„Ich fühle mich als Mensch in der Sinnlosigkeit des Seins sehr wohl […]“ – BENJAMIN LAGEDER aka MAGIC DELPHIN im mica-Interview

Unter dem programmatisch-mehrdeutigen Namen MAGIC DELPHIN hat sich der Ex-POND-PIRATES-Sänger BENJAMIN LAGEDER schon mit seinem letztjährigen Debüt „Leben am Mars“ als ausgewiesener Connaisseur in Sachen hintersinnig verspulter Indie-Pop-Psychedelic empfohlen. Mit der aktuellen CD „Milde Sorte“ (Mildenburg Records) übertrifft er dabei sogar noch alle Vorschusslorbeeren und reiht sich damit mühelos in die erste Liga popversierter Songwriter ein.

Zwischen „dem Augenzwinkern eines Randy Newmans“ und einer bewussten Abkehr vom allzu leicht bei Thomas Bernhard zu holenden Hass gegen die Muffigkeit der Mozartstadt entspannt sich auf „Milde Sorte“ ein psychedelisch-bohemistisches Kaleidoskop musikalischer wie textlicher Kleinode. Wenn dabei im Pressetext von „einer kleinen Yachtmusik“ die Rede ist, dann trifft das die Sache schon ganz gut. Geht es doch – mitunter leicht verkatert – um Tongue-in-Cheek-Texte zu leidigen Coming-of-Age-Themen, aber nicht nur. „Dorfpop quasi“, so der Versuch einer Selbstbeschreibung. Didi Neidhart hat sich mit BENJAMIN LAGEDER aka MAGIC DELPHIN zum ausführlichen Gespräch getroffen.

Mit den Pond Pirates gab es Konzerte in Deutschland, Frankreich und Österreich, eine dreiwöchige Tournee in Georgien und sogar auch eine zehntägige Tournee in China. In der aktuellen Bio steht bei den Aktivitäten für 2014 „Reisen: Kanaren, Kap Verden, Nord-Deutschland, Dänemark“. Wie wichtig ist das Reisen für Sie? In der klassischen Abenteuerliteratur ist ja auch das Aufbrechen bzw. Weggehen das zentrale Motiv, weniger die Fragen nach dem Zweck und dem Ziel eines solchen Unterfangens.

Benjamin Lageder: 2014 war für mich ein sehr spannendes Jahr. Nach der Auflösung der Pond Pirates, die mich mehr oder weniger hier in Salzburg gebunden haben, habe ich mich in ein Abenteuer geflüchtet. Den Atlantik zu übersegeln, hat mich an meine physischen und psychischen Grenzen gebracht, mir aber auch gezeigt, dass alles Vorstellbare möglich ist – zumindest als privilegierte Mitteleuropäerin bzw. privilegierter Mitteleuropäer. Durch das Reisen habe ich die Lust am Reisen verloren, die ganzen Touristinnen und Touristen., von denen ich mich als Teil sehen musste, machen so viel kaputt, da will ich nicht dabei sein – die Heimat zu zerstören, reicht mir völlig.

Seit 2013 gibt es auch das Soloprojekt Karafiat, bei dem es um „experimentelle elektronische Musik“ geht und mit dem Sie auch Preisträger bei Elektronikland 2017, dem Salzburger Musikpreis für elektronische Musik, geworden sind. Ebenso gibt es Kooperationen Salzburger Acts wie Wolfwetz und Gerald Peklar. Wie wirkt sich dieses Projekt auf Magic Delphin aus, wo die Elektronik, etwa im Vergleich zu den Pond Pirates, doch einen größeren, aber dennoch nicht alles bestimmenden Einfluss hat?

Benjamin Lageder: Ich treibe mich in sehr vielen Genres herum. Auch mein Freundes- und Bekanntenkreis bewegt sich zwischen Garage, Punk, Rock, Surf, Neuer Musik, Jazz, Elektronik, Folk und Pop. Ich besuche auch sehr viele Konzerte und treffe mich mit den Musikerinnen und Musikern, die mich in all meinen Projekten sehr beeinflussen. Bei Magic Delphin beschränkt sich die Elektronik auf Synthesizer und ein paar wenige Schnipseleien und Effekte, wobei das davon abhängig, wie bastelfreudig ich zum Zeitpunkt der Albumproduktionen bin. Ich habe das Gefühl, beim nächsten Album, das ich für 2019 plane, wird im elektronischen Bereich wieder mehr geschliffen und gefeilt.

