INNODE veröffentlichen mit „grain” (VÖ: 19.04.2024) ein neues Album auf Editions Mego. Hat man von der Klangbaudreiecksbeziehung zwischen BERNHARD BREUER, STEVEN HESS und STEFAN NÉMETH einmal gehört, weiß man: Die Top-Forty werden’s eher nicht. Deshalb kommt die dritte Platte wie auch ihre vorangegangen auf Mego raus, was passt, weil dort steht elektronische Musik auch nach Peter Rehberg mit dem Rücken zum Dancefloor, das heißt: Kopf ein, Körper aus. Und bitte nur die richtigen Fragen.
Suchst du nach dem perfekten Loop?
Stefan Németh: Eher Bernhard [Breuer, Anm.], er hat eine Faszination für unrunde Rhythmen entwickelt, weil er sein Spiel am Schlagzeug loopt und darüber improvisiert. Dieses Unrunde kommt bei uns immer wieder vor, ist aber nicht immer als Schlagzeug erkennbar, was spannend ist, weil ich mich daran abarbeiten kann. Diese holpernden Strukturen sind ungewohnt für mich. Ich baue eher einzelne Sounds, die ich isoliert bearbeite, um sie miteinander in einem spielerischen Pattern funktionieren zu lassen.
Wie meinst du das?
Stefan Németh: Wenn ein Loop in sich Überlagerungen und Verzögerungen hat, stelle ich mir die Frage: Wie kann ich es steigern? Und vor allem: Wie bekomme ich einen Verlauf hinein, der künstlerisch Sinn macht, also auch zu Brüchen führt, die mich überraschen können. Das führt manchmal bis zum Braimix.
„ICH HABE KEINE EGOPROBLEME.”
Zu Innode gehören neben Bernhard und dir auch Steven Hess. Was kam von ihm?
Stefan Németh: Auf der aktuellen Platte zu wenig, weil er gesundheitlich verhindert war. Dadurch konnten wir nicht zu dritt ins Studio, was schade ist, weil das gemeinsame Recording bei uns den energetischen Unterschied macht – gerade zwischen Bernhard und Steven. Beide verstehen sich wahnsinnig gut, arbeiten aber in unterschiedlichen Registern. Während Steven mehr abstrakt in Sounds arbeitet, fokussiert sich Bernhard auf konkrete Rhythmik. Das hätte ich gerne live eingefangen, so ist die Platte überwiegend künstlich entstanden, mit dem Hin-und-Herschicken von Files.
Das bedeutet auch: mehr Arbeit für dich?
Stefan Németh: Definitiv, außerdem ist die große Herausforderung, Platz zu lassen. Wenn man nämlich die einzelnen Tracks hört, klingt das nicht nach viel, es ist aber im Detail viel Kleinzeug, wofür ich Räume schaffen will. In der Hinsicht habe ich viel von Nik Hummer gelernt, er hat ein tolles Verständnis dafür, welche Sounds er im Mix welchen Platz zuweist.
Magst du das noch ein wenig ausführen?
Stefan Németh: Nehmen wir den Song „Splitter”, er geht von einer Loopidee von Bernhard aus. Das Stück fixiert sich auf eine seltsame Rhythmik, die in diesem Loop steckt – alles ist da drin, ich konnte dazu keine Veränderung finden, die innerhalb dieser Struktur Sinn gemacht hätte. Also lag der Track ein halbes Jahr rum, bis ich draufgekommen bin, dass er so sein muss, wie er ist. Gut, ich habe ein paar Verzierungen im Sounddesign hinzugefügt, um manche Stellen zu akzentuieren oder zurückzudrängen, aber: Das war es.
Es zu lassen, wie es ist – schwierig für dich?
Stefan Németh: Naja, das Erkennen ist schwierig. Meistens habe ich das Bedürfnis, starke Veränderungen zu provozieren, das ist in der Arbeit mit Bernhard oft gar nicht möglich. Ich habe damit aber, wie auch Bernhard und Steven, keine Egoprobleme. Wir lassen so viel zu und uns auf Ideen ein, ohne vorher zu wissen, wohin sie führen. Aus diesem gegenseitigen Vertrauen entstehen Resultate, zu denen ich allein nie kommen könnte. Trotzdem ist es schwierig zu erkennen, wann etwas für sich stehen muss und wo es mehr braucht. Manchmal ist der Loop nämlich nur eine Keimzelle, aus dem man etwas Großes baut. Herauszufinden, dass die Zelle das Große sein kann, das ist die Herausforderung.
Der Loop muss also so bleiben, wie er ist, weil er immer schon perfekt war?
Stefan Németh: Ja, aber das ist nicht leicht, ich arbeite eher mit unterschiedlichen Teilen, die in ihrer Zusammensetzung zu Twists führen. Die langsame Entwicklung des Loops, der sich im Loop verändert wie im Techno, ist mein Lernprozess.
Was musst du lernen?
Stefan Németh: Wie sich so ein statischer Loop entwickeln kann, damit er über einen längeren Zeitraum spannend bleibt. Hör dir Stücke von Oren Ambarchi an, manche dauern 15 Minuten, entwickeln sich unmerklich, es wird nie fad. Wenn ich das probiere, habe ich den Eindruck, es ist schnell fad.
Ich widerspreche. Du hast nie nach neuen Sounds gesucht, sondern mit Innode im Bestehenden getüftelt. Deshalb funktioniert euer Debüt noch immer, das kam immerhin vor elf Jahren raus.
Stefan Németh: Stimmt, die Suche nach neuen Sounds war damals schon, naja, nicht abgeschlossen, aber es wäre fast unmöglich gewesen, etwas Neues beizutragen. Für mich ging es mit Innode also nie um den reinen Sound. Ich arbeite eher mit basics und darin mit den Strukturen, das heißt, ich beschränke mich auf wenige Tools, die ich kenne. Es sind Synthesizer, die für sich stehen, ihren Charakter und vor allem nicht endlose Möglichkeiten zur Veränderung haben. Das mag nicht den Trend der Zeit abbilden, allerdings bin ich auch nicht mehr 25.
Deshalb veröffentlicht ihr bei Editions Mego, wer macht das Label aktuell?
Stefan Németh: Technisch hat es seine Tochter Natasha geerbt, sie kümmert sich aktuell um Social Media. Isabelle Piechaczyk, seine ehemalige Partnerin, gestaltet die generelle Linie des Labels im Sinne von Peter. Und Morr Music macht inzwischen den Vertrieb, weil in den letzten Jahren so viele Bestellungen über Mailorder reinkamen, dass sie im Substance [Plattenladen in 1070 Wien, Anm.] an ihre Grenzen gekommen sind. Wie es mit Mego weitergeht, ist trotzdem nicht fix. Peter hat das Vollzeit betrieben, war immer unterwegs, hat alles aufgesaugt. Manchmal wird das zu viel gewesen sein.
Abschließend, was beschäftigt dich als Nächstes?
Ich habe vor ein paar Jahren begonnen, klassische Gitarre zu lernen, weil ich es auch einmal können wollte. Das hat in mir eine Ehrfurcht vor dem Instrument ausgelöst. Zuvor habe ich die Gitarre ja eher als Klangquelle verwendet, also eher mit ihr als sie gespielt. Jetzt trete ich auch spielend auf. Wer weiß, vielleicht mach ich das in Zukunft ja öfter.
Danke für deine Zeit!
Christoph Benkeser
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