Die Pianistin BARBARA BRUCKMÜLLER leitet ihre eigene Big Band und wird heuer im Rahmen des Wienerlied-Festivals „Wean Hean“ auftreten. Das Festival findet von 16. April bis 11. Mai an verschiedenen Spielorten in Wien statt. Ein Gespräch über Günther ‚Howdy‘ Schifter, den „Gschupften Ferdl“ und Bruckmüllers aktuelle CD „Mei Mutterl war a Weanerin“, auf der sie klassische Wienerlieder in Big Band-Sound kleidet. Das Interview führte Jürgen Plank.
Wann haben Sie begonnen, Musik zu machen?
Barbara Bruckmüller: Begonnen hat das schon als Kind. Ich war sehr an Musik interessiert – als ich sechs Jahre alt war, wollte ich Schlagzeug lernen. Wir hatten aber ein Klavier zu Hause stehen, also habe ich am Klavier begonnen. Im Alter von acht bis 14 Jahren habe ich die Musikschule besucht, bin dann kurz ausgestiegen und habe mit 18 Jahren wieder zum Jazz zurück gefunden – durch das Hören von Livebands, die in kleinen Clubs gespielt haben.
Wie ist es dann weiter gegangen?
Barbara Bruckmüller: Ich habe dann ein Jazzpiano-Studium bei Paul Urbanek am Gustav-Mahler-Konservatorium abgeschlossen, bin aber mehr in Richtung Komponieren und Arrangieren gegangen. Ich war von Big Bands begeistert, ich habe als Kind schon Hollywood-Jazz-Bands gehört und mir hat der Sound der Big Bands gefallen.
Waren Sie ein Fan der Radiosendungen von Günther „Howdy“ Schifter?
Barbara Bruckmüller: Als Kind ja, doch. Es gab am Nachmittag regelmäßig die „Oldies but Goldies“, dann gab es immer die Sendung „Musik zum Träumen“ am Abend, mit dem Richard-Oesterreicher-Orchester. Ja, das habe ich als Kind schon gehört.
Wie ist dann Ihre eigene Big Band entstanden?
Barbara Bruckmüller: Dass ist dadurch gekommen, dass ich angefangen habe, Big-Band-Sachen zu schreiben und zu komponieren, aber weil natürlich keine Big Band da war, die das gespielt hätte, hat eine Freundin und Musikerkollegin, Tina Schwarz, gemeint: „Gründe doch deine eigene Big Band und spiele deine Sachen!“ So ist 2009 meine eigene Big Band entstanden. Ich habe einen Konzerttermin im Porgy & Bess bekommen, habe alle Musikerinnen und Musiker dafür engagiert, und der Hauptkern ist immer noch dabei.
Wie viele Musikerinnen und Musiker sind das und woher stammen diese?
Barbara Bruckmüller: Insgesamt sind es 16 bis 17 Musikerinnen und Musiker, es sind hauptsächlich Österreicherinnen und Österreicher, zwei bis drei aus Deutschland, aus der Schweiz und sogar einer aus Brasilien, der in Deutschland lebt, das ist Paulo Cardoso.
Wie hält man eine Big Band zusammen? Ich stelle ich mir das allein schon wegen der Probezeiten und der Anreise zu Auftritten relativ schwierig vor.
Barbara Bruckmüller: Dazu muss ich sagen: Ich habe wirklich tolle Musikerinnen und Musiker um mich, die sich dafür auch Zeit nehmen. Allzu oft wird nicht geprobt, meist wenn ein Projekt oder ein Konzert ansteht, dann trifft man sich vorher, gibt die Noten aus und es gibt zwei bis drei Proben.
„Ich mache das, was ich fühle oder spüre, und versuche, nicht zu kopieren.“
Welche Musik hat Sie zu den eigenen Stücken inspiriert? Worauf beziehen Sie sich musikhistorisch?
Barbara Bruckmüller: Ich mag Gil Evans und Miles Davis und ich mag sehr gerne Oliver Nelson. Count Basie und Duke Ellington, das ist sowieso klar. Das sind meine Inspirationen. Wenn man meine eigenen Kompositionen hört, würde man nicht viel davon erkennen, weil ich versuche, meinen eigenen Sound zu finden. Ich mache das, was ich fühle oder spüre, und versuche, nicht zu kopieren.
Barbara Bruckmueller Big Band recording from Barbara Bruckmueller on Vimeo.
Das Musikmagazin Concerto hat eine sehr lobende Geschichte über Ihre erste CD geschrieben. Wie würden Sie denn Ihre Musik beschreiben?
Barbara Bruckmüller: Die eigene Musik zu beschreiben, ist immer schwierig für mich, die zieht sich eigentlich quer durch alle möglichen Stile. Ich habe auch bei der Instrumentierung nicht den Original-Big-Band-Sound, ich habe zum Beispiel ein Horn dabei, weniger Trompeten und weniger Posaunen. Das macht den Klang filigraner und weiblicher, ruhiger und differenzierter.
Sie werden heuer bei Wean Hean dabei sein, was wird da auf dem Programm stehen?
Barbara Bruckmüller: Die Formation ist erweitert, wir werden die Jetlag Allstars featuren, das ist ein Trio, Mario Gheorghiu, Klaus Wienerroither, Ernö Rácz – Geiger, Bassist und Gitarrist. Die drei spielen eher klassische Musik, aufgepeppt mit Pop- und Jazz-Elementen, da haben wir zwei bis drei Stücke gemacht, die mit Big Band begleitet sind. Dann sind wir auch noch erweitert um die Sängerin Barbara Stark, eine sehr gute Freundin von mir, die eben das alte traditionelle Wienerlied singen wird, das ich für die Big Band arrangiert habe.
