„Ich arbeite gerne mit Zwei- bzw. Mehrdeutigkeiten – ich bin mir sehr bewusst, dass die Texte oft schwer verständlich sind“ – LAN REX im mica-Interview

LAN REX heißt das neue Musikprojekt von LENA „LENS“ KÜHLEITNER. Nach ALMEIDA und ABSATZ1 hat Lens mit LAN REX zum ersten Mal Aufnahmen produziert und ist somit auch abseits von Live-Bühnen erlebbar geworden. Endlich, möchte man sagen, denn LAN REX kombiniert auf mutige Art verschiedene Klänge, Motive und Emotionen, die teils bewusst verzerrt werden. Mit Itta Francesca Ivellio-Vellin hat Lens über die Produktion des Musikvideos von „Relegate“, musikalische Inspirationen und die Arbeit für das pink noise Camp für FLINTA*-Musiker*innen gesprochen.

Ende Mai ist deine Debütsingle erschienen, gleichzeitig mit einem großartigen Musikvideo. Mit wem hast du da zusammengearbeitet? Wie ist es entstanden?

LAN REX: Ich war eigentlich nie ein großer Fan von Musikvideos oder Aufnahmen, aber mit diesem Release hatte ich irgendwie Lust, ein Video zu machen. Zuerst habe ich mich bei Personen, die Musikvideos professionell machen erkundigt, wieviel so etwas kosten würde und dann hat sich herausgestellt, dass das für mich momentan nicht möglich ist. Ich mache aber selber gerne Videos, so DIY-mäßig mit einer Spiegelreflexkamera. Dann habe ich in meinem näheren Umfeld gefragt, wer da Interesse hätte, mitzumachen, und so bin ich zu vier Menschen gekommen, die das mit mir gemacht haben: Bettina Mar, Kem, Mara Harlander und Hanna Fasching (Fotos). Wir hatten alle vier keine bzw. kaum Erfahrung mit Filmen bei einem Musikvideo.

Das Konzept davon stammt ja in erster Linie von dir, stimmt das?

LAN REX: Ja, im Vorhinein ist schon viel Arbeit passiert. Dazu habe ich mir das Konzept mit dem leeren Pool überlegt und auch fast alles drumherum organisiert. Die Pools werden grundsätzlich nur einmal im Jahr gereinigt, zumindest am Land ist das so, wir hatten also etwas Glück mit dem richtigen Zeitpunkt. Ich wollte das unbedingt, denn es ist so ein Ort, an dem man irgendwie nie ist, zumindest nicht auf diese Art. Ich habe auch so eine starke Verbindung zu Wasser – wenn’s mir schlecht geht, möchte ich immer gern ins Wasser springen. In dem Song geht es auch um nicht so coole Sachen, also Mental Health Struggles und das fand ich spannend, das so (direkt) zu übersetzen. Also, dass ich quasi in diesem Pool bin, aber es gibt eben kein Wasser, kein Schwimmen. Das, was ich gerne hätte, gibt es eben nicht – dafür aber etwas anderes.

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Hast du davor schon Erfahrung mit Tanz gemacht?

LAN REX: Ich habe mir in den letzten Jahren nie zugetraut, zu tanzen, hatte aber voll Lust darauf und deshalb beschlossen, das ein bisschen für mich zu gewinnen. Ich tanze sehr gern beim Ausgehen, aber habe das noch nie vor einer Kamera gemacht. Dafür habe ich mit Mzamo Nondlwana zusammengearbeitet und konnte für drei Tage ein Tanzstudio (dank Unterstützung von engen Menschen) mieten. Ich hatte schon Bewegungsideen im Kopf, an denen wir dann weitergearbeitet haben. So haben wir fünf Bewegungsqualitäten für dieses Lied gefunden. Das war eine tolle Zusammenarbeit. Wir haben keine Choreographie entwickelt, sondern Mzamo hat mich ermutigt, innerhalb dieser fünf Qualitäten bestimmte Gefühle/Themen in Bewegungen zu performen.

Wie war das für dich, die Kameras auf dir zu spüren?

