Mit dem Debütalbum „unfolding“ stellt sich mit LAIN ein Popkünstler vor, der hörbar seine ganz eigenen musikalischen Vorstellungen hat und auch weiß, diese in einen wirklich aufregenden Sound zu übersetzen. Hinter LAIN verbirgt sich der Wiener DAN MUELLER, der davor einige Jahre im Bereich Film und bei Film-Festivals tätig war und nun in die Rolle eines Liedermachers schlüpft, der eine Interpretation des Begriffs Pop zelebriert, die nicht wirklich als gewöhnlich durchgeht. Seine Indietronicatracksbieten genauso catchy Melodien, die schnell einfangen, wie auch viel Tiefgang. In Interview mit Michael Ternai spricht DAN MUELLER über seine Entscheidung, ein Album zu machen, seinen musikalischen Backround und die Bedeutung von Literatur für seine Musik.
Auf deinem Debütalbum „unfolding” passiert musikalisch sehr viel Verschiedenes. Es ist schwer, es wirklich irgendwo exakt zuzuordnen. Wie würdest du selber die Musik beschreiben?
Dan Mueller: Würde ich es mir leicht machen, würde ich sagen, es geht in etwa in die Richtung von Art-Pop-Indietronica. Allerdings ist das Ganze mit Elementen anderer Stile angereichert. In den Songs finden sich auch Elemente aus Trip-Hop und Dub. Es steckt also schon sehr viel drin. Und ich tue mir auch selber schwer, meine Musik irgendwo genau zu verorten, weil ich tatsächlich von vielen Sachen beeinflusst worden bin, die in irgendeiner Form alle vorkommen. Es ist aber keinesfalls so, dass ich mich bewusst an Stilen orientiere. Vielmehr ist meine Arbeitsweise dadurch bestimmt, dass ich versuche, die jeweiligen Songs am besten zur Geltung kommen zu lassen. Und so kommen eben die verschiedenen Stilrichtungen dazu.
Auf jeden Fall ergibt bei dir alles zusammen einen sehr eigenen Sound, der irgendwo zwischen hörbar auf der einen Seite und experimentell auf der anderen eingebettet ist. Man hört ihm an, dass da viel dahintersteckt. War dieser Sound schon von Beginn an gewollt von dir oder hat er sich im Laufe der Zeit während der Arbeit an den Songs entwickelt?
Dan Mueller: Ich würde sagen, zuerst ist eine Idee da, und durch die weitere Arbeit entsteht dann das Soundbild. Mein Schreibprozess sieht so aus, dass ich eine Idee von einer Melodie habe, die immer mit einer Verszeile verbunden ist. Dann schreibe ich am Klavier den Song weiter und schaue, welcher Beat am besten passen könnte. Das ist im Grunde die Basis eines jeden meiner Songs. Man muss vielleicht auch dazu sagen, dass das Album über einen längeren Zeitraum entstanden ist. Und so kam es, dass ich, je länger ich daran gearbeitet habe, ein immer klareres Bild vom Sound bekommen habe. Am Ende kamen dann noch die Drums dazu. Diese sorgten dafür, dass die Musik im Ganzen letztlich organischer wurde. Die Drums hat Mario Gschwendtner (Fantast, Alpha Romeo; Anm.) eingespielt, der selbst einige Ideen beisteuerte und ein Konzept erarbeitete, das sich an meinen Beats orientierte. Sein Beitrag verlieh dem Ganzen letztendlich eine gewisse Einheitlichkeit. Das Album ist zwar kein Konzeptalbum, aber es gibt konzeptuelle Momente, die das Ganze zusammenhalten. Es sind nicht einfach irgendwelche Tracks, die aus dem Nichts kommen, sondern sie entstammen einer bestimmten psychologischen Disposition oder einer bestimmten Zeit meines Lebens. Ich glaube, das ist das inhaltliche Moment, das diesem Album seine innere Kohärenz verleiht.
Du hast erwähnt, dass die Songs über einen längeren Zeitraum entstanden sind. Du hast mit dem Songschreiben ja 2019 begonnen. So gesehen ist viel Material auch während der Corona-Pandemie entstanden. Wie sehr hat sich die dunkle Stimmung auf deine Musik ausgewirkt?
