„ICH BIN EINFACH FAN VON DIESEM KOMPLETT ANALOGEN“ – PETER THE HUMAN BOY IM MICA-INTERVIEW

In Zeiten einer Pandemie Songs zu schreiben, kann nervenzehrend sein – und trotzdem kommt ab und zu was Gutes dabei raus: „Stranger’s Life“ heißt das zweite Album von PETER THE HUMAN BOY und präsentiert wie gewohnt verträumte Lieder, die teilweise sogar noch mit Tonband aufgenommen wurden. Mit Katharina Reiffenstuhl hat sich der gebürtige Vorarlberger über Lebensveränderungen, Optimismus, das schlechteste Konzert ever und die Digitalisierung unterhalten.

Dein neues Album dreht sich ja um die Suche nach Gewissheit über die eigene Identität. Hast du diese mittlerweile gefunden?

Peter The Human Boy: Ich glaube, in erster Linie habe ich sie zuerst verloren. Über die Zeit, in der wir leben. Es ist ein Thema, das sich über mehrere Songs zieht, deshalb habe ich dem Album auch diesen Titel gegeben. Es gibt den Song “I Feel Like Myself Again”, der das eigentlich wieder auflöst, wo man sagen könnte, dass ich in dem zu mir selbst gefunden habe. Ich bin letztes Jahr im Sommer ins Burgenland auf einen alten Bauernhof gefahren, um Musik zu machen. Das ist halt so ein bisschen das Klischee, nur meine Musik und ich, im Wald, unerreichbar. Aber das wollte ich einmal ausprobieren und so ist dort auch der Song entstanden. Ich hatte dann das Gefühl, dort endlich wieder einen Platz zum Atmen zu haben, auch musikalisch. Da habe ich zu mir selbst gefunden. Es war damals einfach eine sehr umtriebige Zeit, wir sind von Proberaum zu Proberaum gezogen, meine WG hat sich aufgelöst, Dinge haben sich verändert. Jetzt bin ich mit meiner Freundin zusammengezogen, wir haben das erste Mal auch ein eigenes Studio.

Wie habt ihr das mit dem Studio bisher gemacht?

Peter The Human Boy: Davor waren es halt immer geteilte Proberäume, wo ich mein ganzes Recording-Set immer aufbauen und auch wieder abbauen musste, weil eben auch andere Leute da waren. Wir hatten Räume am Yppenplatz, in der Alser Straße, davor auch in der Traktorfabrik in Floridsdorf. Aber es war nie ein Ort, wo man sich den ganzen Tag gerne aufhält, weil es halt immer in irgendeinem Keller oder ähnliches war. Das Studio jetzt hat eine Küche, einen schönen Innenhof und das ist total fein.

Bild Peter the human boy
Peter the human boy (c) Luca Celine Müller

„ES WAR EINFACH NICHT SEHR INSPIRIEREND, EINGESPERRT ZU SEIN“

Dein erstes Album ist noch vor Beginn der Pandemie erschienen, das zweite ist nun vor kurzem veröffentlicht worden, nach zwei Jahren voller Lockdowns und Einschränkungen. Was ist dein Fazit dazu, hast du die Arbeit an deinem neuen Album als eingeschränkt empfunden?

Peter The Human Boy: Nein, gottseidank nicht. Ich meine, es hat sicherlich Einfluss auf das Songwriting gehabt, es war einfach nicht sehr inspirierend, eingesperrt zu sein. Am Anfang war es ein Hype, alle sind daheim und denken, sie können jetzt kreativ sein. Aber so war es halt nicht. Über was soll man schreiben? Jeder ist in der gleichen Situation. Aber es hat mich zum Glück im Aufnehmen nicht eingeschränkt, dadurch dass ich alles selbst mache, habe ich durch die Kontaktbeschränkungen nie Probleme gehabt. Es war eher einfach uninspirierend.

Was hat dich dann im Endeffekt inspiriert?

Peter The Human Boy: Bei mir sind es fast immer Lebenslektionen, Sachen, die jede Person einmal durchmacht. Es gibt auch Songs, wo die Pandemie wirklich eine Rolle spielt, in “Strange Times” zum Beispiel. Den habe ich eigentlich begonnen, bevor Corona ein Begriff war. Dann kam der erste Lockdown und ich dachte mir “Ok wow, jetzt leben wir in strange times”. Ich bin auch sehr nostalgisch, ich höre gerne alte Musik, so 70er, 80er. Das hört man vor allem auf der ersten Hälfte vom Album, die zweite Hälfte ist schon etwas moderner. Schlussendlich inspiriert mich ungefähr das gleiche, was Leute inspiriert, wenn sie Tagebuch schreiben. Meistens merke ich beim Liederschreiben, was mich gerade beschäftigt. Dann, wenn es Wochen oder Monate später fertig ist, komme ich auf die wirkliche Lesson drauf. Das ist wie Therapie. Im Endeffekt stecken Beziehungsprobleme drin, Fremdheitsgefühl, Selbstentfremdung. Aber wo das herkommt, weiß ich auch nicht genau.

