„Ich glaube, das europäische Denken ist ganz wesentlich“ – KLAUS AGER und JAKOB GRUCHMANN im mica-Interview

Wolfgang Seierl sprach mit den beiden Komponisten KLAUS AGER und JAKOB GRUCHMANN über die Festspiel- und Mozartstadt Salzburg, die Situation der Neuen-Musik-Szene und die Schwierigkeiten der Komponistinnen und Komponisten, von ihrer Kunst leben zu können.

Wie sehr können Prädikate wie „Musikstadt“ und Ikonen wie Mozart behindern oder beflügeln?

Jakob Gruchmann: Ich denke, es ist zwiespältig. Einerseits kann es sehr wohl beflügeln, andererseits kann es auch zum Schatten werden, der wie ein Fluch über dieser Stadt hängt. Als praktizierender Musiker habe ich eher profitiert, zum Beispiel durch meine Arbeit für das Mozart Kinderorchester im Rahmen der Mozartwoche. Es gibt immer wieder Projekte, die an Mozart anknüpfen, für die Salzburger Komponistinnen und Komponisten herangezogen werden. Andererseits ist es zum Beispiel als Salzburger Komponistin beziehungsweise Komponist sehr schwierig, bei den Festspielen unterzukommen. Ich habe den Schritt, nach dem Bachelor nach Graz zu gehen, bewusst gemacht.

Können Sie bezüglich Graz schon einen Vergleich ziehen?

Jakob Gruchmann: Ja, auf jeden Fall. Graz ist, vor allem was Neue Musik betrifft, der fruchtbarere Boden, wo ich mich selbst mehr verwirklichen und meine Ideen auch umsetzen kann, und es gibt dort sowohl auf der Uni als auch in der Stadt eine sehr gute Szene. An der Universität gibt es jetzt auch das Masterstudium PPCM – Performance and Practice in Contemporary Music, welches vom Klangforum Wien betreut wird. Das heißt, da sind schon einmal sehr viele Musikstudierende, die sich ausschließlich mit Neuer Musik beschäftigen. Bei mir ist der Vorteil bezüglich Salzburg, dass ich als Hornist aus der Musizierpraxis komme und sehr viel Klassik gespielt habe. Dadurch kann ich gezielt auf die Bedürfnisse von Musikerinnen und Musikern, die ein neues Stück haben wollen, eingehen. Ich kann mich in die Lage der Musikerinnen und Musiker hineinversetzen, schränke andererseits dabei auch meine Möglichkeiten etwas ein. Das war eine Zeit lang eine gute Chance, in die Szene hineinzukommen. Doch nicht selten, wenn man einen Kompositionsauftrag für die hiesige Musikszene bekommt, wird man als Komponistin beziehungsweise Komponist leider immer wieder darauf hingewiesen, „das Publikum nicht zu überfordern und etwas ‚Hörbares‘ zu schreiben“. Solche Kommentare sind überflüssig und zeugen meiner Meinung nach davon, etwas Grundsätzliches im Wesen der Musik noch nicht ganz erfasst zu haben. Entweder man gibt einer beziehungsweise einem im 21. Jahrhundert lebenden Komponierenden einen Auftrag oder man lässt es gleich bleiben. Wahre Komponistinnen und Komponisten sind Freie und keine Sklaven.

Haben die Vorteile, die Graz im Vergleich zu Salzburg für Sie hat, mit den genannten Prädikaten Salzburgs zu tun?

Jakob Gruchmann: Kann sein. Die Stadt an sich hat ein gewisses bürgerlich eingesessenes Flair. Natürlich gibt es auch in Salzburg starke Bemühungen, die Neue-Musik-Szene zu etablieren.

„Salzburg ist aber wohl für Komponistinnen und Komponisten eine schwierige Stadt.“