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Bei den Pond Pirates, die es von 2006 bis 2014 gegeben hat und die auch prägender Teil des legendären Salzburger Kreativ-Pools „Mildenburg“ waren, waren Sie als Produzent, Sänger und Texter tätig. Ebenso traten Sie als Produzent bzw. Mischer bei damit verbandelten Acts wie Renato Unterberg, Meetin’ Moa, Dos And Dust, Hemmas Herren und Heidelbert in Erscheinung. Wie prägen solche Producertätigkeiten, aber auch die kollektiven Banderfahrungen die Arbeit am eigenen Material?

Benjamin Lageder: Es ist natürlich super, die Möglichkeit zu bekommen, an einem Album in jeglichen Bereichen zu arbeiten. Ich habe da sehr viel gelernt, was mir heute natürlich hilft, wenn es darum geht, mit einem Budget, das sich bei mir hauptsächlich aus meiner Lebenszeit und dem Schweiß von Freundinnen und Freunden zusammensetzt, Musik zu produzieren. Die kollektive Banderfahrung war natürlich eine wunderbare. Auch wenn wir uns gegen Ende eher blockiert haben und augenrollend im Proberaum standen, sind mir heute sehr viele schöne Erlebnisse und prägende Momente in Erinnerung. Mittlerweile bevorzuge ich es, die Musik großteils allein zu schreiben und dann live mit Band zu interpretieren.

„Ich denke, wenn man sich in Salzburg musikalisch nur in einem Genre bewegt, führt das sehr schnell zur Verzweiflung.“

Von 2009 bis 2013 haben Sie die wöchentlichen Jamsessions und Band-Bookings des Vereins „Denkmal Salzburg“ organisiert. Welche Einblicke haben Sie da in die Salzburger Musikszene erhalten?

Benjamin Lageder: Die Arbeit dort hat mir erstens ermöglicht, das Business mal von der Veranstalterseite zu erleben, und zweitens habe ich dadurch auch die Chance bekommen, in andere musikalische Kreise zu schnuppern und die Menschen, die sich darin bewegen, ein wenig kennenzulernen. Im Denkmal gab es ja sehr viel Verschiedenes zu hören und die Einblicke in die Szenen in Salzburg waren dementsprechend vielfältig. Ich denke, wenn man sich in Salzburg musikalisch nur in einem Genre bewegt, führt das sehr schnell zur Verzweiflung. Wenn man allerdings offen und interessiert ist, kann man hier eine sehr lebendige genreübergreifende Szene vorfinden – man muss aber halt auch wollen. Ich genieße es mittlerweile sehr, mit Leuten abzuhängen, die nicht dasselbe machen wie ich. Das ist zwar auch aus einer gewissen Not heraus entstanden, hat sich aber als bereichernd erwiesen hat.

Sie haben mit 14/15 Jahren angefangen, Gitarre zu spielen. Mittlerweile sind „Gesang, Konzert-, Western- und E-Gitarre, Bass, Keyboard, Synthesizer, elektronische Musikproduktion“ hinzugekommen. Erlernt wurde das Gitarrenspiel autodidaktisch. Mittlerweile gibt es viele Rock- und Pop-Musiker, die etwa an Pop-Akademien oder durch Rock/Pop-Kurse an Musikschulen etc. ihr Handwerk sehr professionell erlernen und dann im Prinzip alles spielen können. Was jedoch öfter leider auch zu einem quasi „amtlichen“ Einheitssound führen kann. Ich nehme jetzt mal an, dass Sie sich vieles auch eher selbst beigebracht haben und darin auch einer der Gründe für den unverbrauchten Charme Ihrer Musik liegt. Würden Sie dem zustimmen?

Benjamin Lageder: Natürlich kann man an Musikschulen viel zur Theorie über das Schreiben von Liedern lernen. Aber dass man das dann auch mindestens so oft machen sollte, wie z. B. Tonleitern zu üben, vergessen viele. Wer geile Soli voll schnell auf der Gitarre spielen kann oder echt schwere Sachen am Klavier, kann nicht automatisch auch gute Songs schreiben. Das ist aber auch wiederum das, woran ich als sehr schlechter Techniker glauben muss. Wenn es um Soli geht, hole ich mir auch meistens die Studierten …
Aber gewisse Musik kann man einfach nur spielen, wenn man von klein auf intensiven und guten Unterricht bekommen hat. Bei Popmusik reicht es auch, wenn man erst mit 14 am Lagerfeuer in diese wahnsinnige Welt einsteigt. Also, ich stimme zu.

