album „Ruhe“ live eingespielt, das ist in der Dokumentation gut zu sehen. Wie wichtig ist dir grundsätzlich der Live-Moment, den du aber auch festhalten willst?

Florian Kargl: Musik ist etwas, was im Moment passiert. Man hat aber trotzdem immer versucht, Musik zu konservieren, indem man sie mündlich weitergegeben hat. Oder indem man sie niedergeschrieben hat, in Notenform. Später wurde dann aufgenommen, um sich diesen Moment wieder herholen zu können. Ich stehe schon immer auf Live-Alben. Ich habe von Bands immer lieber das Live-Album als das Studio-Album gehört, auf dem die Band sich einbildet, zu tricksen. Wir haben jetzt ein arges Live-Album in Warteposition!

Herzlichen Dank für das Interview.

Jürgen Plank

+ + +

Freischwimma live

19.04. Club Wakuum mit „Keine Angst“, Graz
19.10. „Live, Laud & Wüd“, Album-Release-Show, Café Carina, Wien

+ + +

Links

Dokumentation
Website
Facebook