Welche Wienerlieder stehen auf dem Programm?
Barbara Bruckmüller: Es gibt im Programm „Heut‘ kommen d‘Engerl auf Urlaub nach Wean“, „Mei Mutterl war a Weanerin“, „Der alte Sünder“, „Das Silberne Kannderl“ und „Der Gschupfte Ferdl“. Und dann noch ein paar instrumentale Sachen, wie die „Pizzicato-Polka“ von Johann und Josef Strauß.
„Ich bin mit dem Wienerlied aufgewachsen, weil mein Großvater Heurigenmusiker war.“
Sie sind geborene Wienerin. Erleben Sie das Wienerlied als die eigene Volksmusik?
Barbara Bruckmüller: Ja, sehr wohl. Ich bin mit dem Wienerlied aufgewachsen, weil mein Großvater Heurigenmusiker war. Ich fühle mich mit dem Wienerlied verbunden, da finde ich meine Seele wieder.
Ich finde interessant, dass Sie vorhin das Lied „Der Gschupfte Ferdl“ von Gerhard Bronner erwähnt haben. Sein Wirken reicht bis in die 1950er-Jahre zurück. Sie haben das genannte Lied zum Wienerlied gezählt, ist das für Sie bereits ein Traditional geworden?
Barbara Bruckmüller: Ja, auf jeden Fall. Es wurde in den 1950er-Jahren geschrieben, die anderen Stücke stammen aus den 1920er- und 1930er-Jahren. Es ist zwar stilistisch kein Wienerlied, weil es eher Rock ’n‘ Roll ist beziehungsweise boogie-artig angelegt ist. Aber textlich ist es sehr wienerisch. Dieses Lied wurde ja von Qualtinger wieder belebt …
Das war ein richtiger Hit damals, die Version von Helmut Qualtinger.
Barbara Bruckmüller: Richtig.
Gibt es noch andere Projekte, an denen Sie zurzeit arbeiten oder an denen Sie beteiligt sind? Abseits der eigenen Big Band?
Barbara Bruckmüller: Nein, ich habe mich wirklich auf die Big Band fokussiert, das nimmt auch viel Zeit in Anspruch. Das nächste Projekt ist, dass ich mit den Jetlag Allstars etwas machen möchte, eher klassische Musik, aufbereitet, mit dem Trio und der Big Band.
„Das Wienerlied ist der Wiener Blues.“
Eine Frage noch zu Wean Hean: Was war reizvoll daran, Wienerlieder aufzubereiten?
Barbara Bruckmüller: Ich habe früher beim Spielen schon bemerkt, dass die Harmonien, die Akkordeonharmonien, oft etwas Jazziges und Bluesiges haben. Es ging darum, das heraus zu arbeiten. Das Wienerlied ist der Wiener Blues. Man hat ja oft etwas hinzugedichtet während des Spielens, eine Strophe hinzugemacht oder da und dort noch Wörter angehängt.
Ihre aktuelle CD heißt „Mei Mutterl war a Weanerin“ und zeigt etwas Besonderes am Cover. Beschreiben Sie das Bild bitte kurz?
Barbara Bruckmüller: Das ist meine Mama als Kind und ihre Mama, also meine Großmutter, also die mütterliche Seite meiner Familie.
Lauter Wienerinnen?
Barbara Bruckmüller: Ja, genau. Richtig gestandene Wienerinnen.
„Heut‘ kommen d‘Engerl auf Urlaub nach Wean“ beschreibt, wie die Wienerinnen und Wiener ihren Feierabend verbringen. Man trifft sich gerne, es geht um das wienerische Herz und Gefühl.“
Wie war denn der Arbeitsprozess an der CD?
Barbara Bruckmüller: Das Arrangieren war ein Prozess von zwei bis drei Monaten, das ist ein bisschen langwierig, wenn man das Stück dann für die Big Band niederschreiben muss. Die Idee hatte ich im Jänner, aufgenommen haben wir im August, wir haben eine Woche mit Proben und Aufnahmen verbracht, das hat alles sehr gut geklappt.
Live eingespielt, könnte man sagen.
Barbara Bruckmüller: Mehr oder weniger.
Wie ist denn die Liedauswahl für die CD zustande gekommen? Vielleicht greifen Sie ein Stück heraus und erzählen ein bisschen, was das Besondere daran ist.
Barbara Bruckmüller: Vor ein paar Jahren haben Barbara Stark und ich mit meinem Großvater im Trio ein paar Abende gestaltet und da haben wir einige Lieder ausgesucht. Und die ausgewählten Lieder waren unsere Lieblingsnummern. „Mei Mutterl war a Weanerin“ zum Beispiel wurde von Ludwig Huber geschrieben, als seine Mutter gestorben war. Meine Mutter lebt auch nicht mehr, und das war eine emotionale Aufarbeitung und hat mir sehr gut gefallen. „Heut‘ kommen d‘Engerl auf Urlaub nach Wean“ beschreibt, wie die Wienerinnen und Wiener ihren Feierabend verbringen. Man trifft sich gerne, es geht um das wienerische Herz und Gefühl.
Herzlichen Dank für das Gespräch!
Jürgen Plank
Fotos Barbara Bruckmüller: René Stemeseder