Das erste Magic-Delphin-Album „Leben am Mars“, das letztes Jahr im November veröffentlicht wurde, hatte neben dem Titeltrack mit Songs wie „Vogel Sein“ und „Stadt am Meer“ schon auch eine eskapistische Grundstimmung, die jedoch immer von einer durchaus optimistisch zu verstehenden Attitüde getragen wurde. Jetzt heißt die aktuelle CD „Milde Sorte“. Bedeutet das jetzt eine Rückkehr vom Leben am Mars oder meldet sich Magic Delphin gar von diesem Planeten?

Benjamin Lageder: Ich fühle mich als Mensch in der Sinnlosigkeit des Seins sehr wohl, Da ich zuvor Eskapismus gesucht habe, und das jetzt auch verstehe, finde ich das sehr passend und ein schönes Bild, wie ich aus meiner Scheinwirklichkeit heraus mit meiner Musik versuche, eine Scheinwelt zu erschaffen. Schön. Das Verhältnis vom letzten zum neuen Album kann man sich wie vom Mars zum Küchentisch – bestückt mit Alkohol, Tschick und Tageszeitung – in einem Mehrfamilienhaus vorstellen, intimer, aber auch ein eigenes Universum.

Der Sound von „Milde Sorte” wird im Pressetext u. a als Mischung aus „Moon Safari Synthflächen und Dream Pop Gitarren“ beschrieben. Diese Unschärfe passt ja auch gut zum verspulten Pop-Psychedelic an sich. Sehen Sie das ähnlich oder gibt es hinter all dem doch ein strengeres bzw. konkretes Konzept?

Benjamin Lageder: Ja, das sehe ich ähnlich. Mit konkreten Konzepten hatte ich es noch nie. Schon als Kind war ich eher der Typ von Mensch, der in der Sandkiste einfach mal drauflosbaut und schaut, was passiert. In der Schule hatte ich dann die strengen Lehrer am wenigsten lieb. Ich war eher so das Hippie-Kind, das verträumt aus dem Fenster blickte und auch mal im Karateanzug zur Schule kam.

Bild Magic Delphin
Magic Delphin (c) Jonas Geise

„Wie beim Musik machen entstehen bei mir auch die Texte meistens beim Improvisieren […]“

Dennoch gibt es mindestens zwei Tracks, die eindeutige Referenzen aufweisen. „Mach was kaputt“ erinnert etwas an „Strawberry Parade“ von Prince und „Was Menschen halt so machen“ nimmt ein klein wenig Anleihen bei „Spinning Wheel“ von Blood, Sweat & Tears. Das kann man jetzt als frech, aber auch als genial bezeichnen. Spontan fallen mir in Österreich eigentlich nur Bilderbuch ein, die ähnliche Popkompetenz bezüglich der von ihnen „zitierten“ Vorbilder und Einflüsse haben. Passiert so etwas einfach oder steckt da mehr dahinter – oder höre nur ich diese Referenzen?

Benjamin Lageder: Da stellt sich jetzt die Frage, was geschickter ist. Besser die Anleihen abstreiten und zu sagen, dass man einen der zwei Songs nicht kennt und gerade das erste Mal auf YouTube gehört hat, oder es bestätigen, um sich nicht die Blöße geben zu müssen, so einen guten Track von Prince erst 2018 ins Ohr bekommen zu haben. Ich habe schon öfter versucht, Ideen von Weltstars zu klauen. Das funktioniert bei mir aber, zumindest bewusst, nur sehr schlecht. Ich glaube, diese Anleihen passieren wahrscheinlich, weil ich beim Jammen bei den Hooks eher an Melodien dranbleibe, die mir vertraut erscheinen. Ich mag gern Sachen, die ich kenne, das macht das Gehirn. Für mich war es aber auch noch nie ein Problem, wenn eine Idee von mir wie etwas klingt, was es schon gibt.