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Letzte Woche hast du ja auch wieder ein Konzert gehabt, nach langer Pause. Wie war es?

Peter The Human Boy: Ja, im Kramladen. Aber die letzten drei Wochen waren eine sehr schwierige Phase. Nachdem das Album fertig gemastert war, habe ich eine Sehnenscheidenentzündung an der Hand bekommen und wusste dann nicht, ob ich die Gigs an der Gitarre spielen kann. Es ist nicht besser geworden, deshalb haben wir spontan alle Leute, die Gitarre spielen können, zusammengetrommelt und jeder hat ein paar Songs gelernt. Dann bin ich krank geworden und hab meine Stimme verloren. Ab da haben wir uns gedacht, das wird eine absolute Katastrophe. Wir haben nicht ein Mal gescheit proben können, ich habe wirklich am Tag vom Auftritt meine Stimme zurückbekommen. Also für uns war das Konzert nicht ganz ideal, aber die Stimmung war trotzdem gut. Wir haben unsere Erwartungen so runtergeschraubt, dass der Gig dann fast schon wieder cool war. [lacht] Es hat den Leuten eh gefallen, aber für uns war es ganz klar das schlechteste Konzert ever. Aber das war legitim, wir hätten es ja auch absagen können. Ende Mai gehen wir dann auf Tour, also wir hoffen jetzt einfach, dass bis dahin wieder alles okay ist.

„ICH WOLLTE MICH DURCHS SONGS SCHREIBEN IMMER SELBST TRÖSTEN“

Diese Hoffnung aufs Positive prägt auch dein Album sehr. Würdest du dich als Optimisten beschreiben?

Peter The Human Boy: Ja, schon. Ich glaube, ich wollte mich durchs Songs schreiben immer selbst trösten, so auf “Alles wird gut”. Deshalb haben meine Songs nie so etwas Dystopisches, man möchte ja niemandem schlechte Gedanken aufzwängen. Deshalb haben die Songs meistens schon immer einen positiven Vibe. Die einzige Ausnahme war “Stranger‘s Life”, weil der in einem wirklichen Trennungsschmerz-Moment entstanden ist, auch wenn es schlussendlich keine Trennung war. Aber in dem Moment, wo es fast so weit war, habe ich diesen Song geschrieben und war total zerstört. Daher hat der null Hoffnung. Ich habe mir dann auch extrem schwergetan, als er rausgekommen ist und so oft auf FM4 gespielt wurde, obwohl ich gedacht habe, dass der absolut nicht radiotauglich ist. Im Endeffekt war es dann der meistgespielteste Song von mir. Mittlerweile ist es okay für mich. Aber das hat sich sehr neu angefühlt, einen Song rauszubringen, der nicht dieses Optimistische hat, sondern in diesem aussichtslosen Moment verbleibt und keinen Blick nach vorne zulässt.

Features hast du bisher noch nicht wirklich gemacht – es gibt eines, mit JOE TRAXLER. Wie ist das entstanden?

Peter The Human Boy: Der Joe hat mich einfach gefragt. Er war frisch von einem Songwriter-Camp zurück und hat dort gemerkt, dass er voll Bock auf Features hätte. Ich habe das auch lange nicht mehr gemacht, ich war zwar in vielen Bands davor, aber als ich dann in Wien meine Solo-Ding begonnen habe, habe ich mich daran sehr gewöhnt. Ich habe ihm dann so einen halbfertigen Song gezeigt und wir haben ihn dann zusammen fertiggestellt. Er ist schlussendlich nicht auf dem Album gelandet, weil er sich irgendwie nicht ganz eingefügt hat. Aber ich finde, Joe ist ein richtig krasser Musiker und ich hoffe, wir machen wieder mal was. 

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„WENN MAN NUR MIT SICH SELBST ARBEITET, MUSS MAN DA HALT AUCH ALLEINE MOTIVATION FINDEN“

Wie schaut es generell aus mit Features – möchtest du in Zukunft noch ein paar aufnehmen?

Peter The Human Boy: Mein eigenes Ding kann ich immer machen, da bin ich auf niemanden angewiesen. Aber ich habe die Zusammenarbeit schon sehr cool gefunden, vor allem, weil wir uns gegenseitig sehr gepusht haben. Wenn man nur mit sich selbst arbeitet, muss man da halt auch alleine Motivation finden. Deshalb finde ich es ganz gut, mit anderen zusammenzuarbeiten. Aber mal schauen, was da noch so passiert in Zukunft.

