„Ich bin sehr froh, dass ich hinter den Kulissen bin“ – BERNHARD KAUFMANN (Karmarama) im mica-Interview

Begonnen hat BERNHARD KAUFMANN als Trompeter in der Band GUADALAJARA. Längst ist er hinter die Kulissen des Musikbusiness gewechselt und ist als Manager, Booker und Labelbetreiber von KARMARAMA tätig. Im Gespräch mit Jürgen Plank erzählte der ursprünglich aus der Steiermark stammende KAUFMANN, welche Fehler er als Manager jungen Bands ersparen möchte, welchen Lebenstraum er hat und wie er die Zukunft der Musikindustrie sieht.

Du warst und bist sehr umtriebig: Du hast Musik gemacht, arbeitest nun als Booker und betreibst auch das Label „Karmarama“. Welche Eigenschaften sollte eine Musikarbeiterin bzw. ein Musikarbeiter haben?

Bernhard Kaufmann: Leidenschaftlich sollte man sein. Man muss schon sehr viel Herz hineinstecken, wenn man etwas bewegen will, und einen langen Atem haben, wenn man versucht, Musik zu pushen.

Gibt es eine weitere begünstigende Eigenschaft?

Bernhard Kaufmann: Das hängt von der Perspektive ab. Wenn man jemand ist, der sagt: „Ich liebe Indie-Musik, ich mache nur das und ich versuche, Indie-Musik zu pushen“, dann ist das eine andere Herangehensweise als bei mir. Ich sage zum Beispiel: „Mir ist wichtig, dass ich Künstlerinnen und Künstler verstehe, und es muss nicht immer zu 100 Prozent mein Musikgeschmack sein.“ Mich interessiert mehr die marktwirtschaftliche Seite. Und mich interessiert, wo die Künstlerinnen und Künstler stehen, wohin sie wollen und wie ich sie dorthin bringen kann. Der Rest sind dann viel Erfahrung und auch die Einschätzung dessen, was funktionieren kann. Dementsprechend sollte man auf alle Fälle experimentierfreudig sein und es kann nicht schaden, einen finanziellen Polster zu haben, weil es teilweise schon kapitalintensiv ist, wenn man versucht, eine Künstlerin oder einen Künstler aufzubauen.

Bärenheld (c) Vic Schwarz

„Ich setze erst dann Schritte, wenn ich auf allen anderen Ebenen alles so aufgebaut habe, dass es auch funktionieren kann.“

Du hast in der Band Guadalajara gespielt. Was hast du aus deiner aktiven Zeit mitgenommen in die jetzige Phase?

Bernhard Kaufmann: Ich habe Ende der 1990er- und Anfang der 2000er-Jahre die Philosophie vertreten, dass man viel live spielen muss, um sich sein Publikum zu erspielen. Wir haben das auch so praktiziert, wir haben in der Zeit, in der ich dabei war, 500 Konzerte in 18 Ländern gespielt. Wir haben alles versucht, was live möglich ist. Da waren neben schönen Erlebnissen auch viele frustrierende Erlebnisse dabei. Teilweise waren die Konzerte eher mau besucht, wenn wir in Polen oder in Lettland gespielt haben. Das war finanziell absolut eine Erfahrung. Wir haben für 100 Euro gespielt und uns war es egal, wo wir geschlafen haben.

Was ist eine Erinnerung, die du an diese Zeit hast?

Bernhard Kaufmann: Ich kann mich an eine Tour erinnern, bei der wir an neun von vierzehn Tagen zu neunt im Tourbus geschlafen haben. Das war eine coole Zeit und ich bin froh, dass ich die durchgemacht habe, aber ich habe mir immer gedacht, dass ich, wenn ich jemals Management machen sollte, versuchen werde, die Künstlerinnen und Künstler vor dem Fehler zu bewahren, fremde Märkte erobern zu wollen, wo eigentlich nichts passiert und wo einen niemand kennt. Für mich ist sehr wichtig zu erkennen, wo wir gerade stehen. Ich setze erst dann Schritte, wenn ich auf allen anderen Ebenen alles so aufgebaut habe, dass es auch funktionieren kann. Ansonsten ist es relativ sinnlos, planlos durch die Gegend zu fahren und zu spielen. Das geht vielleicht im World-Music-Bereich, aber im Pop-Bereich ist alles von der Aufmerksamkeit abhängig.

„Mich interessiert es mehr, Südtirol zu erobern als Frankreich.“

Effi (c) Gernot Eder

Auf welche Parameter schaust du bei der Einschätzung, wo eine Band gerade steht?

Bernhard Kaufmann: Ich sehe mir die Social-Media-Kennzahlen und die Streams an. Woher kommen diese Streams? Woher kommen die Fans? Man sieht auf Spotify genau, wie viele Hörerinnen und Hörer man in welcher Stadt hat. Man sieht bei YouTube durch die Kommentare, woher die Hörerinnen und Hörer kommen. Ich habe mich jetzt auf den deutschsprachigen Markt fokussiert, weil es am einfachsten ist. Es sprechen alle die gleiche Sprache und ich habe inzwischen einige deutsch-österreichische Acts. Mich interessiert es mehr, Südtirol zu erobern als Frankreich. Weil man dort auch Konzerte spielen kann und teilweise auch Einzelshows möglich sind oder man es mit einer Tour gut verbinden kann. Ich sehe es auch anhand von Verkäufen. Wobei Verkäufe nicht immer gut widerspiegeln, wo etwas funktioniert. Ich habe zum Beispiel in der Schweiz vielleicht 30 Alben verkauft und trotzdem sind 300 Leute auf einem Konzert. Irgendwie muss man ständig im Überblick haben, wo es funktioniert und wo man nachlegen muss. Wo könnte man versuchen zu starten? Und wo könnte man in anderen Ländern kleine Experimente starten, die aber Experimente bleiben?