Klaus Ager: Ich kenne Salzburg verhältnismäßig gut, weil ich seit vielen Jahren hier tätig bin. Ich hatte das Glück – oder Pech –, hier am Mozarteum an der heutigen Universität eine interessante Aufgabe zu finden. Salzburg ist aber wohl für Komponistinnen und Komponisten eine schwierige Stadt. Schon die Geschichte Salzburgs zeigt es: Salzburgs Fürsterzbischöfe haben Kultur eigentlich fast immer importiert, das ist in Salzburg ein grundsätzlicher Standpunkt, dass das, was etwas wert ist, von außen kommen muss. Man gründet zum Beispiel die Salzburg Biennale und der Intendant wird von Berlin geholt. An der Universität Mozarteum ist es nicht anders: Für Salzburgerinnen und Salzburger wird es immer schwieriger, auch für die Stiftung Mozarteum gilt das. Vor 20 oder 30 Jahren war es noch ein wenig anders. Da ist die Stiftung noch irgendwie auf uns zugegangen, und das ist jetzt ja überhaupt nicht mehr der Fall. Die Stiftung macht ja fast nur mehr Importiertes. Ich persönlich glaube, dass dies schon eine typische Salzburger Mentalität ist, die sich in den letzten 1.000 Jahren entwickelt hat und die man ja auch am Stadtbild sehen kann. Als ich andererseits 1973 nach Salzburg kam, gab es für Neue Musik fast nichts: Die Stiftung hat ein Konzert gemacht und im ORF-Studio gab es fünf Konzerte, das war‘s. Ich habe mich dann selbst ein bisschen bemüht, etwas in die Wege zu leiten. Und man muss schon sagen: Das Bewusstsein, etwas tun zu müssen, war grundsätzlich da, besonders bei den kulturellen Entscheidungsträgerinnen und Entscheidungsträgern. Darüber hinaus hat Salzburg einen anderen Ruf in der Welt als andere vergleichbare Städte: Das war und ist natürlich ein Vorteil. Als wir das European Composers Forum gegründet haben, habe ich wieder einmal gesehen, dass Salzburg kulturell durchaus wahrgenommen wird; vergleichbare Städte, in denen vielleicht sogar mehr passiert als in Salzburg, hingegen viel weniger. In der Wahrnehmung der Menschen ist Salzburg eine Stadt der Musik und viele kommen immer wieder gerne hierher. Das hat selbstverständlich Vorteile. Trotzdem muss man sagen: Es ist für kreative Menschen nicht einfach, deshalb glaube ich auch, dass man als junger kreativer Mensch nach dem Studium unbedingt mindestens ein paar Jahre ins Ausland gehen sollte, um auch anderes kennenzulernen. Ich habe mich in meinem Leben natürlich auch immer wieder gefragt, ob die Entscheidung, in Salzburg zu bleiben, die richtige war, obwohl ich natürlich auch weiß, dass es auf diese Fragen keine Antwort gibt.

In Salzburg zu studieren ist also ratsam, in Salzburg zu bleiben, nicht, womit wir schon bei den Ausbildungsstätten sind. Profitieren die in Salzburg gebliebenen Musikschaffenden von der Universität Mozarteum, vom Musikum oder von der Fachhochschule, und gibt es so etwas wie eine Szene?

Jakob Gruchmann: Das musische Gymnasium zum Beispiel hat jedes Jahr ein Konzert im großen Saal der Stiftung Mozarteum und auch das Musikum hatte vor Kurzem ein großes Konzert in der Aula, was auf jeden Fall Auswirkungen auf die Musikszene hat. Das wird von vielen wahrgenommen und geschätzt. Die Universität Mozarteum ist, denke ich, mehr in sich geschlossen. In Graz ist es anders, da ist die Uni im öffentlichen Leben sehr präsent. Man könnte darüber diskutieren, ob sich die Uni als Ausbildungsstätte dem öffentlichen Leben eher verschließen oder in der Szene mitmischen soll. Für mich wäre Letzteres auf jeden Fall vorzuziehen und wünschenswert. Ich selbst habe es damals so erlebt, dass schon einiges in dieser Richtung passiert ist, doch hätte ich mir gewünscht, dass die verschiedenen Institute und Institutionen bezüglich Neuer Musik und Komposition mehr zusammengearbeitet hätten. Da wäre schon viel mehr möglich.

In Salzburg merkt man im Vergleich etwa zu Graz kaum, dass es sich um eine Universitätsstadt handelt, weil wenig junge Leute unterwegs sind und sich relativ wenig junge Leute am kulturellen Leben beteiligen. Gibt es dafür eine Erklärung?

Jakob Gruchmann: Die Uni und die Musikszene sind in Salzburg ziemlich getrennt. Es ist wirklich so, dass sich nur sehr wenige der am Mozarteum Studierenden an der Musikszene aktiv beteiligen. Das ist vielleicht auch auf den Punkt zurückzuführen, dass das Mozarteum einen internationalen Ruf genießt und deshalb sehr viele Studierende aus aller Welt kommen und nicht lange bleiben. Es braucht natürlich eine gewisse Zeit, bis man sich in eine Szene hineinlebt, in sie hineinwächst. Bei mir ist es anders, weil ich gebürtiger Salzburger bin und vorher schon in dieser Szene verwurzelt war. Ich fühle mich sehr wohl hier, weil ich in der Szene daheim bin und inzwischen meine Projekte auch mehr und mehr verwirklichen kann. Es braucht alles sehr viel Zeit in Salzburg und man muss auch ständig dranbleiben und kämpfen, damit sich Errungenschaften nicht wieder verlaufen oder sogar bewusst rückgängig gemacht werden.

