„Hirn fein hacken“ – Interview mit Bulbul

Am 5. September tritt das Free-Rock-Trio Bulbul – zusammen mit der Trompeterin, Sängerin & Performerin Liz Allbee – anlässlich der 50. Ausgabe des freiStil-Magazins für Musik und Umgebung im Wiener rhiz auf, Beginn: 21.30 Uhr. Im folgenden Auszug aus dem Gespräch mit Alois Sonnleitner – es fand im obersteirischen Schrattenberg (Hotel Pupik) statt, wo Bulbul mit Oliver Brunbauer Aufnahmen zur neuen Platte einspielten – erzählen Raumschiff Engelmayr (Fredl), derhunt (Ratti) und Didi Kern (Didi) einiges über die Platte, die Rolle der Texte und der Performance und über die neue Neigung zu mikrotonaler Musik.

Habt ihr schon ein Label für die neue Platte?

Fredl: Das bleibt so wie beim letzten Mal: Rock is Hell und Exile on Mainstream. Was super ist, weil beide Labels einen ziemlich speziellen Job machen. Der Jochen (Summer) macht das auf eine ganz eigene Art extrem gut. Der verkauft auch alle seine Tonträger, das ist ja ein Wahnsinn eigentlich bei Musik, die der macht. Der sucht sich die Leute international zusammen, viele davon aus Amerika. Das fasziniert mich schon, weil der macht das besser als alle anderen Labels aus Österreich, soweit ich die kenne. Und der Exile on Mainstream ist ein höchst idealistischer Mensch, der das seit Jahren vorantreibt.

Wo operiert der?

Fredl: In Borkheide, das ist in der Nähe von Berlin.

Didi: Mitten im Wald wohnt der.

Sprechen wir doch über die Performance, die mir bei euch immer schon wichtig vorgekommen ist. Egal, ob du, Fredl, dich allein ins Publikum geworfen hast, oder ob ihr in Hühnerkostümen aufgetreten seid oder in Frauenkleidern. Immer wurde offenbar mit der Musik ihre Inszenierung mitgedacht. Oder bilde ich mir das nur ein?

Didi: Es hat auch Sonnenblumen und lauter so Zeugs gegeben.

Fredl: Naja, erstens sehe ich mich nicht in erster Linie als Gitarrist, für mich ist das Gesamtbild wichtiger. Es gibt Gitarristen, denen es ausschließlich ums Gitarrespielen geht, um die Technik, um den Sound. Das war bei mir nie so. Ich bin auch überhaupt kein leidenschaftlicher Gitarrist. So gesehen, sind unsere Rollen eigentlich vertauscht. Ich spiele gern immer dasselbe und bin froh, wenn ich mir merke, wie’s geht, und der Ratti kann sich drüberlassen …

Ratti: Abgesehen davon, ist es oft einfach lustig, sich zu verkleiden. Damit zeigt man auch, dass man nicht alles so bierernst nimmt. Und: Wir sind halt einfach drei Buben, eine Buben-Rockband, und könnten genausogut alle mit dem Kapperl und der Lederjacke obenstehen, mit dem Fuß auf den Monitor treten und herumschlazen und -brüllen …

Fredl: … oder I was made for loving you singen. Es gibt halt Leute, die haben keine Bühnenidentität. Die sind wie vorher, und auf der Bühne verändert sich nix. Find ich aber auch super. Bei mir ist das halt vom Charakter her nicht so drin.

Aber ihr treibt ja keinen Schabernack um jeden Preis?

Fredl: Das Komische ist, dass es ja eigentlich keine Performance ist, was wir machen, das ist ja nicht oder kaum durchdacht. Oft entsteht etwas während einer Tour.

Ratti: Dieses Steve le Postla-Break etwa hat damit angefangen, dass wir Kung-fu machen, und das solange, bis jemand zu lachen beginnt oder nur mehr blöd herumsteht. Und das war schon witzig, weil von diesem Break hat’s schon so viele Versionen gegeben, und das auf einer Tour jeden Abend anders. Ein Rennert’s rund um die Instrumente zum Beispiel. Der Regenschirm, der Tennisschläger und die Radfelge waren auch ursprünglich gedacht als Steve le Postla-Break. Mittlerweile machen wir halt eine eigene Nummer damit. Ich finde überhaupt, dass wir noch viel mehr mit komischen Instrumenten ausprobieren sollten.