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Was „Milde Sorte“ vor allem auszeichnet, ist ein unglaubliches Sound-Bewusstsein. Das reicht von typischen und durchaus waghalsigen 80er-Saxofonen („So Süss“) über eine Orgel, die unaufdringlich elegant an The Band erinnert („Mach was kaputt“), und diverse ausgefranste Fuzz-Gitarren bis hin zu Synths, die jenseits der 60er- und 70er-Referenzen auch schon mal nach erwachsenen gewordene Teletubbies-Fans („Wir reisen durch die Zeit“) klingen. Jetzt hat sich Pop spätestens seit „Sgt. Pepper“ von den Beatles als Musik etabliert, die primär im und mit dem Mischpult gemacht wird. Wo es etwa im Gegensatz zu Jazz, Folk oder Klassik eher um den Sound bzw. die – künstlichen – Sounds bzw. Effekte geht als um das, was unabhängig davon eigentlich gespielt wird. Wie kam es zu dieser Sound-Sensibilisierung und gibt es hierbei vielleicht auch ein paar Vorbilder?

Benjamin Lageder: Das ich jemals wieder wo ein Saxofon verwenden würde, hätte ich noch vor einem halben Jahr auch nicht gedacht. Ich hatte mich irgendwie sattgehört an den Tröten, aber bei „So Süss“ war es einfach klar, dass da hinten dieses Porno-Sax hinmuss – man fühlt, dass es einfach so sein muss. Wie es zu dieser Sound-Sensibilisierung kam, kann ich nicht genau sagen. Ich habe da keine großen Vorbilder. Wahrscheinlich einfach ein großer Mix an all den Sachen, die ich jemals cool fand. Andererseits habe ich eine ziemlich genaue Vorstellung davon wie zum Beispiel meine Gitarrensounds klingen sollen. Und da bin ich auch bereit, lange mit dem Aufnahmeequipment zu experimentieren, bis sich die Aufnahmen meinen Vorstellungen annähern. Ich bin also nicht unbedingt wer, der auf die Postproduktion allein setzt. Am So-Süss-Saxofon ist wahrscheinlich das „Alf“-Intro schuld.

Eine schöne klassische Definition von Pop besagt ja, dass wir es u. a. dann mit Pop zu tun haben, wenn es um ein bigger than life geht. Was jetzt nicht nur Technicolor und Cinemascope meint, sondern auch eine gewisse Art des Pathos, wo man sich dann auch schon mal gefühlsmäßig bzw. emotional weit aus dem Fenster lehnt. Auf „Milde Sorte“ gibt es einige Tracks, die keine Angst vor großen Gesten und Gefühlen haben – wie „So Süss“, „Die Wahrheit tut weh“, „Save mit dir“, „Allein sein ist hart“ – und die dabei aber weder kitschig noch ironisch bzw. zynisch bzw. übercool werden. Eher klingt das alles – exemplarisch etwa bei „Sisters“ – wie eine Art Harry-Nilsson-Understatement, wo tagsüber immer der Bademantel getragen und mit Cognac gefrühstückt wird. Wie schafft man so was bzw. wie gehen Sie an die Texte ran?

Benjamin Lageder: Hauptsächlich versuche ich, Phrasen zu vermeiden, und sobald mir ein Text nicht mehr peinlich ist, kann ich ihn veröffentlichen. Ich bin also kein Perfektionist, was die Texte anbelangt, und erlaube mir auch keine langen Schreibphasen. Vor allem weil für mich das Texten sehr anstrengend ist. Wie beim Musikmachen entstehen bei mir auch die Texte meistens beim Improvisieren. Und da lasse ich einfach passieren, was mir die Musik an Erlebnissen aus meinem Alltag entlockt, und versuche, ihnen dann dieses Gefühl der vergoldeten Perspektivlosigkeit, welche das Leben als Musiker hier in der Mozartstadt in mir auslöst, einzuhauchen.

In „Was Menschen halt so machen“ gibt es die Irrsinnzeile: „Und wir schmusen ziemlich heftig und mein Penis wird hart.“ Das kann einem jetzt schon mal einfallen, es zu singen ist dann das andere. Gleichzeitig wird das aber dadurch konterkariert, dass Sie diese Zeile mit einer Fast-Falsett-Stimme singen. War das bewusst? Denn dadurch entsteht ja etwas, was ich mal salopp als doch eher „weiche Männlichkeit“ bezeichnen würde.