„Dadurch findet auch die so wichtige Integration der Kompositionsklassen in die Szene nicht so statt, wie es wünschenswert wäre.“

Das war ja nicht immer so. Herr Ager, Sie haben das Österreichische Ensemble für Neue Musik mitbegründet, auch das Aspekte-Festival. Diese Institutionen haben lange eng mit dem Mozarteum zusammengearbeitet.

Klaus Ager: Teilweise. Natürlich gab es mit der Universität (der damaligen Hochschule) immer eine gute Zusammenarbeit, allerdings haben wir trotzdem immer versucht, eine gewisse Unabhängigkeit der Aktivitäten zu bewahren. Die Zusammenarbeit hing natürlich auch mit meiner Tätigkeit am Mozarteum zusammen. Als ich die Aspekte gegründet habe, war ich zuerst noch Assistent und dann Gastprofessor an der damaligen Hochschule Mozarteum. Was Herr Gruchmann gesagt hat, finde ich sehr interessant und richtig. Das Mozarteum ist eine riesige Universität. Nach der Wiener Musikuniversität eine der größten in Europa, das darf man nicht vergessen. Auf der anderen Seite hatte gerade die Neue Musik an der Universität Mozarteum immer einen schweren Stand. Auch wenn die Rektoren (und ich denke da natürlich besonders an Richter-Herf und an Wolfgang Roscher) und ich selbst in meiner Zeit als Rektor-Stellvertreter und später als Rektor sich sehr um die Neue Musik bemüht haben und die Situation ein bisschen zu verbessern versucht haben, ist es nicht wirklich gelungen. Einiges von mir Initiierte ist inzwischen auch wieder rückgängig gemacht worden. Wir haben in meiner Zeit [1991–2000, Anm.] auch versucht, mit den Kompositionsstudierenden ein bisschen nach außen zu gehen und mit anderen Hochschulen international zusammenarbeiten. Solche Aktivitäten sind – meines Wissens nach – leider wieder vollkommen eingeschlafen. Darüber hinaus haben wir seit einiger Zeit ein Problem, das mit der Internationalisierung der Besetzung der Professorenstellen an der Uni zusammenhängt. Die Kompositionsprofessorinnen und -professoren der letzten Jahre sind nicht so in die Salzburger Szene eingebunden, wie das früher der Fall war. Herr Schaeffer, Frau Hölszky, Herr Febel und auch Herr Murail spielen beziehungsweise spielten in der Salzburger Kulturlandschaft kaum eine Rolle. Dadurch findet auch die so wichtige Integration der Kompositionsklassen in die Szene nicht so statt, wie es wünschenswert wäre. Und das fehlt uns zurzeit ein bisschen. Wenn das besser wäre, würde auch das, was Kollege Gruchmann angedeutet hat, besser sein. Ich selbst habe am Mozarteum nie Komposition unterrichtet und war deshalb nicht in der Position, diese Dinge zu ändern. Als Rektor habe ich mich bemüht, diese Dinge besser zu integrieren und zu koordinieren, aber man ist nur ein paar Jahre Rektor und hat danach eigentlich nur wenige Möglichkeiten.

Eine Neue-Musik-Szene hat es doch immer wieder gegeben. Viele Musikerinnen und Musiker sowie Musikstudierende waren doch immer wieder in Projekte eingebunden.

Klaus Ager: Ja, aber es hat nie so wirklich ganz gegriffen. Wir haben uns sehr bemüht, aber es ist doch ziemlich schwierig, so etwas aufzubauen. Es erfordert wahnsinnig viel Zeit und auch viel Geld, und das Geld war in Salzburg eigentlich nie da. Salzburg ist doch eine Stadt, in der das Geld für den kulturellen Bereich in erster Linie in andere Bereiche fließt, nicht zu den lokalen Initiativen. Positiv hingegen sehe ich in diesem Zusammenhang die Internationalität der Stadt und auch die der Universität Mozarteum im vor allem europäischen Kontext. Das europäische Denken ist, glaube ich, eine große Chance, die man nützen muss, und sie wird auch genützt. Da ist Salzburg wieder ganz gut, weil das Mozarteum eine internationale Studentenschaft hat. Ich glaube, das europäische Denken ist ganz wesentlich.

