Die niederösterreichische Reggae-Band HOUSE OF RIDDIM sorgte zuletzt für Schlagzeilen, weil einer ihrer Songs im kommenden Bond-Streifen „No Time To Die“ zu hören sein wird. Mastermind SAM GILLY erklärt im Gespräch mit Clemens Engert, warum er trotz dieser spektakulären Kollaboration cool bleibt, wie er seine Faszination für die Reggae-Musik entdeckt hat und was er der heimischen Kulturbranche in Zeiten von Corona wünschen würde.
Euer Song „Rastafari Way“ wird im neuen Bond-Film „No Time To Die“ vertreten sein. Kannst du kurz erzählen, wie es zu der Kollaboration gekommen ist, beziehungsweise wie der Kontakt mit dem Produktionsstudio MGM abgelaufen ist?
Sam Gilly: Zuerst muss ich mal klarstellen, dass wir – entgegen diverser Medienberichte – keinen Song für den Film komponiert haben! Den Song gibt es schon seit 2016. Wir mussten ihn auch nicht umschneiden und es wird nur eine kleine Sequenz daraus vorkommen. Ich habe im September 2019 eine E-Mail von MGM mit dem Betreff „Syncrights, 25 Bond“ bekommen und gleich mal gelöscht, da ich dachte, es ist Spam. Am nächsten Tag hat mich dann Teacha Dee (Anm.: der Sänger des Songs) angerufen und mich gefragt, ob ich die E-Mail schon gelesen habe. Danach habe ich die E-Mail noch einmal gesucht und auch gefunden.
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Welche neuen Möglichkeiten ergeben sich für euch durch diese Kollaboration? Wird sie eurer Karriere einen richtigen Boost geben?
Sam Gilly: Keine Ahnung, was sich daraus ergeben wird. Es wird unser Leben wohl nicht sonderlich verändern, weil niemand von unserer Crew der Sache so große Aufmerksamkeit schenkt. Es ist natürlich super, bei einer Produktion dieser Größenordnung im Abspann zu stehen, aber diese Pandemie mit den dazugehörigen Einschränkungen hat mehr Einfluss auf unser momentanes Leben.
Welchen konkreten Einfluss hat der Lockdown auf dein Leben und künstlerisches Schaffen?
Sam Gilly: Dieser Lockdown hat mein Leben insofern verändert, dass ich sehr viel Zeit mit meiner Familie verbringen kann, Dinge mache, die ich sonst nicht gemacht hätte, mir meine Arbeit im Studio einteilen kann und nicht fliegen muss – ich habe nämlich Absturzangst. Wirtschaftlich ist es ein Desaster, aber alles wird gut. Ich hoffe, dass man die Kunst- und Kultur-Branche nicht vergisst. Sie ist Österreich.
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Wie würdest du House of Riddim definieren? Ist es eine Band, ein Künstlerkollektiv, ein Produktionsstudio oder alles in einem?
Sam Gilly: Eigentlich alles in einem. Ein Konzept gab es nie wirklich, es ist einfach alles passiert. Ich sehe mich selbst sowohl als Musiker als auch als Produzent.
Kannst du kurz erklären, was man im Reggae unter dem Konzept des „Riddims“ versteht?
Sam Gilly: Unter „Riddim“ versteht man im Reggae ganz einfach den Beat.
Wie bist du persönlich zur Reggae-Musik gekommen?
Sam Gilly: Schon sehr früh! Ich hatte ein Zimmer mit meinem wesentlich älteren Bruder und da „musste“ ich schon als Kind Frank Zappa, Led Zeppelin und eben auch Reggae mithören. Diese Art von Musik hat mich geflasht – irgendwas war eben anders.
Speziell der Roots-Reggae ist stark mit der Rastafari-Bewegung verbunden. Interessierst du dich für diesen spirituellen Aspekt auch oder geht es dir nur um die Musik?
Sam Gilly: Natürlich interessiere ich mich auch für diesen Aspekt. Die Musik steht aber trotzdem bei mir im Vordergrund. Gerade bei Konzerten in Europa, wo kaum jemand den Text versteht, geht es mehr um die Musik. Anders ist es zum Beispiel in den USA, in Großbritannien, in der Karibik oder in Afrika.
Du hast bereits mit vielen Größen des Genres zusammengearbeitet. Gib es eine Kollaboration, die dir besonders in Erinnerung geblieben ist oder auf die du besonders stolz bist?
Sam Gilly: Puh, da alles aufzuzählen würde den Rahmen sprengen. Sehr viel gelernt haben wir aber durch Künstler wie Everton Blender, Perfect Giddimani, Fantan Mojah und natürlich durch die Produktionen mit Teacha Dee. Und auch durch Konzerte mit Mykal „Mr. Grammy“ Rose von Black Uhuru und Ijahman Levi, der der Held meiner Jugend ist. Ich könnte noch viele Weitere aufzählen. Seit 2012 touren wir fast ausschließlich mit dem jamaikanischen Reggae-Superstar Anthony B. Mit ihm als einer Art „Dritte-Welt-Künstler“ mit einer weißen Band vor 50.000 Leuten auf der Bühne zu stehen, ist ein ganz anderer Level. Er nimmt uns wirklich überall als Band mithin – also weltweit. Das hat uns sicher einen Aufschwung gegeben.
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Kannst du von deinen diversen musikalischen Tätigkeiten leben oder hast du nebenbei einen „normalen“ Job?
Sam Gilly: Musik ist für mich ein „normaler“ Job und ja, ich kann davon leben.
Reggae findet in Österreich – zum Beispiel im Gegensatz zu Deutschland – immer noch etwas abseits der großen Radiosender und Medien statt. Würdest du dir wünschen, dass diese Art der Musik hierzulande mehr mediale Anerkennung bekommt oder kannst du mit einem gewissen Nischen-Dasein gut leben?
Sam Gilly: Ja, ich kann mit dem Nischen-Dasein eigentlich sehr gut leben, aber natürlich wäre es schön, wenn Radiosender, Printmedien und Fernsehen etwas mehr diverse Nischen-Musik bringen. Speziell im Reggae-/Dancehall-Bereich spielt halt schon auch oft Klischee-Denken eine große Rolle: Sonne, kiffen, gute Laune.
Wie schauen die konkreten Ziele von House of Riddim in nächster Zeit aus? Wohin soll sich das gesamte Projekt im Idealfall entwickeln?
Sam Gilly: Wir hatten noch nie ein Ziel oder einen Plan, aber aus gegebenem Anlass wäre es gut, wenn sich in der Kunst- und Kultur-Branche wieder so etwas wie „Normalität“ einfinden würde.
Herzlichen Dank für das Gespräch!
Clemens Engert
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Links:
House of Riddim (Facebook)