Benjamin Lageder: Nein, aber ich übernehme das gern für zukünftige Interviews so. Für mich war aber auch männlich zu sein nie ein wichtiges Thema und ich fand es interessant, auch mal meinen Penis zu erwähnen. Vor allem genau dieses Wort und es all den Schwänzen in der Popkultur gegenüberzustellen. Ich versuche in meinen Texten, immer geschlechtsneutral zu schreiben, sodass alle – egal was für ein Geschlecht sie haben oder lieben – damit was anfangen können. Nur wenn ich konkret über mich selbst schreibe, ist das anders.

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Daneben spinnt „Milde Sorte“ aber auch jene Themen weiter, die schon „Leben am Mars“ geprägt haben. Es geht ums – bohemistische – Abhängen und Chillen, ums Abhauen und Wegfahren, aber auch um Dinge, die aus dem Ruder laufen können. In „Allein sein ist hart“ heißt es: „Wir treiben ruderlos.“ Das klingt weniger lustig und cool als das, was bei „Wir reisen durch die Zeit“ verhandelt wird. Und bei „Alle Farben“ geht es buchstäblich ums Auseinanderfallen beim Weg von der Couch ins Bett, wenn „zu viel probiert“ wurde und es nur noch heißt: „Unser Fels schwebt durch das dunkle All.“ Wie wichtig sind solche dialektischen Herangehensweisen, bei denen es ja grob gesprochen immer auch um die – mindestens – zwei Seiten einer Medaille (vom Freak-out zum Cold Turkey) geht bzw. um die nicht auch immer ganz so coolen und glamourösen Aspekte eines Boheme-Lebens?

Benjamin Lageder: Dieses ständige Coolsein, das „Alles-ist-immer-Super“ und das „Wir-sind- glücklich-und-ausschließlich-auf-Urlaub-oder-in-der-Disco“, welches mir ständig im Internet, sei es jetzt durch Musik, Videos, Werbung oder Facebook, vor Augen gehalten wird, nervt mich schon ziemlich. Da fehlt mir das Gleichgewicht. Aber das ist natürlich auch gefühlsabhängig. Manchmal laufe ich schlecht gelaunt durch die Innenstadt und die Kotzfontäne aus meinem Mund will gar nicht mehr aufhören. Aber dann gibt es wieder Tage, an denen mich meine ungetrübte Freude blind für all die Ekelhaftigkeit in dieser Stadt macht und glücklich durch die Straßen laufen lässt. Und je nachdem, in welchem Zustand ich meine Texte schreibe, kommen dann mal solche oder solche heraus. Es gibt ja auch negative Erlebnisse, die sehr prägend sind, und es ist auch schön, über diese zu schreiben, sie zu verarbeiten und sie in Musik zu gießen.

In Zeiten wie diesen überrascht eine CD wie „Milde Sorte“ gerade dadurch, dass sie weder pessimistisch noch affirmativ ist und auch nicht so daherkommt, als wäre nichts. Eher wird hier – durchaus stur und mit dem Mut der Verzweiflung – an den emanzipatorischen Potenzialen dessen, was Prince mal „Pop Life“ genannt hat, festgehalten. Würden Sie sagen, dass Magic Delphin auch eine Art –unzeitgemäßen – Gegenentwurf zum Hier und Heute darstellt? Oder zumindest einen Versuch darstellt, so etwas wie Utopien überhaupt noch denken zu können?

Benjamin Lageder: Kurz und prägnant: Ja!

Wie wurde die CD finanziert?

Benjamin Lageder: Hauptsächlich durch den Schweiß meiner Freundinnen und Freunde und mir – und durch Lebenszeit. Es gibt diesmal Kassetten, Postkarten mit Download-Codes und Onlinezeug auf den gängigen Plattformen.

Wird es eine Tour geben?

Benjamin Lageder: Geplant ist nur die Album-Release-Show im Jazzit in Salzburg. Unsere Show in Wien mussten wir leider absagen, weil unser Bassist bei den Steaming Satellites für die Tour eingesprungen ist, was ihm keiner verübeln kann. Generell tu ich mir sehr schwer, Konzerte zu bekommen, meine Stärke liegt darin, Musik zu machen. Aber ich reagiere auf Anfragen meistens positiv und bin aber auf der Suche nach Leuten, die das für mich übernehmen wollen.

Herzlichen Dank für das Gespräch!

Didi Neidhart

Magic Delphin live
01.06. Jazzit, Salzburg  – Album Release Show

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