Man kennt den Wiener Trompeter und Komponisten DOMINIK FUSS als äußerst umtriebigen Musiker, der sich in der Vergangenheit erfolgreich in den unterschiedlichsten musikalischen Umgebungen bewegt hat. Man denke nur an sein Duo-Projekt mit dem Pianisten JÖRG LEICHTFRIED oder sein FAMILIENSEXTETT AFFÄRE DERYFUSS, mit denen er nicht nur hierzulande Aufmerksamkeit erregen konnte. Mit seinem neuen Projekt VOID betritt DOMINIK FUSS nun für ihn neues musikalisches Terrain. Gemeinsam mit dem Gitarristen, Elektroniker und Improvisationsmusiker MARTIN SIEWERT sowie der Filmemacherin MELANIE HOLLAUS verwebt er experimentelle Soundarbeit mit dem Medium Film zu einem atmosphärisch dichten und bildgewaltigen Gesamtkunstwerk. Im Interview mit Michael Ternai erzählt DOMINIK FUSS von seinem Drang, etwas wirklich Eigenes zu schaffen, dem zusätzlichen Zeitrahmen, der ihm bei diesem Projekt zur Verfügung stand, und seinem Ziel, die Trompeten aus den verstaubten “traditionellen“ musikalischen Kontexten zu erheben.
Man kennt dich als sehr umtriebigen Musiker, der sich in den unterschiedlichsten musikalischen Kontexten – von Jazz bis Pop – bestens zu bewegen weiß. In deinem neuen Projekt VOID präsentierst du aber eine musikalische Seite von dir, die noch relativ unbekannt ist. Wie ist es überhaupt zu diesem Projekt gekommen?
Dominik Fuss: Ich war in den letzten Jahren viel mit verschiedenen Projekten unterwegs. Unter anderem mit meinem Duo mit Jörg Leichtfried oder mit meinem Familiensextett Affäre Dreyfuss. Man kann sagen, dass diese Projekte sehr gut laufen. Letztes Jahr habe ich vom BMKÖS dann das Startstipendium bekommen und mir gedacht, dass ich einmal etwas komplett Eigenes machen will, etwas, das von mir so noch nicht gehört wurde. Ich hatte die Idee mit Musik und Film zu experimentieren und bin so auf Musiker und Produzenten Martin Siewert und die Filmemacherin Melanie Hollaus, die zu jedem Stück ein Video machen sollte, gekommen. Ich habe davor noch nie so eng mit einer Filmregisseurin zusammengearbeitet. Und das war wirklich sehr spannend, denn ihre Ansichten und Zugangsweisen sind ganz andere.
Dieses Projekt ist gänzlich anders als das, was man von dir bislang kennt. Und auch die Verbindung mit der Videokunst macht, hört man sich durch die Musik, wirklich Sinn, weil sie per se schon einen sehr cineastischen Charakter hat.
Dominik Fuss: Das war auch die Grundintention. Vor allem mit elektronischer Musik etwas zu untermalen. Ich habe mit dem Duo mit Jörg Leichtfried vor etwa einem Jahr im Reaktor „Nosferatu“ vertont. Und es ist mir damals der Gedanke gekommen, dass man diese zwei Medien noch enger miteinander verbinden bzw. verweben könnte. In die interdisziplinäre Richtung habe ich dann auch hingearbeitet.
Ich habe für das Projekt auch zwei Kompositionsaufträge vergeben, an zwei Künstler, die mir über die Jahre sehr ans Herz gewachsen sind. Einen an Christof Ressi, der in seiner Komposition die Klangästhetik und Stilistik alle drei, vier Takte wechselt und alles mit Midi-Sounds der 1970er vermischt. Den zweiten Kompositionsauftrag habe ich an die Saxophonistin und Komponistin Viola Falb vergeben, die in ihrem Stück mit Klanginteraktion und Improvisationselementen arbeitet. Beides finde ich wirklich sehr gelungen aber komplett gegensätzlich.
Wie kann man sich die Zusammenarbeit von Melanie Hollaus und dir vorstellen? Habt ihr euch gegenseitig die Sachen hin und hergeschickt und geschaut, was zurückkommt, oder habt ihr wirklich gemeinsam an den Dingen gearbeitet?
Dominik Fuss: Ich habe Melanie, die ich von ihren Arbeiten mit Studio Dan her kannte, im Laufe des Prozesses immer wieder Material und Ideen geschickt, zu denen sie in Folge Vorstellungen entwickelt hat, in welche Richtung es gehen könnte. Diese Vorstellungen haben dann wiederum bei mir die Klangfarben im Kopf verändert. So sind die Bilder, die sie mir unterbreitet oder gemalt hat, dann auch in die Kompositionen miteingeflossen. Natürlich war das bei den zwei Kompositionsaufträgen nicht möglich. die waren ein fixes Ding. Aber auch die haben sich im Laufe eines Prozesses entwickelt. Es war jetzt nicht so, dass Christof gleich mit einem fertigen Stück gekommen ist. Aber gerade bei meinen Kompositionen hat sie durch ihre visuelle Vision zum Teil stark eingegriffen und Impulse gegeben. Im Endeffekt war es dann sogar so, dass wir den Film zum Stück „Trainwreck“ quasi gemeinsam gedreht haben. Ich habe unter anderem die Location, den Verschiebebahnhof Kledering, gecastet.