„Viele Leute wünschen sich, etwas zu sein, aber sind es dann nicht.“

Die Authentizität ist bei jeder Band, bei jedem Künstler und jeder Künstlerin wichtig. Wie begleitest du eine Band in diese Richtung?

Bernhard Kaufmann: Authentizität kann ich als Manager nicht beeinflussen. Entweder ist jemand authentisch und vertritt das authentisch nach draußen, was sie oder er macht, oder jemand ist nicht authentisch. Viele Leute wünschen sich, etwas zu sein, aber sind es dann nicht. Aber sie sehen das nicht. Man kann als Manager helfen, indem man der Künstlerin oder dem Künstler zeigt, wie das Fremdbild ist. Das heißt, man kann den Künstlerinnen und Künstlern einen Spiegel vorhalten. Vielleicht erkennt sich die Künstlerin oder der Künstler dann besser. Aber das kommt tief aus der Künstlerin bzw. dem Künstler selbst.

Gibt es eine Band, an die du dich erinnerst, die gute Lieder hatte und gut live gespielt hat und trotzdem gescheitert ist?

Bernhard Kaufmann: Man muss da ehrlich sein: 99 Prozent der Geschichten laufen so. Selbst bei meiner eigenen Band war das damals so. Wir waren Skateboard fahrende Kids, die irgendwann CDs aus Amerika in die Hände bekommen haben und sich gedacht haben: „Wir wollen eine Ska-Punk-Band machen.“ Wir haben immer gedacht, dass wir weltweit touren können. Aber man muss sich auch eingestehen, das ist amerikanische Musik, die kein europäisches oder österreichisches Kolorit hat. Ich habe das früher nie verstanden, wenn mir jemand erklärt hat: „Ihr kommt aus Österreich, die Leute wollen eine Quetschn oder so etwas Ähnliches, und da kann man dann den Zeitgeist einfließen lassen.“ Ich habe zum Beispiel die Band Impala Ray aus München gesehen, die spielen mit Hackbrett und einer Tuba, die den Bass macht. Attwenger haben das gut verstanden und wurden zu internationalen Festivals eingeladen, weil sie eben Elemente aus unserer Kultur drinnen haben.

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Du bist umfassend tätig, neben Management machst du auch Videos mit den Bands. Was machst du am liebsten? 

Bernhard Kaufmann: Den Status quo einschätzen und schauen, wie man wohin kommen kann. Ich versuche zu visualisieren, ob es sich in meinem Kopf ausgeht, dass das irgendwohin kommt. Und wenn es sich in meinem Kopf ausgeht, dann ist nur mehr die Frage, welchen Weg man wählt. Das finde ich sehr spannend. Ob das dann über Alben oder EPs funktioniert: Der Weg ist von Künstler zu Künstler verschieden. Mir macht es viel Spaß, Zielgruppen einzuschätzen und zu definieren und zu schauen, wie man die erreichen kann. Wenn die Musik sperrig ist, kann man den Zugang zum Beispiel über ein Video schaffen, das sich jemand dreimal anschaut, und dann erst den Song begreift.

„Mich würde es interessieren, ein Buch zu veröffentlichen und irgendwann ein paar Lesungen zu machen.“

Wirst du selbst wieder Musik machen?

Bernhard Kaufmann: Nein. Ich bin sehr froh, dass ich hinter den Kulissen bin. Ich war nie ein guter Musiker, für mich war die Trompete ein Mittel zum Zweck, um auf einer Bühne stehen zu können. Ich habe einen Roman geschrieben, der in der Schublade liegt. Mich würde es interessieren, ein Buch zu veröffentlichen und irgendwann ein paar Lesungen zu machen. Das ist vielleicht ein persönlicher Lebenstraum.

Im letzten Jahr waren in Österreich die Streaming-Umsätze zum ersten Mal höher als die Tonträger-Umsätze. Wie schätzt du die Entwicklung in den nächsten fünf bis zehn Jahren ein: Wird es bald nur noch Streaming geben?

Bernhard Kaufmann: Ja. Apple dreht jetzt den klassischen iTunes-Store ab, es wird keine digitalen Verkäufe mehr geben. Bei CDs gibt es ja seit Jahren Probleme, sie in den Handel zu bringen. Selbst in den letzten Hochburgen wie den Schlagern werden die Leute älter und die breite Masse, die nachkommt, wächst halt auch mit dem Handy auf. Es wird nicht mehr lange dauern, bis wir 70 oder 80 Prozent Marktdurchdringung haben. Ab diesem Zeitpunkt wird es spannend: Man hat immer wieder die Möglichkeit, die Hörerinnen und Hörer durch Postings an seine Musik zu erinnern. Wenn sie ihnen taugt, dann streamen sie die Musik immer wieder.

Herzlichen Dank für das Gespräch!

Jürgen Plank

 

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