Fredl: Da bist du ja auch ein Meister im Posing. Bei mir sind’s immer die gleichen Sachen, die daherkommen. Wenn ich dann Fotos davon sehe, denke ich mir schon: um Himmels Willen!

Didi: Bei diesen Verkleidungssachen denke ich mir schon, ob das nicht zu einer Verlängerung des Wohnzimmers geworden ist.

Ratti: Du meinst unsere kuratierten Abende im rhiz …

Didi: … ja, und vorher schon die Fitze Fatze-Sache, wo wir acht Abende hintereinander gespielt haben, sieben Tage mit Gästen und einmal nur Bulbul. Dann übers Jahr verteilt, als wir die zehn Geburtstagskonzerte gemacht haben.

Wen habt ihr da aller eingeladen?

Didi: Im ersten Jahr waren es halt Leute, die man in Wien kennt und die einem zum Gesicht stehen: Martin Zrost, dieb13, Wolfgang Fuchs, alle möglichen …

Ratti: … Leonid Soybelman, das war auch ein Highlight. Da hat man sich am Nachmittag alles ausgemacht, dann ist man essen gegangen, und dann wurde gespielt.

Didi: Und beim Zehnjahresding war es eigentlich nur mit der Carla Bozulich so, mit allen anderen haben wir uns schon brav hingesetzt und drei, vier Mal geprobt, mit  Maja Osojnik, Philipp Quehenberger, Martin Siewert, Susanna Gartmayer …

Ratti: … und der letzte Abend war mit der rhiz-Belegschaft, zu Silvester.

Was mir interessant vorkommt, ist die Rolle der Texte bei Bulbul, vor allem diese Mischung aus Lyrics und Lautmalerei und die Verwendung von, sagen wir, Kunstsprachen.

Ratti: Also ich lass mir immer vor den Proben vom Fredl die Texte schicken, und zwar weil ich sie gut finde und sie immer Geschichten erzählen. Es geht schon immer um etwas, und man kann dennoch immer verschiedene Sachen hineininterpretieren. Es sind eben nicht so klassische „Sie hat mich verlassen, und ich bin traurig“-Texte.

Handelt es sich tatsächlich immer um durchgetextete Songs?

Fredl: Was mir wichtig ist bei einem Text, weil ich mich sehr wohl damit auseinandersetze, dass dadurch ein Bild entsteht. Wobei ich schon dazusagen möchte, dass mir Musik auch gefallen kann, wenn ich den Text schlecht finde. Im Lauf der Zeit hab ich bemerkt, dass mir ganz unterschiedlich angelegte Texte gefallen, nicht nur narrative. Aber das ist eh nichts Neues. Ich kenn mich in der Literatur nicht so gut aus, aber es hat ja auch Jandl und so Leute gegeben, wo es oft abstrakt oder lautmalerisch angelegt ist. Ich finde Texte gut, wenn Bilder entstehen. Und dass Bilder entstehen, hat nichts damit zu tun, dass man eine Geschichte erzählt oder dass man die Gesellschaft kritisiert. Es kann so sein, aber es ist nicht zwangsweise so. Früher ist es mir schon so gegangen, dass ich froh war, wenn ein Lied endlich fertig wurde, und dann labert man halt am Schluss irgendetwas drüber.

Es entsteht also zuerst die Musik, und dann kommt ein Text dazu?

Fredl: So war’s eigentlich zu achtzig Prozent. Es hat aber auch immer schon Texte unabhängig von der Musik gegeben, die dann irgendwann einmal zu einem Song dazugepasst haben. Das hat teilweise bis zu zehn Jahren gedauert. Loss mei Hen in Ruah ist zum Beispiel so ein Text aus der Eisen-Plattenphase. Also ich mach das jetzt bewusster, dafür dauert’s auch ein bissel länger. Aber ich will jedenfalls nicht, dass das unterschätzt wird.

Ich hab das eh nicht abwertend gemeint. Manchmal höre ich  Anklänge an surrealistische oder dadaistische Texte heraus oder zu jenen der Wiener Gruppe. Die Texte sind alle von dir, Fredl?