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Was ist die Grundidee, die hinter diesem Projekt steckt bzw. welche Geschichten magst du mit deiner Musik erzählen. Schaut man sich das erste Video („Solitude in Space“), welches du mit diesem Projekt veröffentlich hast, fühlt man sich irgendwie an Stanley Kubricks Weltraumepos „2001“ erinnert…
Dominik Fuss: Du bist interessanterweise nicht der erste, der das sagt.
Ist die Inspiration aus dieser Ecke, der experimentellen Soundarbeit, gekommen.
Dominik Fuss: Natürlich. Ich habe zu Beginn geschaut, welche Stärken Martin und ich als Instrumentalisten haben und das Projekt dann quasi nach diesen ausgerichtet. Gerade Martin ist in der experimentellen Soundarbeit sehr bewandert. Er hat auch viele Impulse gegeben, die letztlich zu diesem Gesamtklang geführt haben. Ich bin manchmal mit so kleinen handgeschriebenen Skizzen zu ihm ins Studio gegangen, wo wir sie wirklich ausproduziert haben, so wie es eigentlich im Popbereich der Fall ist. Und wir konnten uns dafür auch wirklich Zeit nehmen, da ich wegen des Startstipendiums auch die finanziellen Ressourcen hatte.
„Ich will zeigen, was man alles mit dem Instrument machen und in welchen verschiedenen musikalischen Bereichen man es wie einsetzen kann.”
Die Musik folgt einer sehr experimentellen Note. Wie schwer war es, die Ideen im Kopf dann wirklich in Musik zu übersetzen? Hattest du schon bestimmte Vorstellungen, in welche Richtung es musikalisch gehen sollte?
Dominik Fuss: Ja, die hatte ich schon. Nur haben sich meine Vorstellungen mit der Zeit in andere Richtungen entwickelt. Manche Ideen oder Kompositionen waren sehr konkret, andere ließen viel Spielraum für mögliche Experimente. Bei einem Auftritt im öffentlichen Raum konnte ich manche Skizzen bereits im Rahmen eines Festivals vorab ausprobieren um zu sehen wie sie ankommen und was die Leute eventuell triggert und bewegt. Ein Ziel für mich bei diesem Projekt ist es auch, die Trompeten aus diesem verstaubten „traditionellen“ Kontexten herauszuheben. Ich will zeigen, was man alles mit dem Instrument machen und in welchen verschiedenen musikalischen Bereichen man es wie einsetzen kann.
So zeigt sich der Sound jetzt eben als Sammelsurium aus verschiedenen Genres. Zudem habe ich versucht, Abwechslung auf das Album zu bringen. Die Intention war, aus der Kombination Musik und Film möglichst viele Kontraste zu schaffen. Auch zu meinem letzten Album, das in seiner Art sehr getragen und gediegen war. Ich wollte diesem ein elektronisches und experimentelleres entgegenstellen, um auch zu sagen, ich bin nicht nur das, was man von mir kennt, sondern auch noch vieles anderes.
Die Musik, die du mit Martin zu Gehör bringt, ist jetzt keine, die über Nacht entsteht. Wie lange habt ihr an den Stücken gefeilt?
Dominik Fuss: Das kann ich dir jetzt gar nicht so genau sagen. Jedes Stück hat ganz unterschiedlich viel Zeit gebraucht bis es fertig war. An dem Stück „Shapeshifter” hat Christof zum Beispiel drei Monate alleine gearbeitet, zusammen dann etwa nochmal so lang. Er musste extra programmieren, damit ich mit einem Fußpedal die Sounds und Schlagzeugsequenzen triggern kann, um es live oder im Studio umsetzen zu können. Bei meinen eigenen Stücken ist es vorgekommen, dass ich zwei Monate an ihnen geschrieben und sie dann halb aufgenommen habe, nur um sie dann komplett umzuschreiben. Das war natürlich auch zeitaufwendig.
Spannend ist die Geschichte hinter dem Stück „Metamorphosis”. Dieses ist während der Coronazeit entstanden. Ich hatte damals einen Tinnitus und der war in G. Gott sei Dank ist er jetzt nur selten wahrnehmbar, aber als ich damals Trompete spielte, kamen plötzlich Akkorde. Durch die Vibrationen harmonisierten sich die Töne, und ich nahm sie im Ohr akkordisch wahr. Das war recht spannend aber auch sehr belastend. Inzwischen tritt er glücklicherweise nur noch manchmal auf. Um die damalige Situation zu verarbeiten, habe ich dieses Stück geschrieben, das sich vom G immer weiter entfernt und in neue Klangwelten morpht.