Dan Mueller: Das kann ich eigentlich gar nicht so klar beantworten. Ich glaube, dass die eher dunklen Sounds, die auf dem Album vorkommen, einfach da sind, weil ich sie zum jetzigen Zeitpunkt meiner aktuellen künstlerischen Arbeit tendenziell einfach bevorzuge. Sie spiegeln die Ernsthaftigkeit, die mir sehr wichtig ist, einfach am besten wider. Gleichzeitig ist es mir aber auch wichtig, dass die Songs auch eine gewisse Leichtigkeit vermitteln. Meine Musik soll ja nicht in die reine Melancholie hineinkippen.
Aber sicher, die Pandemie mit all ihren Auswirkungen wird schon auch eingeflossen sein. Vor allem der „Survival Song“ hat diese Thematik aufgenommen. Wobei ich schon versucht habe, das Thema nicht irgendwie platt rüberzubringen. Daher habe ich in dem Track viel mit Metaphorik und literarischen Verweisen gearbeitet. Ich wollte dieses Gefühl, auf sich selbst zurückgeworfen zu werden, einfach auch zum Ausdruck bringen.
Dein Rezept scheint überhaupt zu sein, einen dunklen Unterton mit poppiger Catchiness zu verbinden.
Dan Mueller: Eine Leitidee von mir war schon, dass dieses poppige Element genauso stark hervortritt, wie dieser dunkle Unterton. Der Versuch, diese Ambivalenz darzustellen, ist definitiv auch in den Sound miteingeflossen. Dieser Zugang hat unter anderem auf die Art, wie ich die Synths verwende, eine Auswirkung. Ich wollte mit den Synth-Sounds manchmal Dinge einfach leichter machen. Man kann daher schon sagen, dass diese Idee das Soundbild sehr stark geprägt hat.
Du stammst ja eigentlich aus der Filmecke …
Dan Mueller: … genau, ich habe bei einigen Kurzfilmen mitgearbeitet. Unter anderem beim “Paukhofstraße” von Hannahlisa Kunyik, wo ich Dramaturgie und Musik gemacht habe. Und daneben auch noch Sound Art. Das war auch während der Pandemie ganz gut, weil ich dafür einige Stipendien bekommen habe, die es mir ermöglicht haben, zu arbeiten.
Wieso kam es dann zum Schritt hin zur Musik?
Dan Mueller: Ich habe eigentlich immer schon Songs geschrieben. Ich habe Klavier gelernt und irgendwann mit 15 zur Gitarre gegriffen. Und das Erste, was ich dann gemacht habe, war es einen Song zu schreiben. Ich habe über die Jahre extrem viele Songs für die Schublade geschrieben. Musik war also immer schon ein Bestandteil meines Lebens. Ich empfand das Schreiben von Songs auch immer als den künstlerischen Ausdruck, der mir am nächsten war. Musik und Lyrik miteinander zu verbinden, fiel mir eigentlich immer am leichtesten. Warum es mit der Musik dann dennoch so lange gedauert hat, kann ich dir nicht wirklich sagen. Irgendwann habe ich begonnen, meine Songs elektronisch zu produzieren, vielleicht war das einer der Gründe, warum ich mich wieder intensiver mit Musik zu beschäftigen begann. Auf jedem Fall empfand ich den Schritt hin zur Musik als einen sehr natürlichen.
Auffällig an deiner Musik sind die vielen kleinen Details. Man merkt, dass da viele Gedanken dahinterstecken und viel an den Songs herumgefeilt worden ist. Gehe ich recht in der Annahme, dass bei dir ein großer Hang zum Perfektionismus vorhanden ist.
Dan Mueller: Oh ja, das hast du schön herausgehört.
„Am Ende war es wahrscheinlich knallharter Pragmatismus, der entschieden hat.“
Hat dich jemand in diesem Perfektionismus bremsen müssen?
Dan Mueller: Ich glaube, da ist viel in Stufen abgelaufen. Ich bin immer wieder zu Punkten gekommen, an denen ich mir gesagt habe, dass das jetzt ganz gut ist, nur fehlt mir für einen nächsten Schritt etwas. Dann habe ich geschaut, was noch gefehlt, und habe in die Richtung gearbeitet, dass ich eben das bekomme, was fehlt. In der Art haben sich die Sachen dann länger weiterentwickelt.