LAN REX: Schwierig. Aber das war auch etwas, was mich sehr interessiert hat. Die Kameramenschen sind ja auch Leute, die ich sehr gut kenne und die mich sehr gut kennen. Ich fand es interessant, mit dem Blick zu arbeiten, den andere auf mich haben, und in diesen Filmen zu übersetzen. Das hat voll gut funktioniert, es sind voll schöne Bilder dabei herausgekommen. Ich bin sehr kritisch und kann mich oft selbst nicht so gut anschauen, aber ich habe ja das ganze Video selbst geschnitten und fand es dann doch sehr leicht. Einerseits fand ich es super, dass ich mich dadurch selbst in Material verwandelt habe, ich habe da auch gar nicht mehr so sehr darauf geachtet, wie ich aussehe, sondern mich auf den Schnitt konzentriert. Andererseits war es auch einfach, weil die Leute extrem schöne Bilder gefilmt haben.

Bei deinen Texten ist oft nicht auf den ersten Blick erkenn- bzw. hörbar, worum es geht. Ist das absichtlich?

LAN REX: Ich arbeite gerne mit Zwei- bzw. Mehrdeutigkeiten – ich bin mir sehr bewusst, dass die Texte oft schwer verständlich sind. Ich arbeite auch viel mit fragmentarischen und zerstückelten Elementen. Es passiert oft, dass ich erstmal etwas Kohärentes schreibe und dann Textteile herausnehme, damit es niemals ganz so klar ist. Die Singweise ist jetzt auch nicht ganz konform mit einem Mainstream-Verständnis von verständlichem Singen. So wie du sagst, es ist teilweise einfach nicht verständlich. „Relegate“ ist ein zweideutiger Text zum Beispiel. Im Refrain heißt es ja, „relegate me to my modicum of promise”. Ich weiß bis heute nicht, ob das jetzt grammatikalisch korrektes Englisch ist und finde es auch egal. Es heißt quasi „sie drücken mich runter bis zu meinem letzten Funken Hoffnung“, also super dramatisch. Den Text kann man sowohl auf systemische Ebenen anwenden, ganz grob gesagt als Kritik an Kapitalismus und Verschränkungen mit verschiedenen Diskriminierungsmechanismen – dazu ist zu sagen, dass ich definitiv eine sehr privilegierte Person bin. Die zweite Ebene wäre eine vermeintlich persönliche die wiederum mit Mental Health zu tun hat – also ein ganz bestimmtes ich werde runtergedrückt, gerade in diesem Moment.

Bild Lan Rex
LAN REX (c) Hanna Fasching

Wie sieht es aus mit dem Song „On to the“? Davon gibt es ja auch einen Remix von Mala Herba. Wie ist das zustande gekommen?

LAN REX: „On to the“ hat ein bisschen eine ähnliche Story wie „Relegate“. Den Song habe ich nach einem sehr gewaltvollen und queer-feindlichen Erlebnis im Park vor meinem Haus geschrieben. Deshalb habe ich auch mit viel Wiederholungen durch die Loops gearbeitet, weil es mit jeder Wiederholung mehr Kraft ausstrahlt. Der Song war einer der ersten Songs, die ich noch als Absatz1 live aufgeführt habe, also begleitet er mich schon eine ganze Weile. Der Remix ist über eine Instagram-Nachricht zustande gekommen, weil Mala Herba mir geschrieben hat, ob’s möglich wäre, einen Remix zu machen. Ich bin großer Mala Herba Fan und wurde auch sehr beeinflusst von Mala Herba in meinem Schaffen, deshalb war das natürlich echt großartig.

Was oder wer hat dich neben Mala Herba noch beeinflusst und inspiriert?

LAN REX: Das ist nicht so leicht zu beantworten. Ich war eigentlich immer so „Ich spiele alleine mit meiner Gitarre“. Als jugendliche Person habe ich viel Kat Frankie gehört und das war auf jeden Fall wichtig, weil ich da das Loopen kennengelernt habe. Gesanglich hat Kat Frankie auch eine sehr breite Range, und ich habe auch immer das Bedürfnis, in den Höhen zu singen, weil ich mich da sehr wohl und zuhause fühle, auch wenn sie nicht immer richtig intoniert sind. Ansonsten hat mich in Wien Lana Prerad beeinflusst, die jeden Sonntag im Au in der Brunnengasse aufgelegt hat. Da war ich die ersten Male so richtig alleine aus zum Tanzen und da waren kaum Leute, aber ich habe mich so richtig ausgetanzt – das war großartig. Da war eben viel Wave und Dark-Wave dabei, was ich davor nicht wirklich kannte, also war das auch wichtig für mich, um neue elektronische Musik kennenzulernen. Extrem war für mich auch in die Organisation vom pink noise Camp zu kommen, weil ich da viele andere Musiker*innen kennengelernt habe, die auch mit so einem DIY-Ansatz Musik machen und sich ausprobieren.