Bei dir kann man nicht nur den Sound, sondern auch die Optik hinsichtlich der Musikvideos als retro beschreiben. Ist das eine Eigenschaft deiner Künstlerfigur oder identifizierst du dich damit privat auch?

Peter The Human Boy: Ich glaube tatsächlich, ich habe gar nicht wirklich eine Künstlerfigur. Vor allem in der Indie-Szene ist das oft sehr schwammig und sehr geprägt von diesem Retro-Vibe. Ich bin mit der Musik von meinem Dad aufgewachsen, ihm habe ich viele musikalische Einflüsse zu verdanken. Das Spielen mit echten Instrumenten schlägt für mich einfach alles. Mit moderner Musik ist zwar heutzutage alles möglich, man braucht gar nicht unbedingt diesen ganzen Aufwand, mit dem Instrumente stimmen und so weiter. Man kann mittlerweile so viel mit dem Computer machen. Aber irgendwie fühlt sich das für mich komisch an. Eine kurze Zeit war ich in einer elektronischen Phase, mit 17 Jahren habe ich Dubstep produziert. [lacht] Davon habe ich eigentlich noch sehr viel Wissen und kann das in meine Musikproduktion einbauen, das ist cool. Aber ich bin einfach Fan von diesem komplett Analogen. Zum Teil habe ich Songs mit Tonband aufgenommen. Das ist teuer, aber hat einen ganz eigenen Charakter. Die meisten Leute checken wahrscheinlich nicht einmal, womit das aufgenommen wurde, aber für einen selbst ist das ziemlich magisch. Das Schöne ist, man macht nicht so viele Takes damit, weil man weiß, wenn man das jetzt nochmal probiert, muss das besser sein als das davor, weil man das bei einem Tonband ja überschreibt. Man hat einfach eine limitierte Anzahl an Spuren und kann praktisch nichts editieren. Ich möchte auf jeden Fall weiterhin damit arbeiten, weil es einen zwingt, die beste Version zu spielen, die man spielen kann. Das Digitale lädt so zum Faulsein ein, da spielt man halt ein paar Mal und schneidet es dann zusammen, sodass es perfekt ist.

Bild Peter the human boy
Peter the human boy (c) Florian Goethling

„ICH WÜRDE AUCH GERNE NOCH EIN 100. ALBUM MACHEN“

Du wirst des Öfteren auch mit der norwegischen Band BOY PABLO verglichen. Wie stehst du dazu?

Peter The Human Boy: Das freut mich eigentlich. Ich habe sie einmal in Barcelona beim Primavera Sound gesehen – und das war echt eines der coolsten Konzerte auf dem Festival. Die haben halt auch so verträumte Gitarren-Riffs und sind echt nicht schlecht. Ich höre sie sonst nicht wirklich, aber ähnliche Musik. Die letzten Monate habe ich durch den ganzen Stress aber privat gar keine Musik gehört, darauf hätte ich jetzt wieder voll Lust. Das sollte ich wieder aktiv machen.

Jetzt hast du ja erst einmal einen Konzertsommer vor dir – und was passiert danach? Ein drittes Album?

Peter The Human Boy: Ich würde auch gerne noch ein 100. Album machen. [lacht] Ich freue mich darauf, wieder neue Sache auszuprobieren und habe schon ein paar Songs auf der Seite, mit denen ich arbeiten will. Beim nächsten möchte ich auch gleich mit der Idee, ein Album zu machen, herangehen. Das erste Album war für mich ein bisschen ein Experiment, ob ich das überhaupt kann. Danach habe ich einfach nur Songs gemacht, ohne an ein Album zu denken und habe sie jetzt irgendwie zusammengelegt. Die Songs sind halt doch alle in unterschiedlichen Phasen entstanden und liegen teilweise zwei Jahre auseinander. Sie spiegeln trotzdem alle mich als Person wider, die wirklichen Unterschiede höre vermutlich nur ich, weil ich es so gut kenne. Aber deshalb fände ich es spannend, beim nächsten Album alles aus einem Guss zu machen. 

Noch eine letzte Sache, die ich unbedingt wissen möchte: Wie bist du zu deinem Namen gekommen?

Peter The Human Boy: Ich weiß es auch nicht so genau, ich glaube, es ist eine Mischung aus Tyler The Creator und Finn The Human von “Adventure Time”. Ich wollte total offenlassen, was ich für Musik mache, weil ich das damals selbst noch nicht gewusst habe. Daher habe ich einfach die most basic information über mich selbst benutzt, meinen Namen, das Geschlecht, mit ich mich identifiziere und meine Spezies. Das „human“ ist zwar irgendwo klar, wir hören ja keine Vogelmusik auf Spotify. Aber irgendwie finde ich es schön, weil es einen daran erinnert, dass es auch andere Sachen gibt.

Danke für das Gespräch!

Katharina Reiffenstuhl

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