Ich glaube, dass ich es letztlich selbst war, der gebremst hat. Unter anderem aus dem banalen Grund heraus, dass das Album fertig werden muss. Du produzierst so ein Album ja in einer bestimmten Phase deines Lebens und irgendwann ist diese eben zu Ende. Und wenn das so ist, stellt sich die Frage, wieviel kannst du an diesen vielen Sachen, die zum Teil sehr persönlich sind noch ändern, noch verbessern. Ich hatte irgendwann schlicht und einfach auch keine Lust mehr. Ich hatte eh schon so viel Zeit investiert. Am Ende war es wahrscheinlich knallharter Pragmatismus, der entschieden hat. Ich veränderte noch da und dort noch ein paar Dinge, mit denen ich nicht zufrieden war, und gab mich dort zufrieden damit, wenn es okay für mich war. Diesen Pragmatismus musste ich aber erst lernen.
Wie sieht eigentlich deine musikalische Sozialisation aus?
Dan Mueller: Ich komme aus sehr textlastiger Musik. Ich habe viel Bob Dylan gehört, weil ich seine Art, Texte zu schreiben und Geschichten zu erzählen, sehr mochte, Vor allem mochte ich seinen Witz. Es waren zunächst als mehr die Singer/Songwriter-Sachen, die mich begeisterten. Dann habe ich Radiohead entdeckt, die für mich in Folge sehr wichtig wurden. Gleichzeitig habe ich aber immer auch sehr viel Klassik gehört. Unter anderem Schubert und Mahler. Zudem war ich immer sehr interessiert an Harmonielehre. Ich wollte einfach wissen, nach welchen Regeln und Gesetzen man Musik bauen kann.
Was ich musikalisch auch extrem geil fand, waren A Hawk And A Hacksaw, die ich, obwohl sie komplett etwas anderes machen als ich, sehr spannend in Bezug auf die weltmusikalischen Einflüsse, die sie in ihrer Musik zulassen, gefunden habe. Nostalgia 77 haben mir auch sehr getaugt. Vor allem wie sie Melancholie transportieren und in Elektronik packen.
Filmmusik finde ich auch ganz großartig.
Literatur ist auch eine große Inspirationsquelle für dich. Und wie fließt diese Vorliebe in deine Musik ein.
Dan Mueller: Das stimmt. Literatur inspiriert mich auch sehr. Vor allem auch die diversen Techniken der Literatur, wie Bruchlinien, Leerstellen oder Verweise.Wenn ich einen Song schreibe, versuche ich diese literarischen Techniken in der Soundkonstruktion widerspiegeln zu lassen. Eine andere Technik, die ich anwende, ist das aus dem Film kommende Montageprinzip, wo du über Schockmomente Erfahrungen erzeugst. Dieses literarisch-philosophisch-filmische Montageprinzip ist mir schon immer ein Leitfaden, wobei das jetzt nicht notwendigerweise bedeutet, dass alles immer nach diesem Prinzip auch passieren muss. Da lasse ich mir schon auch Freiheiten.
Du bist vor dem Album musikalisch ja noch nicht in Erscheinung getreten. Wie sehr bist du eigentlich in der österreichischen Musikszene verankert?
Dan Mueller: Ich war eigentlich gar nicht verankert, was natürlich auch ein Problem war. ich habe aber im Rahmen der Produktion von „Paukhofstraße“, bei der ich die Musik gemacht habe, ein paar Leute kennengelernt. Unter anderem Sebastian Watzinger (Mirac; Anm.). Er hat früher viel Rap gemacht und macht jetzt vor allem viel Sounddesign für Filme. Den habe ich, als ich nach einem Drummer gesucht habe, einfach angeschrieben und ihn gefragt, ob er jemanden kennt. Er hat mir dann Mario Gschwendtner empfohlen. Über ihn bin ich dann zu dem Produzenten Alexandr Vatagin gekommen, der mir dann weitere Leute empfohlen hat. Das passierte alles erst im letzten Jahr. Davor war ich wirklich extrem schlecht vernetzt.
Wie stellst du dir die Liveumsetzung deiner Musik vor?
Dan Mueller: Das ist im Moment nicht ganz einfach. Zurzeit stehe ich solo auf der Bühne. Längerfristig würde ich gerne versuchen, meine Musik in einem größeren Kontext mit anderen Musiker:innen auf die Bühne zu bringen. Im Moment ist es so, dass ich diese Stimmen, die ich performen kann nehme und die dann spiele. Das sind die Keys und die Synths. Der Rest sind dann Samples und Playback. Aber das funktioniert ganz gut. Und das hoffe ich, beim Releasekonzert zeigen zu können.
Herzlichen Dank für das Interview.
Michael Ternai
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LAIN live
23.6. Celeste, Wien
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