Es klingt so, dass sehr viel Kopfarbeit in dieses Projekt hineingeflossen ist. Ist das vielleicht der größte Unterschied zu deinen vielen anderen Projekten?
Dominik Fuss: Das auf jeden Fall, wobei natürlich auch in den anderen Projekten viel Arbeit steckt. Mit meinem Duo mit Jörg Leichtfried haben wir viel international gespielt, und dort sind anspruchsvolle Kompositionen entstanden und gereift. Bei VOID habe mich auf neues Terrain gewagt. Der gesamte Produktionsprozess und das Feintuning des Klangvorstellungen waren sehr zeitaufwendig. Es war nicht so, als ob wir mit fertigen Stücken ins Studio gegangen sind, wie es im Jazzbereich oft der Fall ist, wo man zwei, drei oder vielleicht vier Tage im Studio mit der Band aufnimmt und dann ist das Album fertig. Bei uns war es so, dass wir zunächst zwei, drei Stücke aufgenommen haben und dann zwei Monate lang an ihnen gefeilt und gearbeitet haben. Danach kamen die nächsten zwei, drei Stücke an die Reihe. So ist es ein Jahr lang weitergegangen.
Wie hast du es persönlich empfunden, einmal so arbeiten zu können? Und haben sich für dich neue Perspektiven eröffnet?
Dominik Fuss: So zu arbeiten, war natürlich extrem spannend. Ich habe gelernt, dass man sich fürs Reflektieren auch mal mehr Zeit gönnen kann. Dadurch, dass es verschiedene Arbeitsphasen gab,merkte ich auch, dass ich Dinge eineinhalb, zwei Monate später etwas ganz anderes höre, als vielleicht eine Woche darauf. Der Mensch entwickelt sich weiter und auch das Gehör reagiert irgendwie anders. Das ist spannend.
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Läuft man da nicht vielleicht Gefahr, irgendwie in eine Schleife reinzukommen. Man hört nach einer Zweit anders und will es gleich neu macht.
Dominik Fuss: Ja, natürlich, In diese Schleife bin ich auch fast hineingerutscht. Aber da braucht man kompetente Leute, wie eben den Martin, um sich, die den Wahnsinn wieder einfangen und einen auf den Pfad zurückholen. Das kann man nicht alleine. Martin hat einfach die Erfahrung, die Dinge immer wieder in die richtige Richtung zu lenken. Und das hat er in unserem Projekt getan.
Wie bist du auf Martin gekommen? War dir von Anfang an klar, dass du das Projekt mit ihm machen willst?
Dominik Fuss: Ja. Ich habe das Projekt tatsächlich mit den beiden eingereicht. Ich habe Martin, als ich mich entschied für das Startstipendium einzureichen, mein Konzept vorgestellt und ihn gefragt, ob er nicht mitmachen will. Bei Melanie war übrigens es genauso.
Ich schätze Martin schon seit Jahren. In zeitgenössischen Projekten ist er mir immer wieder über den Weg gelaufen. Und ich habe auch einige Konzerte von ihm besucht. Mich begeistert vor allem auch Martins jahrelange Routine in der Elektronik in Kombination mit der Gitarre. Was er alles an Sounds aus seinen Instrumenten, die er spielt, herausholt, ist absolut toll.
Wohin wollt ihr dieses Projekt noch weitertragen. Wie sieht es mit der Möglichkeit für Livepräsentationen aus? Und ist es überhaupt ein Ding, welches längerfristig angelegt ist?
Dominik Fuss: Wir sind gerade dabei, die nächsten Schritte zu planen. Ich weiß jetzt, dass das Ding live gut funktioniert. Für die CD-Präsentation sind wir nun auf der Suche nach Locations, in denen es einen Beamer gibt bzw. kann man theoretisch auch einen mitnehmen. Was wir auch ansteuern, sind Filmfestivals und Filmwettbewerbe, bei denen wir die Filme in Kombination mit der Musik einreichen können. Auf jeden Fall haben wir schon vor mit VOID im nächsten Jahr zu performen.
Die Sache ist, dass das Medium CD nur 2/3 des gesamten Projekts wiedergeben kann. Aber ich wollte unbedingt auch eine CD herausbringen, weil 2/3 eh schon sehr viel sind. Das dritte Drittel ist aber nur live erlebbar, weil die Filme nie im Gesamten auf irgendwelchen Videoplattformen veröffentlicht werden. In Kombination mit den Stücken, die teilweise viel mit Improvisation arbeiten, wird dadurch der Livemoment erhalten und es bleibt spannend.
Vielen Dank für das Interview.
Michael Ternai
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