„Ich denke, die Frühphase ist vorbei “ – Der Nino aus Wien im mica-Interview

Die einen halten ihn für die Stimme ihrer Generation, die anderen halten ihn nicht aus. Jetzt holt der so beliebte wie umstrittene Wiener Singer-Songwriter Nino Mandl alias Der Nino aus Wien, das Aushängeschild des heimischen Labels Problembär Records, zu einem Doppelschlag aus. Mit „Träume“ und „Bäume“ erscheinen zeitgleich gleich zwei neue Alben von ihm und seinen Mitmusikern. Man hört zwei Ninos: Hat ersteres Album etwas von einem bunten Abend, so klingt letzteres auf ruhige Weise sehr eindringlich und poetisch. Sebastian Fasthuber hat Nino Mandl befragt.

Wie entstand die Idee, zwei Alben zu machen, die gleichzeitig erscheinen? Doppelalbum kann man ja nicht wirklich sagen, nachdem sie separat verkauft werden.

Nino: Es stand schon fest, dass es zwei Alben werden, bevor ich überhaupt erst ein Lied geschrieben habe. Der Plan war eigentlich, dass ich ein Album mit Akustik- und ein Album mit E-Gitarre schreiben möchte. Dass die beiden Alben gleichzeitig erscheinen, halte ich für interessant.

Inwiefern interessant?

Nino: Ich habe noch nie zwei Alben gleichzeitig veröffentlicht, man schickt sie sozusagen gegeneinander in die Welt hinaus, hofft aber gleichzeitig auch, dass sich die Menschen beide Alben zulegen. Man weiß nie , ob etwas funktioniert oder nicht. Ich bin immer für das Ausprobieren. Ein Album allein zu veröffentlichen, hätte mich in dieser jetzigen Phase gelangweilt, und ich weiß: Sobald mich die Musiksache langweilt, höre ich sofort damit auf.

Die beiden Alben sind zumindest durch ihre Titel und das Artwork lose miteinander verbunden.

Nino: Die Titel finde ich nicht wirklich ähnlich, bis auf das, dass sie sich reimen. Bäume und Träume sind grundverschiedene Wörter für mich. Dass sie im Artwork im ähnlichen Stil sind, ist Natalie Ofenböck zu verdanken.

Die Alben sind an zwei verschiedenen Orten aufgenommen worden, „Träume“ in Patrick Sischkas Studio in Wien, „Bäume“ in Oslip bei Thomas Pronai. Wie kam es dazu?

Nino: Ernst Molden hat einmal während eines Live-Konzertes gesagt: „Jeder Band, die nicht weiß, wo sie ihr Album aufnehmen soll, empfehle ich, nach Oslip zu fahren und mit Thomas Pronai zu arbeiten.“ Ich denke, es war mir seit diesem Moment klar, dass ich dort ein Album aufnehmen möchte. Auch weil mich die Stimmung des Molden Albums „A so a scheena Tog“ sehr angesprochen hat.

Wie verliefen die Aufnahmen?

Nino: Es war eine gute, unkomplizierte Zeit in Oslip. Zwei Tage Aufnehmen, alles live, fast nur erste Takes. Tolle Musiker waren dabei: Lukas Lauermann, Clemens Denk, Walther Soyka, David Hebenstreit, Raphael Sas, pauT, David Wukitsevits. Ein Monat später gingen wir zu Patrick Sischka ins Studio nach Albern, wo wir schon oft gearbeitet haben. Raphael Sas meinte: „Es ist wie nach Hause kommen.“ So war es auch.

„Bäume“ ist für mich dein bisher schönstes, zugänglichstes, weil im konventionellen Sinne musikalischstes Album bisher. Es klingt einfach klarer und runder. Hast du das Gefühl, da zu einem neuen Ausdruck gefunden zu haben?

Nino: „Bäume“ geht ein bisschen zurück zum Anfang, es erinnert mich an das erste Nino aus Wien-Album „Ocelot Show“. Es wundert mich schon sehr, dass es als zugängliches Album bezeichnet wird. Vielleicht machen das die Geigen, das Cello und das Akkordeon. Für mich ist es ein düsteres, äußerlich sehr ruhiges Album. Ich kann es mir lang nicht so oft anhören wie das „Träume“-Album. Einen neuen Ausdruck gefunden habe ich bestimmt nicht. Im Gegenteil: Auf „Bäume“ mache ich genau das, was ich schon seit Jahren mache, und ich glaube eher dass es ein Abschluss ist und ich nie wieder etwas derartiges machen werde.

Was ist für dich das Verbindende bei den Songs am „Träume“-Album? Für mich hat es im Gegensatz zu „Bäume“ eher was von einem Gemischtwarenladen oder bunten Abend.

Nino: Das sagt wohl schon der Albumtitel „Träume“. Träume können wild durch die Gegend fliegen, und man kann sie schwer halten.  Bäume hingegen stehen aneinandergereiht und fest im Boden.

Wie entscheidest du, welches Lied auf welches Album gehört?