Jakob Gruchmann: Es ist wichtig, die Gunst des internationalen Rufs Salzburgs zu nutzen und daraus Vorteile zu ziehen, um die Nachteile, die schon angesprochen wurden, auszugleichen. Auch in der Zusammenarbeit mit anderen Kunstsparten gäbe es im Anschluss an manches, was schon versucht wurde, noch viele Möglichkeiten.

„Ich weiß nicht, ob es hier jemanden gibt, der vom Komponieren leben könnte.“

Das Ergebnis der Studie zur sozialen Lage der Kunstschaffenden in Österreich ist nicht ermutigend. Wie kann man in Salzburg vom Musikschaffen leben? Was heißt es, in Salzburg als Musikerin beziehungsweise Musiker ober als Komponistin beziehungsweise Komponist erfolgreich zu sein?

Klaus Ager: Ich bin in der glücklichen Situation, dass sich wegen meiner Professur diese Frage nie so drastisch gestellt hat. Auf der anderen Seite hat es natürlich Momente gegeben, in denen ich mich gefragt habe, ob ich es ohne sichere Anstellung schaffen könnte. Ich war auch einmal – 1983 – kurz davor, meine Lehrstelle an der Hochschule aufzugeben, und hab dies auch den Entscheidungsträgern der Hochschule bereits mitgeteilt. Durch meine Gastprofessur – nach der damaligen Praxis wurde die Professur nur für neun Monate vergeben – war ich acht Jahre lang jedes Jahr drei Monate im Sommer ohne Anstellung und hab diese Zeit dann an Universitäten in den USA zur Weiterbildung im Bereich digitaler Musikproduktion genützt. Ich kann nur persönlich für mich sagen, dass ich auch plante, Salzburg zu verlassen, da ich keine großen Möglichkeiten sah. Ich weiß nicht, ob es hier jemanden gibt, der vom Komponieren leben könnte. Ich kenne Kolleginnen und Kollegen in Wien, die das bis zu einem gewissen Grad schaffen. Österreichweit sind das aber verhältnismäßig wenige, und ich kenne viele, die es nicht geschafft haben und beruflich umgesattelt haben oder in ziemlich tristen Verhältnissen leben. Und was noch vor ungefähr 30, 40 Jahren ganz anders war, ist die Remuneration der Urheberrechte durch die AKM, die sich sehr verschlechtert hat. Man kann also nur mehr von Aufträgen und den Verlagsrechten, die man damit hat, leben. Und hier von Salzburg aus Aufträge zu lukrieren ist verhältnismäßig schwierig. Ich glaube, wenn man als Komponistin beziehungsweise Komponist eine Karriere machen will, dann gibt es hier diese Möglichkeit wahrscheinlich nicht.

Jakob Gruchmann: Für den Bereich Neue Musik stimmt das auf jeden Fall. Die Musikszene in Salzburg ist eher auf Klassik ausgerichtet. Vieles hängt davon ab, welches Profil man sich als Komponistin beziehungsweise Komponist aufbaut. Bei mir ist es so, dass ich schon allein durch meine musikalische Herkunft ziemlich in dieser Musikszene drinnen bin. Allerdings, wie schon gesagt, bewegte ich mich als Komponist für längere Zeit innerhalb gewisser Rahmenbedingungen – war es bewusst oder unbewusst. Dies war aber unbedingt nötig, um als junger Komponist in der Salzburger Musikszene anerkannt und ernstgenommen zu werden. Erst mit dem Aspekte-Festival bot sich mir eine Plattform an, meiner Kreativität ohne Einschränkungen freien Lauf zu lassen. Die Aspekte sind beispielsweise zurzeit sehr bemüht, regionalen jungen Talenten einen Einstieg in die Neue-Musik-Szene zu ermöglichen und diese auch international zu vernetzen. Davon zeugen die erst vor kurzer Zeit gegründeten Aspekte-Spielräume, ein Konzert im Rahmen des Aspekte-Festivals, das es jungen Künstlerinnen und Künstlern ermöglichen soll, sich einem an Neuer Musik interessiertem größeren Publikum zu präsentieren. Trotz dieser Bemühungen glaube ich, dass man als unabhängige Komponistin beziehungsweise unabhängiger Komponist in Salzburg nicht von seiner Arbeit leben kann und dass es wirklich nicht einfach ist, von dort aus den Schritt – oder in diesem Fall schon besser gesagt Sprung – in die nationale und auch internationale Neue-Musik-Szene zu schaffen.

Was sind Ihre Pläne für die Zukunft? Denken Sie daran, wieder nach Salzburg zu gehen, oder ins Ausland?

