Die Sängerin und Journalistin AJDA STICKER hat mit dem Komponisten und (Theater-)Musiker HANNES DUFEK, unter anderem auch künstlerischer Leiter des Ensembles PLATYPUS, 2016 das Bandprojekt KAFRA ins Leben gerufen. Mit dabei sind noch LAN STICKER (u. a. DELTA CONCEPT) und DANIEL STEINMAIR (u. a. BIGGABAND). Michael Franz Woels sprach mit der Sängerin und dem Keyboarder über die Anfänge der Band, Texte auf Slowenisch und das Politische in der Musik.
Was bedeutet der Name Kafra eigentlich?
Ajda Sticker: „Kafra“ ist slowenisch und bedeutet „Kampfer“. Das ist eine pflanzliche Substanz, die in der Medizin unter anderem aufgrund der krampflösenden und durchblutungsfördernden Wirkung verwendet wird, aber auch als sedierende Droge bekannt ist. Von meinem Vater kenne ich im Rosentaler Dialekt das slowenische Sprichwort: „Izginiti kot kafra“, was so viel bedeutet wie „Verschwinden wie Kafra“. Da Kampfer eine Substanz ist, die leicht verdampft, sagt man es zu Menschen, die, ohne sich zu verabschieden, abhauen. Ich habe versucht, mir das bildlich auch bei Musik vorzustellen. Sie kommt in den Raum und geht dann wieder. Hinterlässt aber viele Eindrücke.
Hannes Dufek: Kampfer ist zum Beispiel auch im sogenannten Tigerbalsam drinnen. Das ist gut für die älteren Bandmitglieder von Kafra.
„Wenn ich traurig oder wütend bin, dann in Slowenisch.“
Ajda Sticker, wie sehr hat Sie die slowenische Kultur geprägt?
Ajda Sticker: Mein Bruder Lan, der bei Kafra Schlagzeug spielt, und ich sind Kärntner Slowenen. Es ist Teil meiner Identität, Slowenisch war meine erste Sprache. Deutsch ist meine Bildungssprache. Wir haben als Kinder viel auf Slowenisch gesungen. Bei meiner Vorgängerband war es mir auch noch wichtig, slowenische Texte zu schreiben. Bei Konzerten musste ich dann aber immer dem deutschsprachigen Publikum die slowenischen Texte erklären. Davon bin ich bei Kafra nun abgekommen. Aber eigentlich würde ich schon gerne wieder mehr slowenische Texte schreiben. Slowenisch ist doch so etwas wie meine Herzenssprache. Wenn ich traurig oder wütend bin, dann in Slowenisch.
Wie ist es zu Ihrer Zusammenarbeit gekommen bzw. welchen Entstehungsmythos hat die Band Kafra zu bieten?
Hannes Dufek: Ja, wie hat das eigentlich angefangen?
Ajda Sticker: Vor mittlerweile vier Jahren habe ich meine ältere Balkan-Party-Band aufgelöst. Nach einem Jahr Pause merkte ich, dass ich diese Bühnenerfahrung stark vermisse, da ich einfach gerne auf der Bühne stehe und singe. Ich bekam zu meinem Geburtstag von einer Freundin Klavierstunden bei Hannes geschenkt. Am Anfang traute ich mich fast nicht, aber dann gab ich irgendwann einmal Hannes im Rahmen eines Klavierunterrichtes Texte von mir. Bei einer anderen Gelegenheit spielte Hannes auf einem Fest nach Mitternacht als lebende Jukebox Songs, die ich und andere mitsangen. Das könnte man als die initialen Momente verstehen, aus denen sich die Band entwickelt hat.
Sie beide wurden ja musikalisch unterschiedlich sozialisiert. Wie ergänzen sich Ihre unterschiedlichen musikalischen Erfahrungen und Vorlieben?
Hannes Dufek: Hauptberuflich bin ich freischaffender Komponist vor allem für Neue Musik und Theatermusik, aber das heißt ja nicht, dass ich nicht auch privat unterschiedlichste Musik höre. Was ich schön finde, ist, dass die vier Leute, die bei Kafra gemeinsam Musik machen, verbindliche und freundliche, weitgehend narzissmusbefreite Persönlichkeiten sind. So entstehen aus der Freude am Tun gemeinsame Stücke, ohne dass jemand dem anderen seine musikalischen Vorstellungen aufzwingen muss.
Wie kann man sich unter diesen Voraussetzungen das gemeinsame Komponieren vorstellen?
Hannes Dufek: Ajda und ich geben meistens den ersten Input. Die Texte kommen sowohl von Ajda als auch von mir.
Ajda Sticker: Man muss aber schon auch sagen, dass du meistens schon mit fertigen Songs kommst, ich wiederum mit Fragmenten, die dann gemeinsam ausgearbeitet werden.
Hannes Dufek: Wobei ich das Schlagzeug und die Base-Lines nicht ausnotiere, was ich ja tun könnte. Aber ich finde, dass Lan und Daniel als Experten auf ihren Instrumenten selbst die besten Ideen haben.
Es gibt bis jetzt eine Handvoll Live-Auftritte und drei Songs, die Sie auf Ihren rezenten Website präsentiert. Was sind die weiteren Schritte?
Ajda Sticker: Ein vierter Song wird zurzeit gerade abgemischt und wird demnächst fertiggestellt. Mir persönlich wäre es auch ein Anliegen, demnächst auch etwas politischere Inhalte in die Texte einzubringen, da die derzeitige politische Situation in Österreich allen in der Band Unbehagen bereitet.
„das Schöne an Popmusik Ist, dass man gegebenenfalls völlig entgrenzt herumschreien darf […]”
Es stellt sich ja immer die Frage, wie politisch relevant oder einflussreich Musik sein kann.
Ajda Sticker: Politisch ist für mich immer auch das Handeln der Personen, die auf einer Bühne stehen. Relevant sind Fragen wie: Wo trete ich auf, für wen trete ich auf, was sage ich zwischen den Songs.
Hannes Dufek: Ich finde, es ist schon mal politisch, dass man überhaupt Kunst macht. Und nicht nicht macht. Man kann damit natürlich eine bestimme Weltsicht transportieren oder auch explizitere Weltanschauungen verbreiten. Aber wer außer David Hasselhoff kann schon von sich behaupten, mit einem Song wie „Looking for Freedom“ eine Mauer zwischen verfeindeten Ideologien eingerissen zu haben? Aber eigentlich ist das Schöne an Popmusik, dass man gegebenenfalls völlig entgrenzt herumschreien darf und starke Aussagen tätigen darf, ohne dass es den Kodex des Genres verletzt. Ich denke beziehungsweise hoffe, dass man dadurch nicht zu irgendwelchen problematischen Handlungen anstiftet.
Herzlichen Dank für das Gespräch!
Michael Franz Woels
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