Nino: Ich schreibe eigentlich nur mehr selten einzelne Lieder. Die letzten drei Alben habe ich alle als Alben geschrieben. Grob gesagt habe ich das „Bäume“-Album von Juni bis September 2013 geschrieben. Einzelne Lieder wie „Jena“ vielleicht ein bisschen früher. Das „Träume“-Album schrieb ich komplett von November 2013 bis Jänner 2014, einzig der Refrain des Liedes „Graz bei Nacht“ ist schon 10 Jahre alt. Es gibt aber viel Material, das ich nur zu Hause aufnehme. Das Allermeiste kommt auf kein reguläres Album.

In den Booklets finden sich kurze Erklärungen, wann die Lieder entstanden sind. Bei ein paar wird betont, dass sie tagsüber geschrieben wurden. Außergewöhnlich für dich als Nachtmensch?

Nino: Wenn ich im Schreibprozess bin, habe ich am liebsten meine fixen Arbeitszeiten. Von Mitternacht bis 9 Uhr früh normalerweise. Zwei Lieder dieser beiden Alben sind tagsüber geschrieben worden, und damit meine ich, dass ich sie nach 9 Uhr früh geschrieben habe.

Was ist das für ein Gefühl, ein Lied fertig geschrieben zu haben?

Nino: Kommt auf das Lied an, und meine Stimmung. Ich schreibe in allen Stimmungen, und ein Lied zu schreiben erzeugt bei mir keine konstante Stimmung. Aber am ehesten ist es Skepsis, seltener Euphorie.

Heißt das, du bist selbst dein schärfster Kritiker?

Nino: Nein, das ist eher eine grundlegende Sache. Man liebt ja das Liederschreiben, es ist eine Art von Leidenschaft. Die Skepsis schwingt aber immer mit, da es wohl wesentlich sinnvollere Dinge in dieser Welt zu tun gäbe, als Lieder zu schreiben. Auch wenn man sich durchaus freuen kann, wenn ein Lied fertig ist, spürt man doch auch oft, wie klein und unwichtig diese Tätigkeit ist.

Inwieweit beeinflusst oder beschäftigt dich, wie du gesehen wirst und was über dich geschrieben wird – ob das jetzt öffentlich in Medien ist oder in halb-privaten Räumen im Internet? Stichwort: „Spiegelbild“?

Nino: Ich weiß nicht, was das Lied „Spiegelbild“ damit zu tun hat, aber es interessiert mich schon, was die Medien über die Musik schreiben. Ich lese jeden Artikel, den ich finden kann. Ab und zu ist auch ein guter dabei. In der Hinsicht bin ich ein Musiker: Mir sind die Artikel am liebsten, wo es nur um die Musik geht.

Du spielst viele Konzerte – als Der Nino aus Wien, aber auch in anderen Konstellationen. Warst du eigentlich immer schon ein Performer, oder brauchte es erst Überwindung, sich auf eine Bühne zu stellen?

Nino: Ich glaube eigentlich, dass ich immer schon ein Performer war, auch wenn mein Performance-Stil vielleicht immer etwas unüblich war. Mit 15 hatte ich meine ersten Auftritte, als Dichter sozusagen. Ich hatte nie große Angst davor, auf Bühnen etwas zu machen. Mittlerweile spiele ich viele Konzerte, mit Bands oder allein, und es ist jedes Mal anders für mich, aber es geht mir immer um Unterhaltung. Die Bühne und alles, was sich darauf, dahinter und davor abspielt, ist voll von verschiedensten Energien, aus denen man machen kann, was man will. Mich interessiert immer schon die Entschleunigung, die Unsicherheit und die Konzentration als Performance-Grundlage.

Du giltst als literaturaffin. Vor einiger Zeit hast du gemeinsam mit Natalie Ofenböck das Schnitzler-Hörbuch „Fräulein Gustl“ gemacht. Schreibst du auch Gedichte oder Geschichten? Wann kommt dein erstes Buch?

Nino: Ich habe früher viel geschrieben. Gedichte, Geschichten. Aber ich mache es schon lange nicht mehr. Oder nur ganz selten.

Warum hast du aufgehört?

Nino: Es gibt mir nichts. Man braucht eine Art von Ruhe dafür, die ich nicht habe. Für das Liederschreiben spüre ich, seit ich 17 bin, eine Leidenschaft, die bis jetzt anhält. Ich denke, dass das Liederschreiben das Schreiben von Gedichten oder Geschichten abgelöst hat, weil es rhythmischer und melodischer ist. Ich spiele viel lieber Gitarre, während ich etwas schreibe. Ich vermisse die Gitarre beim Schreiben von Gedichten oder Geschichten.

Wie blickst du auf deine bisherigen Alben und Songs zurück?

Nino: Ich habe viel ausprobiert. Manche Sachen halte ich für besser gelungen als andere. Ich denke, die Frühphase ist vorbei. Das Lied „Fantasy Dreamz“ ist ganz bestimmt mein bisheriges Highlight, und auch das letzte Lied, das ich bis jetzt geschrieben und aufgenommen habe. Nach so einem Lied braucht man eine Pause und muss sich neu orientieren.

Fotos: Pamela Rußmann

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