Ratti: Die sind alle von ihm. Wir steuern dann verschiedene Geräusche bei.

Didi: Aber die sind dann auch wieder aus diversen Genres zusammengefladert.

Fredl: Und ich brauch ziemlich lang für die Texte, weil ich nämlich einen Filter eingebaut hab. Oft sind Texte schon lange fertig, und wenn ich den Song dann zwanzig Mal gehört hab, kann es sein, dass ich das Gefühl hab, der Text hat nicht solange Bestand, der hält das nicht aus. Dann muss er wieder weg. Es gar nicht so einfach, die richtigen Worte zu finden.

Es gibt ja auch so viele …

Fredl: Wenn man etwas mit einem Text ausdrücken will, kommt das oft gar nicht so gut rüber, als wenn man es mit Musik ausdrückt. Wenn ich mit allem konform gehe, dann mach ich wahrscheinlich auch eine dementsprechende Musik.

Standen eure Hendlkostüme eigentlich in direktem Zusammenhang mit deinem langjährigen Hendl-Zeichnen?

Fredl: Das war die Idee vom Ratti. Obwohl auf unserer ersten Platte ist ja auch schon ein Hendl drauf. Ich weiß es nicht mehr, ich hab ja zurzeit fünfhundert Hendln daheim, ein bisschen mehr.

Didi: Ich war einmal beim Fredl daheim, da hängt irgendwo im Eck ein Foto. Da steht der Großvater mit einem Hendl im Arm. Aha, hab ich mir gedacht, da kommt das alles her.

Wie wird denn eigentlich die neue Platte? Ganz andere Richtung als gehabt, oder wollt ihr noch nichts dazu sagen?

Didi: Na, schon. Das eher Lautere nicht unbedingt. Blödsinn wird auch wieder drauf sein. Aber eher weiter weg von Metallica als zuvor. Manches wird lustig zerlegt, manchen wird intelligent zerlegt, anderes wird gar nicht zerlegt.

Fredl: Vor allem haben wir diesmal ein neues Instrumentarium im Repertoire, als da sind ein Tennisschläger, ein Regenschirm und eine Radfelge.

Ratti: Was auch die lange Entwicklungszeit dieser Platte erklärt. Wir haben das alles erst lernen müssen. Das dauert zwei, drei Jahre, bis man darauf fit wird.

Fredl: Und das, würde ich sagen, sind mikrotonale Instrumente. Oder dass es Instrumente sind, mit denen man mikrotonale Musik aufnehmen kann. Das sind nur Saiteninstrumente eigentlich, so selbstgebaute Monochorde, wo der jeweilige Resonanzkörper sich von den anderen unterscheidet. Du hast also mit jedem Korpus ganz andere Möglichkeiten. Aber es ist halt kein Schlaginstrument dabei. Darum sind wir hier in Schrattenberg auf der Suche nach einem Bauernhof-artigen Harry-Partch-Schlaginstrument, um dann, so ist mein Plan, mindestens zwei mikrotonale Stücke aufzunehmen.

Didi: Vielleicht sollten wir’s machen wie ihr in den Anfängen ohne Zahn, dass wir ein Schlagzeug auf drei Leute aufteilen müssen, und so wird’s dann hineingespielt.

Fredl: Und das Motto der neuen Platte lautet Hirn fein hacken – nach Plachutta.

Didi: Naja, eher frei nach Plachutta …

Das ganze Gespräch ist im aktuellen, auf 60 Seiten erweiterten freiStil-Magazin nachzulesen, nebst Porträts von Dorothea Schürch, Heiner Goebbels, Klaus Lang, Charlotte Hug, Dieter Glawischnig, Stian Westerhus, Hotel Pupik, etlichen Liveberichten, Labelporträts u.v.a.m.
Das Heft liegt österreichweit in diversen Clubs auf (in Wien im mica, Blue Tomato, rhiz, echoraum etc.) oder kann direkt bestellt werden unter http://freistil.klingt.org, freistil@klingt.org.

Bulbul + Liz Allbee, rhiz, 5.9., 21.30 Uhr

Foto Bulbul: David Murobi

Link:
BULBUL
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