Kannst du kurz erklären, was das pink noise Camp ist und was du da machst?

Bild LAN REX
LAN REX (c) Hanna Fasching

LAN REX: Eigentlich gibt es das pink noise Camp schon seit vielen Jahren, das findet jeden Sommer in Hollabrunn statt. FLINTA*s zwischen 15 und Anfang 20 können da kommen, und es werden Bands geformt und es wird viel Zeit im Proberaum verbracht. Neben den Bands gibt es aber auch andere Workshops, zum Beispiel über Loopen, Effektgeräte oder Schlagzeug. Leute ohne Vorerfahrung und ohne Vorwissen können hinkommen und einfach ausprobieren. Es kommen auch immer richtig coole Bands dabei heraus, die am letzten Abend im Schlachthof in Hollabrunn performen. Es ist immer super inspirierend zu sehen, was Leute innerhalb von einer Woche erschaffen können. Ich bin da eben in der Organisation tätig.

Es gibt aber auch Workshop-Wochenenden abseits des Camps.

LAN REX: Ja, genau. Die sind auch offen für Personen jeden Alters. Das pink noise Weekend hat dieses Jahr zum 2. Mal stattgefunden.

LAN REX ist dein drittes Musikprojekt, soweit ich das weiß. Zuerst gab es Almeida mit Michael Day, dann das Soloprojekt Absatz1 und jetzt eben LAN REX. Wie war da die Entwicklung?

LAN REX: Absatz1 war im Grunde der Vorlauf von LAN REX. Mit Absatz1 habe ich meine ersten Auftritte mit Drum Machine und Synthesizer und Stimme gehabt. Je nach Budget kamen dann immer mehr Sachen hinzu und dadurch hat sich das Set irgendwie ausgebaut. Bei Absatz1 war es immer sehr wichtig, von Konzert zu Konzert zu leben und keine Aufnahmen zu machen, um sich/mich Wiederholbarkeit zu entziehen. Da habe ich immer sehr spontan und improvisiert gespielt, oft super neue Songs von den Tagen davor. Mit Absatz1 bin ich dann auch in Kunst- und Kulturvermittlungsprojekte reingekommen und habe da in unterschiedlichen Settings Workshops gegeben, zum Beispiel im Tanzquartier Wien oder bei der Wienwoche.
Vor Absatz1 oder Almeida habe ich auch immer schon Musik gemacht, mich aber wenig auf Bühnen begeben oder Publikum aufgesucht – dazu habe ich eine Weile gebraucht und vor allem die richtige Szene kennenlernen müssen – für mich der DIY Underground.

Du hast aber jetzt keinerlei Ausbildung im musikalischen Bereich, sondern bist autodidaktisch vorgegangen, oder?

LAN REX: Ja, genau. Ich muss auch immer ein bisschen grinsen, wenn ich weiß, dass Leute im Publikum sind, die Ahnung von Synthesizer und so haben und ich da halt einfach so rumdrück und aber super viel Spaß dabei habe. Ich muss aber auch sagen, dass ich das Equipment, das ich habe, vermutlich nur zu einem Bruchteil kenne. Ich habe leider nicht die Zeit und Geduld, mir da viele Tutorials anzusehen oder so. Alles, was ich kann, mache ich und das finde ich super so.
Vielleicht aber spannend – das autodidaktische Vorgehen und Musikmachen hat mir aber jetzt tatsächlich neue Optionen eröffnet und seit März studiere ich an der Akademie der bildenden Künste Performative Kunst.

Vielen Dank für das Gespräch!

Itta Francesca Ivellio-Vellin

 

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LAN REX live:
22. Juli 2021: ImPulsTanz – Vienna International Dance Festival / Impulstanz soçial im Kursalon Wien

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Link:
LAN REX