Jakob Gruchmann: Grundsätzlich reizt es mich auf jeden Fall, einmal ins Ausland zu gehen, zumindest für eine gewisse Zeit, aber ich fühle mich mit Salzburg grundsätzlich sehr verbunden. Ich bin auch seit Kurzem in der glücklichen Lage, eine Lehrstelle am Konservatorium zu haben, und muss erst sehen, wie sich das alles entwickelt. Bezüglich der schlechter werdenden wirtschaftlichen Lage ist es jedenfalls wichtig, dass sich die Komponistenszene darum bemüht, jede Gelegenheit zu nutzen, der Gesellschaft deutlich zu machen, wie wichtig Kunst ist, und den Menschen die Kunst nahezubringen oder es wieder zu tun. Es ist ja nicht so, dass alle Menschen das sofort verstehen. So wie es verschiedene Sprachen gibt, so gibt es in der Musik auch verschiedene Sprachen. Manche funktionieren anders und sind nicht von heute auf morgen zu verstehen. Darum wird auch der Bereich Musikvermittlung immer wichtiger, besonders in der Neuen Musik.

„Die Probleme einer Zeit wie der heutigen […] sind Herausforderungen, die unglaublich spannend sind.“

Werden Sie in Salzburg bleiben, nachdem Sie ihre berufliche Tätigkeit am Mozarteum beendet haben?

Klaus Ager: Ich stehe ja sozusagen an einer interessanten Schnittstelle des Lebens und ja, das wird sich zeigen. Ich bin am Überlegen. Die Probleme einer Zeit wie der heutigen, in der die Aufgabenstellungen in der Kultur so vielfältig sind und in der Kunst sich durch die digitale Revolution, an der wir ja irgendwie mitgearbeitet haben, Grundsätzliches ändert, in einer Zeit, in der die Musik, die wir machen, durch die ganze Musikindustrie infrage gestellt wird, sind Herausforderungen, die unglaublich spannend sind. Mir tut es ein bisschen leid, nicht jünger zu sein und die Kraft zu haben, da noch aktiver mitzutun. Auf der anderen Seite werde ich viele Möglichkeiten haben, mich zurückzuziehen und einfach zu arbeiten. Meine Generation hat das große Glück gehabt, dass wir von den 70er-Jahren bis jetzt doch eine interessante Zeit gehabt haben, auch bezüglich der großen kulturellen und soziologischen Änderungen. Es ist nicht alles gelungen, was wir wollten, und das ist schade. Gerade im lokalen Bereich war es doch ziemlich schwierig. Das Österreichische Ensemble für Neue Musik hat sich Gott sei Dank gut entwickelt, auch das Festival Aspekte, das ist sehr positiv. Es wäre aber noch mehr zu tun gewesen, und leider ist die Unterstützung von der öffentlichen Hand nicht in dem Maße erfolgt, wie wir es gerne gehabt und gebraucht hätten.

Heute wird der Wert des Musikschaffens relativiert, Regelungen wie das Urheberrecht scheinen überkommen.

Klaus Ager: Das Urheberrecht, wie es jetzt formuliert ist, ist ein Gesetz des 19. Jahrhunderts und entspricht schon seit mindestens 30, 40, wenn nicht 50 Jahren nicht mehr den heutigen Gegebenheiten. Da müsste man grundsätzlich nachdenken, was zum Teil ja getan wird, aber die Konsequenzen daraus werden nie gezogen. Es wird zu wenig Grundsätzliches diskutiert, was beispielsweise die Arbeit der Urheberin beziehungsweise des Urhebers wirklich ist, was da verkauft wird. Da kommen dann immer diese dummen Bemerkungen, dass der Bäcker für sein Brot auch etwas bekommt. Die Situation bei den Musikschaffenden ist jedoch eine ganz andere. In der bildenden Kunst und in der Literatur sieht es wieder ein bisschen anders aus. Da kann man ja sagen, ein Bild ist ein Bild. Aber in der Musik, wo der Werkbegriff grundsätzlich infrage gestellt und mit den ganzen Möglichkeiten der Vervielfältigung immer problematischer wird, glaube ich, dass man wirklich einmal auf einer breiten Ebene nachdenken und Grundsätzliches ändern müsste, und nicht an einem Gesetz, das 200 Jahre alt ist, herumdoktern sollte und – zum Beispiel – zu einem Zeitpunkt Festplattenabgaben einzustreichen, wo es die Festplatte bald nicht mehr gibt. Das alles ist irgendwie absurd.

Danke für das Gespräch.

Wolfgang Seierl
Foto Jakob Gruchmann (c) J. Gruchmann
Foto Klaus Ager (c) ÖKB